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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.04.2009
Aktenzeichen: 11 U 74/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 929 Abs. 2
Nimmt die Urschrift einer Beschlussverfügung wörtlich auf eine farbige Anlage Bezug, so setzt eine ordnungsgemäße Zustellung der Beschlussverfügung zum Zwecke der Vollziehung voraus, dass die Anlage in der zugestellten Ausfertigung ebenfalls enthalten ist.
Gründe:

I.

Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) wendet sich im Wege der einstweiligen Verfügung gegen das Inverkehrbringen von sogenannten ...-Skulpturen durch die Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte).

Die Klägerin ist nach ihrer Behauptung exklusive Nutzungsberechtigte an zwei von der Designerin X geschaffenen ...-Figuren. Die mit dem Verfügungsantrag angegriffenen ...-Figuren waren auf einem Stand auf der Messe ... in ... ausgestellt sowie in einem auf der Messe verteilten Katalog abgebildet.

Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, dass sie aufgrund exklusiver urheberrechtlicher Nutzungsrechte der Beklagten das Anbieten und das Inverkehrbringen dieser ...-Skulpturen verbieten könne. Das Landgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung am 14.08.2008 im Beschlusswege erlassen (Bl. 37 - 39 d. A.). Auf den Widerspruch der Beklagten, mit dem sie die Urheberrechtsfähigkeit der von Frau X geschaffenen Skulpturen, eine Verletzung des angeblichen Urheberrechts, die Aktivlegitimation der Klägerin, ihre (der Beklagten) Passivlegitimation, die Dringlichkeit des Verfügungsantrages sowie die ordnungsgemäße Vollziehung der Beschlussverfügung bestritten hat, hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil die Beschlussverfügung bestätigt. Wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf das Urteil Bezug genommen (Bl. 109 - 118 d. A.).

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt. Ferner verweist sie darauf, dass eine Firma A Limited in Stadt1 (Großbritannien) wegen der von Frau X geschaffenen Skulpturen die im Inland ansässige Firma B GmbH & Co. KG Vertriebs KG abgemahnt und dabei behauptet hat, seit 2006 vertragliche Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Werken zu sein (Abmahnschreiben vom 14.11.2008, Bl. 184 - 186 d. A.).

II.

A) Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

B) In der Sache hat sie auch Erfolg.

1.) Zum einen steht nicht fest, dass der Klägerin der erhobene Verfügungsanspruch aus § 97 UrhG zusteht, da sie ihre Aktivlegitimation nicht glaubhaft gemacht hat.

Nach den bindenden und mit der Berufung nicht mehr konkret angegriffenen Feststellungen des Landgerichts ist allerdings davon auszugehen, dass Frau X die Skulpturen Fensterhocker ... und ... geschaffen und - wie ihre eidesstattliche Versicherung besagt und wie auch von der Beklagten zugestanden worden ist - die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte der Firma C Ltd. überlassen hatte. Dass diese das Vervielfältigungsrecht exklusiv an die Firma D Ltd. übertragen hat, ergibt sich aus dem schriftlichen Lizenzvertrag vom 01.09.2004 (Bl. 14. d. A.) Zwar trifft es zu, dass in Nr. 1. dieses Vertrages auf das in England registrierte Geschmacksmuster Bezug genommen wird. Dennoch ist entgegen der Auffassung der Beklagten mit der Lizenzvereinbarung nicht lediglich ein aus dem Geschmacksmuster folgendes Nutzungsrecht, sondern auch das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht übertragen worden. Dies ergibt sich aus Nr. 2 der Vereinbarung, die besagt, dass der Lizenzgeber dem Lizenznehmer die Lizenz einräumt, das nachfolgend genannte, durch Urheberrecht geschützte ("copyright protected") Material herzustellen und zu verkaufen. Damit sind nicht nur aus dem Geschmacksmuster fließende Rechte, sondern auch Rechte aufgrund des Urheberrechts ("copyright") eingeräumt worden. Die D Ltd. wiederum hat durch den Lizenzvertrag vom selben Tag (Bl. 15 d. A.) der Klägerin exklusiv das urheberrechtliche Vervielfältigungsrecht eingeräumt.

Aufgrund des Vortrags der Beklagten in der Berufungsinstanz kann jedoch nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Lizenzeinräumung zugunsten der Klägerin noch besteht. In beiden vorgenannten Vereinbarungen ist in Nr. 4 eine zeitliche Beschränkung bis 28.02.2005 vorgesehen. Nach der Vertragsklausel verlängert sich der jeweilige Vertrag zwar automatisch, wenn er nicht vorher unter Einhaltung einer Frist gekündigt worden ist. Die Beklagte legt nunmehr aber eine Vereinbarung zwischen der Firma E Ltd. in Stadt1 (Großbritannien) vom 01.10.2006 vor, wonach diese der ebenfalls in Stadt1 ansässigen Firma A Ltd. die exklusiven Herstellungs- und weltweiten Vertriebsrechte an den im Streit stehenden ...-Skulpturen der Frau X eingeräumt hat (Bl. 187 d. A.). Ferner bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Firma E Ltd. befugt war, Exklusivrechte an den Werken der Frau X zu verleihen. Wie sich aus dem Auszug aus dem englischen Design-Register ergibt, ist seit 28.12.2006 die Firma E Ltd. anstelle der Firma C ... Ltd. als Inhaber des Geschmacksmusterrechts eingetragen ist (Bl. 87 d. A.). Es kann mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass die eingetragene Geschmacksmusterinhaberin auch Inhaberin der urheberrechtlichen Lizenzbefugnisse ist und solche exklusiv an die Firma A Ltd. übertragen konnte. Das Auseinanderfallen von exklusiven Urheberrechten einerseits und Geschmacksmusterrechten andererseits an demselben Werk wäre sehr ungewöhnlich und würde zu gegenseitigen Rechtskonflikten der mehreren Rechtsinhaber führen. Daher sprechen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass auch die Lizenzverträge zwischen der Firma C ... Ltd. und Firma D ... Ltd. sowie zwischen dieser und der Klägerin gekündigt worden sind und nicht mehr bestehen. Es widerspricht nämlich auch insoweit der Lebenserfahrung, dass mehreren Personen gleichzeitig dasselbe Exklusivrecht übertragen wird, weil sich der Lizenzgeber gegenüber den jeweiligen Lizenznehmern dadurch schadensersatzpflichtig machen würde. Dazu würde es jedoch kommen, wenn die vorgenannten Lizenzeinräumungen an die Firma D ... und die Klägerin fortdauerten, zugleich aber dasselbe Vertriebsrecht der Firma A Ltd. eingeräumt worden ist. Daher reicht die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Klägerin, wonach die Klägerin seit dem 01.09.2004 eine exklusive Lizenz für den Vertrieb für Deutschland habe (Bl. 11 d. A.), zur Glaubhaftmachung nicht aus, da sie schon inhaltlich zu pauschal ist und auf die Einwendungen der Beklagten mit keinem Wort eingeht.

2.) Zum anderen hat die Berufung deshalb Erfolg, weil die Beschlussverfügung nicht gemäß § 929 Abs. 2 ZPO innerhalb der Monatsfrist ordnungsgemäß vollzogen worden ist. Die fehlende Vollziehung kann die Beklagte mit dem Widerspruch und der Berufung geltend machen (z. B. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2003, 354). Die Vollziehung ist im Streitfall deshalb nicht ordnungsgemäß, weil der Beklagten die zur Ausfertigung der Beschlussverfügung gehörige Abbildung A1 lediglich in schwarz-weißer Kopie der Abbildung A1 und nicht - wie in der Urschrift des Beschlusses - in farbiger Kopie zugestellt worden ist. Eine ordnungsgemäße Vollziehung liegt jedoch nur dann vor, wenn die mit der Beschlussverfügung verbundene farbige Anlage auch in der der Schuldnerin zugestellten Ausfertigung farbig enthalten ist (OLG Hamburg, NJW-RR 2007, 986; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 929 Rdn. 13; vgl. auch OLG Düsseldorf, MDR 1994, 302). Denn die zuzustellende Ausfertigung vertritt die in der Gerichtsakte verbleibende Urschrift des Urteils oder Beschlusses, sie muss demgemäß die Urschrift richtig und vollständig wiedergeben (BGH VersR 1991, 326, 327; Zöller/Stöber, § 169 Rdn. 13), unzulässig ist eine Abweichung der Ausfertigung von der Urschrift in einem wesentlichen Punkt (BGH NJW 1995, 2230, 2231; Rohe in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 166 Rdn. 26). Das gilt gleichermaßen, wenn die Urschrift des Beschlusses zwar nicht in einer körperlichen Verbindung der Beschlussurkunde mit der in Bezug genommenen Anlage besteht, sondern die Anlage durch eine wörtliche Bezugnahme im Beschlusstenor zu dessen Bestandteil wird.

Letzteres ist im Streitfall dadurch bewirkt worden, dass es in der Beschlussurschrift heißt: "... wird ... untersagt, ... die Skulpturen ... und ... gemäß Abbildung A1 ... anzubieten ...". Bei "Abbildung A1" handelt es sich um die farbige Abbildung der Verletzungsstücke (Bl. 8 d. A.). Damit verbietet der Beschluss die genannten Tathandlungen in Bezug auf die farbig dargestellten Objekte. Davon weicht die der Beklagten zugestellte Ausfertigung ab. Dort ist der Verfügungsbeschluss mit einer Kopie der Antragsschrift verbunden, deren Anlage A1 in einer bloßen Schwarz-Weiß-Abbildung besteht. Insoweit unterscheidet sich der zugestellte Titel von der Urschrift in einem wesentlichen Punkt, denn der Umfang der ausgesprochenen Unterlassungspflicht kann sich gerade in Urheberrechtssachen aus der Farbe der von dem Verbot betroffenen Ausführungsform ergeben.

Es kommt deshalb nicht darauf an, dass die Klägerin die ihr vom Gericht übermittelte Ausfertigung der Beklagten zugestellt hat, da eben diese Ausfertigung mangelhaft war.

Praktische Schwierigkeiten, auf die die Klägerin in diesem Zusammenhang hinweist, lassen sich dadurch vermeiden, dass entweder schon dem Antrag nur Schwarz-Weiß-Abbildungen oder weitere farbige Kopien für die Ausfertigungen beigefügt werden. Ebenso wenig ist entscheidend, dass sich der Zustellungsadressat auf die ihm zugestellte Fassung des Titels verlassen darf (dazu Rohe, a. a. O., Rdn. 32 ff.). Das mag zwar in manchen Fällen dazu führen, dass sich der vollstreckbare Inhalt des Titels auf die zugestellte Titelfassung beschränkt, gegebenenfalls aber auch nur den Schuldner kein Verschulden an darüber hinaus gehenden Verstößen trifft. Im Fällen wie dem vorliegenden greifen diese Überlegungen jedoch nicht ein. Denn durch die Bezugnahme auf eine Schwarz-Weiß-Kopie wird der Umfang der Unterlassungspflicht gegenüber einer Farbabbildung in der Regel zu Lasten des Schuldners erweitert. So bedeutet eine Schwarz-Weiß-Abbildung eine Abstrahierung von Farben, so dass sich insbesondere das Verbot nicht auf die aus dieser Abbildung ersichtlichen Grautöne beschränkt, sondern allenfalls auf mehr oder weniger dunkle Tönungen anderer Farben (wie Rot, Blau, Grün, Braun). So wäre es auch im Streitfall.

Eine Übereinstimmung der Anlage A1 mit der zugestellten Kopie besteht auch nicht deshalb, weil die angegriffenen Vervielfältigungsstücke auf der farbigen Abbildung und der zugestellten Kopie die gleiche graue Farbe aufwiesen. Das ist nicht der Fall. Die Farbbildung zeigt die Skulpturen nicht in grauen Farben, sondern in gelbbrauner und in grünbrauner Farbe.

C) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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