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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 06.03.2006
Aktenzeichen: 11 Verg 12/05
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 97
1. Das Gebot, die Bieter gleich zu behandeln (§ 97 Abs. 2 GWB), verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, solche Angebote, die vergaberechtlich an demselben (gleichartigen) Mangel leiden, auch gleich zu behandeln, das heißt, aus dem übereinstimmend vorliegenden Mangel jener Angebote vergaberechtlich dieselben Konsequenzen zu ziehen. Hieraus ist zu folgern, dass unter dem Gebot der Gleichbehandlung nicht das Angebot eines Bieters ausgeschlossen werden darf, zugleich aber der Auftrag auf ein Angebot erteilt werden soll, das an demselben oder einem gleichartigen Mangel leidet.

2. Zur Frage, was unter einem gleichartigen Mangel im Sinne dieser Rechtsprechung zu verstehen ist.


11 Verg 11/05 11 Verg 12/05

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb unter dem 20.04.2005 die Beschaffung von 1400 Stück universeller Einsatzanzüge, zweiteilig mit dem Rückenschild "...", Damen- und Herrenausführung, Ausschreibungsnummer ..., unter anderem im Bundesausschreibungsblatt aus. Die Antragstellerin gab hierauf ein Angebot vom 16.06.2005 ab, das einen Nettobetrag von 241.129,- € umfasste.

Mit Schreiben vom 27.07.2005, das der Antragstellerin per Fax zugeleitet wurde, teilte die Antragsgegnerin mit, sie beabsichtige, den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen. In diesem Schreiben heißt es weiter, das Angebot der Antragstellerin sei nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 Buchstabe a) in Verbindung mit § 23 Nr. 2 VOL/A auszuschließen gewesen, weil nicht die gemäß Veröffentlichung unter III.2.1. sowie in den Ausschreibungsunterlagen zwingend vorgeschriebenen Protokolle und Prüfungsnachweise beigefügt gewesen seien. Bei den fehlenden Unterlagen habe es sich insbesondere um den Nachweis der gemäß Punkt 2.2.15 der TLP 34-7.022 geforderten UV-Prüfung und die Prüfprotokolle des verwendeten stahlblauen Materials gehandelt. Außerdem bezögen sich die der Ausschreibung beigefügten Prüfprotokolle lediglich auf ein moosgrünes Material und Prüfprotokolle/Musterproben für das permanent schwer entflammbare Flauschband für den Außenbereich am Einsatzanzug (Punkt 2.2.13 der TLP - universeller Einsatzanzug) seien ebenfalls nicht vorhanden gewesen.

Darüber hinaus wurde das Fehlen des geforderten Pflegeheftes mit Infodaten für den Träger beanstandet.

Mit Schriftsatz vom 09.08.2005 rügte die Antragstellerin dieses Vorgehen der Vergabestelle und leitete noch am gleichen Tag durch Absendung per Post und per Telefax ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Landes Hessen ein. Diese verlängerte mit Fax vom 12.09.2005 wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten die Beschlussfrist bis zum 01.11.2005 und beraumte einen Termin zur mündlichen Verhandlung für den 29.09.2005 an.

Zwar wurde dieser Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt, gleichwohl ist die verlängerte Beschlussfrist ohne eine Entscheidung der Vergabekammer abgelaufen.

Die Antragstellerin hat deshalb unter dem 11.11.2005 sofortige Beschwerde eingelegt und zugleich einen Antrag gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB gestellt.

Mit Beschluss vom 06.03.2006 hatte der Senat die aufschiebende Wirkung endgültig verlängert.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, antragsbefugt zu sein, auch wenn ihrem Angebot der Zuschlag "wohl" zu versagen gewesen sei. Da jedoch das einzig verbliebene Angebot der Beigeladenen, der der Zuschlag erteilt werden solle, an den gleichen und an weiteren, zumindest vergleichbaren, Mängeln leide, habe auch dieses Angebot ausgeschlossen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, ergebe sich daraus ein maßgeblicher Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz; sie - die Antragstellerin - habe bei Aufhebung der Ausschreibung und Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens die Chance, nunmehr ein zuschlagsfähiges Angebot abzugeben.

Darüber hinaus habe sie unverzüglich nach Bekanntwerden des Ausschlusses eine Rüge erhoben und im Übrigen habe erst das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 27.07.2005 Anlass zu umfangreichen Recherchen und einer darauf gestützten Rechtsberatung gegeben. Da die Antragsgegnerin ohnehin zu erkennen gegeben habe, die Rüge nicht ernst nehmen zu wollen und weitere Verstöße nur hätten vermutet werden können, sei die Rügeverpflichtung ausreichend eingehalten worden.

Ihr Nachprüfungsantrag sei auch begründet gewesen, weil das Ausschreibungsverfahren bereits daran leide, dass die Ausschreibungskriterien und die Anforderungen an das zu verwendende Gewebe für die fraglichen Anzüge so gewählt worden seien, dass auf den ersten Blick eine produktneutrale Ausschreibung vorliege, die allen Bietern gleiche Chancen biete, bei genauer Betrachtung jedoch nur Bieter berücksichtige, die ein aus der Faser "Material 1" hergestelltes Gewebe anböten, mithin die Beigeladene. Die von der Antragsgegnerin sehr detailliert vorgenommene Beschreibung der Zusammensetzung des Spinnstoffes sei nicht erforderlich gewesen, weil es ausreichend gewesen sei, die verlangten Eigenschaften des Gewebes genau zu beschreiben. Die geforderte Farbe "Stahlblau" sei bei "Name wie Material 1" lagermäßig vorhanden, so dass die Anbieter, die über ein Material 1-Gewebe verfügten, auf diese Ware hätten zurückgreifen können, während die "Material 2"-Anbieter den sehr arbeits- und kostenintensiven Weg über labortechnische Mischversuche mit anschließender Spektralanalyse hätten gehen müssen. Schon in diesem Punkt sei deshalb der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt und die Pflicht zu einer produktneutralen Ausschreibung unbeachtet geblieben.

Darüber hinaus leide auch das Angebot der einzig verbliebenen Bieterin, der Beigeladenen, an dem gleichen Fehler wie das Angebot der Antragstellerin und an weiteren Mängeln. Weder sie noch die Beigeladene hätten zum Nachweis der technischen Forderung technische Protokolle eines unabhängigen Prüfinstituts vorlegen können. Sie - die Antragstellerin - habe aber wenigstens die technischen Protokolle eines unabhängigen Prüfinstituts vorgelegt, die sich auf das geforderte Gewebe, allerdings in der Farbe moosgrün, bezögen.

Die Beigeladene jedoch habe ein vorläufiges technisches Datenblatt der Fa. "-----" vorgelegt. Dabei handele es sich jedoch nicht um ein unabhängiges Prüfinstitut, wie in den Ausschreibungsunterlagen gefordert. Schon die Bezeichnung als "vorläufiges" technisches Datenblatt zeige, dass sich der Gewebehersteller nicht an die in seinem Datenblatt gemachten Angaben halten lassen wolle. Darüber hinaus enthalte das Datenblatt auch den Hinweis auf eine nur unverbindliche Richtlinie. Dies ergebe sich auch erkennbar aus dem im Termin vor der Vergabekammer vorgelegten E-Mail vom 22.09.2005. Da sie - die Antragstellerin - jedoch gerade im Hinblick auf den aus ihrer Sicht zwingenden Nachweis der technischen Forderungen zumindest näher an den Ausschreibungsbedingungen gewesen sei, habe die Beigeladene zumindest ebenfalls ausgeschlossen werden müssen.

Dies um so mehr, als das Angebot der Beigeladenen an weiteren Fehlern leide. Die Antragsgegnerin habe selbst eingeräumt, dass auf dem Vordruck des Leistungs- und Preisblattes Liefertermine vorgegeben gewesen seien. Außerdem sei ausdrücklich gefordert worden: "Geben Sie bitte Ihren Liefertermin bekannt". Wie einem Aktenvermerk der Antragsgegnerin außerdem zu entnehmen sei, habe sie die Frage der Liefertermine im Hinblick auf die kurz bevorstehende Fußballweltmeisterschaft erkennbar als Zuschlagskriterium ausgestaltet.

Die Beigeladene habe jedoch gerade insoweit keine Angaben zu Lieferoptionen gemacht, so dass sich die Antragsgegnerin erst am 19.07.2005 und damit nach Ende der Angebotsfrist veranlasst gesehen habe, im Hinblick auf eine optionale Lieferung nachzufragen. Daraufhin erst habe die Beigeladene eine Anlage vom 15.06.2005 um eine Ziffer 4 ergänzt und an die Antragsgegnerin gesandt. Dies aber bedeute eine Abänderung des Angebotes im Hinblick auf die zuvor fehlende Erklärung.

Entsprechendes gelte bei der Bewertung der Frage, ob die richtigen Flauschbänder angeboten worden seien. Sowohl die Beigeladene als auch sie - die Antragstellerin - hätten flammhemmend ausgestattete Flauschbänder angeboten und bestätigt, dass diese permanent schwer entflammbar seien. Gleichwohl werde bei der Antragstellerin behauptet, es handele sich nicht um derartige Flauschbänder, während dies bei der Beigeladenen nicht ansatzweise thematisiert worden sei.

Darüber hinaus habe die Beigeladene auch an anderer Stelle notwendige Erklärungen nicht abgegeben. So finde sich an einer Stelle der Unterlagen die Verpflichtung, mit einer Unterschrift zu bestätigen, das angebotene Spinnmaterial (verkehrsübliche Bezeichnung) sei in allen Eigenschaften dem beschriebenen Material gleichwertig. Diese Erklärung habe die Beigeladene jedoch nicht abgegeben und auch keine Unterschrift geleistet, während die Antragsgegnerin hierzu lediglich festgehalten habe: "keine Unterschrift, da Original-Material verwendet". In der Ausschreibung sei jedoch kein Originalmaterial angegeben worden und die Prüfung des Materials könne insoweit nicht nachvollzogen werden. Auch wenn der Spinnstoff übergenau beschrieben worden sei, habe die Beigeladene kein Gewebe angeboten, das dem entsprochen habe. Ein Original- oder Leitmaterial sei deshalb gerade in ihrem Angebot nicht enthalten gewesen.

Die beschriebene Art und Weise des Umgehens mit den Angeboten und die Bevorzugung des Angebots der Beigeladenen machten noch einmal deutlich, dass dieses Angebot habe unbedingt ausgewählt werden sollen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die sich gemäß § 116 Abs. 2 GWB ergebende fiktive Ablehnungsentscheidung der Vergabekammer des Landes Hessen aufzuheben,

2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausschreibung aufzuheben und gegebenenfalls neu auszuschreiben,

3. hilfsweise, die Vergabekammer des Landes Hessen zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache (erneut) zu entscheiden,

4. gänzlich hilfsweise, die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, den Zuschlag nur unter Wertung des Angebotes der Antragstellerin zu erteilen,

5. die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht geltend, der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig. Insoweit sei auf die Ausführungen im Verfahren vor der Vergabekammer hinzuweisen. Es liege außerdem keine ordnungsgemäße Rüge vor, da das Fax der Antragstellerin vom 09.08.2005 die an eine ordnungsgemäße Rüge zu stellenden Voraussetzungen nicht erfülle. Darin seien lediglich eine Gegendarstellung und die Bitte um Aufklärung enthalten gewesen.

Darüber hinaus habe die Antragstellerin gegen § 107 Abs. 3 GWB verstoßen, weil sie das Rügeschreiben und den Nachprüfungsantrag am gleichen Tag und in einem nur ganz kurzen zeitlichen Abstand eingereicht habe. Damit habe die Antragsgegnerin keine Gelegenheit gehabt, sich mit der Rüge zu befassen. Da im Übrigen die nunmehr gerügten Verstöße aufgrund der Veröffentlichung erkennbar gewesen seien, habe die Antragstellerin ersichtlich ein unvollständiges Angebot abgeben wollen, in der Hoffnung, gleichwohl den Zuschlag zu erhalten. Da ihr außerdem kein Schaden drohe, sei sie auch nicht antragsbefugt. Sie selbst räume ein, dass ihr Angebot auszuschließen sei. Gleichartige Mängel lägen nicht vor, so dass sie auch nicht geltend machen könne, die Beigeladene sei ebenfalls auszuschließen und es liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.

Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag jedenfalls unbegründet, wie sich bereits aus den Ausführungen im Verfahren vor der Vergabekammer im Einzelnen ergebe. Sei aber der Nachprüfungsantrag in keiner Weise begründet, komme auch keine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde in Betracht. Dies umso weniger, als eine verspätete Auslieferung der für die Fußballweltmeisterschaft im Juni diesen Jahres benötigten Einsatzanzüge dem Ansehen des Landes Hessen schaden werde. Die Realisierung des Vorhabens stehe angesichts erheblicher Produktionszeiten von mehreren Monaten unter einem massiven Zeitdruck. Darüber hinaus komme der Bekleidungsfarbe "blau" gerade gegenüber einer großen Zahl ausländischer Besucher der Fußballweltmeisterschaft eine erhebliche Bedeutung für die Erkennbarkeit der Einsatzkräfte zu. Mit der Einkleidung der Einsatzkräfte in blaue Einsatzanzüge werde ein deutlicher Beitrag für den sicheren Verlauf der Fußballweltmeisterschaft verknüpft, so dass eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommen könne.

Die Beigeladene hat sich lediglich zur Frage der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung geäußert.

Dazu hat sie vorgetragen, die Antragstellerin gehe selbst davon aus, ihr Angebot sei auszuschließen, so dass sie nunmehr ein Nachprüfungsverfahren nicht mehr mit Erfolg anstrengen könne. Darüber hinaus seien die von ihr erhobenen Rügen verspätet, lediglich die unter C. III. und IV. in ihrer Beschwerdeschrift angegebenen Beanstandungen seien berücksichtigungsfähig. Denn diese Rügen seien ihr erst durch Akteneinsicht bekannt geworden. Da diese Mängel jedoch nicht gleichartig gewesen seien und ihr Angebot nicht aus gleichen oder ähnlichen Gründen ausgeschlossen werden könne, sei der Nachprüfungsantrag unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

II.

1.

a) Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Da die von der Vergabekammer verlängerte Beschlussfrist bis zum 01.11.2005 ohne weitere Verlängerung und insbesondere ohne eine Entscheidung abgelaufen ist, ist die Ablehnungsfiktion des § 116 Abs. 2 GWB eingetreten. Gegen die Untätigkeit der Vergabekammer richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin und ist damit zulässig.

b) Soweit die Antragsgegnerin und die Beigeladene die Auffassung vertreten, der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil der Antragstellerin die Antragsbefugnis fehle und sie ihre Rügeobliegenheit nicht eingehalten habe, kann dem nicht gefolgt werden.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie hat ein Angebot abgegeben und damit gem. § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB ein Interesse an dem zu vergebenden Auftrag. An die Darlegung der Antragsbefugnis sind dabei keine überspannten Anforderungen zu stellen, es genügt, wenn durch den einzelnen beanstandeten Vergabeverstoß die Aussichten des Antrag stellenden Bieters auf den Zuschlag zumindest verschlechtert worden sein können. Nicht erforderlich ist, dass der Antragsteller im Sinne einer darzulegenden Kausalität nachweisen kann, bei korrekter Anwendung und Beachtung der Vergabevorschriften den Auftrag zu erhalten.

Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften, insbesondere des Gleichbehandlungsgebotes, geltend gemacht. Auch wenn sie ein Angebot abgegeben hat, dem der Zuschlag zu versagen war und das zwingend auszuschließen war, macht sie geltend, auch das verbliebene Angebot der Beigeladenen habe ausgeschlossen werden müssen, so dass bei einer dann notwendigen Aufhebung der Ausschreibung und einer etwaigen neuen Vergabe die Chance bestanden hätte, nunmehr ein zuschlagsfähiges Angebot abzugeben. Dies ist für die Annahme der Antragsbefugnis ohne weiteres ausreichend (vgl. OLG Frankfurt am Main, 28.06.2005 - Az. 11 Verg. 21/04 m. w. N.).

Im Übrigen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin ihre Rügenobliegenheit nach § 107 Abs. 3 GWB verletzt hat.

Soweit die Antragsgegnerin zunächst der Auffassung ist, der Nachprüfungsantrag sei schon deshalb unzulässig, weil zwischen erhobener Rüge am 09.08.2005 und dem am gleichen Tag eingereichten Nachprüfungsantrag keine ausreichende Wartefrist eingehalten worden sei, ist dies unbegründet. Die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages hängt nicht von der Einhaltung einer solchen Wartefrist ab. Dafür gibt es weder eine gesetzliche Grundlage, noch ist dies erforderlich, weil die Vergabestelle einen Verstoß jederzeit abstellen kann. Dem Auftraggeber ist dabei nicht die Chance einzuräumen, Fehler ohne eigenes Kostenrisiko zu beseitigen (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 25.10.2005, Az. 5/05 - Vergaberechts-Report 05, Seite 44).

Darüber hinaus kann sich die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Antragstellerin habe die von ihr beanstandeten vergaberechtlichen Verstöße nicht oder verspätet gerügt. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin ausweislich ihres Antwortschreibens vom 09.08.2005 das Schreiben der Antragstellerin vom gleichen Tage selbst als Rüge aufgefasst hat ("Ihr Rügeschreiben..."), lässt sich aus diesem Schreiben erkennen, welche Mängel die Antragstellerin beanstandete. Abgesehen davon, ob zu einer ordnungsgemäßen Rüge die Aufforderung zu einer entsprechenden Abhilfe und sogar die Androhung eines Nachprüfungsverfahrens gehören (so OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2005 - Az. 11/04 - VergabeR 05, 660), war die Antragstellerin in diesem Fall nicht ausreichend in der Lage, alle von ihr geltend gemachten Beanstandungen bereits frühzeitig zu erheben. So ergaben sich für sie die zu rügenden Vergabeverstöße gerade nicht ohne weiteres bereits aus der Bekanntmachung und den sonstigen Verdingungsunterlagen. Wie die Antragstellerin mit Recht ausführt, gab erst die Mitteilung vom 27.07.2005 begründeten Anlass, Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Auswahlverfahrens und auch der Ausschreibung als solcher zu hegen, während sie zuvor von einer nicht erforderlichen Verdachtsrüge ausgehen durfte. Der wesentlich gerügte Verstoß, die Antragsgegnerin habe insgesamt die Bedingungen der Vergabe so festgelegt und die so geschaffenen "Voraussetzungen" so angewandt, dass letztlich nur ein Bieter eine Chance hatte, hat sich für die Antragstellerin erst durch das Schreiben der Antragsgegnerin vom 27.07.2005 sowie ihre Akteneinsicht und teilweise erst durch die gewechselten Schriftsätze im Verfahren vor der Vergabekammer herausgestellt. Insoweit blieb es der Antragstellerin unbenommen, zunächst juristische Beratung einzuholen und nach Auswertung aller Umstände die maßgeblichen rechtlichen Schritte einzuleiten. Von einer Nichtbeachtung der Rügeobliegenheit kann bei dieser Sachlage deshalb nicht ausgegangen werden, zumal die Antragsgegnerin, wie ihrem Verhalten noch kurz vor Antragstellung zu entnehmen ist, selbst von einer ordnungsgemäßen Rüge ausgegangen ist (vgl. zur Frage der Kenntnis und zur Verdachtsrüge auch OLG Düsseldorf Beschluss vom 16.02.2005, Az.: 74/04).

c) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin könnte auch in der Sache Erfolg haben, weil die Antragsgegnerin gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen hat, indem sie das Angebot der Beigeladenen nicht ebenfalls von der Wertung ausgeschlossen hat.

Zunächst ist, wie die Antragstellerin auch einräumt, ihr Angebot zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden. Das Angebot entsprach nicht den Vorgaben der Ausschreibungsbedingungen, wie dies die Antragstellerin selbst dargestellt hat.

Ist aber das Angebot eines Bieters auszuschließen, so kann der weitere Fortgang des Vergabeverfahrens grundsätzlich weder seine Interessen berühren, noch kann der Bieter durch eine etwaige Nichtbeachtung vergaberechtlicher Bestimmungen in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt sein (vgl. BGH VergabeR 2003, 313 - Jugendstrafanstalt; zum Beispiel auch OLG Düsseldorf, Vergaberecht 2005, 195, 198).

Sind an einem Vergabeverfahren allerdings nur noch zwei oder wenige Bieter beteiligt, deren Angebote unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes insgesamt ausgeschlossen werden müssen, so liegt ein möglicher Schaden (§ 107 Abs. 2 GWB) des Antragstellers, auch wenn dessen Angebot ebenfalls von vornherein auszuschließen war, darin, dass er sich im Falle einer - dann ggf. erforderlichen - Neuausschreibung des Auftrags wiederum an dem Vergabeverfahren beteiligen könnte, ihm diese Möglichkeit und Chance aber genommen würde, wenn der Auftrag im ersten Vergabeverfahren unter Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes an einen ebenfalls auszuschließenden Bieter erteilt würde (vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, 483; VergabeR 2005, 195; OLG Frankfurt, VergabeR 2005, 487).

So liegt der Fall auch hier, weil das Angebot des einzig noch verbliebenen Bieters, der Beigeladenen, ebenfalls hätte ausgeschlossen werden müssen.

Es bestehen zwar bereits erhebliche Zweifel an der Einhaltung der Verpflichtung zu einer produktneutralen Ausschreibung, weil die Antragsgegnerin eine sehr ins Detail gehende Spinnstoffbeschreibung vorgenommen hat, die exakt die Zusammensetzung aufweist, die das auf dem Markt befindliche "Material 1"-Gewebe besitzt. Gerade so setzt sich auch das von der Beigeladenen angebotene Gewebe zusammen, während das von der Antragstellerin und einer weiteren Bieterin angebotene "Material 2"-Gewebe aus 99 % Material 2 und 1 % Material 3 zusammengesetzt ist. Die so detaillierte Spinnstoffbeschreibung legt aber die Vermutung nahe, dass die Antragsgegnerin die Ausschreibung auf einen bestimmten Stoff, in diesem Fall "Material 1", zuschneiden wollte, um nur bestimmten Bietern, insbesondere der Beigeladenen, Gelegenheit zu einem Angebot zu geben. Ihre Ausführungen, dies sei im Hinblick auf die Zusammensetzung der verschiedenen Stoffe nicht der Fall gewesen, ist dabei wenig überzeugend. Denn die Antragstellerin hat im Einzelnen schon im Verfahren vor der Vergabekammer dargestellt, welche Zusammensetzung die einzelnen Spinnstoffe aufwiesen und aus welchen Gründen eine so detaillierte Beschreibung nicht erforderlich gewesen ist. Dem ist die Antragsgegnerin nicht ausreichend entgegengetreten. Letztlich bedarf diese Frage jedoch keiner abschließenden Beurteilung.

Denn das Angebot der Beigeladenen war ebenfalls auszuschließen, weil auch sie keine zum Nachweis der technischen Forderungen erforderlichen technischen Protokolle eines unabhängigen Prüfinstituts hat vorlegen können. Sie hat lediglich ein vorläufiges technisches Datenblatt der Fa. "----" eingereicht, bei der es sich um den Gewebehersteller, nicht aber um ein unabhängiges Prüfinstitut handelt, wie es gerade in den Ausschreibungsunterlagen gefordert wird. Darüber hinaus zeigt die Bezeichnung als "vorläufiges" technisches Datenblatt, dass sich der Gewebehersteller selbst nicht an die in seinem Datenblatt gemachten Angaben ohne weiteres halten lassen möchte. Außerdem enthält das Datenblatt auch noch folgenden Hinweis: "Bei der Vielseitigkeit der Einbau- und Betriebsbedingungen, sowie der Anwendungs- und Verfahrenstechnik können die Angaben in diesem Datenblatt nur als unverbindliche Richtlinien gelten".

Daneben hat die Antragsgegnerin im Termin vor der Vergabekammer selbst eine Mitteilung des Gewebeherstellers vom 22.09.2005 vorgelegt, aus der ebenfalls hervorgeht, dass bislang keine belastbaren Versuchswerte durch ein unabhängiges Prüfinstitut vorliegen.

In den Ausschreibungsunterlagen ist auf Seite 10 jedoch ausdrücklich vorgesehen:

"Es ist ausdrücklich zuzusichern, dass die Einsatzanzüge und der zur Konfektionierung verwendete Stoff TL-gerecht angefertigt werden. Waren- und Materialproben sowie technische Protokolle eines unabhängigen Prüfinstitutes legen Sie bitte bei".

Sodann folgt in Fettdruck:

"Angebote ohne Nachweis der technischen Forderung, sowie Angebote ohne Angebotsmuster bleiben unberücksichtigt."

Damit aber hat die Antragsgegnerin aus Sicht der Bieter einen Nachweis der technischen Forderungen als Ausschlussgrund definiert. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin dem nachzukommen versucht hat, indem sie technische Protokolle eines unabhängigen Prüfinstituts, wenn auch nur für die Farbe "moosgrün", vorgelegt hat, ist die Beigeladene diesen Forderungen durch die unverbindlichen Hinweise des Gewebeherstellers in keiner Weise nachgekommen. Aus welchen Gründen dann aber die Beigeladene nicht ebenfalls auch wegen dieser fehlenden Erklärung ausgeschlossen worden ist, hat die Antragsgegnerin bislang nicht ausreichend erklären können.

Darüber hinaus leidet das Angebot der Beigeladenen, wie die Antragstellerin mit Recht geltend macht, an weiteren Fehlern.

Die Antragsgegnerin hat selbst eingeräumt, dass auf dem Vordruck des Leistungs- und Preisblattes Liefertermine vorgegeben seien. Dort werden ausdrücklich Termine für die erste Lieferung bis zum 05.05.2006 und für eine Option der zweiten Lieferung bis Ende des ersten Quartals 2007 genannt. Dahinter befindet sich ein Freiraum für die Angaben hiervon abweichender Liefertermine mit dem Vermerk: "Bitte ausfüllen" und weiter: "Geben Sie bitte Ihren Liefertermin bekannt".

Entsprechend einem Aktenvermerk vom 07.06.2005 hat die Antragsgegnerin hierzu festgehalten, dass gemäß Vorgabe LPP dieser Einsatzanzug bereits zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in Hessen getragen werden solle. Aufgrund der Erfahrung im Bereich Produktion von Stoffen sowie Konfektionierung sei eine strikte Einhaltung der vorgegebenen Liefertermine unabdingbar. Entsprechende Zusagen flössen mit 10 % in die Wertung ein.

Erkennbar handelt es sich deshalb bei der Frage des Liefertermins um ein beachtliches Zuschlagskriterium.

Bei dem Angebot der Beigeladenen findet sich jedoch an dieser Stelle lediglich ein Hinweis auf "siehe Anlage". In dieser Anlage vom 15.06.2005 ist aber keine Angabe zu einer Lieferoption enthalten, so dass sich die Antragsgegnerin am 19.07.2005, und damit lange nach Ende der Angebotsfrist, veranlasst sah, wegen der optionalen Lieferung für 2007 nachzufragen. Die entsprechende Aktennotiz befindet sich dabei im Übrigen nicht in der Vergabeakte, sondern in der Angebotsakte der Beigeladenen.

Diese hat daraufhin ihre Anlage vom 15.06.2005 um eine Ziffer 4 ergänzt und per Telefax an die Antragsgegnerin übersandt. Damit hat sie aber ohne weiteres ihr Angebot ergänzt und an einer Stelle Erklärungen abgegeben, die von ihrem Inhalt her dort nicht vorgesehen waren. Dieser Vorgang legt die Annahme nahe, dass auch insoweit das Gleichbehandlungsgebot nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden ist.

Dies betrifft auch die Bewertung der Frage, inwieweit die zutreffenden Flauschbänder angeboten worden sind. Sowohl die Beigeladene als auch die Antragstellerin haben flammhemmend ausgestattete Flauschbänder angeboten und die Bestätigung beigefügt, diese seien permanent schwer entflammbar. Gleichwohl hat die Antragsgegnerin die Auffassung vertreten, flammhemmend ausgestattete Flauschbänder seien keine permanent schwer entflammbaren Flauschbänder, während dies bei der Beigeladenen offenbar nicht näher untersucht worden ist.

Des Weiteren hat die Beigeladene ersichtlich auch an anderer Stelle notwendige Erklärungen nicht abgegeben. So findet sich in den Unterlagen die Verpflichtung, mit einer Unterschrift zu bestätigen, das angebotene Spinnmaterial (verkehrsübliche Bezeichnung) sei in allen Eigenschaften dem beschriebenen Material gleichwertig. Die Beigeladene hat insoweit jedoch keine Erklärung abgegeben und auch keine Unterschrift geleistet, wozu die Antragsgegnerin festgehalten hat: "Keine Unterschrift, da Original-Material verwendet". In einer anderen Matrix findet sich bei dem Punkt Erklärung: TL-gerechter Stoff folgender Eintrag: "Keine Unterschrift, weil gefordertes Material eingesetzt wird".

Die Antragsgegnerin hat jedoch gerade kein Originalmaterial vorgegeben und auch nicht auf die Bestätigung durch Unterschrift verzichtet. Auch wenn der Spinnstoff detailliert beschrieben worden ist, wie die Antragstellerin vorgetragen und wie weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene ausreichend in Abrede gestellt haben, hat die Beigeladene kein der Beschreibung vollständig entsprechendes Angebot abgegeben. Dann aber wäre die Erklärung erforderlich gewesen, dass das angebotene Spinnmaterial gleichwohl in allen Eigenschaften dem beschriebenen Material gleichwertig ist, und hätte dies durch ihre Unterschrift bestätigt werden müssen. Da auch insoweit Erklärungen der Beigeladenen gefehlt haben, hätte auch sie ebenso wie die Antragstellerin ausgeschlossen werden müssen.

2.

Waren damit aber beide Angebote von der Wertung auszuschließen, so entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass sich die Antragstellerin auf eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes zu ihrem Nachteil berufen kann (vgl. zuletzt Beschluss vom 23.12.2005, Az. 13/05). Das Gebot, die Bieter gleich zu behandeln (§ 97 Abs. 2 GWB), verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, solche Angebote, die vergaberechtlich an demselben (gleichartigen) Mangel leiden, auch gleich zu behandeln, das heißt, aus dem übereinstimmend vorliegenden Mangel jener Angebote vergaberechtlich dieselben Konsequenzen zu ziehen. Hieraus hat der Senat gefolgert, dass unter dem Gebot der Gleichbehandlung nicht das Angebot eines Bieters ausgeschlossen werden darf, zugleich aber der Auftrag auf ein Angebot erteilt werden soll, das an demselben oder einem gleichartigen Mangel leidet.

Was unter einem gleichartigen Mangel im Sinne dieser Rechtsprechung zu verstehen ist, ist bislang nicht abschließend geklärt. Der Senat hatte bisher in seiner Entscheidung vom 21.04.2005 einen gleichartigen Mangel bejaht bei Abweichungen von Verdingungsunterlagen hinsichtlich technischer Anforderungen.

Das - ehemalige - Bayerische Oberste Landesgericht (Beschluss vom 17.02.2005 - Az.: 27/04) hat danach differenziert, ob eine Abweichung von den Verdingungsunterlagen ein wesentliches Qualitätsmerkmal betrifft und weniger schwerwiegende Abweichungen für unbeachtlich gehalten.

Unabhängig von der Frage, ob im Streitfall die vorliegenden Mängel der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen insgesamt als zumindest gleichartig angesehen werden können - was allerdings letztlich anzunehmen sein dürfte -, neigt der Senat auch zu einem weiteren Verständnis von Gleichartigkeit. Eine konsequente Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgebotes erscheint nur gewährleistet, wenn die Grundsätze des rechtmäßigen Vergabeverfahrens auf alle Angebote gleichermaßen zur Anwendung gelangen. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht nur vorliegt, wenn Angebote in demselben oder in einem vergleichbaren Punkt zur Ausschließung führende Mängel aufweisen, sondern auch dann, wenn sie aufgrund unterschiedlicher Mängel ausgeschlossen werden müssen. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht gerechtfertigt, Angebote, deren zum Ausschluss führende Mängel etwa unterschiedliche Wertungsbereiche betreffen, unterschiedlich zu behandeln. Denn es ist aus der Sicht eines auf die Einhaltung der Vergabevorschriften dringenden Bieters nicht nachvollziehbar, wenn sein Angebot - wenngleich für sich genommen korrekt - aufgrund eines Mangels vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen wird, die Vergabestelle aber über Mängel anderer Angebote, die ebenfalls ausgeschlossen werden müssten, hinweggeht und auf solche Angebote den Auftrag erteilt. Der Senat neigt deshalb dazu, eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und eine Interessenbeeinträchtigung eines Antragstellers in dieser besonderen Konstellation immer dann zu bejahen, wenn hinsichtlich aller vorliegenden Angebote ein (zwingender) Ausschlussgrund vorliegt, ohne dass es darauf ankommt, ob Gleichartigkeit der Mängel im Rahmen einer bestimmten Position eines Leistungsverzeichnisses oder in anderen, für die Angebotswertung relevanten Bereichen vorliegt (vgl. auch Hardraht, VergabeR 2005, 200 = Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.12.2004 - Az. 47/04; Stolz, VergabeR 2005, 486 = Anm. zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2005 - Az. 23/05; Ertl, VergabeR 2005, 491 = Anm. zu OLG Frankfurt Az. 1/05; Hänsel IBR 2005, 7/07; OLG Frankfurt Beschluss vom 23.12.2005, Az. 13/05).

Der Senat sieht sich jedoch an einer abschließenden Entscheidung im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des OLG Naumburg (vgl. IBR 2005, 707; vgl. auch Divergenzvorlage des OLG Jena, VergabeR 2005, 492) gehindert. Nach diesen Entscheidungen führt der rechtmäßige Ausschluss eines Angebots dazu, dass einem Bieter ohne Rücksicht auf die Wertungsfähigkeit der Angebote anderer Bieter kein Anspruch auf Gleichbehandlung mehr zusteht. Schließe die Vergabestelle einen Bieter aus dem Wettbewerb aus, so erlischt nach dieser Auffassung das Rechtsverhältnis, aus dem sein Anspruch auf Gleichbehandlung erwachse, wenn das beanstandete Angebot tatsächlich mit Mängeln behaftet sei, die ihm die Teilnahmefähigkeit am Wettbewerb und die Zuschlagsfähigkeit nähmen. Bei unzulässigen oder unbegründeten Nachprüfungsanträgen sei ein Eingriff in das Vergabeverfahren schon nicht zulässig.

Dieser Rechtsprechung vermag der Senat nicht zu folgen. Dass ein Bieter wegen eines (gerechtfertigten) Ausschlusses aus dem Vergabeverfahren den Anspruch auf Gleichbehandlung verliert, erschiene als ein zu formaler Ansatz, der dem Anspruch auf Gleichbehandlung - einem tragenden Grundsatz des Vergabeverfahrens - nicht ausreichend Rechnung trägt. Es ist aus der Sicht eines Bieters nicht ausreichend nachvollziehbar, dass die Vergabestelle einzelne Angebote, die ebenfalls ausgeschlossen werden müssten, im Verfahren behalten und werten kann, während andere Angebote ausgeschlossen werden. Eine solche Vorgehensweise der Vergabestelle kann den Eindruck der Willkürlichkeit der Entscheidungen erwecken und wäre nach Auffassung des Senats mit dem Ziel eines transparenten und den Grundsatz der Gleichbehandlung wahrenden Vergabeverfahrens nur schwer vereinbar. Richtig erscheint es deshalb, darauf abzustellen, ob bereits der Ausschluss selbst unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erfolgte, weil andere Bieter, deren Angebot einen gleichartigen Mangel im vorstehend beschriebenen Sinn aufweisen, in der Wertung belassen worden sind.

Da der Senat die beabsichtigte Entscheidung - voraussichtlich Verpflichtung zur Aufhebung der Ausschreibung - nicht treffen kann, ohne von der Entscheidung des OLG Naumburg und auch der Auffassung des Thüringer OLG abzuweichen, sind die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gegeben (§ 124 Abs. 2 GWB).

Ende der Entscheidung

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