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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.08.2005
Aktenzeichen: 11 Verg 8/05
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A


Vorschriften:

GWB § 107
VOB/A § 24
Zu den Voraussetzungen, unter denen im Vergabeverfahren ein Angebot wegen Mischkalkulation auszuschließen ist.
Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin (Vergabestelle) hat im Oktober 2004 die grundhafte Erneuerung der BAB A 5 europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben.

Die Antragstellerin hat neben 8 anderen Bietern ein Hauptangebot abgegeben und liegt nach dem Ergebnis der rechnerischen Prüfung an erster Rangstelle.

Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Wertung der Angebote ausweislich des Inhalts des Vergabevermerks vom 14.02.2005 " in allen Angeboten (....) mit Hilfe des Preisspiegels und anhand von Erfahrungswerten vor allem auffällig niedrige Einheitspreise bei den Erd- und Oberbaupositionen festgestellt" und nach erster Sichtung vermutet, dass die Antragstellerin in einer Größenordnung von 1.262.071,10 € Preisbestandteile verlagert habe.

Mit Schreiben vom 15.12.2004 hat die Antragsgegnerin von der Antragstellerin eine schriftliche Erklärung zu bestimmten Positionen und die Offenlegung der entsprechenden Preisermittlungsgrundlage (Kalkulation) erbeten. Betroffen waren insbesondere Boden-, Verfüll-, Verbau- und Einbaupositionen, die mit Einheitspreisen von 0,11 € bis 6,50 € angeboten worden sind.

Wegen der seitens der Antragstellerin hierzu abgegebenen Erklärung vom 17.12.2004 wird auf die Anlage 1 zum Nachprüfungsantrag verwiesen.

Wegen der Bewertung durch die Antragsgegnerin wird auf Seite 4 des angefochtenen Beschlusses der Vergabekammer ( VK) sowie Seite 9 des Vergabevermerks vom 14.02.2005 Bezug genommen.

Unter dem 17.02.2005 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin mitgeteilt, dass ihr Angebot ausgeschlossen und die Ausschreibung aufgehoben werde, weil keines der eingegangenen Angebote den Ausschreibungsbedingungen entsprochen habe. 8 der 9 Angebote seien gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A von der Wertung ausgeschlossen worden, weil sie den Festlegungen in der Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht genügt und die Bieter nicht eindeutig nachgewiesen hätten, dass die Angabe der Einheitspreise vollständig und zutreffend gewesen sei. Ein weiteres Angebot sei nicht vollständig und daher auszuschließen gewesen. Zugleich hat die Antragsgegnerin ihre Absicht, das Vergabeverfahren als Verhandlungsverfahren gem. § 3 a Nr. 5 a VOB/A fortzuführen, mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 22.02.2005 hat die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes von der Wertung, die Aufhebungsentscheidung sowie die Absicht der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens gerügt und die Antragsgegnerin aufgefordert, ihr, der Antragstellerin, den Zuschlag zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 25.02.2005 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag gestellt, nachdem die Antragsgegnerin die Fortführung des offenen Verfahrens abgelehnt hat.

Mit Beschluss vom 21.04.2005 hat die Vergabekammer die Aufhebung der Ausschreibung aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer das Angebot der Antragstellerin erneut zu werten.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie meint, die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) sei eine Aufhebung der Ausschreibung nur darauf hin zu überprüfen, ob gegen Vorgaben des europäischen Primär- und Sekundärrecht verstoßen werde. Die Rechtsprechung des EuGH (ZfWR 02, 604) beziehe sich nur auf die Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben. Im vorliegenden Verfahren sei die Aufhebung der Ausschreibung auf § 26 VOB/A gestützt und könne im Nachprüfungsverfahren nach §§ 97 ff.GWB nicht überprüft werden. Die Entscheidung der Vergabekammer, § 26 VOB/A zur Grundlage ihrer Prüfung zu machen, gehe über das vom EuGH Ausgeurteilte hinaus und sei somit vergaberechtswidrig.

Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet, weil das Angebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 b, § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A habe ausgeschlossen werden müssen.

Die Antragstellerin habe ein Angebot abgegeben, in welchem einzelne Positionen auffällig niedrig kalkuliert worden seien. Sie, die Antragsgegnerin, befürchte, dass zu der Position dazugehörige Leistungsbestandteile herausgelassen wurden. Möglicherweise seien sie in anderen Leistungspositionen hineingerechnet worden. Entgegen der Auffassung der Vergabekammer sei der Ausschluss unter Berücksichtigung der im Vergabeprotokoll und im Verfahren dargelegten Gründen gerechtfertigt. Zwar vermute sie, die Antragsgegnerin, die Verlagerung von Leistungsbestandteilen in andere Positionen. Sie habe versucht, diese Vermutung aufzuklären und die Antragstellerin hierzu aufgefordert, einzeln von ihr aufgelistete Positionen kalkulatorisch darzulegen. Die Aufklärung der Antragstellerin habe zum Teil überzeugt und zum Teil nicht. Die zu den Preisen gemachten Angaben enthielten nicht die zur Aufklärung notwendigen Informationen und seien in ihrer Aussage nicht zweifelsfrei. Wegen der einzelnen Positionen wird auf Seite 12 bis 14 der Beschwerdebegründung Bezug genommen.

Ein Bieter, der in seinem Angebot Positionen des Leistungsverzeichnisses mit Preisen versehe, bei denen Teile des tatsächlich geforderten Entgeltes nicht bei der ausgewiesenen Position erklärt würden, ohne dass aus dem Angebot der tatsächlich geforderte Preis für die Leistung ersichtlich werde, gebe schon objektiv die geforderte Erklärung nicht vollständig ab, so dass ein Angebot als Grundlage einer transparenten und alle Bieter gleichbehandelnden Wertung ungeeignet und daher auszuschließen sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die Entscheidung der Vergabekammer des Landes Hessen bei dem Regierungspräsidium Darmstadt vom 21. April 2005, 69 d - VK - 09/2005 aufzuheben;

2. hilfsweise die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden;

3. die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin für notwendig zu erklären;

4. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens sowie der notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 116 Abs. 1, 117 GWB) ist nicht begründet.

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 22.02.2005 unmittelbar auf die Bekanntgabe der Aufhebung der Ausschreibung unter dem 17.02.2005 reagiert und den Ausschluss ihres Angebots und die Aufhebung des Vergabeverfahrens gerügt ( § 107 Abs. 3 GWB ). Die Voraussetzungen des § 107 Abs. 2 GWB sind bei der nach rechnerischer Prüfung erstplazierten Bieterin offensichtlich gegeben.

Zu Unrecht meint die Antragsgegnerin, die Aufhebungsentscheidung der Vergabestelle sei nach der Rechtsprechung des EuGH nur auf Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Diskriminierungsverbot und den Transparenzgrundsatz zu überprüfen. Spätestens seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.02.2003 (X ZB 43/02 = NZBau 03, 293) steht fest, dass im Nachprüfungsverfahren gem. § 107 ff GWB geltend gemacht werden kann, die Aufhebung der Ausschreibung verletze den Antragsteller in seinen Rechten, weil sie gegen § 26 Nr. 1, 26 a Nr. 1 VOB/A verstoße. Damit ist § 26 Nr. 1 VOB/A grundsätzlich auch für den Primärrechtsschutz gem. § 102 ff GWB maßgeblich (Scharen, NZBau 03, 585, 589, dort Fußnote 54; OLG Koblenz, Beschluss vom 23.12.2003 - 1 Verg 8 /03 = VergR 04, 244).

2.

Zu Recht hat die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag auch in der Sache stattgegeben.

Der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen unzulässiger Mischkalkulation war vergaberechtswidrig. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Angebot wegen Mischkalkulation auszuschließen ist (BGH, Beschluss v. 18.05.2004 - X ZB 7/04 - Mischkalkulationen = VergR 04, 473), liegen nicht vor.

a)

An einer für die Berücksichtigung eines Angebots erforderlichen, vollständigen und den Betrag, der für die betreffende Leistung beansprucht wird, benennenden Erklärung über den Preis fehlt es, wenn das Angebot auf einer Mischkalkulation beruht, bei der durch sog. "Abpreisen" bestimmter ausgeschriebener Leistungen und sog. "Aufpreisen" der Einheitspreise anderer angebotener Positionen Preise benannt werden, die die für die jeweiligen Leistungen geforderten tatsächlichen Preise weder vollständig noch zutreffend wiedergeben. Ein Bieter, der in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt, benennt nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A, sondern "versteckt" die von ihm geforderten Angaben zu den Preisen der ausgeschriebenen Leistungen in der Gesamtheit seines Angebots. Angebote, bei denen der Bieter die Einheitspreise einzelner Leistungspositionen in "Mischkalkulationen" auf andere Leistungspositionen umlegt, sind grundsätzlich von der Wertung auszuschließen (BGH a.a.O. -Mischkalkulationen).

b)

Schwierigkeiten können sich bei der Frage ergeben, auf welchem Weg der Auftraggeber die Voraussetzungen für den zwingenden Ausschluss nachweisen kann ( vgl. hierzu auch Lischka, VergR 04, 328 ).

aa)

Enthalten die angebotenen Einheitspreise für die einzelnen ausgeschriebenen Leistungen Positionen, welche die für die jeweiligen Leistungen geforderten Preise ersichtlich nicht ausweisen, ist die Vergabestelle nicht gehalten, die Gründe zu ermitteln, die den Bieter veranlasst haben, die tatsächlich geforderten Preise für die betreffenden Leistungspositionen nicht auszuweisen, sondern andere Preise anzugeben ( BGH a.a.O. - "Mischkalkulationen ). Diese Voraussetzungen lagen in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vor. Dort waren nicht nur bestimmte Leistungen mit dem Einheitspreis von 0,01 € angegeben worden, sondern hatte der Anbieter auch eingeräumt, dass sein Angebot auf einer Mischkalkulation beruht. Der Inhalt des Angebots - die umstrittenen Einheitspreisangaben betreffend - stand demnach fest.

bb)

Steht - wie im hier zu entscheidenden Fall - nicht fest, ob ein Angebot eine Mischkalkulation enthält, so kann sich die Vergabestelle gemäß § 24 Nr. 1 VOB/A über die Angemessenheit der Preise unterrichten, wenn zweifelhaft ist, ob das Angebot die tatsächlich geforderten Preise für die jeweiligen Leistungspositionen ausweist. Ergibt die Aufklärung, dass die Preise für die ausgeschriebenen Leistungen nicht in der nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A geforderten Weise das tatsächlich für die Leistung geforderte Entgelt ausweisen, so ist das Angebot auszuschließen, ohne dass die Vergabestelle Ermittlungen darüber anstellen müsste, welche Preise für welche Leistungen tatsächlich gefordert werden ( BGH a.a.O. unter 4 b) ).

Der Ausschluss eines Angebots wegen Mischkalkulation setzt demzufolge voraus, dass entweder von vornherein oder aufgrund einer von der Vergabestelle wegen bestehender Zweifel durchgeführten Aufklärung nach § 24 Nr. 1 VOB/A feststeht, dass das Angebot auf einer Mischkalkulation beruht. Bloße Zweifel genügen dagegen in keinem Fall für den Ausschluss, sondern berechtigen die Vergabestelle zur Aufklärung. Erst von deren Ergebnis hängt es ab, ob ein Ausschluss des Angebots gerechtfertigt ist oder nicht.

c)

Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben ( § 24 Nr. 2 VOB/A ).

Fraglich ist , wie die von einem Bieter erteilte Auskunft zu werten und insbesondere wie die "Beweislast" hinsichtlich der Ausschlussvoraussetzungen verteilt ist.

aa)

Auch wenn bloße Vermutungen und Zweifel für die Feststellung von Mischkalkulationen nicht genügen, muss sich die Vergabestelle andererseits nicht schon mit jeder beliebigen Erklärung eines Bieters zufrieden geben. Zwar kommt der Erklärung eines Bieters, wonach seine Preise der tatsächlichen Kalkulation entsprechen, erhebliches Gewicht zu (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.05.2005 - 1 Verg 3/05 = IBR 05, 439; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.11.2003 -Verg 53/03 = VergR o4, 322 ; Stolz, VergR 04, 478, 479 ; OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2004 - Verg W 10/04 = VerR 05, 230, 234). Liegen jedoch konkrete Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vor, kann die Erklärung des Bieters etwa nicht überzeugen, weil die angegebenen Preise offensichtlich außer Verhältnis zur Leistung stehen, so ist die Vergabestelle nicht gezwungen, sich mit einer solchen substanzlosen Auskunft zufrieden zu geben ( so etwa OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2003 - Verg W 10/04 = VerR 04, 230, 234 ).

Zu berücksichtigen ist weiter, dass ein Angebot, welches für verschiedene Positionen wesentlich günstigere Preise anbietet als die anderen Bieter, noch keine unzulässige Mischkalkulation indiziert. Auch ein besonders knapp kalkulierter oder unter Selbstkosten liegender Preis kann der tatsächlich geforderte Preis sein, weil es im Verantwortungsbereich des Bieters liegt, wie er seine Preise kalkuliert und zu welchen Preisen er welche Leistungen anbietet. Es kann sich deshalb durchaus um wahre, ernst gemeinte Preisangaben handeln, ohne dass die Kosten der Leistungserbringung in andere Positionen des Leistungsverzeichnisses eingeflossen sind ( OLG Düsseldorf a.a.O. ).

Das Erfordernis, alle geforderten Erklärungen abzugeben, insbesondere jeden in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Preis, sowie gefordert, vollständig mit dem Betrag bekannt zu geben, der für die betreffende Leistung beansprucht wird, dient nicht dem Zweck, unangemessen hohe oder niedrige Angebote aus der Wertung auszuscheiden; vielmehr soll sichergestellt werden, dass die Wirtschaftlichkeit des Angebots im Vergleich zu anderen Angeboten auf transparenter und alle Bieter gleich behandelnder Grundlage festgestellt wird. Für den Ausschluss des Angebots nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A in Verbindung mit § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A ist es daher unerheblich, ob es sich bei dem Angebot des Bieters um ein sog. "Spekulationsangebot" handelt, mit dem der Bieter infolge einer Mischkalkulation durch "Aufpreisung" bereits bei Beginn der Ausführung des Auftrags fälliger Leistungen überhöhte oder durch "Abpreisung" verminderte Abschlagszahlungen auslösen und so eine Vorfinanzierung des Auftrags im Verhältnis zu anderen Angeboten eintreten lassen oder den Anschein eines besonders günstigen Angebots erwecken will. Unerheblich ist auch, wie sich die Wirtschaftlichkeit der zu vergleichenden Angebote unter Berücksichtigung des Umstandes darstellt, dass es bei Angeboten zu Einheitspreisen zu Mengenänderungen kommen kann und sich infolge der Aufpreisung von Positionen des Leistungsverzeichnisses, bei denen eher mit Mengenerhöhungen zu rechnen ist, und infolge der Abpreisung von Positionen, bei denen eher mit Mengenreduzierungen zu rechnen ist, erhebliche Verschiebungen des Gesamtpreises ergeben können. Auch die Frage, ob es sich um ein auskömmliches Angebot handelt, spielt im hier interessierenden Zusammenhang keine Rolle.

Von einer Mischkalkulation kann erst die Rede sein, wenn den "abgepreisten" Positionen entsprechend "aufgepreiste" Positionen gegenüberstehen. Daher bedarf es - jedenfalls in solchen Fällen, in denen das Fehlen der geforderten Preise nicht schon aus anderen Gründen offensichtlich ist - grundsätzlich auch des Nachweises, dass (unterstellte) "Abpreisungen" in einzelnen Positionen zu "Aufpreisungen" in anderen Positionen geführt haben (VK Bund, Beschl. v. 22.03.2005 - VK 3 - 13/05 = IBR 05, 394) und muss die Aufklärung der Vergabestelle auch die ( vermeintlich ) "aufgepreisten " Positionen einbeziehen ( so im Ergebnis auch OLG Dresden, Beschluss vom 1.07.2005 - WVerg 7/05 ).

bb)

Diesen Anforderungen werden die Aufklärungsmaßnahmen der Antragsgegnerin und die Würdigung der Stellungnahme der Antragstellerin nicht gerecht.

Bereits aus dem Vergabevermerk ergibt sich, dass die Antragsgegnerin von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist. Dort findet sich - beim Angebot der Antragstellerin ebenso wie bei den weiteren Angeboten - der Vermerk, der Bieter "habe nicht eindeutig nachgewiesen, dass die Angabe seiner Einheitspreise vollständig und zutreffend sei". Damit hat die Antragsgegnerin die Aufklärungs- und Beweislast schon im Ansatz verkannt. Von einer Beweislast des Bieters kann allenfalls dann ausgegangen werden, wenn ganz eindeutige Indizien für unvollständige Preisangaben vorhanden sind ( OLG Brandenburg a.a.O. ), etwa weil sie offensichtlich außer Verhältnis zur Leistung stehen, und die Erklärung des Bieters deswegen nicht überzeugen. So liegt der Fall hier jedoch nicht.

Zwar gibt es beim Angebot der Antragstellerin mehrere Positionen, die - wie die Antragsgegnerin mit Hilfe des Preisspiegels ermittelt hat - "auffällig" niedrige Einheitspreise zwischen 0,11 € und 6,50 € aufweisen. Die Antragsgegnerin hat hierzu im Vergabevermerk festgestellt, die Antragstellerin habe rund 68 % des ein- bzw. auszubauenden Bodenmaterials mit "untersetzten" Preisen angeboten. Gleichzeitig enthielten die entsprechenden Unterabschnitte einige Positionen mit auffallend hohen Preisen (Vergabevermerk S. 9, Fußnote 1), so dass "wahrscheinlich" Preisbestandteile in einer Größenordnung von 180.000,- € innerhalb dieses Unterabschnitts verlagert worden seien. In weitaus größerem Umfang sollen noch andere Abschnitte (OZ 04 Oberbau) betroffen sein.

Die Antragstellerin hat hierzu jedoch nicht von vornherein unplausible Erklärungen abgegeben. Sie hat mit Schriftsatz vom 17.12.2004 unter Vorlage ihrer Kalkulation die Preise mit gewährten Gutschriften, Rückvergütungen und Rabatten von Materiallieferern, Veräußerungsgewinnen, kostenfreier Erlangung von Steinerde und der Möglichkeit einer Seitenentnahme vorbehaltlich einer Abbaugenehmigung erklärt.

Die Erläuterungen der Antragstellerin waren - insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Erklärung, keine unvollständigen Preise benannt zu haben - damit jedenfalls nicht so substanzlos, dass die Antragsgegnerin sie als ungenügend behandeln und die Antragstellerin ohne weitere Aufklärung wegen Mischkalkulation ausschließen durfte.

Soweit die Antragsgegnerin wegen der beabsichtigten Seitenentnahme (Pos. 03.05. 028 - Rohrsohlenverstärkung) auf das Risiko der Realisierbarkeit verweist, ist dieser Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Feststellung einer Mischkalkulation irrelevant. Das Risiko der Kalkulation bzw. Fehlkalkulation trägt grundsätzlich der Auftragnehmer. Dass die Antragstellerin dieses Risiko in Kauf nimmt, bedeutet nicht, dass sie Kostenbestandteile in andere Positionen verlagert haben muss. Entsprechendes gilt für die Außerachtlassung der Transportwege und die berücksichtigten Preisnachlässe und Vergütungen.

Zu Recht hat die Vergabekammer beanstandet, dass die Antragsgegnerin damit lediglich aufgrund der Analyse der abgepreisten Positionen und daraus resultierenden allgemeinen Vermutungen auf das Vorhandensein einer Mischkalkulation geschlossen habe, während eine Überprüfung der für die Annahme und Feststellung einer Mischkalkulation erforderlichen Verlagerung von Preisbestandteilen in aufgepreiste Positionen nicht erfolgt sei.

Weder das Angebot der Antragstellerin noch deren Erklärungen weisen aber derartige Auffälligkeiten auf, dass sich die Annahme einer Mischkalkulation geradezu aufdrängen würde. Angesichts einer Gesamtangebotssumme von rund 27 Millionen € lässt die Tatsache, dass einzelne Positionen der Leistungsbeschreibung zu einer "auffällig niedrigen" Vergütung erbracht werden sollen, nicht den Schluss zu, die betreffenden Leistungen müssten entgegen den Erklärungen der Antragstellerin anderweits einkalkuliert worden sein und würden von der Antragstellerin nicht zu den im Leistungsverzeichnis ausgewiesenen Preisen erbracht ( vgl. auch OLG Düsseldorf a.a.O. ). Besonders auffällige Einheitspreise wie etwa 0,01 € hat die Antragstellerin nicht benannt. Die von ihr gegebenen Erläuterungen zu ihren Preisen sind nicht von vornherein unplausibel und von der Antragstellerin nicht widerlegt.

Jedenfalls bei dieser Sachlage bleibt es Sache der Vergabestelle, dem Bieter nachzuweisen, dass er Preisbestandteile in andere Positionen versteckt hat ( vgl. auch VK Sachsen Beschluss vom 11.03.2005 - 1 /SVK/ 011/05 ).

Soweit die Vergabekammer Thüringen ( Beschluss vom 28.04.2005 -IBR 05, 393 ) eine andere Auffassung vertreten sollte, könnte sich der Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Denn allein ( auffällig ) niedrige Einheitspreise schaffen kein Indiz für eine Mischkalkulation und der bloße Verdacht reicht für den Ausschluss des Bieters nicht aus. Ein Ausschluss kommt in solchen Fällen nur in Betracht, wenn der Bieter seine Mitwirkung bei der Aufklärung völlig verweigert oder die abgegebene Erklärung nicht überzeugen kann, weil die Preise offensichtlich außer Verhältnis zur Leistung stehen.

Dabei können Auffälligkeiten wie die Höhe der angegebenen Einheitspreise ( z.B. 0,01 € ) im Einzelfall ebenso eine Rolle spielen wie das Verhältnis der betroffenen Positionen zum Gesamtauftragswert oder der sonstige Inhalt der Erklärung. Eine durch den Bieter zu widerlegende Vermutung im Falle einer "nicht nachvollziehbaren" Erklärung des Bieters - von der offenbar auch die Antragsgegnerin ausgegangen ist, - ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Soweit der Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen in dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 25 / 2004 vom 25.11.2004 (ARS 2004/25 ) geringere Anforderungen genügen lässt und generell den eindeutigen Nachweis des Bieters verlangt, dass seine Preise vollständig sind, kann dem aus den dargelegten Gründen ebenfalls nicht gefolgt werden.

cc)

Die Antragsgegnerin hätte deshalb - um ihre Vermutungen ggfs. zu erhärten - auch die Positionen, welche im Vergleich zu den übrigen Bietern höher angeboten worden sind, aufklären und der Antragstellerin insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einer plausiblen Erklärung geben müssen. Andernfalls stimmt - wie die Vergabekammer zutreffend ausführt -, der Vorwurf der Mischkalkulation mit der erforderlichen Aufklärung nicht überein bzw. genügt der Umfang der Aufklärung nicht, um den Vorwurf gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Mithin war der Ausschluss des Angebots mit der von der Vergabestelle gegebenen Begründung unhaltbar, weil er auf bloßen Vermutungen beruht und die festgestellten niedrigen Einheitspreise eine Mischkalkulation nicht einmal indiziell nahe legen.

d)

Die Kosten der erfolglosen Beschwerde einschließlich der zur Rechtsverteidigung der Antragstellerin erforderlichen Auslagen hat die Antragsgegnerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Der Beschwerdewert war gem. § 50 Abs. 2 GKG mit 5% der Bruttoauftragssumme festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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