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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 12 U 132/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, MaBV, HOAI


Vorschriften:

ZPO § 322 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 2
BGB § 186
BGB § 201 a. F.
BGB § 390 Satz 1
BGB § 390 Satz 2 a. F.
MaBV § 3 Abs. 2
HOAI § 8
HOAI § 8 Abs. 2
HOAI § 15
HOAI § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der beklagten Bauträgerin hinsichtlich des von ihr gemäß notariellem Vertrag vom 07.07.1994 erworbenen Grundstücks die Auflassung und Eintragung ins Grundbuch. Sie meint, die Beklagte sei hierzu uneingeschränkt verpflichtet, nachdem sie den im Vorprozess ausgeurteilten Betrag - nämlich die 6. Rate des Erwerbspreises - in Höhe von 22.979,95 DM an die Beklagte gezahlt habe.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 27.04.2004 - auf das Bezug genommen wird - aufgrund deren Anerkenntnisses verurteilt, das Grundstück an die Klägerin aufzulassen und die Eintragung ins Grundbuch zu bewilligen, allerdings nur Zug-um-Zug gegen Zahlung der 5. Kaufpreisrate in Höhe von 50.338,05 DM (25.737,44 €). Auch wenn im Vorprozess entschieden worden sei, dass diese Rate verjährt sei, stünde der Beklagten insoweit ein Zurückbehaltungsrecht zu. Da die Schlussrechnungsforderung der Beklagten noch nicht verjährt gewesen sei, als die Klägerin den Auflassungsanspruch erworben habe, könne sie sich gemäß § 390 Satz 2 BGB a. F. nach wie vor auf das ihr zustehende Zurückbehaltungsrecht berufen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie meint, dass es - anders als im Architektenrecht - nicht gerechtfertigt sei, zwischen dem Anspruch auf Zahlung der vertraglich vereinbarten einzelnen "Kaufpreisraten" und einem "Gesamtkaufpreisanspruch" zu unterscheiden. Darüber hinaus sei auch eine etwaige selbständige Schlussrechnungsforderung bei Entstehung des Auflassungsanspruchs bereits verjährt gewesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 27. April 2004, Aktenzeichen 3 O 412/2003, die Beklagte zu verurteilen, das Grundstück A, eingetragen ins Grundbuch von O1, Band ..., Blatt ..., lfd. Nr. ..., Flurstück ..., Veränderungsnachweis ... mit Flur ..., Flurstück ... an die Klägerin aufzulassen und die Eintragung ins Grundbuch zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, die Klage sei unzulässig, weil über die Ansprüche der Klägerin bereits im Vorprozess rechtskräftig entschieden worden sei. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung der Klägerin ist begründet.

Die Klage ist zulässig. Das Prozesshindernis der Rechtskraft (§ 322 ZPO) steht nicht entgegen. Die Klage vor der 10. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt hatte einen anderen Streitgegenstand als die jetzige Klage. Nachdem die Klägerin zwischenzeitlich die 6. und letzte Kaufpreisrate gezahlt hat, liegt ein neuer Lebenssachverhalt (Klagegrund) vor, der Grundlage des Auflassungsanspruchs ist, über den nunmehr zu entscheiden ist.

Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist ohne Zug-um-Zug-Einschränkung zur Auflassung und Eintragungsbewilligung gemäß Ziffer III des Vertrages vom 07.07.1994 verpflichtet. Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt hat in dem Vorprozess zum einen rechtskräftig entschieden, dass sich der Restwerklohnanspruch der Beklagten auf insgesamt 22.979,95 DM beläuft. Die ausgeurteilte Summe hat die Klägerin beglichen. Weitere Forderungen der Beklagten gegen die Klägerin können nicht mehr geltend gemacht werden, nachdem im Vorprozess darüber hinaus rechtskräftig entschieden worden ist, dass der weitergehende Anspruch auf Zahlung der 5. Kaufpreisrate verjährt ist. Auch hierauf erstreckt sich die Rechtskraft, da die Beklagte hinsichtlich der 5. Rate aus dem Vertrag in Höhe von 25.737,44 € nicht lediglich ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, sondern insoweit Widerklage erhoben hatte, die das Landgericht in Höhe dieses Betrages abgewiesen hat.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dagegen keine rechtskräftige Entscheidung darüber ergangen, dass der Beklagten hinsichtlich der Auflassungsforderung der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass Gegenrechte, Einwendungen und Begründungen grundsätzlich nicht in Rechtskraft erwachsen. Der in § 322 Abs. 2 ZPO geregelte Ausnahmefall ist auf das Zurückbehaltungsrecht nicht entsprechend anwendbar. Die Gegenforderung, auf die das Zurückbehaltungsrecht gestützt wird, kann weder dadurch rechtskräftig aberkannt werden, dass das Gericht den Beklagten uneingeschränkt verurteilt, noch wird sie umgekehrt durch eine Zug-um-Zug-Verurteilung rechtskräftig festgestellt (Zöller-Vollkommer § 322 ZPO Anm. 15). Auch aus der Hilfserwägung auf Seite 10 des Urteils im Vorprozess ergibt sich nichts anderes, da insoweit keine die Entscheidung tragende Erwägung vorliegt.

Der (verjährte) restliche Kaufpreisanspruch der Beklagten begründet kein Zurückbehaltungsrecht gegen den Auflassungsanspruch, da dies § 390 Satz 1 BGB - der auch auf das Zurückbehaltungsrecht Anwendung findet - verbietet und die Ausnahmevorschrift des § 390 Satz 2 BGB a. F. nicht eingreift. Nach dieser Vorschrift hindert die Einrede der Verjährung die Aufrechnung bzw. die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht, wenn die Gegenforderung zu der Zeit, zu der sie gegen die Hauptforderung erstmals aufgerechnet bzw. ihr entgegengehalten werden konnte, noch nicht verjährt war. Ein verjährter Anspruch begründet daher nur dann ein Zurückbehaltungsrecht, wenn sich die gegenseitigen Ansprüche der Vertragsparteien einmal voll gültig in unverjährter Zeit gegenübergestanden haben. Dagegen ist § 390 Satz 2 BGB nicht einschlägig, wenn die Forderung des Aufrechnungsgegners vor dem Eintritt der Verjährung entweder noch nicht entstanden oder zwar entstanden, aber noch nicht erfüllbar war (vgl. Staudinger-Gursky § 390 BGB Anm. 32, 44; BGHZ 48, 116 f.). Der Vergütungsanspruch der Beklagten aus der 5. Kaufpreisrate war gemäß §§ 186, 201 BGB a. F. am 31.12.1996, zwei Jahre nach Bezugsfertigkeit, am 23.12.1994 verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war der Auflassungsanspruch der Klägerin mangels Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtungen noch nicht entstanden.

Eine Zug-um-Zug-Verurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn zwischen dem Anspruch auf Zahlung der 5. Kaufpreisrate als solcher und einem daneben selbständig bestehenden Anspruch auf Zahlung des Gesamtkaufpreises, der einer eigenständigen Verjährung unterliegt, unterschieden wird.

Nach Auffassung des Senats ist es bereits zweifelhaft, ob die Rechtsprechung des BGH (NJW 1999, 713), wonach auch verjährte Abschlagsforderungen des Architekten als Rechnungsposten in die Schlussrechnung eingestellt und geltend gemacht werden können, auf dem Bauträgervertrag übertragen werden kann. Denn die Voraussetzungen, die im Architektenrecht und im Bauträgerrecht zu Forderungen von Abschlagszahlungen berechtigen, sowie die Interessenlage sind unterschiedlich.

Während beim Bauträgervertrag die gemäß § 3 Abs. 2 der MaBV mit dem Auftraggeber vereinbarten Raten automatisch mit dem Abschluss der Leistungen fällig werden, steht es gemäß § 8 Abs. 2 HOAI im Belieben des Architekten, Abschlagszahlungen zu verlangen. Die Fälligkeit der jeweiligen Rate beim Bauträgervertrag hängt nicht von einem besonderen Nachweis des Baufortschritts ab. Dagegen können gemäß § 8 Abs. 2 HOAI Abschlagszahlungen nur für nachgewiesene Leistungen gefordert werden (Brych/Pause Bauträgerkauf und Baumodelle 3. Aufl. B II Anm. 146; OLG Saarbrücken NzM 2000, 924). Bei den üblichen Gestaltungen des Bauträgervertrages gibt es keine Schlussrechnung. Die einzelnen Raten stehen - ausgehend von der zwischen Bauträger und Käufer vereinbarten Vertragssumme - von vornherein fest. Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise zwischen den Parteien des Bauträgervertrages nur ein vorläufiger Kaufpreis bestimmt worden ist, der nachträglich an die tatsächlichen Umstände anzupassen ist, zum Beispiel beim Verkauf einer später zu vermessenden Teilfläche (Basty Der Bauträgervertrag Anm. 176; Mitt. BayNot 1999, 530; Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle 4. Aufl. III Anm. 393 ff.). Der Architekt ist im Gegensatz hierzu verpflichtet, nach vollständiger Erbringung seiner Leistungen eine Honorarschlussrechnung zu erstellen. Da sich beim Architekten der Leistungszeitraum regelmäßig über die Ausführung der eigentlichen Bauarbeiten hinaus auch auf die Leistungsphase 9 des § 15 HOAI, d. h. die Objektbetreuung und Dokumentation erstreckt, ist die Architektenleistung in der Regel erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist des ausführenden Unternehmers abgeschlossen und abnahmereif und damit der Architekt erst zu diesem Zeitpunkt zur Schlussrechnungsstellung berechtigt. Zum Zeitpunkt der Schlussrechnungsfähigkeit seiner Leistungen werden deshalb die Abschlagsrechnungen - geht man von deren selbständiger Verjährbarkeit aus - vielfach bereits verjährt sein. Bei Streit der Vertragspartner über die Berechtigung einer Abschlagsforderung müsste der Auftragnehmer zur Vermeidung des Verjährungseintritts klagen, obwohl der Vertrag noch weiter abgewickelt wird. Um dies zu vermeiden, soll es dem Architekten erlaubt sein, auch bereits verjährte Abschlagszahlungen im Rahmen der Honorarschlussrechnung geltend zu machen. Der Bauträger ist demgegenüber nicht in diesem Maße schutzbedürftig, zumal er grundsätzlich Eigentümer des veräußerten Grundstücks bleibt, bis der Erwerber die letzte Rate nach vollständiger Fertigstellung gezahlt hat. Während die Abschlagsrechnungen des Architekten nur vorläufigen Charakter haben, die die Rechtslage für ihn dadurch verbessern, dass er nicht unbegrenzt vorleistungspflichtig ist und sie (mit der entsprechenden Teilforderung) nicht mit der Schlussrechnung teilidentisch sind (Otto Baurecht 2000, 353), handelt es sich bei den in einem Bauträgervertrag vorgesehenen Raten um eigenständige und vollwertige Zahlungen. Im Bauträgerrecht entsteht grundsätzlich keine, die früheren Abschläge überholende Gesamtforderung, in der die früheren Abschlagsforderungen aufgehen (Basty a. a. O. Anm. 176; Pause a. a. O. III Anm. 396).

An diesem Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte unstreitig nach Ausführungen der Leistungen eine Schlussrechnung erstellt hat. Entscheidend ist, ob der Bauträgervertrag eine Schlussrechnung, die mit einer Abrechnung gemäß §§ 8, 18 HOAI vergleichbar ist, vorsieht (vgl. Basty Der Bauträgervertrag C Anm. 207). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Vielmehr stand die Gesamtvergütung in Höhe von 678.200,00 DM bereits bei Abschluss des Vertrages fest. Gemäß Ziffer 2 der Besonderen Vereinbarungen waren die - abweichend von der Baubeschreibung - vereinbarten Minderleistungen bei der Festlegung des Kaufpreises zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits berücksichtigt, worauf die Beklagte wohl selbst hingewiesen hat. Dass die Beklagte der Klägerin tatsächlich später eine Schlussrechnung übermittelt hat, resultierte insbesondere daraus, dass es zwischen den Parteien hinsichtlich verschiedener Mängel Streit gegeben hat, was sich aus den Rechnungspositionen "Minderung schiefe Wand" und "Minderung Verputz", die auch Gegenstand des Vorprozesses waren, ergibt.

Letztlich kann der Senat die Frage, ob eine gesonderte Schlussrechnungsforderung besteht, die als eine neue eigenständige Forderung anzusehen ist und für die eine neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt, dahinstehen lassen. Selbst, wenn man nämlich auf einen Gesamtkaufpreisanspruch abstellt, besteht für die Beklagte kein Zurückbehaltungsrecht, das sie dem Anspruch der Klägerin auf Auflassung entgegenhalten könnte, da auch er verjährt war, bevor der Auflassungsanspruch der Klägerin entstanden ist. Denn ein etwaiger selbständiger Gesamtkaufpreisanspruch, der spätestens mit Übersendung der Schlussrechnung am 19.02.1997 fällig geworden ist, wäre Ende 1999 verjährt. Auch zu diesem Zeitpunkt war aber der Auflassungsanspruch der Klägerin noch nicht entstanden. Das ergibt sich aus der Regelung in Ziffer III des Bauträgervertrages. Dort heißt es: "Die Auflassung erfolgt, wenn der Käufer seine sämtlichen Zahlungsverpflichtungen... erfüllt hat...". Wie sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Vorprozesses ergibt, schuldete die Klägerin bei Verkündung der Entscheidung am 26.11.1999 noch die Zahlung eines Betrages in Höhe von 22.979,95 DM (6. Kaufpreisrate) nebst Zinsen. Diesen Betrag hat die Klägerin (erst) nach Zustellung des Urteils - die am 05.01.2000 erfolgte - gezahlt, d. h. nach Verjährung einer etwaigen selbständigen Schlussrechnungsforderung. Auch, wenn man nicht auf die vertragliche Regelung zur Auflassung abstellt, ergibt sich nichts anderes. Denn die Verpflichtung des Bauträgers zur Übereignung entsteht erst nach Bezahlung der geschuldeten Vergütung; vorher muss der Bauträger die Auflassung nicht erklären (vgl. Brych/Pause 3. Aufl. Anm. 352; Pause a. a. O. Anm. 436; Basty a. a. O. J Anm. 582). Da sich somit die gegenseitigen Ansprüche der Parteien niemals in unverjährter Zeit gegenüberstanden, war die Beklagte zur uneingeschränkten Auflassung und Eintragungsbewilligung zu verurteilen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen fallen der unterlegenen Beklagten zur Last, § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern

Ende der Entscheidung

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