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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: 12 U 4/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 536
Zur Relevanz mangelnder Kundenfrequenz in einem Ladenzentrum für ein Mietminderungsrecht eines Ladenbetreibers.
Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Räumung und Herausgabe eines Ladengeschäfts im X-Center in O1 sowie auf Zahlung restlicher Gewerberaummiete und vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.

Die Beklagte war bereits vor September 2001 Mieterin in dem "..." genannten Untergeschoss des X-Center und betrieb dort ein Fachgeschäft für italienische Feinkostwaren. Da die Klägerin einen Umbau des Untergeschosses und eine Umsetzung der Mieter beabsichtigte, schlossen die Parteien am 17.5.2001 einen neuen Mietvertrag (Bl. 6 f).

Ziffer 5.6.9 des Mietvertrag vom 17.5.2001 lautet:

"Der Mieter ist nicht berechtigt, gegenüber den Mietzinsforderungen und sonstigen Forderungen des Vermieters aus diesem Vertrag mit Gegenforderungen aufzurechnen oder den Mietzins zu mindern, es sei denn, die Gegenforderung oder das Mietminderungsrecht sind nach Grund und Höhe unbestritten oder rechtskräftig festgestellt. Das Klagerecht des Mieters zur Geltendmachung von Gegenansprüchen und Mietminderungsansprüchen bleibt durch diese Bestimmung unberührt."

Die Klägerin wechselte nach dem Umbau in ein anderes der dort eingerichteten Ladengeschäfte. In einen Nachtrag vom 14.9.2001 vereinbarten die Parteien (Bl. 58), die neue Mietfläche solle u.a. eine "vergleichbare Frequentierung" aufweisen; für den Fall, dass über eine der Regelungen des Nachtrages keine Einigung erzielt werde, sollte jeder Partei ein außerordentliches Kündigungsrecht mit einer Frist von 6 Monaten zustehen (Bl. 59).

Die Beklagte zahlte den Mietzins von zunächst (Dezember 2003) 1.855,40 €, später (ab Januar 2004) 1.871,89 € ab Dezember 2003 durchgängig auf 1.000 € monatlich gekürzt.

Die Parteien verhandelten in der ersten Hälfte des Jahres 2004 unter Einschaltung ihrer Rechtsanwälte darüber, ob der Mietzins wegen der schlecht gehenden Geschäfte der Klägerin aufgrund schwacher Kundenfrequenz reduziert und die Vertragslaufzeit von 10 Jahren auf das Ende des Jahres 2004 begrenzt wird (Bl. 60, 61). Hierüber kam es zu keiner Einigung zwischen ihnen.

Daraufhin kündigte die Klägerin den Mietvertrag am 27.7.2004 (Bl. 34) wegen Zahlungsverzuges außerordentlich, forderte die Beklagte erfolglos zur Räumung bis zum 5.8.2004 auf und widersprach einer Fortsetzung des Mietverhältnisses. Dies Schreiben ließ die Klägerin durch Gerichtsvollzieher zustellen (Kosten 12,60 €). Außerdem macht sie 445,90 € Anwaltskosten für die Kündigung geltend. Ferner beansprucht sie 7.983,51 € offene Miete für Dezember 2003 bis Juli 2004.

Die Beklagte hat sich auf Minderung berufen und geltend gemacht, die Klägerin habe entgegen mündlicher Zusicherung nicht für eine Wahrung der Passantenfrequenz nach dem Umbau gesorgt. Sie hält einen Zahlungsverzug zumindest für unverschuldet und damit nicht tragfähig für eine Kündigung, weil sie sich durch ihren Prozessbevollmächtigten dahin habe beraten lassen, zur Minderung berechtigt zu sein.

Das Landgericht hat die Beklagte in vollem Umfang verurteilt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 7.12.2004 Bezug genommen (Bl. 78).

Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie Zurückverweisung an das Landgericht und Abweisung der Klage beantragt.

Sie rügt das angefochtene Urteil als Überraschungsentscheidung, weil weder das Landgericht, noch die Parteien auf die Klausel 5.6.9 hingewiesen hätten; das dort enthaltene Aufrechnungsverbot sei wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam. Der Tatbestand des Urteils sei unvollständig, weil er die Verhandlungen der Parteien über den Umfang einer Minderung der Miete unerwähnt lasse. Außerdem habe das Landgericht den Beweisantritt aus dem nachgelassenen Schriftsatz vom 26.10.2004 auf Vernehmung von Zeugen über die rechtzeitige Rüge der Passantenfrequenz übergangen. Das fehlende Verschulden der Beklagten an den reduzierten Zahlungen sei rechtsfehlerhaft bewertet worden. Ferner habe das Landgericht die Anwalts- und Zustellkosten ohne tragfähige Begründung zugesprochen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige Berufung ist nur hinsichtlich eines Rechenfehlers im Zahlungsantrag (1.024,88 €) und der vom Landgericht zugesprochenen vorgerichtlichen Anwaltskosten ( 445,90 €) begründet. Hinsichtlich des Räumungsausspruchs und des Zahlungsausspruchs im übrigen ist die Berufung unbegründet.

1. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien ist das BGB in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung anzuwenden. Der Vertrag wurde zwar bereits 2001 geschlossen. Gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB ist jedoch auch auf alte Dauerschuldverhältnisse wie die Miete seit dem 1.1.2003 nur noch neues Recht anwendbar. Die maßgeblichen Vorgänge der Kündigung liegen danach.

2. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht gem. § 546 BGB zur Räumung und Herausgabe des Ladenlokals verurteilt. Das Mietverhältnis ist beendet, weil sich die Beklagte bei Ausspruch und Zugang der Kündigung vom 27.7.2004 in Zahlungsverzug gem. § 543 Nr. 3 b) BGB befand, der andauert.

a) Ein rechnerischer Zahlungsrückstand besteht nur in Höhe von 6.958,63 € weil die Beklagte nach dem Vertrag im fraglichen Zeitraum 14.958,63 € zu entrichten hatte, aber nur 8.000 € gezahlt hat (Bl. 4); die Differenz ist somit rechnerisch geringer als in der Klage angegeben und vom Landgericht ausgeurteilt.

b) Der Zahlungsrückstand ist auch nicht gem. § 536 BGB unbeachtlich, weil eine Minderung wegen Mängeln der Mietsache nicht zulässig ist. Dem Minderungseinwand der Beklagten steht Ziff. 5.6.9 des Mietvertrages entgegen. Danach ist eine Minderung der Miete wirksam ausgeschlossen.

Die Klausel verstößt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegen § 307 BGB. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Vorauszahlungsregelung in Ziff. 5.6.1 des Vertrages. Dies führt auch bei kumulativer Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des kaufmännischen Vertragspartners.

Der Ausschluss von Minderung, Aufrechnung und der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts, soweit es sich nicht um rechtskräftig festgestellte oder unstreitige Gegenforderungen handelt, ist in den AGB eines unter Kaufleuten geschlossen Pachtvertrages zulässig (vgl. BGH v. 27.1.1993, NJW-RR 1993, 519; BGH v. 26.3.2003, NJW-RR 2003, 873; KG v. 14.2.2002, NJW-RR 2002, 948).

Die vorliegende Klausel in Ziff. 5.6.9 des Vertrages unterscheidet sich nur hinsichtlich des Zusatzes nach "Grund und Höhe" zu den Worten "unbestrittenen Forderungen" von den entschiedenen Fällen. Hierin liegt keine beachtliche Abweichung, die eine andere Entscheidung rechtfertigt. Es handelt sich lediglich um eine Konkretisierung der Formulierung. Der Begriff "unbestritten" erfasst seinem Sinn nach sowohl Grund, als auch Höhe, wenn er ohne Zusätze verwendet wird.

Einer gesonderten Erörterung oder eines besonderen Hinweises des Landgerichts auf die von ihm beabsichtigte Anwendung der Vertragsklausel bedurfte es nicht, da die Klausel in der Klageschrift ausdrücklich erwähnt ist und vom Landgericht ihrem Wortlaut und Sinn entsprechend angewendet wurde.

c) Die Beklagte befand sich schuldhaft in Zahlungsrückstand mit einem erheblichen Teil der Miete, so dass die Voraussetzungen des Verzuges gem. § 286 Abs. 4 BGB gegeben sind.

Der Schuldner einer Geldforderung kommt nur dann nicht in Verzug, wenn er sich hinsichtlich der Gründe des Rückstands entlasten kann. Diese Entlastung ist nicht erfolgt. Eine fehlerhafte Anwaltsberatung entlastet den Schuldner nicht.

In Fällen zu hoher Mietminderung wird eine Entlastung infolge fehlerhafter Anwaltsberatung zwar von einem Teil des Schrifttums vertreten (vgl. Schmidt-Futterer 7. Aufl. § 537 Rdnr. 270).

Vorliegend kam es jedoch darauf an, ob sich die Beklagte entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Vertrages überhaupt auf Minderung berufen durfte, nicht aber auf den Umfang einer Minderung.

Das Verschulden ihres anwaltlichen Beraters muss sich die Beklagte gem. § 278 BGB zurechnen lassen (vgl. OLG Köln v. 30.10.1997, OLGR 1998, 176 = ZMR 1998, 763).

Der Senat teilt diese Auffassung. Sie ist hinsichtlich der Anwendung von § 278 BGB überzeugend. Anders als bei einem Verschätzen mit der Höhe einer Minderung, die immer mit Unwägbarkeiten behaftet ist, konnte der Beklagtenvertreter hier bei sorgfältiger Prüfung erkennen, dass der Vertrag jede Minderung von vornherein ausschloss. Der unzutreffende Rat ihres Prozessbevollmächtigten entlastet die Beklagte nicht, sondern ist ihr als eigenes Verschulden zuzurechnen.

d) Ein Minderungsrecht der Beklagten wegen schlechter Kundenfrequenz nach Umbau und Umzug bestand - unabhängig von der Wirksamkeit der Klausel in Ziff. 5.6.9 des Mietvertrages - auch deshalb nicht, weil die Parteien für diesen Fall mit dem Nachtrag vom 14.9.2001 eine besondere Regelung getroffen haben. Demnach hatte die Beklagte ein befristetes Sonderkündigungsrecht. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht.

e) Ein Zurückbehaltungsrecht oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrages ist durch Ziff.5.6.9 des Mietvertrages zwar nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Schleswig v. 10.10.1995, OLGR Schleswig 1996, 97). Eine solche Einrede hat die Beklagte aber nicht erhoben. Ihr anwaltliches Vorbringen bedarf keiner eingehenden Auslegung, weil es eindeutig ist. Der vom Beklagtenvertreter durchgängig rechtstechnisch als "Minderung" benutzte Begriff lässt sich nicht zur Einrede des nicht erfüllten Vertrages uminterpretieren.

3. Die Mietforderung besteht nur im Umfang des oben dargestellten rechnerischen Rückstandes von 6.958,63 € . Hinsichtlich der weitergehenden Klageforderung hat die Berufung Erfolg.

4. Eine besondere anwaltliche "Kündigungsgebühr" ist neben der Gebühr aus diesem Rechtsstreit nicht begründet. Die Gebühr für ein Kündigungsschreiben gem . Nr. 2400 RVG ist mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG abgegolten (Göttlich/Mümmler RVG S. 568). Bei der Vorbereitung und dem Ausspruch einer Kündigung handelt es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 16 RVG. Die Vorbereitung und die Abwicklung der später streitigen Angelegenheit bewirken als Teil derselben Angelegenheit keine besondere Vergütung (Gerold/Schmidt/ v. Eicken RVG § 15 Rdnr. 50 f). Auch insoweit hat die Berufung Erfolg.

Die gesonderten Zustellkosten für die Kündigungserklärung in Höhe von 12,60 € sind wegen Verzuges mit der Zahlung begründet.

Die Zinsen sind als vertragliche Fälligkeitszinsen gem. Ziff. 5.6.1 des Mietvertrages begründet.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.

Ende der Entscheidung

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