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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.11.2000
Aktenzeichen: 13 W 46/00
Rechtsgebiete: BGB, KostO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 2287
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 2256
BGB § 2258
BGB § 2288
KostO § 24
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 97 Abs. 1
Eine den Erben beeinträchtigende Schenkung des Erblassers liegt nicht vor, wenn dieser damit seine eigene Versorgung im Alter sicherstellen will.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

13 W 46/00

1 O 398/99 Landgericht Darmstadt

Entscheidung vom 7.11.2000

In dem Prozeßkostenhilfeverfahren ...

Der 13. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat in der Beratung am 7. November 2000 durch die Richter ... beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin/Antragstellerin gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 06. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin/Antragstellerin zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Dem Begehren der Klägerin/Antragstellerin, ihr Prozeßkostenhilfe für eine Klageerweiterung zu gewähren, liegen erbrechtliche Streitigkeiten zu Grunde.

Die Antragstellerin, nachstehend nur noch als die Klägerin bezeichnet, entstammt der ersten Ehe des am 21.11.1973 verstorbenen G. D. mit H. D. geb. E. und hat drei Schwestern. Ihr Vater heiratete später ein zweites Mal die am 10. September 1997 verstorbene Erblasserin Y. D., geb. S.. Aus jener zweiten ehelichen Verbindung entstammt ein Sohn. Die Antragsgegnerin, nachstehend auch nur noch als die Beklagte bezeichnet, ist die Tochter der Erblasserin aus einer früheren Ehe von ihr.

Am 15. Februar 1967 errichteten die Eheleute G. und Y. (= Erblasserin) D. ein notarielles Testament (Bl. 24 f. d.A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird. In diesem Testament setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Erben ein. Es heißt dann weiter

"Nach dem Tode, des Längstlebenden von uns soll unser beiderseitiges Vermögen als eine Masse betrachtet werden, und als Nachlaß des Längstlebenden von uns gelten."

Erben dieses Nachlasses sollten die vier Töchter des Mannes, darunter also auch die Klägerin, und die Tochter der Ehefrau (= Beklagte) sowie etwa noch geboren werdende gemeinsame Kinder zu gleichen Teilen sein.

In dem Testament heißt es dann weiter

Sollte eines unserer vorgenannten Kinder beim Tode des Erstversterbenden von uns den Pflichtteil verlangen, so soll dieses Kind nicht Erbe des Längstlebenden von uns sein".

Die Eheleute entnahmen das vorbezeichnete Testament am 01.03.1971 aus der amtlichen Verwahrung und errichteten am gleichen Tag ein handschriftliches gemeinsames Testament (Bl. 7 d.A.), auf dessen Inhalt gleichfalls Bezug genommen wird. Auch in diesem Testament setzen sich die Eheleute zu "unumschränkten Erben" gegenseitig ein, so daß der Längstlebende ... alleiniger und unumschränkter Erbe des Zuerstversterbenden ist". Nach dem Tode des Längstlebenden soll das beiderseitige Vermögen der Erblasser als eine Masse" betrachtet werden. Erben dieses Nachlasses sollten die bereits vorgenannten vier Töchter des Ehemannes, die Beklagte sowie der ehegemeinschaftliche Sohn G. D. jun. zu gleichen Teilen sein. Es wird, wie schon im ersten Testament, Testamentvollstreckung angeordnet.

Nach dem ersten Erbfall (Tod des G. D. am 21.11.1973) machten sämtliche vier Töchter von ihm, dem damaligen Erblasser, gegen dessen Ehefrau, die jetzige Erblasserin, Pflichtteilsansprüche geltend. Die Antragstellerin schloß mit der jetzigen Erblasserin (Y. D.) vor der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt am 18. Juli 1976 einen Vergleich, in welchem es heißt:

"Zur Abgeltung der Klageforderung zahlt die Beklagte (= Erblasserin) an die Klägerin (= hiesige Antragstellerin) 17.000,00 DM. Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche der Parteien, gleich welchen Rechtsgrunds abgegolten."

Am 01.07.1992 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament (Bl. 11 d.A.), auf dessen Inhalt wiederum Bezug genommen wird. In diesem Testament berief die Erblasserin die Beklagte, ihre Tochter aus erster Ehe, und ihren Sohn G. zu Erben zu je 1/2.

In notarieller Verhandlung am 07. Mai 1993 übertrug die Erblasserin schenkweise ein unbebautes Grundstück in der Gemarkung B. (Flur ..., Flurstück 209/5) auf die Beklagte. In einer weiteren notariellen Verhandlung am 12.12.1994 die nunmehr allein verfahrensgegenständlich ist - übertrug die Erblasserin der Beklagten das in der Gemeinde B. gelegene und bebaute Grundstück Flur ..., Flurstück 209/3. Ausweislich des notariellen Vertrages lasteten auf dem Grundstück zwei Grundschulden über DM 35.000,00 und DM 60.000,00, welche die Beklagte übernahm. Die Beklagte bestellte der Erblasserin an dem vorbezeichneten Grundstück einen Nießbrauch auf Lebenszeit. Die Erblasserin sollte als Nießbraucherin verpflichtet sein, auch außergewöhnliche Ausbesserung" wie z.B. eine Dachsanierung, vorzunehmen. Die Beklagte räumte der Erblasserin desweiteren das Recht ein, von ihr, der Beklagten, zu verlangen, "in kranken und altersschwachen Tagen Zubereitung der Speisen, Wartung und Pflege sowie die Vornahme aller erforderlich werdenden Handreichungen, reinigen und instandhalten der Wäsche und Bekleidungsstücke, reinigen instandhalten und heizen" der von ihr bewohnten Räume. Die Vertragsparteien erklärten, daß die vorgenannten Rechte mit schuldrechtlicher Wirkung unentgeltlich seien und gaben den jährlichen Wert der Rechte mit DM 24.000,00 (Nießbrauch) und DM 6.000,00 (Pflege) an. Den Verkehrswert des Grundbesitzes bezifferten die Vertragsschließenden mit 1.346.638,75 DM.

Nach dem Tode der Erblasserin am 10.09.1997 beantragte die Beklagte die Erteilung eines Erbscheines, welcher sie und ihren Halbbruder als Erben zu je 1/2 ausweisen sollte. Mit Beschluß vom 30. Dezember 1998 (Bl. 12 d.A.) wies das Amtsgericht Darmstadt - Nachlaßgericht - den Erbscheinsantrag mit der Begründung zurück, die Erblasserin habe mit ihrem Testament vom 01. Juli 1992 das ehegemeinschaftliche Testament vom 01. März 1973 nicht widerrufen können.

Unter dem 21. September 1999 stellte die Klägerin ihrerseits einen Erbscheinsantrag, der sie u.a. als Erbin zu 1/6 ausweisen soll.

Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, die von der Erblasserin vorgenommenen Schenkungen seien i.S.d. § 2287 BGB beeinträchtigend. Nach Bewilligung von Prozeßkostenhilfe durch das Landgericht Darmstadt hat die Klägerin mit bei Gericht am 15.03.2000 eingegangenem Schriftsatz gegen die Beklagte Klage mit dem Antrag erhoben, daß sie, die Beklagte, verurteilt werde, ihr, der Klägerin, das Grundstück Flur ..., Flurstück 209/5 zu 1/6 Miteigentumsanteil lastenfrei aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu beantragen. Mit bei Gericht am 05.04.2000 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin um Gewährung von Prozeßkostenhilfe nachgesucht für eine Klageerweiterung, mit welcher sie begehrt, daß die Beklagte zusätzlich verurteilt werde, ihr den Betrag von DM 169.439,79 nebst 4 % Zinsen seit 29.10.1999 zu zahlen. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, bezüglich des Grundstückes Flur ..., Flurstück 209/3 müsse von einer gemischten Schenkung ausgegangen werden. Schon unter Zugrundelegung des in der notariellen Urkunde angeführten Grundstückswertes von DM 1.346.638,75, welcher tatsächliche zu niedrig bemessen sei, sei der geschenkte Teil der lmmobilie mit DM 1.016.638,75 anzusetzen, denn der jährliche Wert der Rechte belaufe sich ausweislich der Urkunde auf DM 50.000,00 und müsse, da die Erblasserin zum Zeitpunkt der Übergabe 63 Jahre alt gewesen sei, gemäß § 24 Kost0 mit 11 multipliziert werden, so daß DM 330.000,00 vom Grundstückswert abzuziehen seien. Auch bezüglich des Teilbetrages von DM 1.016.638,75 liege eine beeinträchtigende Schenkung vor. Lediglich bei der vereinbarten Pflegeverpflichtung sei ein lebenszeitiges Eigeninteresse der Erblasserin zu bejahen, die Gegenleistung hätten jedoch die Vertragsparteien selbst nicht hoch bewertet. Allein in dem von den Vertragsparteien angenommenen monatlichen Wert in Höhe von DM 500,00 für die Pflegeverpflichtung liege ein deutliches Indiz für einen Mißbrauch, der auch durch die zeitliche Abfolge der Unternehmungen der Erblasserin belegt werde. Das handschriftliche Testament der Erblasserin vom 01.07.1992 müsse in einem einheitlichen Zusammenhang mit den beiden Übergabeverträgen gesehen werden. Die zwischen den Vertragsparteien getroffene Pflegeverpflichtung sei "mehr als fadenscheinig".

Die Beklagte und Antragsgegnerin hat um Zurückweisung des Prozeßkostenhilfegesuches nachgesucht und umfangreich zu den Beziehungen der Erblasserin zu ihrem vorverstorbenen Ehemann und dessen Familie vorgetragen. Die Beklagte hat behauptet, die Erblasserin habe große Angst vor dem Alter und Sterben gehabt und habe sich sehr um die Pflege in ihrem Alter gesorgt und entsprechende Gespräche mit ihrer Hausärztin geführt, auf deren Zeugnis sie sich beziehe. Das Anwesen habe zum Zeitpunkt der Übergabe einen Verkehrswert von maximal DM 750.000,00 gehabt. Die in der notariellen Urkunde genannten Beträge hätten nicht die Vertragsparteien eingeführt. Mit Vertrag vom 10.06.1998 habe sie, die Beklagte, das Grundstück 209/3 zu einem Verkaufspreis von DM 850.000,00 an einen Dritten veräußert.

Ergänzend hat die Beklagte vorgetragen, das ehegemeinschaftliche Testament vom 15.02.1997 sei durch das Testament vom 01.03.1971 insoweit nicht widerrufen worden, als der Inhalt des zeitlich späteren Testaments nicht dessen Inhalt widerspreche. Es sei nicht Wille der Testierenden gewesen, die javorsche Klausel zu widerrufen. Hinsichtlich des Grundstückes 209/3 fehle es an einer Schenkung, denn in der notariellen Urkunde sei ein Nießbrauchrecht und Pflegeverpflichtung unverhältnismäßig niedrig angesetzt worden. Letztlich habe die Erblasserin jedenfalls keine Beeinträchtigungsabsicht gehabt. Die Erblasserin habe davon ausgehen dürfen, daß aufgrund der Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche ein Erbrecht der Klägerin und ihrer Schwestern nicht mehr bestanden habe. Irrtümlich habe sie bei ihrer letzt- willigen Verfügung vom 01.07.1992 das ehegemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1971 als gegenstandslos angesehen.

Mit Beschluß vom 06. Juli 2000, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt den Antrag auf Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, wenn auch § 2287 BGB auf ehegemeinschaftliche Testamente anzuwenden sei so sei vorliegend jedoch nicht das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigungsabsicht erfüllt. Nach Abschluß des gerichtlichen Vergleiches vom 18.06.1976 habe die Erblasserin davon ausgehen dürfen, daß ihr gegenüber von der Klägerin keine Ansprüche, welchen Rechtsgrundes auch immer, erhoben werden sollten.

Gegen den vorbezeichneten Beschluß hat die Klägerin mit bei Gericht am O7. 08. 2000 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und greift darin die landgerichtliche Rechtsauffassung an, die Erblasserin habe ohne Beeinträchtigungsabsicht gehandelt. Nach neuerer Rechtsprechung komme es darauf an, ob die Verfügung darauf angelegt sei, daß ein anderer als der durch letztwillige Verfügung berufene Erbe wesentliche Vermögensteile des Erblassers erhalte, ohne dafür diesem eine angemessene Gegenleistung zu erbringen. Die Grenze verlaufe dort, wo die Erblasserin ihr Recht zur lebzeitigen Verfügung mißbrauche. Das Landgericht stelle indessen allein auf die falsche subjektive Meinung der Erblasserin ab und trage damit nicht der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung Rechnung. Auch habe das Landgericht die Abgeltungsklausel im Vergleich unrichtig ausgelegt, die nicht ihr Recht als Schlußerbin erfassen könne.

Mit Beschluß vom 08. August 2000 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung am 14. September 2000 vorgelegt.

Aller Einzelheiten im übrigen wegen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den ihr die Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluß, ist sachlich unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen war. Entgegen der vorgetragenen Rechtsansicht der Klägerin verspricht die von ihr beabsichtigte Klageerweiterung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die tatbestandliche Voraussetzung des von ihr in Bezug auf das Grundstück Flur ..., Flurstück 209/3 geltend gemachten Anspruches gemäß §§ 2287, 818 Abs. 2 BGB liegen nicht vor.

Mit der Klägerin geht der Senat in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Meinung davon aus, daß § 2287 BGB auch auf das ehegemeinschaftliche Testament vom 01. März 1971 nach dem Erbfall am 21. November 1972 anwendbar ist (vgl. Palandt-Edenhofer, BGB, 59. Aufl. 2000, Rn 3 mit BGH Rechtsprechungsnachweis; Musielak in MüKo, BGB, 3. Aufl. 1997, Rn 2, jeweils zu § 2287).

Vorliegend kann jedenfalls unterstellt werden, daß die Klägerin einer Vertragserbin gleichzusetzen ist. Das notariell errichtete ehegemeinschaftliche Testament der Eheleute vom 15. Februar 1967, nach welchem sie ihrer Erbenstellung durch die Geltendmachung ihres Pflichtteils nach dem Tode ihres Vaters am 21.11.1973 verloren haben würde, gilt nämlich gemäß § 2256 BGB als widerrufen, so daß § 2258 BGB, auf den argumentativ die Beklagte eingeht, nicht direkt Platz greift.

Auch bei unterstellter Aktivlegitimation der Klägerin ist deren Begehren der Sache nach nämlich nicht begründet, weil der verfahrensgegenständliche notarielle Übergabevertrag vom 12. Dezember 1994 keine beeinträchtigende Schenkung i.S.d. § 2287 BGB beinhaltet. Nach der vorstehenden Vorschrift kann der Vertragserbe bzw. ein nach der Rechtsprechung dem Vertragserben gleichzusetzender Erbe nach Anfall der Erbschaft von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht gemacht hat, den Vertragserben bzw. dem einem Vertragserben gleichzusetzender Erben zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichtes mußte die Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, das ganz überwiegende, gleichsam treibende Motiv des Erblassers gewesen sein, was bereits dann nicht der Fall war, wenn der Wunsch, den Beschenkten zu begünstigen, gleichstark oder stärker war, als der Wille, den Vertragserben zu beeinträchtigen. Wäre die Rechtslage in diesem vorbeschriebenen Sinne zu interpretieren, wäre das Verlangen der Klägerin ersichtlich unbegründet, denn daß der Wille der Erblasserin, sie in ihren Erwartungen zu enttäuschen, stärker gewesen sein sollte, als der Wunsch, die Beklagte als ihre leibliche Tochter zu begünstigen, ergibt sich schon nicht aus ihrem Antragsvorbringen, zumal vor dem Hintergrund des weiteren handschriftlichen Testaments der Erblasserin vom 01.07.1992.

Unter der Führung des Bundesgerichtshofes (vgl. dessen maßgebliches Grundsatzurteil vom 05.07.1972, abgedruckt in Band 59 S. 343 der Amtlichen Entscheidungssammlung bzw. in NJW 1973 S. 240) hat die Rechtsprechung den Begriff der Beeinträchtigungsabsicht neu definiert. Danach wollen die §§ 2287, 2288 BGB dem Mißbrauch der lebzeitigen Verfügungsfreiheit des Erblassers (v gl. § 2286 BGB) vorbeugen. Dem gesetzlichen Schutz wird gerecht, wenn § 2287 BGB solche Verfügungen - aber auch nur solche - erfaßt, die "ersichtlich darauf angelegt" sind, daß anstelle des Vertragserben (bzw. ein diesem gleichzusetzender Erbe) ein anderer das wesentliche Vermögen des Erblassers ohne angemessenes Äquivalent erhält; d.h. ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers nicht erkennbar ist. Die Gründe, die einen Erblasser zur Verfügung bewegt haben, müssen mit anderen Worten solcher Art sein, daß der Vertragserbe bzw. der diesem gleichgestellte Erbe (hier also die Klägerin) sie anerkennen und daher die. eigene Beeinträchtigung hinnehmen muß (vgl. Spellenberg, Verbotene Schenkungen gebundener Erblasser in der Rechtsprechung in NJW 1986 S. 2531 ff., 2536 m.w.N.).

Die Rechtsprechung hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß das Bedürfnis eines alleinstehenden Erblassers, im Alter versorgt und gegebenenfalls auch gepflegt zu werden, nicht außer Acht gelassen werden darf (vgl. Urteil des 4. Zivilsenats des BGH vom 27.01.1982, abgedruckt in Band 83 S. 44 ff., 46 der amtlichen Entscheidungssammlung; Staudinger-Kanzleiter, BGB, 13. Bearbeitung 1998, Rn 10 a; Müko-Musielak a.a.O., Rn 18; Palandt-Edenhofen a.a.O., Rn 6 f. jeweils zu § 2287 sowie Spellenberg a.a.O., S. 2537).

Wenn auch die Erblasserin nach dem Wortlaut des verfahrensgegenständlichen Vertrages vom 12. Dezember 1994 von einer unentgeltlichen Übertragung des Grundbesitzes ausgegangen ist, ergibt sich aus dem weiteren Inhalt der Urkunde, daß sie vermögenswerte Gegenleistungen erhalten hat, weshalb wohl allenfalls nur von einer belohnenden Schenkung gesprochen werden kann. Die Klägerin selbst geht ihrerseits von einer gemischten Schenkung aus.

Abgesehen davon, daß die Klägerin die Gegenleistungen der Beklagten weder mit den in der Urkunde verlautbarten Wertansätzen - diese erfolgten wohl zur Berechnung der zu erhebenden Gebühren - bemessen darf noch diese gemäß § 24 Kost0 mit 11 multiplizieren darf - richtig ist vielmehr, sowohl auf die statistische Lebenserwartung der Erblasserin abzustellen als auch darauf, welchen wahren Wert die Gegenleistungen haben, welcher gerade in Bezug auf die Pflegeleistungen sehr hoch sein kann (zum Teil wird eine solche Verpflichtung mit mindestens monatlich DM 2.000,00 bewertet) -, verbietet sich nach Senatsauffassung die klägerische Betrachtungsweise überhaupt, wonach das Rechtsgeschäft rechnerisch in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten ist. Ausgangspunkt aller rechtlicher Überlegungen muß vielmehr sein, ob in Bezug auf das vorgenommene Rechtsgeschäft als solchem, ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin zu bejahen ist, wobei indessen der relative als auch absolute Umfang der Schenkung durchaus zu beachten ist und diesem Zusammenhang - aber auch nur in diesem die "unentgeltlichen" und "entgeltlichen" Anteile der sogenannten Schenkung gegenübergestellt werden können. Auch bei dieser Gegenüberstellung verbietet es sich, rein rechnerisch vorzugehen, denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es der Schenkerin erlaubt, im Hinblick auf ihre eigene Altersversorgung auf die persönliche Zuverlässigkeit und ihr persönlich gutes Verhältnis zur Beschenkten abzustellen (vgl. Spellenberg a.a.O., S. 2537).

Die Beweislast dafür, daß die Erblasserin ohne lebzeitiges Eigeninteresse gehandelt hat, liegt, weil es sich um eine anspruchsbegründende Voraussetzung handelt, bei der Klägerin (vgl. Urteil des 4. Zivilsenats des BGH vom 26.11.1975 in NJW 1976, S. 749 ff., 751; Palandt-Edenhofen a.a.O., Rn. 9; Staudinger-Kanzleiter a.a.O., Rn. 11 sowie Musielak-MüKo a.a.O., Rn. 26 jeweils zu § 2287).

Nach derzeitigem Aktenstand ist mithin ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin an der verfahrensgegenständlichen Vermögensdisposition anzuerkennen; es ging ihr - jedenfalls hat die Klägerin bislang weder das Gegenteil beweisen können, noch hat sie entsprechende Beweisantritte angekündigt - darum, ihre persönlichen Le- bensverhältnisse im Alter zu sichern bzw. sogar noch zu verbessern. Diese Feststellung bedingt, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Herausgabe des "Geschenkten" gegenüber der Beklagten hat.

Außergerichtliche Kosten sind in Beschwerdeverfahren im Prozeßkostenhilferecht gemäß § 127 Ab s. 4 ZPO nicht erstattbar. Da das Rechtsmittel der Klägerin erfolglos geblieben ist, muß sie gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die weiteren Verfahrenskosten tragen, d.h. vorliegend die Gerichtskosten (vgl. § 1 GKG i.V.m. KV 1952).

Ende der Entscheidung

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