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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 17.12.2004
Aktenzeichen: 13 W 98/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 142
Eine Entscheidung nach § 142 I ZPO ist nicht beschwerdefähig.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

13 W 98/04

In der Beschwerdesache

hat der 13. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter gemäß § 568 ZPO am 17. Dezember 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Entscheidung des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 02. November 2004 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Gründe:

Im vorliegenden Rechtsstreit berühmt sich der Kläger gegenüber der Beklagten eines Darlehensrückzahlungsanspruchs in Höhe von € 11.1150. Die Beklagte, die um Klageabweisung nachsucht, gesteht zu, von dem Kläger € 6.500 erhalten zu haben und behauptet, von ihm als Haushälterin und Betreuerin angestellt worden zu sein zu einem Stundensatz von € 10 / Stunde. Seit April 2003, so behauptet sie, arbeite sie für den Kläger auf Vollzeitbasis und zwar 60 Stunden / Woche. Soweit dem Kläger ein Zahlungsanspruch zustehe, sei dieser durch Verrechnung mit ihren Arbeitslohnansprüchen erloschen. Die Stunden, die sie gearbeitet habe, habe der Kläger in eine weiße und ihr gehörende Mappe mit Stundenplan eingetragen. Die Stundenpläne bewiesen, wie viele Stunden sie gearbeitet habe und was verrechnet bzw. ausbezahlt worden sei. Sie, die Beklagte, beantrage, dem Kläger gem. § 142 I ZPO aufzugeben, die Mappe mit den Stundenplänen vorzulegen. Soweit das Gericht im Schreiben vom 23.09.2004 moniere, die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche seien unsubstantiiert, erkläre sie, die Beklagte, sie könne einen näheren Vortrag erst dann halten, wenn dem Kläger aufgegeben werde, gem. § 142 ZPO die geforderten Unterlagen vorzulegen. Mit Schreiben vom 02.11.2004 (Bl. 66 d.A.) - gefertigt am 03.11.04 - , auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, teilte der erstinstanzliche Erkenntnisrichter der Beklagten mit, die Gegenforderungen seien nach wie vor unsubstantiiert und das Gericht sehe keine Veranlassung, dem Kläger aufzugeben, durch Vorlage einer Stundenaufstellung ("weiße Mappe") die zur Aufrechnung gestellte Forderung schlüssig zu machen. Mit bei Gericht am 15.11.2004 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte "Beschwerde" erhoben, soweit das Landgericht mit Schreiben vom 02.11.04 ihren Antrag auf Anordnung der Vorlage der weißen Mappe gem. § 142 ZPO durch den Kläger abgelehnt habe. In der Beschwerdebegründung führt die Beklagte aus, unter Verstoß gegen § 142 ZPO, Art. 103 I GG wolle das Gericht "sehenden Auges willkürlich rechts- und verfahrensfehlerhaft verhindern", dass sie, die Beklagte, ihre Behauptungen beweisen könne. Mit verkündetem Beschluss vom 30.11.2004 hat der Einzelrichter der 10. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt der Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung am 10.12.2004 vorgelegt. Der Einzelheiten im übrigen wegen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten - nach Inkrafttreten des ZPO- Reformgesetzes gibt es gemäß § 567 ZPO im Bereich des Zivilverfahrensrechts nur noch die sofortige Beschwerde - war, wenn sie auch fristwahrend erhoben worden ist, als unzulässig zu verwerfen, weil keine beschwerdefähige erstinstanzliche Entscheidung vorliegt.

Nach § 567 Abs.1 Ziffer 2 ZPO i.d.F. des RG findet die sofortige Beschwerde gegen die im ersten Rechtszuge ergangenen Entscheidungen statt, wenn es sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidung handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weil kein "Gesuch" der Beklagten im Sinne der vorbezeichneten Vorschrift zurückgewiesen worden ist.

§ 142 ZPO ist im Titel 1 des dritten Abschnitts des Ersten Buches der ZPO - die die mündliche Verhandlung regelnden Verfahrensvorschriften betreffend - verortet.

§ 142 ZPO verfolgt zwei Zwecke. Die Vorlegungsanordnung kann nämlich zum einen der Information des Gerichts dienen, im besonderen bei undeutlichem oder lückenhaftem Tatsachenvorbringen der Parteien das Vorbringen zu klären, als zum anderen auch der Bereitstellung von Beweismitteln zur Aufklärung eines streitigen Sachverhalts (vgl .u. a. Musielak - Stadler, ZPO, 4. Aufl. 2005, Rn 1 zu § 142). Die Anordnung erfolgt hierbei durch das Gericht aufgrund der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von Amts wegen, weshalb die der Sachverhaltsaufklärung dienende Vorschrift letztlich den Grundsatz der Parteiherrschaft und des Beibringungsgrundsatzes durchbricht. Indessen muss bei Auslegung und Anwendung der vorgenannten Vorschrift gebührend berücksichtigt werden, dass die Lehre von der allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht sich in Deutschland nicht durchgesetzt hat und auch der historische Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien verlautbart, dass nach wie vor eine Ausforschung prozessordnungswidrig bleibe. Der II. Zivilsenat des Bundsgerichtshofes hat in seinem Urteil vom 11. Juni 1990 (NJW 1990, 3151) den Grundsatz betont, dass keine Prozesspartei gehalten sei, dem Gegner für dessen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht von sich aus verfüge. Das deutsche Recht kennt keine allgemeine Auskunftspflicht. Auch wenn das Beschwerdegericht sich nicht mit der Sache selbst zu befassen hat, wird gleichwohl der Hinweis gegeben, dass eine Vorlageanordnung zu Beweiszwecken gem. § 142 Abs.1 ZPO nach dem Vorgesagten ersichtlich nicht in Betracht kommen kann und die in der Beschwerde erhobenen Vorwürfe gegen den Erstrichter völlig unbegründet und überzogen sind. Eine Beweiszwecken dienende Herausgabeanordnung kann in Fällen vorliegender Art nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 421, 422 ZPO erfolgen.

Die Anordnung nach § 142 ZPO ist in das gerichtliche Ermessen gestellt und erfolgt nach der gesetzliches Systematik von Amts wegen. Eine Anordnung nach § 142 ZPO kann daher von keiner Antragstellung durch eine Partei abhängig gemacht werden. Das Gesuch der Beklagten stellt sich daher als bloße Anregung dar. Schon in der Kommentierung von Leipold (In: Stein - Jonas, ZPO,21.Aufl. 1994, Rn. 1 zu § 142) heißt es, das Gericht sei nicht zur Beweiserhebung von Amts wegen verpflichtet und keine Partei könne damit rechnen, dass eine Beweiserhebung von Amts wegen erfolge. Wenn das Prozessgericht dieser Anregung nicht folgt - wie hier -, ist damit also kein das Verfahren betreffendes Gesuch, hier zu verstehen im Sinn einer Antragstellung, zurückgewiesen worden, weshalb es keiner Entscheidung der Frage bedarf, ob dem richterlichen Schreiben vom 2.11.2004 überhaupt die Rechtsqualität eines Beschlusses oder einer Verfügung zukommt (Im Ergebnis ausdrücklich wie hier Peters in Müko - ZPO, Rn. 7). Soweit in der Kommentarliteratur eine Überprüfung der Entscheidung gem. § 142 Abs.1 ZPO durch das Rechtsmittelgericht überhaupt erwogen wird, wird ausgeführt, dass diese in den Grenzen des § 546 ZPO im Rahmen der Urteilsüberprüfung stattfindet. Lediglich für die Regelung in § 142 Abs.3 ZPO wird teilweise eine isolierte Anfechtung für möglich gehalten.

Die Rechtsbeschwerde gem. § 574 ZPO war nicht zuzulassen, weil die hier relevante Rechtsfrage als geklärt angesehen werden muss.

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs.1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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