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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.02.2007
Aktenzeichen: 14 U 225/05
Rechtsgebiete: BB-BUZ, VVG


Vorschriften:

BB-BUZ § 1
BB-BUZ § 2
BB-BUZ § 7
VVG § 1
1. Für die Frage der Berufsunfähigkeit gelten im Rahmen des § 7 BB-BUZ grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie bei § 2 BB-BUZ.

2. Ein Lokführer ist aufgrund einer Unterschenkelamputation außer Stande, seinen bisherigen Beruf auszuüben.

3. Der Verweis auf einen Nischen- oder Schonarbeitsplatz kann gegen Treu- und Glauben verstoßen.

4. Für die Beurteilung der Wertschätzung einer Tätigkeit kommt es darauf an, welches Ansehen der Beruf des Versicherten als solcher in der Öffentlichkeit genießt und nicht etwa wie der Kollegenkreis die Tätigkeit einschätzt.


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung der Rente aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung in Anspruch.

Er unterhält bei der Beklagten eine Kapitallebensversicherung mit zusätzlicher Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) unter der Nr. .... Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zugrunde. Die versicherte Jahresrente beträgt 7.120,32 EUR und wird im Falle der Berufsunfähigkeit bis zum 01.05.2029 gezahlt.

Der Kläger wurde am 1. August 1990 bei der A- GmbH Werk X in O1 eingestellt. Er absolvierte zunächst bis Juli 1993 eine Lehre als Schweißer mit Abschlussprüfung und danach eine einjährige Anschlussausbildung als Rangierer. Während er als Rangierer arbeitete, eignete er sich die Fähigkeiten eines Triebfahrzeugführers an und wurde ab dem 20. März 1997 als solcher eingesetzt. Einstellungsvoraussetzung für die Ausübung dieser Tätigkeit ist eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem technischen Bereich. Die Tätigkeit des Klägers bestand darin, Güterzüge von 40 bis 50 Waggons auf dem Gelände der A- GmbH nach den betrieblichen Erfordernissen der Deutschen Bahn zusammenzustellen und von dem A- Gelände auf Gelände der Deutschen Bahn zu fahren. Am 16.11.2000 erlitt er im Rangierbereich einen Unfall, aufgrund dessen ihm der linke Unterschenkel amputiert werden musste. Dadurch kann der Kläger seiner bisherigen Tätigkeit als Lokführer und Rangierer nicht mehr nachgehen. Im Rahmen der Leistungsprüfung erklärte die Beklagte zunächst unter Zurückstellung einer Verweisungsprüfung ein befristetes Anerkenntnis bis zum 31. März 2002 (Bl. 16 d.A.). Anfang des Jahres 2002 wurde die Verweisungsprüfung wieder aufgenommen und eine Stellungnahme des Arbeitgebers des Klägers eingeholt, die am 17. April 2002 vorgelegt wurde. Aufgrund eines unbefristeten Anerkenntnisses vom 30. April 2002 (Bl. 22 d.A.) erbrachte die Beklagte die vereinbarten Leistungen in Form von Rente und Beitragsfreiheit auch über den 01. April 2002 hinaus.

Seit April 2002 ist der Beklagte am Werksstandort O2 der A- GmbH täglich acht Stunden an fünf Arbeitstagen als Kontierer im Betriebsbüro der Werksbahn beschäftigt. Hierzu absolvierte er EDV-Lehrgänge mit den Inhalten "PC-Grundlagen", "Excel 97", "Word 97", "Powerpoint 97" und "SAP Office". Da für die Tätigkeit in einem Betriebsbüro an sich eine kaufmännische Ausbildung erforderlich ist, übt der Kläger auf der aus sozialen Gesichtspunkten eigens für ihn geschaffenen Stelle nur Hilfsarbeiten aus. Dazu gehören die Kontierung von Schichten und die Übertragung von variablen Vergütungen ins SAP-System, das Führen der Ablage, einfache Zuarbeiten an den Eisenbahnbetriebsleiter, die Erledigung von Schreibarbeiten und die Eingabe von Instandhaltungsmaßnahmen in den PC. Im Rahmen seiner Tätigkeit trägt der Kläger Überstunden der Kollegen in eine Computermaske ein. Mit der Lohnabrechnung als solcher und den Lohnausdrucken ist er nicht betraut. Er erhält für seine jetzige Tätigkeit einen annähernd gleich hohen, unter Außerachtlassung von Erschwerniszuschlägen einen höheren Lohn als für seine bisherige Tätigkeit.

Entsprechend einer Mitteilung vom 04.11.2004 stellte die Beklagte die Leistungen zum 01.01.2005 mit der Begründung ein, dass die Tätigkeit des Klägers die Voraussetzungen an einen Verweisungsberuf erfülle.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, seine derzeitige Tätigkeit komme als Verweisungstätigkeit nicht in Betracht, weil sie eine geringere Wertschätzung erfahre als die von ihm zuvor ausgeübte Tätigkeit. Zudem sei sein Arbeitsplatz aus Entgegenkommen des Arbeitgebers eigens für ihn geschaffen worden. Er habe auch keine neuen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben, weil da die in den Lehrgängen vermittelten Computerkenntnisse Allgemeinwissen seien und daher keine berufliche Befähigung darstellten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass er ohne den Unfall durch Möglichkeiten der Weiterqualifizierung zum Techniker Aufstiegschancen gehabt hätte.

Der Kläger hat beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.780,08 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.01.2005 zu zahlen,

II. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01.04.2005 bis zum 01.05.2029, zahlbar vierteljährlich im voraus, eine vierteljährliche Rente in Höhe von 1.780,08 EUR zu zahlen,

III. die Beklagte zu verurteilen, an ihn außergerichtliche hälftige Anwaltskosten in Höhe von 691,71 EUR zu zahlen,

IV. festzustellen, dass der Kläger ab dem 01. Januar 2005 von der Verpflichtung zur Beitragszahlung für die Lebensversicherung, Versicherungsscheinnummer ... und für die in diese eingeschlossene Berufsunfähigkeitszusatzversicherung freizustellen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, dass der Kläger auf die jetzt von ihm ausgeübte Tätigkeit verwiesen werden könne. Die derzeitige Tätigkeit als Kontierer liege in ihrer Vergütung und Wertschätzung nicht spürbar unter dem Niveau des bisherigen Berufes als Rangierer und Lokführer. Der Kläger habe sich außerdem durch seine Tätigkeit als Kontierer und die absolvierten Computerlehrgänge neue Kenntnisse und Fähigkeiten angeeignet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger ständen keine Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mehr zu, weil die Wirkungen des von der Beklagten zunächst abgegebenen Anerkenntnisses in einem Nachprüfungsverfahren nach § 7 BB-BUZ beseitigt worden seien. Der Kläger könne entsprechend den Grundsätzen des § 2 Abs. 1 BB-BUZ auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit als Kontierer verwiesen werden, denn er sei in der Lage, diese Tätigkeit auszuüben. Dabei könne dahinstehen, ob der Kläger neue berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten erworben habe, da er die Tätigkeit als Kontierer seit 2 1/2 Jahren ausübe und ihm ein eigenes Aufgabengebiet zugewiesen sei, das er eigenständig betreue. Die ihm zugewiesene Tätigkeit könne er ohne weiteres bewältigen.

Die Tätigkeit als Kontierer entspreche auch der bisherigen Lebensstellung des Klägers, da sie weder in ihrer Vergütung noch in ihrer Wertschätzung spürbar unter dem Niveau des bisherigen Berufes stehe. Maßgebliches Indiz dafür, dass die nunmehr ausgeübte Tätigkeit keine geringere Wertschätzung erfahre, sei der Umstand, dass der Kläger keine Einkommenseinbuße erlitten habe. Im Übrigen komme es für die Beurteilung der Wertschätzung nicht auf die Beurteilung durch den Kollegenkreis des Klägers, sondern objektiv auf das Ansehen des Berufs in der Öffentlichkeit an. Danach sei bereits die bisherige Tätigkeit als Lokführer bei der A- AG kein Beruf mit gesteigertem sozialem Ansehen gewesen. Denn diese Tätigkeit habe lediglich in der Zusammenstellung von Zügen und Abfahrten vom Werksgelände auf das Gelände der Deutschen Bahn bestanden, was nicht vergleichbar sei mit einem Lokführer der Deutschen Bahn. Im Vergleich hierzu erfahre die Bürotätigkeit als Kontierer keine geringere Wertschätzung. Selbst bei der Deutschen Bahn sei eine Verweisung eines Lokführers in den Innendienst zulässig. Schließlich stehe die nunmehrige Tätigkeit auch in einem inneren Zusammenhang mit der bisher ausgeübten Tätigkeit.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der jetzige Arbeitsplatz auf einem besonderen Entgegenkommen des Arbeitgebers beruhe, da nur auf die tatsächlichen Umstände der ausgeübten Tätigkeit abzustellen sei.

Dem tritt der Kläger mit der Berufung entgegen. Ergänzend zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen trägt er vor, dass er mit seiner Tätigkeit nicht ausgelastet sei und die Aufgaben mühelos in 3 - 4 Stunden erledigen könne. Die neue Tätigkeit sei im Ansehen geringer als die bisherige Tätigkeit. Es komme dabei nicht auf eine generalisierende Betrachtung, sondern auf die Wertschätzung im Kollegenkreis an, da es den Beruf des Klägers gar nicht gebe, der Kläger im Gegensatz zu der Allgemeinheit mit diesem sozialen Umfeld konfrontiert sei und die Wertschätzung in diesem Umfeld für ihn subjektiv wichtig sei.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und nach seinen im ersten Rechtszug gestellten Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt weiterhin der Ansicht, die neue Tätigkeit des Klägers entspreche den Anforderungen an einen Vergleichsberuf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Parteivorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 20.12.2005 (Blatt 122 ff.d.A.) sowie auf den Schriftsatz der Beklagten vom 05.04.2006 (Blatt 140 ff. d.A:) Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht nach Zustellung des Urteils (25.11.2005) am 20.12.2005 eingelegte und begründete Berufung ist zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat auch zum überwiegenden Teil Erfolg.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 1.780,08 EUR zum 01.01.2005 fälliger Berufsunfähigkeitsrente aus § 1 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. § 1 Abs. 1 (b) der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BB-BUZ).

a) Zwischen den Parteien besteht ein Versicherungsvertrag über eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die danach vereinbarte Leistung besteht in einer jährlichen Rente von 7.120,32 €, die bis zum 01.05.2029 vierteljährlich im Voraus zu zahlen ist.

b) Der Versicherungsfall gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 VVG i.V.m. § 1 Abs. 1 BUZ liegt vor. Dieser war zunächst eingetreten, da der Kläger während der Dauer der Versicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig geworden war. Der Versicherungsfall besteht auch noch fort, weil die Beklagte die Leistungspflicht im Sinne des § 5 Abs. 1 BB-BUZ anerkannt hat und die Bindungswirkung des Anerkenntnisses nicht gemäß § 7 BB-BUZ beseitigt worden ist.

aa) Allerdings war die Beklagte gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BB-BUZ auch nach Anerkennung der Leistungspflicht zur erneuten Prüfung berechtigt, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 BB-BUZ ausüben kann. Diese wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogene Regelung ist insbesondere nicht gemäß § 305c Abs. 1 BGB unwirksam. Es ist nicht überraschend, wenn dem Versicherungsnehmer im Falle der Berufsunfähigkeit abverlangt wird, eine seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende andere Tätigkeit aufzunehmen, sofern dabei auch seine finanziellen und sozialen Belange in dem erforderlichen Umfang berücksichtigt werden (OLG Köln NJW-RR 1999, 1479, 1481). Aus diesem Grund liegt auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 1 BGB vor.

bb) Die Beklagte hat auch das in § 7 Abs. 4 BB-BUZ vorgesehene Verfahren eingehalten, indem sie dem Kläger mit Schreiben vom 04.11.2004 rechtzeitig mitgeteilt hat, dass sie die Leistungen einstellen werde.

cc) Die Berufsunfähigkeit des Klägers ist aber nicht weggefallen und ihr Grad hat sich auch nicht auf weniger als 50 % verringert. Für die Frage der Berufsunfähigkeit gelten im Rahmen des § 7 BB-BUZ grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie bei § 2 BB-BUZ (BGH VersR 2000, 171, 172). Danach liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge einer näher bezeichneten Gesundheitsbeeinträchtigung voraussichtlich dauerhaft außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Der Kläger ist aufgrund der Unterschenkelamputation in seiner Gesundheit beeinträchtigt und dadurch außer Stande, seinen bisherigen Beruf als Rangierer und Lokführer auszuüben. Er kann auch nicht auf die von ihm derzeit ausgeübte Tätigkeit verwiesen werden.

Dies beruht jedoch nicht schon darauf, dass der Kläger aufgrund seiner Fähigkeiten nicht in der Lage wäre, diese Tätigkeit auszuüben. Denn unabhängig von den absolvierten Computerlehrgängen folgt seine Befähigung schon daraus, dass der Kläger diese Tätigkeit seit geraumer Zeit ausübt.

Ein Verweis auf die Tätigkeit des Klägers ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil der Arbeitsplatz speziell wegen der Unfähigkeit des Klägers, weiter als Lokführer tätig zu sein, für den Kläger eingerichtet wurde. Während grundsätzlich das Arbeitsplatzrisiko nicht durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgedeckt ist (vgl. BGH NJW 1989, 1920; VersR 2000, 171 [172]; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., 2004, § 2 BUZ Rz. 48), kann der Verweis auf einen Nischen- oder Schonarbeitsplatz gegen Treu und Glauben Verstoßen (BGH NJW-RR 1999, 1471, 1472). Die Beklagte verweist den Kläger auf einen Nischen- beziehungsweise Schonarbeitsplatz. Nischenarbeitsplätze werden nach den besonderen Bedürfnissen eines bestimmten Unternehmers meist personenbezogen geschaffen oder auf die Person verdienter Mitarbeiter hin konzipiert (Rixecker, in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 46 Rz. 153). Schonarbeitsplätze werden aufgrund sozialer Verantwortung an in ihrer Leistungsfähigkeit geminderte Mitarbeiter vergeben (Terbille-Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 2004, § 25 Rz. 120). Beide zeichnen sich dadurch aus, dass ein regulärer Arbeitsmarkt für solche Stellen nicht existiert. Hier hat der Kläger eine Stellung inne, die aus sozialen Gesichtspunkten personenbezogen für ihn geschaffen und an ihn als in seiner Leistungsfähigkeit geminderten Mitarbeiter vergeben wurde. Der Verweis auf diesen Arbeitsplatz verstößt aber nicht gegen Treu und Glauben. Denn ein solcher Verstoß liegt nur vor, wenn der Versicherer den Versicherten abstrakt auf eine solche Tätigkeit verweist. Übt der Versicherte jedoch eine solche Tätigkeit aus, kann er auch auf diese konkret verwiesen werden (Terbille-Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 2004, § 25 Rz. 120). Denn der Grund für den Verstoß eines (abstrakten) Verweises auf einen Nischenarbeitsplatz gegen Treu und Glauben besteht darin, dass dem Versicherten jegliche Aussicht fehlt, einen solchen Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. dazu BGH NJW-RR 1999, 1471, 1472; OLG Hamm, NJOZ 2006, 1399, 1402; OLG Saarbrücken, NJOZ 2004, 1748, 1752). Dieser Grund besteht freilich nicht, wenn der Versicherte tatsächlich eine entsprechende Tätigkeit ausübt.

Der Kläger kann aber nicht auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit verwiesen werden, weil diese nicht seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Eine neue Tätigkeit entspricht der bisherigen Lebensstellung, wenn sie weder hinsichtlich der Vergütung noch hinsichtlich der sozialen Wertschätzung spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinkt (OLG Düsseldorf NJOZ 2004, 3514, 3516; OLG Köln NJW-RR 1999, 1479, 1480; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., 2004, § 2 BUZ Rz. 30). Diese Anforderungen an die Vergleichbarkeit gelten auch dann, wenn der Versicherte einen Arbeitsplatz innehat (vgl. BGH NJW-RR 1998, 1396, 1397), da dies keinen Grund für eine Schlechterstellung darstellt.

Die Vergütung der neuen Tätigkeit ist nicht spürbar geringer als die der bisherigen Tätigkeit. Die neue Tätigkeit ist aber hinsichtlich der Wertschätzung deutlich unter das Niveau der bisherigen Tätigkeit gesunken. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es darauf an, welches Ansehen der Beruf des Versicherten als solcher in der Öffentlichkeit genießt (OLG Nürnberg, VersR 1998, 1496; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., 2004, § 2 BUZ Rz. 40) und nicht etwa wie der Kollegenkreis des Klägers die Tätigkeit einschätzt. Denn bei einem Abstellen auf das konkrete soziale Umfeld des Versicherten wäre kaum bestimmbar, welche Personen überhaupt maßgeblich sind und wie diese die Tätigkeit einschätzen. Auf die Wertschätzung der Kollegen würde es daher auch dann nicht ankommen, wenn der Kläger wegen psychischer Probleme hierauf angewiesen wäre.

Aber auch nach dieser objektivierenden Betrachtungsweise ist die Wertschätzung der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Kontierer geringer als die eines Rangierers und Lokführers. Maßgebliche Indikatoren für die Wertschätzung sind zunächst die gesellschaftliche Bedeutung des Berufs, eine damit verbundene Vertrauens- oder Vorgesetztenstellung und die Selbständigkeit der Tätigkeit (OLG Nürnberg VersR 98, 1496). Während die gesellschaftliche Bedeutung der Hilfstätigkeit im Betriebsbüro nicht als geringer anzusehen ist als die eines Rangierers und Triebfahrzeugführers und auch bei beiden Tätigkeiten keine Vorgesetztenstellung vorliegt, sind die mit der tatsächlich ausgeführten Hilfstätigkeit im Betriebsbüro verbundene Vertrauensstellung und auch die Selbständigkeit der Tätigkeit geringer als bei der Tätigkeit als Lokführer. Zwar hatte der Kläger nicht den Beruf eines Lokführers bei der Deutschen Bahn, etwa im Bereich der Personenbeförderung inne, der mit einem hohen Maß an Vertrauen, Selbständigkeit und Verantwortung verbunden ist. Doch auch die Tätigkeit als Rangierer und Lokführer im Güterbereich ist mit einer Vertrauensstellung verbunden, da auch der Führer von Güterzügen bei der Ausführung der Rangierarbeiten und dem Fahren der Züge eine Verantwortung für die Gesundheit seiner Kollegen und nicht unbedeutende Sachwerte innehat. Der Kläger war zudem damit betraut, die Güterzüge auf dem Gelände der A- GmbH zusammenzustellen. Dabei hatte er die Reihenfolge der Waggons nach logistischen Gesichtspunkten selbständig zu bestimmen, also die 40 bis 50 Waggons eines Güterzuges zum Zweck der schnellen Abfertigung durch die Deutsche Bahn zu den verschiedensten Bestimmungsorten optimal zu ordnen. Die Anforderungen an diese Tätigkeit, bei der der Kläger nicht fremde Anweisungen ausführte, sondern selbst Entscheidungen nach von ihm zu beachtenden logistischen Gesichtspunkten traf, sind erheblich höher als diejenigen an die jetzt vom Kläger ausgeübte Hilfstätigkeit, weil der Kläger die Anordnung der einzelnen Waggons auf dem Gelände der A- AG entsprechend den Güterorganisationsplänen der Deutschen Bahn vornehmen musste. Diese Tätigkeit erfordert selbständiges Denken und Organisationstalent. Demgegenüber stellt sich die jetzige Tätigkeit als Kontierer - unabhängig davon, ob sie den Kläger auslastet - als deutlich geringerwertig dar. Zwar wird man grundsätzlich die Verweisung eines Lokführers in den Innendienst für möglich halten können, wenn diese Tätigkeit mit aufsichtsführenden Funktionen verbunden sind (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 1992, 1978, 1079). Um eine solche aufsichtsführende Tätigkeit handelt es sich hier aber nicht. Der Kläger übt vielmehr eine bloße Hilfstätigkeit, also eine unselbständige Tätigkeit aus. Die Kontierung von Schichten und die Übertragung von variablen Vergütungen ins SAP-System ist nicht mit Verantwortung oder Vertrauen ausgestattet, da der Kläger im Wesentlichen Überstunden der Kollegen in eine Computermaske einträgt und mit der eigentlichen verantwortungsvollen Tätigkeit der Buchhaltung nichts zu tun hat. Dasselbe gilt für die einfachen Zuarbeiten an den Eisenbahnbetriebsleiter, die Erledigung von Schreibarbeiten und die Eingabe von Instandhaltungsmaßnahmen in den PC.

Die Wertschätzung einer Tätigkeit hängt außerdem ganz entscheidend von den Kenntnissen und Fähigkeiten ab, die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich sind (BGH NJW-RR 2003, 383, 383 f.; BGH NJW-RR 1994, 150, 151; OLG Köln NJW-RR 1999, 1479, 1480; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., 2004, § 2 BUZ Rz. 25, 30). Die für die derzeit ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse liegen deutlich unter jenen, die für den bisherigen Beruf erforderlich waren. Für die frühere Tätigkeit als Rangierer und Triebfahrzeugführer ist eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem technischen Bereich erforderlich. Der Kläger hat außerdem eine Anschlussausbildung als Rangierer absolviert und sich die Kenntnisse eines Lokführers angeeignet. Demgegenüber ist für die derzeitige Hilfstätigkeit des Klägers eine vergleichbare Berufsausbildung gerade nicht erforderlich. Die einfache Hilfstätigkeit des Klägers setzt keine - etwa kaufmännische - Ausbildung voraus und erfordert lediglich einfache Computerkenntnisse, die heute bereits als Allgemeinwissen gelten können und die beim Kläger auch nach nur wenigen Computerkursen vorhanden waren.

Schließlich darf bei der Beurteilung, ob die neue Tätigkeit des Klägers seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger in seinem bis zum Unfall ausgeübten Beruf Entwicklungsmöglichkeiten hatte, die die neue Tätigkeit ihm nicht bietet, weil auch hinreichend gesicherte Aufstiegschancen zum Berufsbild gehören und die Wertschätzung prägen (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., 2004, § 2 BUZ Rz. 11). Der Kläger hatte nach dem Bericht seines Arbeitgebers die reale Chance, nach einer Weiterqualifizierung zur Aufsichtsperson aufzusteigen. Bei seiner jetzigen Hilfstätigkeit bestehen solche Aufstiegschancen nicht.

2. Der Kläger hat auch Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.780,08 € seit dem 05.01.2005 aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 und 3 BGB. Die Beklagte befand sich mit der Zahlung für das erste Quartal des Jahres 2005 im Verzug, weil sie den zu Beginn des Vierteljahres fälligen Betrag nicht gezahlt hat. Eine Mahnung war nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, da eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war; denn nach § 1 Abs. 1 (b) BB-BUZ war die Rente vierteljährlich im Voraus zuzahlen. Dies ist so zu verstehen, dass die Zahlung spätestens zum ersten Tag des Vierteljahres erfolgen muss und genügt den Anforderungen an die Bestimmung der Leistungszeit nach dem Kalender, da es ausreicht, dass mittelbar ein bestimmter Kalendertag festgelegt ist (vgl. Palandt-Heinrichs, 66. Aufl. 2007, § 286 Rz. 22). Eine Mahnung war außerdem auch nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich, weil die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 04.11.2005 die Zahlung endgültig und ernsthaft verweigert hatte.

3. Der Kläger hat außerdem Anspruch auf Zahlung von 1.780,08 €, zahlbar vierteljährlich im Voraus für den Zeitraum vom 01.04.2005 bis zum 01.05.2029, aus § 1 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. § 1 Abs. 1 (b) BB-BUZ. Entsprechend dem Versicherungsvertrag ist eine Berufsunfähigkeitsrente bis zum 01.05.2029 vierteljährlich im Voraus zu zahlen. Wie bereits unter 1. ausgeführt, ist der Versicherungsfall eingetreten, da der Kläger berufsunfähig ist.

4. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlung der hälftigen Kosten für außergerichtliche Anwaltstätigkeit in Höhe von 691,71 € aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.

a. Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit seines Anwalts im Jahre 2002 kann der Kläger nicht ersetzt verlangen, weil ein Schadensersatzanspruch jedenfalls nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen ist. Die Beklagte hatte die vorübergehende Nichtzahlung von Versicherungsleistungen zum 01. April 2002 nicht zu vertreten. Sie hatte diesbezüglich nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen, weil sie zu diesem Zeitpunkt die Leistungspflicht noch überprüfte und die hierfür erforderliche Stellungnahme des Arbeitgebers erst am 17.04.2002 vorlag.

b. Die Nichtzahlung der Leistungen ab dem 01.01.2005 trotz deren Fälligkeit und der kalendermäßigen Bestimmung der Leistungszeit beziehungsweise der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung erfüllte zwar den Tatbestand des Schuldnerverzuges. Hierdurch ist dem Kläger aber kein Verzögerungsschaden entstanden. Als ersatzfähige Vermögensnachteile kommen die Kosten für eine außergerichtliche Tätigkeit nach VV 2400 RVG (alt) in Betracht, weil die Verfahrensgebühr nach VV 3100 RVG bereits durch die gerichtliche Kostenentscheidung abgedeckt ist. Die Gebühr nach VV 2400 RVG (alt) entsteht mit dem Betreiben eines Geschäfts. Ein solches liegt nicht in der Klageerhebung, da diese bereits die Verfahrensgebühr auslöst. Weitere Tätigkeiten seines Anwalts hat der Kläger nicht vorgetragen.

5. Der Feststellungsantrag ist begründet, weil der Kläger auch nach dem 1. Januar 2005 gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. § 1 Abs. 1 (b) BB-BUZ von der Beitragszahlungspflicht befreit ist. Denn der Kläger ist zu mindestens 50 % berufsunfähig.

Die Kosten der Berufung hat gemäß §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Beklagte zu tragen, da das Rechtsmittel weit überwiegend Erfolg hat und das Unterliegen des Klägers verhältnismäßig geringfügig ist und keine besonderen Kosten verursacht hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 II ZPO).

Ende der Entscheidung

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