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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.06.2000
Aktenzeichen: 14 W 61/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 940
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Antragsteller ist ein beim Vereinsregister des Amtsgerichts ...eingetragener und von der Oberfinanzdirektion ... anerkannte Lohnsteuerhilfeverein. Der Antragsgegner hatte am 16. Januar 1989 einen Beratungsstellenvertrag mit dem Antragsteller abgeschlossen, mit dem er diesem als Mitglied beitrat und ein besonderes Mitgliedschaftsverhältnis als Obmann begründete mit der Verpflichtung, eine Beratungsstelle für den Antragsteller in ... zu betreiben. Der Antragsgegner hatte nach dem Vertrag an ihn wegen Lohnsteuerberatung herantretende Personen als Mitglieder aufzunehmen, die Aufnahmegebühren und die Mitgliedsbeiträge einzuziehen und monatlich darüber abzurechnen, wobei ihm als Vergütung seiner Tätigkeit 2/3 der Aufnahmegebühren und Mitgliedsbeiträge, in denen er im üblichen Rahmen steuerlich beratend tätig gewesen war, zustand. Für jedes Mitglied hatte der Antragsgegner eine Akte anzulegen und zu führen, die mit ihrer Entstehung in das Eigentum des Antragstellers übergeht und nach Ausscheiden des Mitglieds weitere 7 Jahre aufbewahrt werden muß. Wegen Zahlungsrückständen kündigte der Antragsteller mit Schreiben vom 10. April 2000 den Beratungsstellenvertrag mit sofortiger Wirkung und verlangte u.a. die Übergabe sämtlicher im Besitz des Antragsgegners befindlicher Mitgliedsakten an eine von bestimmte Person, Frau ....Diese setzt sich wegen der Übergabe telefonisch mit dem Antragsgegner in Verbindung, worauf dieser ihr erklärte, er werde die Akten nicht herausgeben.

Der Antragsteller hat am 11. Mai 2000 beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung die Herausgabe der Mitgliederakten an ihn durch den Antragsgegner anzuordnen. Er hat dazu vorgetragen, er sei auf die Unterlagen dringend angewiesen, um die Bearbeitung der laufenden Steuerfälle fortsetzen zu können.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 15. Mai 2000 den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, es mangele für den vom Antragsteller begehrten Erlaß einer Leistungsverfügung, die zu einer vorweggenommenen Befriedigung eines materiellrechtlichen Herausgabeanspruchs des Antragstellers gegen den Antragsgegner führe, an dem in einem derartigen Fall besonders streng zu beurteilenden Verfügungsgrund. Wenn die in den betreffenden Mitgliederakten dokumentierten Steuerfälle nicht bearbeitet würden, drohe nach zwei Jahren der Erlaß eines Schätzungsbescheides durch das Finanzamt, gegen den unverzüglich Einspruch eingelegt werden müsse. Da seit der Weigerung des Antragsgegners, die Akten herauszugeben, erst 1 Monat verstrichen sei, sei es dem Antragsteller zuzumuten, den Herausgabeanspruch im Wege des Hauptsacheverfahrens gerichtlich geltend zu machen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der vorträgt, die Regelung im Wege des Eilverfahrens sei nötig, um schwere Nachteile von ihm abzuwenden. Es drohe die Gefahr, daß an den Antragsgegner zugestellte Steuerbescheide durch Versäumung der Einspruchsfrist bestandskräftig würden, außerdem sei Ende Mai die Abgabefrist für den Veranlagungszeitraum 1999 abgelaufen mit der Folge, daß für danach abgegebene Steuererklärungen Strafzinsen fällig würden. Wenn der Antragsteller seinen Mitgliedern gegenüber die Hilfeleistung in Steuersachen nicht ordnungsgemäß erbringe, drohten ihm Schadensersatzansprüche und darüber hinaus ein Schaden aus dem damit verbundenen Imageverlust und zu befürchtenden Kündigungen von Mitgliedern.

Die Beschwerde ist zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die vom Antragsteller begehrte Leistungsverfügung (§ 940 ZPO), die zu einer Vorwegnahme der Befriedigung führt, ist hier ausnahmsweise zulässig, weil der Antragsteller auf die sofortige Herausgabe der in seinem Eigentum stehenden Mitgliederakten dringend angewiesen ist, um schwere Nachteile, die daraus drohen, daß ohne den Besitz der Mitgliedsakten die Steuerangelegenheiten seiner Mitglieder von ihm nicht bearbeitet werden können, abzuwenden. Es liegt auf der Hand, daß der Antragsteller die Mitgliedsakten benötigt, um Fristen für die Abgabe von Steuererklärungen sowie die Einlegung von Rechtsbehelfen zu wahren und daß aus der Nichteinhaltung dieser Fristen auch erheblicher Schaden droht, sowohl aus Schadensersatzansprüchen der Mitglieder als auch aus dem damit verbundenen Vertrauensverlust. Bei Abwägung der Interessen des Antragstellers und des Antragsgegners, dem nach Ziffer 3 des Beratungsstellenvertrages gegenüber einem jederzeit zulässigen Herausgabeverlangen (Doppel"en" als Schreibefehler berichtigt: die Redaktion) des Antragstellers ein Zurückbehaltungsrecht an den Mitgliederakten nicht zusteht, war deshalb dem Interesse des Antragstellers der Vorzug zu geben, zumal die Mitgliederakten nach der Satzung des Antragstellers 7 Jahre lang verwahrt werden müssen, so daß auch ein eventueller Rückgabeanspruch des Antragsgegners nicht gefährdet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Ende der Entscheidung

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