Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.10.2009
Aktenzeichen: 15 U 125/08
Rechtsgebiete: AktG, UmwG


Vorschriften:

AktG § 305 Abs. 4
UmwG § 31
UmwG § 209
Zur Frage, ob die im Rahmen eines sog. "regulären Delisting" gesetzte Frist zur Annahme des Abfindungsangebots an die Aktionäre durch ein später eingeleitetes Spruchverfahren zur Feststellung der Angemessenheit des Angebots beeinflusst wird.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8. Mai 2008 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - 1. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Kassel abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil für die Beklagte vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die im Rahmen eines sogenannten regulären Delisting gesetzte Frist zur Annahme eines Abfindungsangebots an die Aktionäre durch ein später eingeleitetes Spruchverfahren zur Feststellung der Angemessenheit des Angebots beeinflusst wird.

Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten und verfügt über 17.500 Aktien. Das Grundkapital der Beklagten beträgt 2,86 Millionen Euro und ist eingeteilt in 1,1 Millionen Stückaktien mit einem rechnerischen Nennwert von 2,60 Euro. Die Aktien der Beklagten wurden an der Frankfurter Wertpapierbörse im geregelten Markt gehandelt. In der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 12. April 2007 wurde der Vorstand ermächtigt, den Widerruf der Zulassung der Aktien zum amtlichen Handel zu beantragen. Auf diesen Antrag wurde die Zulassung der Aktien zum geregelten Markt von der Zulassungsstelle der Frankfurter Wertpapierbörse am 27. Juni 2007 widerrufen. Der Widerruf wurde mit Ablauf des 27. Dezember 2007 wirksam. Unter dem 6. Juli 2007 unterbreitete die Beklagte ihren Aktionären im elektronischen Bundesanzeiger ein Kaufangebot in Höhe von 5,30 Euro für jede Inhaberstückaktie. Das Angebot war "innerhalb von zwei Monaten anzunehmen, gerechnet ab dem folgenden Tag nach Veröffentlichung des Angebots im elektronischen Bundesanzeiger".

Am 11. September 2007 erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 10. September 2007 die Annahme des Abfindungsangebots. Ebenfalls am 11. September 2007 leitete sie beim Landgericht Frankfurt am Main ein Spruchverfahren ein (3-05 O 201/07).

Die Klägerin hat eine Befristung bezweifelt, weil die Beklagte nach dem Wortlaut nicht deutlich zum Ausdruck gebracht habe, sie werde nach Verstreichen der Frist die Aktienandienung verweigern. Unabhängig davon werde die Frist durch das eingeleitete Spruchverfahren überlagert und die Frist ende frühestens zwei Monate nach dem Tag, an dem die Entscheidung des Spruchverfahrens im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht worden sei. Hierzu hat sie sich auf die "Macrotron"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Abfindung beim regulären Delisting (NJW 2003, 1032) gestützt, wonach die Abfindungspflicht aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 305, 320 b, 327 b AktG, 29, 207 UmwG folge. Zum Lauf einer Frist bei Einleitung eines Spruchverfahrens erfordere der Schutzzweck der Aktionäre eine analoge Anwendung von § 305 Abs. 4 S. 3 AktG, weshalb die Annahmefrist frühestens zwei Monate nach dem Tag der Bekanntmachung der Entscheidung im Spruchverfahren ende.

Die Beklagte hält die Annahme des Abfindungsangebots für verfristet. Sie hat gemeint, ihr Angebot sei am 10. September 2007 durch Fristablauf erloschen und habe von der Klägerin nicht mehr angenommen werden können. Sie hat bezweifelt, dass § 304 Abs. 4 S. 3 AktG so zu verstehen sei, dass eine Annahmefrist sich durch Einleitung eines Spruchverfahrens verlängere. Vielmehr sei diese Vorschrift so zu verstehen, wie es auch in den §§ 31 S. 2, 209 S. 2 UmwG geregelt sei, nämlich dass mit Abschluss des Spruchverfahrens eine neue Frist beginne. Die Aktionäre seien dadurch ausreichend geschützt. Anderenfalls könne es durch Missbrauch und Spekulation zu einer Marktmanipulation kommen. Da die Beklagte im Freiverkehr gelistet sei, könne ein Aktionär fortlaufend Aktien auf dem Markt aufkaufen, sobald diese von der Gesellschaft oder von anderen Aktionären in den Markt gegeben worden seien, um sie sogleich wieder unter Annahme des Abfindungsangebots der Beklagten anzudienen. Wenn der Besitz eigener Aktien die Grenze des § 71 Abs. 2 AktG erreiche, sei die Beklagte gezwungen, die Aktien wieder in den Markt zu geben und immer wieder abzufinden. Dadurch könne je nach Börsenkurs risikolos auf eine höhere Abfindung nach Abschluss des Spruchverfahrens spekuliert werden.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 5.300 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung von 1.000 Stückaktien zu zahlen. Das Angebot der Beklagten sei analog § 305 Abs. 4 AktG befristet gewesen. Nach Satz 3 dieser Vorschrift verlängere sich die Frist bei Anhängigkeit eines Spruchverfahrens. Das bedeute, dass die Frist zur Annahme des Angebots durch die Klägerin noch nicht abgelaufen sei.

Gegen das ihr am 13. Juni 2008 zugestellte Urteil richtet sich die Beklagte mit ihrer am Montag, dem 14. Juli 2008 eingelegten und nach entsprechender Verlängerung am 15. September 2008 begründeten Berufung, mit der sie an ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung festhält.

Zur ihrer Argumentation eines Missbrauchs bei Annahme einer unter Umständen mehrjährigen Annahmefrist verweist die Beklagte darauf, dass die Klägerin eine nicht unerhebliche Zahl von Aktien erst nach Ablauf der Angebotsfrist erwarb. Zum Zeitpunkt der Hauptversammlung am 12. April 2007 besaß die Klägerin lediglich 1.050 Aktien an der Beklagten, mit denen sie sich bei der Hauptversammlung angemeldet hatte. Erstmalig am 3. September 2007 nahm die Klägerin das Aktienkaufangebot der Beklagten über 10.000 Aktien an. Die meisten dieser Aktien hatte die Klägerin in der Zeit zwischen dem 27. Juli und 13. August 2007 erworben, weil in dieser Zeit entsprechend hohe Stückzahlen von der Beklagten in den Markt gegeben wurden. Die nun angedienten 17.500 Stückaktien erwarb die Klägerin um den 10. September 2007 herum, nachdem die Beklagte nach Ablauf der Annahmefrist etwa 24.000 Stück Aktien über die Börse verkauft hatte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Kassel vom 8. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlich vertretenen Rechtsstandpunkts. Wegen eines nach Darstellung der Beklagten möglichen Missbrauchs sei diese nicht schutzwürdig, weil sie sich selbst durch die Delisting-Entscheidung in diese Situation gebracht habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), weil der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht besteht. Denn die Klägerin hat das Abfindungsangebot der Beklagten nicht fristgerecht angenommen.

1. Das auf der Grundlage der "Macrotron"-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2003, 1032), wonach die Gesellschaft beim regulären Delisting, dem Rückzug der Gesellschaft aus dem amtlichen Handel und dem geregelten Markt an allen Börsen, zum Schutz der Minderheitsaktionäre ein Pflichtangebot über den Kauf ihrer Aktien durch die Gesellschaft oder den Großaktionär vorzulegen hat, bei dem der Kaufpreis dem Anteilswert entspricht, von der Beklagten den Aktionären unterbreitete Kaufangebot vom 6. Juli 2007 war für die Beklagte bindend (§§ 145, 146, 148 BGB). Es kann deshalb dahinstehen, ob die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs beim Wechsel in gewisse Segmente des Freiverkehrs an der Börse keine Anwendung findet, weil die Verkehrsfähigkeit der Aktien weiterhin gewahrt ist und es eines Schutzes der Minderheitsaktionäre nicht bedarf, was die Beklagte gestützt auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München (NZG 2008, 755) und des Kammergerichts (NZG 2009, 752) meint. Zudem könnte der Senat das Vorliegen eines Ausnahmefalls nicht beurteilen, nachdem die Beklagte nicht dargetan hat, in welchen Freiverkehr sie gewechselt ist.

2. Entgegen der im ersten Rechtszug geäußerten Meinung der Klägerin war das Abfindungsangebot befristet. Die Formulierung "das Angebot ist innerhalb von zwei Monaten anzunehmen", lässt kein anderes Verständnis (§§ 133, 157 BGB) zu, als dass das Angebot innerhalb dieser Frist zwingend anzunehmen ist. Das folgt schon aus der Verwendung des Wortes "ist", dem ähnlich wie den Formulierungen "hat" oder "muss" Verbindlichkeit zukommt. Darüber hinaus ist eine andere Bedeutung der Fristsetzung auch nicht ersichtlich.

Entgegen der Meinung der Klägerin war die Bestimmung einer Frist von zwei Monaten auch nicht im Hinblick auf den Schutz der Minderheitsaktionäre unzulässig. Eine derartige Frist sieht auch das Gesetz in §§ 31 S. 1, 209 S. 1 UmwG, 305 Abs. 4 S. 2 AktG vor. Eine gleich lange vertraglich eingeräumte Frist kann deshalb nicht beanstandet werden. Der von der Klägerin für ihre Meinung herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 2008 (NJW-RR 2008, 1355) ist nichts anderes zu entnehmen. Der Bundesgerichtshof hat nur entschieden, dass im Spruchverfahren die Antragsberechtigung, d. h. die Stellung als Aktionär, in der Antrags-(Begründungs)Frist darzulegen, nicht aber nachzuweisen ist und es dem Aktionär nach einem regulären Delisting freistehe, das Kaufangebot anzunehmen, er nicht schon aufgrund des Delistings aus der Gesellschaft ausscheide. Zur zulässigen Dauer einer Annahmefrist hat sich der Bundesgerichtshof nicht geäußert. Allerdings führt eine Annahmefrist von zwei Monaten dazu, dass der Aktionär bei seiner Überlegung, ob er das Kaufangebot annehmen will, die Frist zur Einleitung des Spruchverfahrens, die drei Monate beträgt (§ 4 SpruchG), nicht voll ausschöpfen kann. Das ist indes bei den gesetzlich geregelten Annahmefristen nicht anders. Der Schutz des Minderheitsaktionärs wird dadurch auch nicht nennenswert beeinträchtigt. Dem Aktionär, der bei Ablauf der Annahmefrist unschlüssig ist, ob das unterbreitete Kaufangebot dem Wert des Anteils entspricht, steht es frei, das Angebot der Gesellschaft bis auf eine Aktie anzunehmen. Dadurch verschafft er sich einerseits Liquidität, ist aber andererseits noch in der Lage, ein Spruchverfahren einzuleiten.

3. Die in dem Kaufangebot bestimmte Annahmefrist von zwei Monaten gerechnet ab dem folgenden Tag nach Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger am 6. Juli 2007 endete mit Ablauf des 7. September 2007 (§§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB) und führte zum Erlöschen des Angebots (§ 146 BGB). Das am 11. September 2007 von der Klägerin eingeleitete Spruchverfahren hat hierauf keinen Einfluss.

Das reguläre Delisting ist gesetzlich nicht geregelt. Der Bundesgerichtshof hat seine Rechtsprechung auf eine Anwendung der entsprechenden Vorschriften im Unternehmensvertragsrecht (§§ 304 Abs. 1 S. 2, 305 Abs. 5 S. 2 AktG) und des Umwandlungsrechts (§§ 15, 34, 196, 212 UmwG) gestützt. Diese Vorschriften sind deshalb auch für die Frage, welchen Einfluss ein Spruchverfahren auf den Lauf einer Frist zur Annahme des Abfindungsangebots der Gesellschaft hat, anzuwenden. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob eine entsprechende Anwendung von § 305 Abs. 4 AktG vorzugswürdig ist, was die Klägerin meint, oder eine entsprechende Anwendung der §§ 31, 209 UmwG, was die Beklagte befürwortet. Denn nach Auffassung des Senats haben diese Vorschriften nach ihrem Sinn und Zweck keinen unterschiedlichen Regelungsgehalt.

Allerdings könnte dem unterschiedlichen Wortlaut der Vorschriften entnommen werden, dass der Lauf der Annahmefrist für ein Abfindungsangebot unterschiedlich ausgestaltet ist. § 305 Abs. 4 S. 3 AktG kann so verstanden werden, dass die Frist zur Annahme des Angebots im Falle eines Spruchverfahrens nicht mit Ablauf der Zweimonatsfrist endet, sondern erst frühestens zwei Monate nach dem Tag, an dem die Entscheidung über den zuletzt beschiedenen Antrag im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht worden ist. Demgegenüber können §§ 31 S. 2, 209 S. 2 UmwG so verstanden werden, als beginne die Annahmefrist im Falle eines Spruchverfahrens mit Bekanntgabe der Entscheidung im elektronischen Bundesanzeiger erneut. Einen solchen unterschiedlichen Regelungsgehalt erkennt der Senat jedoch nicht.

Das Abfindungsangebot kann befristet werden (§ 305 Abs. 4 S. 1 AktG) oder ist kraft Gesetzes befristet (§§ 31 S. 1, 209 S. 1 UmwG). In allen Fällen hat der Ablauf der Frist zur Folge, dass das Abfindungsangebot, wenn es nicht rechtzeitig angenommen worden ist, erlischt (§ 146 BGB). Allerdings ist dem Aktionär die Möglichkeit eingeräumt, die Angemessenheit der Abfindung im gerichtlichen Spruchverfahren zu überprüfen. Die gerichtliche Bestimmung der Abfindung im Spruchverfahren wirkt auch nicht dergestalt zwingend, dass sie von der Gesellschaft in jedem Fall zu zahlen wäre. Vielmehr bedarf es auch nach einer Entscheidung des Spruchgerichts einer Annahmeerklärung des Aktionärs, die wiederum befristet ist. Zu diesem Zeitpunkt ist allerdings nach den allgemeinen Bestimmungen des BGB das Angebot der Gesellschaft regelmäßig bereits erloschen, weil auch im Fall des § 305 Abs. 4 S. 1 AktG, wonach die Verpflichtung zum Erwerb der Aktien befristet werden kann, eine ein Spruchverfahren überdauernde Fristsetzung wohl praxisfern ist. Deshalb ist es erforderlich, dass durch das Spruchgericht anstelle der Gesellschaft, aber für die Gesellschaft ein Angebot erklärt wird, das vom Aktionär in dieser Gestalt angenommen werden kann. Insofern wirkt die gerichtliche Bestimmung der Abfindung vertragsgestaltend; "dieses Angebot" kann nunmehr von den Aktionären mit der Folge angenommen werden, dass der Abfindungsanspruch in entsprechender Höhe entsteht (so Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 305 Rdn. 31).

Selbst wenn man nicht annimmt, dass durch die gerichtliche Bestimmung im Spruchverfahren ein neues Angebot entsteht, hätte das nicht zur Folge, dass das ursprüngliche Angebot der Gesellschaft gleichsam unbefristet weiter Bestand gehabt hätte. Denn eine solche Folge stünde in zwingendem Widerspruch zu den §§ 146, 148 BGB. Dass diese allgemeinen gesetzlichen Vorschriften keine Geltung haben sollen, kommt in den §§ 31, 209 UmwG, 305 Abs. 4 AktG nicht zum Ausdruck. Vielmehr würde der Fortbestand des Angebots für die Durchführung des Spruchverfahrens fingiert und nur zu diesem Zweck aufrechterhalten, mit der Folge, dass es nach Abschluss des Spruchverfahrens mit dem Inhalt der Entscheidung des Spruchgerichts noch angenommen werden kann. Das bedeutet indes nicht, dass es vom Aktionär nach Ablauf der gesetzlichen oder der bestimmten Frist auch während des Spruchverfahrens noch angenommen werden könnte. Denn insoweit ist das Angebot erloschen, die in ihm enthaltenen Konditionen haben keine Gültigkeit mehr.

Eine solche Fiktion des Fortbestehens des Angebots der Gesellschaft ist insbesondere auch in den Fällen erforderlich, in denen das Spruchverfahren ohne gerichtliche Entscheidung endet. Das ist denkbar durch Rücknahme des Antrags bzw. aller Anträge, außergerichtlichen Vergleich oder durch Erledigung in der Hauptsache (vgl. Hüffer, a.a.O., Anhang § 305, § 11 SpruchG, Rdn. 3 f.). Es ist anerkannt, dass in diesen Fällen § 305 Abs. 4 S. 3 AktG, der den Fristbeginn ab Bekanntgabe der Entscheidung regelt, analog anzuwenden ist (BGH NJW 1991, 566; Hüffer, a.a.O., § 305 Rdn. 27).

Zum Schutz des Minderheitsaktionärs ist eine andere Sichtweise nicht geboten. Sein Interesse wird dadurch gewahrt, dass ihm die Gesellschaft ein angemessenes Angebot unterbreiten muss. Jedenfalls das erhält er auch im Spruchverfahren, dessen Ergebnis nicht ungünstiger sein kann, als das Angebot der Gesellschaft. Zwar ist denkbar, dass das Angebot der Gesellschaft über dem wahren Wert der Beteiligung liegt. Eine derartige Abfindung kann aber nicht unangemessen sein, worüber allein im Spruchverfahren zu entscheiden ist. Der Antrag im Spruchverfahren geht auch dahin, eine höhere als die angebotene Abfindung zu bestimmen. Das überhöhte Angebot ist jedenfalls angemessen und eine Verschlechterung der Rechtstellung des Aktionärs durch Festsetzung einer niedrigeren Abfindung scheidet aus. Der Aktionär braucht deshalb nicht zu befürchten, dass die Höhe der von der Gesellschaft angebotenen Abfindung nach Fristablauf für ihn keine Gültigkeit mehr hat, wenn nur ein Spruchverfahren durchgeführt wird. Dass der Aktionär auf der Grundlage der Auffassung des Senats gehindert ist, seine Aktien auch während des Spruchverfahrens nach Ablauf der Frist auf sein Verlangen an die Gesellschaft zu veräußern, beeinträchtigt ihn ebenfalls nicht unangemessen. Das ist Folge seiner Entscheidung, das Angebot nicht anzunehmen und ein Spruchverfahren einzuleiten. Mit dieser Entscheidung steht für den Aktionär fest, dass er den Abschluss dieses Verfahrens abwarten muss. Will er sich nach beschlossenem regulärem Delisting Liquidität verschaffen, muss er sich darüber binnen der Angebotsfrist Klarheit verschaffen und die Aktien zum Angebotspreis an die Gesellschaft veräußern, und zwar gegebenenfalls bis auf eine Aktie, wenn er ein Spruchverfahren einleiten will. Nach erfolgreichem Abschluss des Spruchverfahrens kann er dann den Differenzbetrag nachfordern (§ 13 S. 2 SpruchG). Eines weitergehenden Schutzes des Aktionärs bedarf es nicht.

4. Da die Klägerin das Abfindungsangebot hinsichtlich der streitbefangenen Aktien nicht fristgerecht angenommen hat, ist die Beklagte zum Erwerb der Aktien nicht verpflichtet, weshalb der Zahlungsanspruch der Klägerin nicht besteht. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils war deshalb die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die vom Senat entschiedene Frage, ob ein Abfindungsangebot vom Aktionär nur innerhalb der gesetzten Frist und erst dann wieder nach Beendigung des Spruchverfahrens angenommen werden kann oder ob das Abfindungsangebot unbefristet bis zum Abschluss des Spruchverfahrens Gültigkeit hat, stellt sich regelmäßig bei Abfindungsangeboten und ist deshalb von abstraktem Interesse der Allgemeinheit. Die Frage ist bislang - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur erörtert worden.

Ende der Entscheidung

Zurück