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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 12.09.2005
Aktenzeichen: 15 U 269/03
Rechtsgebiete: StBerG


Vorschriften:

StBerG § 68
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin, die seit 1992 insbesondere Maßnahmen der beruflichen Bildung im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit durchführte und sich seit Oktober 1993 von der Beklagten steuerlich umfassend betreuen ließ, begehrt von dieser Schadensersatz, weil die Mitarbeiter der Beklagten bei Erstellung der Gewerbesteuererklärungen für die Klägerin betreffend die Jahre 1993 bis 1996 und bei Überprüfung des Steuerbescheids für das Jahr 1992 übersehen haben, dass die von der Klägerin als berufsbildende Einrichtung durchgeführten und unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen gemäß § 3 Nr. 13 GewStG in Verbindung mit § 4 Nr. 21 b UStG von der Gewerbesteuer befreit waren. Deshalb zahlte die Klägerin aufgrund der entsprechenden, zunächst gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewerbesteuersbescheide des zuständigen Finanzamtes für die Jahre 1992 bis einschließlich 1998 (letztlich) insgesamt 124.094,81 ? nicht geschuldete Gewerbesteuer. Nachdem das zuständige Finanzamt aufgrund der Prüfungsanordnung vom 10. Dezember 1997 in der Zeit vom 23.12.1997 bis 26.3.1998 (die Schlussbesprechung fand am 20.4.1998 statt) bei der von den Mitarbeitern der Beklagten auch bei dieser Prüfung steuerlich betreuten Klägerin eine Außenprüfung für den Prüfungszeitraum 1992 bis 1996 unter anderem mit dem Prüfungsumfang Gewerbesteuer durchgeführt hatte, wurden alle Bescheide für die Jahre 1992 bis 1996 nach § 164 Abs. 2 AO in Anpassung an die nunmehr festgestellten Besteuerungsgrundlagen abgeändert und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Auch den Prüfern fiel nicht auf, dass zu Gunsten der Klägerin § 3 Nr. 13 GewStG in Verbindung mit § 4 Nr. 21 b UStG zur Anwendung hätte kommen müssen. Die aufgrund der Außenprüfung erstellten Bescheide wurden von der Beklagten geprüft und jedenfalls bezüglich der veranlagten Gewerbesteuer nicht beanstandet. Nachdem die Klägerin im November 2002 von der dargestellten Gewerbesteuerbefreiung erfahren hatte, teilte sie diesen Sachverhalt am 25.11.2002 der Beklagten mit, die mit Schreiben vom 2.12.2002 ihren Haftpflichtversicherer einschaltete. Seit dieser Zeit führten die Parteien Vergleichsverhandlungen, die jedoch ergebnislos verliefen.

Mit der am 19.5.2003 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 26.6.2003 zugestellten Klage hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 124.094,81 ? nebst Zinsen in Höhe von 6 % aus 1906,77 ? seit 1.4.1994, aus 21.579,49 ? seit 1.4.1995, aus 28.059,25 ? seit 1.4.1996, aus 20.464,08 ? seit 1.4.1997 und aus 52.085,22 ? seit 1.4.1998 begehrt.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und bezüglich der Schadenshöhe die Notwendigkeit eines Vorteilsausgleichs im Hinblick auf anderweitig ersparte Steuer eingewandt.

Durch das angefochtene Urteil, auf dessen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei gemäß § 68 StBerG verjährt. Der Lauf der Verjährungsfrist von drei Jahren sei unter Berücksichtigung der Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Bekanntgabe des Bescheides für 1993 am 13.7.1995, des Bescheides für 1994 am 22.2.1996, des Bescheides für 1995 am 3.3.1997 und des Bescheides für 1996 am 25.1.1998 in Gang gesetzt worden. Selbst bei dem zuletzt bekannt gegebenen Bescheid für 1996 sei somit die Verjährung mit Ablauf des 25.1.2001 eingetreten. Eine neue Verjährungsfrist sei nicht in Lauf gesetzt worden. Für die Beklagte habe sich bei der weiteren Wahrnehmung des Mandats der Klägerin kein begründeter Anlass ergeben, zu prüfen, ob die von ihr einmal erstellten Steuererklärungen fehlerhaft waren. Auch die Voraussetzungen eines so genannten Sekundäranspruchs gegen die Beklagte seien nicht gegeben.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 13.11.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.12.2003 Berufung eingelegt, die sie nach entsprechenden Fristverlängerungen am 15.3.2004 begründet hat.

Die Klägerin meint, die Voraussetzungen eines Sekundäranspruchs gegen die Beklagte seien entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung gegeben. Die Beklagte habe nicht nur aus Anlass der Betriebsprüfung, sondern auch deswegen, weil sie auch (wie unstreitig ist) für die Steuerjahre 1997 bis 1999 die Steuererklärungen für sie gefertigt habe, Anlass genug gehabt, die Richtigkeit ihrer Beratungsleistungen in den sich immer wiederholenden gleichen Sachverhalten noch während des Laufs der Primärverjährung zur überprüfen, und sie hätte ihren Pflichtverstoß der Klägerin offenbaren können und müssen. Es könne nicht sein, dass die Perpetuierung der Rechtsunkenntnis des Beraters dazu führe, ihn von der Haftung zu befreien.

Die Klägerin hat während des Berufungsverfahrens ein Gutachten zur Berechnung des ihr entstandenen Schadens vorgelegt, das sie mit Schriftsatz vom 19.5.2005 vorgetragen hat. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Begutachtung gemäß schriftlichem Gutachten der Steuerkanzlei A in O1 vom 16.5.2005

beantragt die Klägerin nunmehr,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 82.976,86 ? zuzüglich Zinsen in Höhe von 6 % -Punkten aus 3998 DM = 1993,02 ? seit 1.4.1994, aus 43.868 DM = 22.429,35 ? seit 1.4.1995, aus 54.879 DM = 28.059,19 ? seit 1.4.1996, aus 40.024 DM = 20.463,95 ? seit 1.4.1997 und aus 104.709 DM = 53.536,86 ? seit 1.4.1998 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wozu sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und ergänzt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, weil das angefochtene Urteil richtig ist.

Die Klage ist unbegründet, denn gegenüber den Ansprüchen der Klägerin auf Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung des Steuerberatervertrages wegen der unstreitig der Beklagten anzulastenden Fehler bei Erstellung der Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1996 sowie bei der ihr übertragenen Überprüfung des Steuerbescheides betreffend die nicht von der Beklagten, sondern vom vorherigen Steuerberater der Klägerin erstellten Gewerbesteuererklärung für das Jahr 1992, steht der Beklagten aufgrund der von ihr erhobenen Einrede der Verjährung gemäß § 222 BGB a. F. = § 214 BGB n. F. ein dauerndes Leistungsverweigerungsrecht zu.

Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, weshalb darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, trat auf der Grundlage des § 68 StBerG (Primär-) Verjährung der Schadensersatzansprüche wegen der Fehler der Beklagten bei der Erstellung der Steuererklärungen für die Jahre 1993 bis 1996 am 13.7.1995 (Bescheid 1993), am 22.2.1996 (Bescheid 1994), am 3.3.1997 (Bescheid 1995) und am 24.1.1998 (Bescheid 1996) ein. Ein der Klägerin wegen des Fehlers der Beklagten bei der Überprüfung des Steuerbescheids für das Jahr 1992 zustehender Schadenersatzanspruch verjährte bei Überprüfung des Bescheides im Jahr 1995 ebenfalls im Jahr 1998. Verjährung war also bereits eingetreten, noch bevor die Klägerin im Jahr 2002 überhaupt Kenntnis davon erlangte, dass der Beklagten die hier in Rede stehenden Fehler unterlaufen waren.

Dem Landgericht ist auch darin zuzustimmen, dass der Klägerin kein so genannter Sekundäranspruch gegen die Beklagte zusteht, auf Grund dessen die Beklagte verpflichtet wäre, die Klägerin so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn die Beklagte sie noch vor Ablauf der Primärverjährung darüber belehrt hätte, dass die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches wegen der Behandlung der Gewerbesteuerfrage gegen sie bestand und die Verjährungsfrist gemäß § 68 StBerG lief (vgl. BGH VersR 1984, 663; 162).

Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, weshalb auch insoweit darauf verwiesen werden kann, setzt der Sekundäranspruch gegen den Steuerberater eine neue schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Das Entstehen dieses sekundären Schadensersatzanspruchs ist also davon abhängig, dass während der Verjährungsfrist für den Primäranspruch (und vor Auftragsende) begründeter Anlass zur Belehrung über den Fehler in der eigenen Arbeit und die Verjährungsvorschrift bestanden hat. Diese Voraussetzungen sind dann erfüllt, wenn es sich einem sorgfältig arbeitenden Berater aufdrängen muss, einen zur Schadensentstehung führenden Fehler gemacht zu haben (vgl. BGH NJW 1985,1151). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Die Klägerin hat nicht hinreichend dargetan, dass für die Beklagte zu irgend einem Zeitpunkt vor Eintritt der Primärverjährung begründeter Anlass bestand, anzunehmen, sie habe bei Erstellung der Gewerbesteuererklärungen für die Klägerin einen Fehler gemacht. Ein solcher Anlass kann sich etwa aus einem entsprechenden Hinweis in einem Steuerbescheid, in einer Anfrage des Finanzamtes oder in einer Anfrage des Mandanten ergeben. Für solche Umstände ist indes nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Im Gegenteil hatte die Beklagte vorliegend bis zum Hinweis der Klägerin auf die wirkliche Rechtslage im Jahr 20002 keinerlei Anlass anzunehmen, bei den Gewerbesteuererklärungen den hier in Rede stehenden Fehler gemacht zu haben; denn nicht nur der vor ihr tätige Steuerberater hatte die Vorschrift des § 3 Nr. 13 GewStG in Verbindung mit § 4 Nr. 21 b UStG nicht gesehen, der gleiche Fehler war vielmehr durchgehend auch den Mitarbeitern des zuständigen Finanzamts bei Erstellung der Bescheide für die Jahre 1992 bis einschließlich 1996 unterlaufen und nicht einmal die in den Jahren 1997 und 1998 durchgeführte Betriebsprüfung hatte diesen Fehler aufgedeckt. Allein die Tatsache, dass die Beklagte den Fehler im Zuge der weiteren Betreuung des ihr von der Klägerin erteilten Mandats hätte bemerken können begründet einen Sekundäranspruch nicht.

Da die Berufung erfolglos bleibt, hat die Klägerin die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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