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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 15 U 48/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1025
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Sie streiten um das Bestehen und den Inhalt einer Grunddienstbarkeit.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung X Flur ... Flurstück ..., ...str., sowie der Wegeparzelle Flurstück .... Die Beklagte erwarb mit Kaufvertrag vom 13. März 2003 das Grundstück Flurstück ..., ...str. und die Wegeparzellen ... und ... und wurde als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Die Lage der Grundstücke, wegen deren Einzelheiten auf den Auszug aus der Liegenschaftskarte Bl. 31 d. A. verwiesen wird, ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Zufahrt zu beiden Grundstücken über einen Weg erfolgt, der aus den Flurstücken ... und ... sowie das Flurstück ... besteht. Nur durch Benutzung dieser Wegeparzellen ist eine Zufahrt von der ...str. möglich.

Zu Lasten der beiden der Beklagten gehörenden Wegeparzellen weist das Grundbuch in Abteilung II folgende Eintragungen auf:

lfd. Nr. ...: Geh- und Fahrrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks Gemarkung X Flur ... Flurstück ...

lfd. Nr. ...: Das belastete Grundstück darf nur als Gemeinschaftszufahrt benutzt werden; die Errichtung von Einrichtungen, wie Zäune, Hecken oder Mauern ist ausgeschlossen; für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung X Flur ... Flurstück ......; für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung X Flur ... Flurstück ...

Nach einer entsprechenden Mitteilung des Grundbuchamtes wurde das Flurstück ... später - nach der Eintragung - fortgemessen in die Flurstücke ... bis ....

Bereits kurze Zeit nach Einzug der Beklagten und ihrer Familie in das neu erworbene Haus kam es zum Streit zwischen den Parteien über die Benutzung der gemeinsamen Zuwegung, insbesondere sah sich der Kläger durch zwei auf dem Flurstück ... stehende Pflanzkübel an einer störungsfreien Nutzung der Zuwegung zu seinem Grundstück gehindert. Er forderte die Beklagte erfolglos zur Entfernung der Pflanzkübel und eines Maschendrahtzaunes auf, der nach seiner Darstellung ebenfalls zu Unrecht auf dem Flurstück ... (als Abgrenzung zu dem Grundstück der Beklagten) angebracht ist.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, zwei Waschbeton-Pflanzkübel auf ihrem Grundstück Gemarkung X Flur ... Flurstück ... zu entfernen;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Maschendrahtzaun, der sich an der nördlichen Grenze des Flurstücks Gemarkung X Flur ... Flurstück ... befindet, zu entfernen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, dass der gegenwärtige Zustand des Flurstücks ... im Hinblick auf einen dort angebrachten Pflanzstreifen und den Maschendrahtzaun auf einer von ihrem Rechtsvorgänger bereits in den Jahren 1971 geschaffene Gestaltung zurückgehe, weswegen sie sich gegenüber Ansprüchen des Klägers auf Verjährung berufen hat. Die von ihr angebrachten Pflanzkübel müsse sie ebenfalls nicht entfernen, weil sie bündig auf dem damals geschaffenen Pflanzstreifen stünden. Sie beruft sich außerdem darauf, ihr Grundstück frei von der in Abt.II lfd. Nr. ... eingetragenen Belastung erworben zu haben, weil dort nur der Eigentümer des nicht mehr bestehenden Grundstückes Flurstück ... aufgeführt sei.

Die Beklagte hat widerklagend beantragt,

den Kläger zu verurteilen, in die Löschung der im Grundbuch des Amtsgerichts Kassel von X Blatt ... in Abt. II lfd. Nr. ... eingetragenen Dienstbarkeit einzuwilligen, soweit sie "für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung X Flur ... Flurstück ... (Blatt ... X)" eingetragen ist;

hilfsweise,

den Kläger zu verurteilen, in die Löschung der im Grundbuch des Amtsgerichts Kassel von X Blatt ... in Abt. II lfd. Nr. ... zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung X Flur ... Flurstück ... (Blatt ... X) eingetragenen Dienstbarkeit einzuwilligen, soweit die Grundstücke im Bestandsverzeichnis mit der laufenden Nr. ..., also Flur ... Flurstück ... und Flurstück ..., mit einer Einfriedung (gärtnerische Bepflanzung; Begrenzung durch Abschluss der Waschbeton-Verbundsteinpflasterung des Flurstücks ...) zum angrenzenden Flurstück ... versehen sind.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf dass gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, nach Beweisaufnahme über die Frage des Zeitpunkts der Schaffung des Pflanzstreifens und des Maschendrahtzaunes der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die beiden Waschbeton-Pflanzkübel zu entfernen. Im übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Den Kläger hat es auf den Hilfsantrag der Widerklage hin verurteilt, in die Löschung der Dienstbarkeit einzuwilligen, soweit sich auf dem Grundstück einer Einfriedung in Form eines Pflanzstreifen nebst Bepflanzung befindet.

Gegen dieses ihr am 27.2.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.3.2006 Berufung eingelegt und diese am 21.3.2006 begründet.

Sie wendet sich gegen die teilweise Stattgabe der Klage und die Abweisung ihres Hauptantrages zur Widerklage unter Vertiefung und Ergänzung ihrer bereits im ersten Rechtszug vorgetragenen Argumente.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Kassel vom 21.2.2006 abzuändern, soweit es der Klage teilweise stattgegeben sowie den Hauptantrag der Widerklage abgewiesen hat, und die Klage abzuweisen sowie den Kläger zu verurteilen, in die Löschung der im Grundbuch des Amtsgerichts Kassel von X Blatt ... in Abt. II lfd. Nr. ... eingetragenen Dienstbarkeit einzuwilligen, soweit sie "für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Gemarkung X Flur ... Flurstück ... (Blatt ... X)" eingetragen ist;

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die zulässige, insbesondere form - und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Unrecht angenommen, dass der Kläger von der Beklagten die Entfernung der auf dem Pflanzstreifen aufstehenden Waschbeton Pflanzkübel verlangen kann.

Allerdings besteht zu Gunsten des Klägers als Eigentümer des Grundstücks Flur ... eine Grunddienstbarkeit in Form eines Zufahrtsrechts zulasten des Grundstücks der Beklagten (Flurstück ...). Die belastende Eintragung unter Abt. II lfd. Nr. ... ist nicht hinfällig geworden, nachdem das ursprüngliche Flurstück ... geteilt und in die Flurstücke ... bis ... fortgeschrieben wurde. Zutreffend hat das Landgericht sich auf die Vorschrift des § 1025 S. 1 BGB gestützt, wonach dann, wenn das Grundstück des Berechtigten geteilt wird, die Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile fortbesteht. Die Eintragung der Grunddienstbarkeit auf dem Grundbuchblatt des belasteten Grundstücks wirkt zu Gunsten der Eigentümer der getrennten Teile des herrschenden Grundstücks auch dann fort, wenn die Teilung auf dem Blatt des belasteten Grundstücks nicht vermerkt wird (MünchKomm-BGB/Falckenberg, 4. Aufl. § 1025 Rn. 2; Staudinger/Mayer, BGB, § 1025 Rn.6). Zu Unrecht meint die Beklagte, die vom Landgericht herangezogene Vorschrift sei nur einschlägig, wenn das die eingetragenen Grunddienstbarkeit begünstigende Grundstück zu einem Teil überhaupt fortbesteht und nicht - wie hier - erloschen ist. Für eine solche Differenzierung bietet der Wortlaut der Vorschrift des § 1025 BGB keinen Anhaltspunkt. Dort wird vielmehr unterschiedslos bestimmt, dass bei einer Teilung des Grundstücks des Berechtigten die Grunddienstbarkeit "für die einzelnen Teile" fortbesteht. Eine Differenzierung danach, welche grundbuchliche Flurstücksbezeichnung die einzelnen Teile erhalten haben, lässt sich auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht in Übereinstimmung bringen. Denn ersichtlich geht es darum, die zum Nutzen des früheren Grundstücks bestehende Grunddienstbarkeit uneingeschränkt auch den späteren Teilen zugute kommen zu lassen, soweit sie von dieser Grunddienstbarkeit noch profitieren können (vgl. § 1025 S. 2 BGB).

Die Beklagte hat die dienenden Grundstücke auch nicht gutgläubig lastenfrei erworben. Zu Unrecht stützt sie sich hierbei auf die Vorschrift des § 892 BGB. Danach gilt zu Gunsten desjenigen, welcher ein Recht an einem Grundstück oder ein Recht an einem solchen Recht durch Rechtsgeschäft erwirbt, der Inhalt des Grundbuches als richtig, es sei denn, dass ein Widerspruch gegen die Richtigkeit eingetragen oder die Unrichtigkeit den Erwerber bekannt ist (§ 892 Abs. 1 S. 1 BGB). Vorliegend hat das Grundbuch durch die entsprechende Eintragung in Abt. II das Bestehen einer Grunddienstbarkeit ausgewiesen. Die Belastung des von der Beklagten erworbenen Grundstücks ergab sich mithin aus dem Grundbuch. Ein guter Glaube daran, das Grundstück sei nicht belastet, konnte also nicht entstehen. Soweit die Beklagte geltend machen will, das Grundbuch weise aber nur eine Berechtigung des Eigentümers des Grundstücks mit der Flurbezeichnung ... auf, ein solches Grundstück bestehe aber nicht mehr, nachdem es geteilt sei, verkennt sie die Reichweite des Gutglaubensschutzes. Die Frage, was im Falle einer Teilung des herrschenden Grundstückes mit den zu Gunsten dieses Grundstücks bestehenden Grundstücksrechten geschieht, regelt allein die Vorschrift des § 1025 BGB. Danach erlöschen diese Rechte nicht, sondern bestehen an den nunmehr selbständigen Teilen des früheren Grundstücks fort. Diese Vorschrift ist - in gleicher Weise wie etwa bei einer Universalsukzession - bei einer Kenntnisnahme des Grundbuchinhaltes mit zu berücksichtigen. Dass eine Teilung des herrschenden Grundstückes erfolgt ist, ergibt sich ohne weiteres aus der Eintragung im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblattes dieses Grundstücks, welches von jedem eingesehen werden muss, der sich über die nur durch die Eigentümerstellung nachweisbare Person des Berechtigten informieren will. Soweit also die Ermittlung der Person des Berechtigten infrage steht, und das Grundbuch nicht nur im Hinblick auf die Frage des Bestehens eines belastenden Grundstücksrechts eingesehen wird, kann dies nur durch die Heranziehung des weiteren Grundbuchblattes des herrschenden Grundstücks geschehen. Dies aber weist - wie ausgeführt - die Bestandsänderung durch Teilung des Grundstückes aus. Gleiches gilt für die von der Beklagten angeführte Erwägung, dass das belastende Recht nur zu Gunsten (des Eigentümers) eines Grundstückes eingetragen ist, welches nicht mehr existiert. Auch dies ergibt sich nicht aus dem Grundbuchblatt des dienenden Grundstückes, sondern lässt sich nur durch die Heranziehung des Grundbuchblattes des herrschenden Grundstückes erkennen, welches gleichzeitig den Vermerk über die Teilung enthält. Eine Unsicherheit über das Bestehen des Rechtes und die Person des Berechtigten kann deswegen bei redlicher Vorgehensweise nicht entstehen. Mit diesen Erwägungen ist deswegen in der Rechtsprechung auch zu Recht die Verpflichtung des Grundbuchamtes abgelehnt worden, die Teilung des herrschenden Grundstückes auf dem Platze des belasteten Grundstückes einzutragen (BayObLG DNotZ 1996, 24).

Trotz der danach bestehenden Grunddienstbarkeit ist die Beklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht zur Beseitigung der auf dem Pflanzstreifen befindlichen Pflanzkübel verpflichtet. Das Landgericht hat diese Pflanzkübel als Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit im Sinne des § 1027 BGB gewertet. Ob man dieser Bewertung angesichts der aus den Lichtbildern hinreichend erkennbaren Örtlichkeiten beitreten kann, kann dahinstehen. Das Beseitigungsverlangen des Klägers ist jedenfalls nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht gerechtfertigt. Die Pflanzkübel stehen, wie aus den Bildern deutlich ersichtlich ist, allenfalls minimal über dem Pflanzstreifen hinaus, dessen Fortbestehen der Kläger nach dem insoweit rechtskräftigen Urteil des Landgerichts zu dulden hat. Auch wenn die Pflanzkübel anders als der Pflanzstreifen die Gefahr mit sich bringen, dass bei einem Rangiermanöver des Klägers mit seinem Pkw dieser beschädigt wird, rechtfertigt dies allein nicht, von der Beklagten die Beseitigung dieser Kübel zu verlangen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger gezwungen wäre, zur Erreichung und der auf seinem Grundstück in gelegenen Garage oder eines Stellplatzes auf seinem Grundstück ein Fahrmanöver durchzuführen, welches ihn notwendig in gefährliche Nähe zu Pflanzstreifen und aufstehenden Kübel bringt. Dies kann auch ohne nähere Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten ohne weiteres aus den Lichtbildern festgestellt werden.

Auch bei einer nur halbwegs vorsichtigen Fahrweise lässt sich eine Kollision mit den Pflanzkübel unschwer vermeiden, sowie auch in der Vergangenheit das Befahren des Pflanzstreifen offenbar vermieden werden konnte, anderenfalls anzunehmen wäre, dass der Kläger auch gegen diese Beeinträchtigung vorgegangen wäre. Die Klage war daher auch insoweit über den vom Landgericht aberkannten Teil hinaus abzuweisen.

Der von der Beklagten in der Berufungsinstanz weiterverfolgte Hauptantrag der Wider, mit der sie die Löschung der Dienstbarkeit verlangt, ist unbegründet, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt. Insoweit über die Berufung zurückzuweisen. Ob die teilweise Stattgabe der Widerklage auf den Hilfsantrag hin berechtigt war, war im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits hat ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil der für die Widerklage entscheidenden Frage der Reichweite des guten Glaubens an die Richtigkeit des Grundbuches im Falle der Teilung eines herrschenden Grundstückes, bezogen auf bestehende Grunddienstbarkeiten, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

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