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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 15 U 86/05
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 426
HGB § 428
HGB § 435
HGB § 459
Zu den Anforderungen an die Haftungsfreistellung des Frachtführers nach § 426 HGB.
Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat mit Urteil vom 17. März 2005, in dessen Rubrum nur die Klägerin zu 1. aufgeführt ist, die Klagen abgewiesen, weil aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme sowie der sonstigen unstreitigen Umstände bewiesen sei, dass der Verlust des Gutes infolge des Einbruchsdiebstahls auf Umständen beruhe, die die Beklagte auch bei größter Sorgfalt nicht habe vermeiden können. Sie sei ihren Überwachungspflichten dadurch nachgekommen, dass sie das Speditionsgelände am Wochenende nachts durch Wachleute habe bewachen lassen. Ein Fehlverhalten des Wachpersonals habe nicht festgestellt werden können.

Gegen das den Klägerinnen am 22. März 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin zu 1. am 13. April 2005 Berufung eingelegt und diese am 17. Juni 2005 begründet und dabei "klar gestellt", dass Berufung auch für die Klägerin zu 2. eingelegt sei.

Die Klägerinnen wenden sich gegen die Auffassung des Landgerichts, der Schaden sei für die Beklagte unabwendbar gewesen. Außerdem halten sie daran fest, dass der Beklagten grobes Verschulden vorzuwerfen sei.

Die Klägerinnen beantragen,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1. 18.367,38 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit dem 06.08.2002 zu zahlen und an die Klägerin zu 2. 3.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufungen der Klägerinnen sind statthaft, die der Klägerin zu 1. auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufung der Klägerin zu 2. ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat ab Zustellung des angefochtenen Urteils eingelegt worden ist (§ 517 ZPO).

Zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gemäß § 519 Abs. 2 ZPO gehört auch die Angabe, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird; aus der Berufungsschrift muss entweder für sich allein oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll. Dabei sind vor allem an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen; bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muss jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein (vgl. BGH NJW 2002, 1430 f. mit weiteren Nachweisen). Das gilt um so mehr bei streitgenössischer Beteiligung. Zwar sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Streitgenossen auf Seiten des Rechtsmittelgegners keine besonderen Anforderungen geboten. Eine uneingeschränkt eingelegte Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil richtet sich im Zweifel gegen alle erfolgreichen Streitgenossen ( BGH NJW 2002, 831, 832 mit weiteren Nachweisen). Das gilt indes nicht für den Rechtsmittelkläger. Unabdingbar ist, dass jeweils alle Streitgenossen genannt werden, die Rechtsmittelführer sein sollen (BGH NJW 1992, 2413 für den Fall, dass beide Beklagte im Rubrum aufgeführt waren, aber nur einer als Berufungskläger bezeichnet war, mit weiteren Nachweisen).

Die mit Schriftsatz vom 13. April 2005 eingelegte Berufung ist nur für die Klägerin zu 1. eingelegt worden. Denn nur sie wird im Rubrum der Berufungsschrift überhaupt genannt, weshalb die Klägerin zu 2. als Rechtsmittelführerin ausscheidet. Nichts anderes ergibt sich aus dem der Berufungsschrift in Fotokopie beigefügten Urteil. Denn auch im Urteilsrubrum ist die Klägerin zu 2. nicht aufgeführt. Allerdings ergeben Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils, dass auch der Versicherungsnehmer als Klägerin zu 2. am Rechtsstreit beteiligt war und eigene Ansprüche verfolgte. Gleichwohl ergibt sich daraus nicht zweifelsfrei, dass auch die weder im Urteil noch in der Berufungsschrift bezeichnete Versicherungsnehmerin als Klägerin zu 2. Berufungsführerin sein sollte. Zwar konnte durchaus an ein Versehen deshalb gedacht werden, weil die Klägerin zu 2. auch im Urteilsrubrum nicht genannt war. Das ist aber deshalb nicht zwingend, weil der die Berufung einlegende Prozessbevollmächtigte die Klägerinnen bereits in erster Instanz vertreten hatte und deshalb wusste, dass nicht nur die Klägerin zu 1. Prozesspartei war. Darüber hinaus gab es gute Gründe für die Klägerin zu 2., von einer Berufung abzusehen. Denn für sie ging es nur um einen Betrag von 3.000 Euro. Bei verständiger Würdigung kam durchaus in Betracht, dass die Klägerin zu 2. von einer weiteren Verfolgung ihres Anspruchs mit Rücksicht auf das Prozessrisiko absehen wollte.

Die von den Klägerinnen mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2005 beantragte Berichtigung des Urteils ändert daran nichts. Die Urteilsberichtigung ist im Allgemeinen ohne Einfluss auf den Lauf der Berufungsfrist. Etwas Anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn das Urteil als Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln der Parteien nicht geeignet ist, weil erst aus dem berichtigten Urteil hervorgeht, dass eine Partei durch das Urteil beschwert ist oder wer der richtige Rechtsmittelgegner ist (vgl. BGH NJW-RR 2004, 712 mit weiteren Nachweisen; BGH NJW 1999, 646, 647). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Schon aus der Urteilsüberschrift ist ersichtlich, dass die Klagen beider Parteien abgewiesen wurden, weil das Landgericht kein Teilurteil erlassen hatte. Darüber hinaus belastet die Kostenentscheidung auch die Klägerin zu 2.. Im Eingangssatz der Entscheidungsgründe ist ausgeführt, beide Klägerinnen hätten keinen Anspruch. Insgesamt konnte kein Zweifel daran bestehen, dass das Landgericht beide Klage abgewiesen hatte.

Für die Klägerin zu 2. ist nach allem erst mit der am 17. Juni 2005 eingegangenen Berufungsbegründung Berufung eingelegt worden und damit außerhalb der Monatsfrist des § 517 ZPO. Die Berufung der Klägerin zu 2. war deshalb als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 ZPO).

III.

Die Berufung der Klägerin zu 1. hat auch in der Sache Erfolg, weil das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler beruht (§ 513 Abs. 1 ZPO). Denn das Landgericht hat zu geringe Anforderungen an die Haftungsfreistellung des Frachtführers nach § 426 HGB gestellt. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen war der Schaden für die Beklagte vielmehr bei größter Sorgfalt vermeidbar. Das Urteil des Landgerichts beruht auch auf diesem Rechtsfehler, weil die Klägerin zu 1. vollen Schadensersatz verlangen kann. Denn der Senat ist davon überzeugt, dass der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die eine Person, deren Handeln sich die Beklagte nach § 428 HGB zurechnen lassen muss, leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat, weshalb sich die Beklagte auf Haftungsbefreiungen oder Haftungsbegrenzungen nicht berufen kann (§ 435 HGB).

Die Klägerin zu 1. ist aktiv legitimiert. Durch Erklärungen vom 20. Juni 2002 hat die Klägerin zu 2. die ihr gegen die Beklagte aus dem Schadensfall zustehenden Ansprüche an die Klägerin zu 1. abgetreten, die die Abtretung angenommen hat. Die Abtretung verstößt nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz. Allerdings kann sich die Klägerin zu 1. nicht auf die von ihr vorgetragene Rechtsprechung stützen, nachdem die dritte Durchführungsverordnung zum Rechtsberatungsgesetz durch Gesetz vom 9. März 2000 (BGBl I S. 182, 192) aufgehoben worden ist. Die Forderungseinziehung durch die Klägerin als Assekuradeur ist aber nach § 5 Nr. 1 Rechtsberatungsgesetz erlaubnisfrei. Denn bei dem Assekuradeur, der wie hier die Versicherungsverträge vermittelt hat und verwaltet, stellt die Forderungseinziehung eine Angelegenheit dar, die mit dem Geschäft des Gewerbebetriebs des Assekuradeurs in unmittelbarem Zusammenhang steht (vgl. OLG Hamburg TranspR 1996, 280, zitiert nach Juris; OLG München VersR 1994, 1467; OLG Stuttgart VersR 1985, 762; Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 3. Aufl., § 5 Rdnr. 40).

Die Haftung der Beklagten, die als sogenannte Fixkostenspediteurin wie ein Frachtführer haftet (§ 459 HGB), ist nicht nach § 426 HGB ausgeschlossen weil der Schadenseintritt für die Beklagte vermeidbar war.

Der Haftungsausschluss nach § 426 HGB greift nur bei Unabwendbarkeit des Schadens ein, wobei der Begriff der Unabwendbarkeit derselbe ist wie in Artikel 17 Abs. 2 CMR (vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, HGB, 32. Aufl., § 427 Rdnr. 2; Ebenroth/Bouyong/Joos/Gass, HGB, § 426 Rdnr. 1; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 426 HGB Rdnr. 2). Für Artikel 17 Abs. 2 CMR hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass der Schaden bei äußerst möglicher und zumutbarer Sorgfalt nicht zu vermeiden war (VersR 2004, 399; 2001, 1134; 2001, 261). Unvermeidbarkeit und Unabwendbarkeit des Schadens sind daher anhand des Maßstabes eines "idealen" Frachtführers zu bestimmen, der eine über den gewöhnlichen Durchschnitt erheblich hinausgehende Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Umsicht sowie ein geistesgegenwärtiges und sachgemäßes Handeln im Rahmen des Menschenmöglichen an den Tag legt; der ideale Frachtführer berücksichtigt Erkenntnisse, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (Koller, a. a. O., Rdnr. 4). Erforderlich ist die Sorgfalt, mit der auch eine atypische Schadensursache hätte vermieden werden können (Ebenroth/Bouyong/Joos/Gass, a. a. O., § 426 Rdnr. 4 mit weiteren Nachweisen). Die Grenze ist dort zu ziehen, wo die Schadensverhütungsanstrengungen auf den ersten Blick als gänzlich untragbar, absurd und damit als unzumutbar erscheinen (vgl. OLG Bamberg OLGR 2005, 720, 721; Koller, a. a. O., Rdnr. 4 mit weiteren Nachweisen).

Die Beklagte hat die größtmögliche Sorgfalt nicht eingehalten, die erforderlich war, um den Schaden zu verhindern. Mit einem Einbruchdiebstahl in das hier betroffene Lager war zu rechnen. Das sieht offenbar auch die Beklagte so. Die von ihr getroffenen Maßnahmen waren indes nicht geeignet, einen Einbruchdiebstahl mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermeiden. Die Einzäunung des Geländes war für sich gesehen ersichtlich ebenso unzureichend wie die Lagerung der Gegenstände in einem abgeschlossenen Gebäude, weil sowohl der Zaun als auch eine Tür keine großen Hindernisse darstellen. Dasselbe gilt für das Rolltor des Sicherheitsraumes. Die vorhandene Videokamera bot keine größere Sicherheit, weil deren Aufzeichnungen nicht auf einen Monitor des Wachpersonals übertragen wurden und die Kamera deshalb unbemerkt außer Betrieb gesetzt werden konnte. Auch die Bewachung des Geländes durch Wachpersonal war in der konkreten Ausgestaltung mit Kontrollgängen im Abstand von zwei Stunden nicht ausreichend, um einen Einbruchdiebstahl auf zumutbare Weise zu vermeiden. Bei der Organisation der Kontrollen war davon auszugehen, welchen zeitlichen Aufwand ein möglicher Einbruchdiebstahl erfordern würde. An diesem erforderlichen Zeitraster mussten die Kontrollen ausgerichtet werden. Hierzu hat die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (vgl. BGH VersR 2004, 399; 2001, 1134; 2001, 261 zu Artikel 17 Abs. 2 CMR; OLG Brandenburg Transportrecht 2005, 114; OLG Bamberg OLGR 2005, 720; OLG Stuttgart OLGR 2003, 95, zu § 426 HGB) nichts vorgetragen. Danach müssen Kontrollgänge im Abstand von zwei Stunden als unzureichend angesehen werden. Die Durchführung von Kontrollen in engerem zeitlichen Abstand waren auch ohne Weiteres zumutbar, weil Wachpersonal ohnehin auf dem Gelände war und damit auch nicht überfordert werden konnte. Der Erfüllung größtmöglicher Sorgfalt steht des weiteren entgegen, dass das Wachpersonal offenbar nicht stichprobenweise kontrolliert wurde, ob die vorgeschriebenen Kontrollgänge ausgeführt wurden. Dass Sicherheitskräfte geneigt sein können, Kontrollgänge zu ersparen, ist nicht fernliegend und war vorliegend - was noch ausgeführt wird - auch der Fall. Der Annahme größtmöglicher Sorgfalt steht schließlich auch entgegen, dass ein Frachtführer, der bestrebt ist, einen Einbruchdiebstahl auf jeden Fall zu vermeiden, eine Alarmanlage und eine Videokameraübertragung auf einen Monitor des Wachpersonals vorgehalten hätte. Beides sind technische Maßnahmen, die einen "idealen" Frachtführer nicht überfordern.

Die Klägerin zu 1. kann - aus abgetretenem Recht - von der Beklagten vollen Schadensersatz verlangen, weil sich die Beklagte nach § 435 HGB nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen kann. Denn ihr bzw. einer Person, für die sie nach § 428 HGB einzustehen hat, fällt ein qualifiziertes Verschulden im Sinne dieser Vorschrift zur Last.

Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nach § 435 HGB nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 HGB genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat. Der Verschuldensmaßstab des § 435 HGB setzt neben der Leichtfertigkeit das Bewusstsein voraus, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Das Tatbestandsmerkmal der Leichtfertigkeit erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei dem sich der Frachtführer, seine "Leute" oder andere Personen im Sinne von § 428 HGB in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen der Vertragspartner hinweggesetzt haben müssen. Das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts ist eine sich dem Handelnden aus seinem leichtfertigen Verhalten aufdrängende Erkenntnis, es werde wahrscheinlich ein Schaden entstehen. Die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Leichtfertigkeit genügt für sich allein zwar nicht, um auf das Bewusstsein von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schließen zu können. Eine solche Erkenntnis als innere Tatsache ist aber dann anzunehmen, wenn das leichtfertige Verhalten nach seinem Inhalt und nach den Umständen, unter denen es aufgetreten ist, diese Folgerung rechtfertigt (vgl. zu allem BGH NJW-RR 2005, 265; BGH NJW 2004, 2445).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die berechtigten Sicherheitsinteressen des Vertragspartners des Frachtführers verlangen eine ausreichende Beaufsichtigung des dem Frachtführer anvertrauten Gutes, um Diebstähle zu vermeiden. Das gilt nicht nur für die Dauer des Transportes, sondern auch für eine kurzfristige Zwischenlagerung des Gutes, ohne Rücksicht darauf, ob dies im Interesse des Auftraggebers, des Frachtführers oder in beiderseitigem Interesse geschieht. Das Gut darf keinesfalls dem ungehinderten Zugriff Dritter ausgesetzt werden. Ebenso wie es beim Transport eines Gutes regelmäßig leichtfertiges Verhalten darstellt, wenn der Lastkraftwagen mit dem Gut unbeaufsichtigt abgestellt wird (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Koller, a. a. O., Art. 29 CMR Rdnr. 4), gilt das für eine unzureichend gesicherte Aufbewahrung zwischengelagerten Gutes. Zur Wahrung der Sicherheitsinteressen des Vertragspartners genügt die Lagerung in einem Lagergebäude, das sich auf einem befriedeten Gelände befindet, nicht. Ein Maschendrahtzaun bietet keinerlei Diebstahlsschutz, weil er ohne Weiteres überwunden werden kann, etwa durch Niederdrücken oder durch Zerschneiden des Drahtes. Innerhalb weniger Minuten können deshalb Diebe auf das Gelände gelangen. Auch die Türen eines Lagerhauses können innerhalb kurzer Zeit mit Gewalt überwunden werden. Das Eindringen in das Lagergebäude ist selbst bei geringer krimineller Energie ohne Weiteres möglich. Befinden sich Dritte aber erst in dem Lagergebäude, können sie weitere eventuell vorhandene gewöhnliche Sicherheitsvorkehrungen in aller Ruhe ausschalten, weil mit einer Entdeckung nicht gerechnet werden muss. Deshalb sind auch ein mit einem Rolltor verschlossener gesonderter Raum oder die Anbringung einer Videokamera, deren Aufzeichnungen nicht auf einen Monitor übertragen werden, keine geeigneten Sicherheitsvorkehrungen. Beim Einlagern von Transportgut in ein unbewachtes Lagergebäude wird dieses deshalb dem Zugriff von Dieben weitgehend schutzlos ausgeliefert, was die Sicherheitsinteressen des Versenders in besonders gravierender Weise verletzt. Das gilt umso mehr, weil potentielle Diebe in dem Lagergebäude eines Spediteurs oder Frachtführers regelmäßig werthaltige Fracht vermuten, anders als bei abgestellten Lastzügen. Den Interessen des Versenders kann deshalb nur Rechnung getragen werden, wenn ein solches Lagergebäude auch bewacht wird, weil nur eine Überwachung in der Lage ist, Diebstähle ernsthaft zu vermeiden. Das sieht offenbar auch die Beklagte so, weil sie eine Bewachung des Lagergebäudes am Wochenende organisiert hat. Eine Bewachung muss jedoch geeignet sein, einen Einbruchdiebstahl in nennenswerter Weise zumindest zu erschweren. Die Anwesenheit von Wachpersonal genügt für sich nicht, wenn dieses überhaupt keine Kontrolle über das Lagergebäude ausübt. Deshalb kann eine Bewachung Diebstahlsschutz ersichtlich nur gewähren, wenn das Wachpersonal Kontrollgänge ausführt oder aber durch Alarmanlagen oder Videokameras auf Einbruchsversuche hingewiesen wird. Fehlt es an all dem, werden die Sicherheitsinteressen des Versenders in genauso krasser Weise verletzt, wie wenn das Gelände überhaupt nicht bewacht wird.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die von der Beklagten organisierte Bewachung des Lagergeländes genügte, um leichtfertiges Verhalten auszuschließen. Denn dem Zeugen Z, der in der fraglichen Nacht die Bewachung übernommen hatte, ist ein solches leichtfertiges Verhalten vorzuwerfen. Das muss sich die Beklagte nach § 428 HGB zurechnen lassen, weil sie sich des Zeugen Z bei der Ausführung der Beförderung bedient hatte, wozu auch die Ausübung der Obhut über das zu befördernde Gut gehört (vgl. Koller, a. a. O., § 428 HGB Rdnr. 11; Dubischar in Münchener Kommentar, HGB, § 431 a. F. Rdnr. 7). Der Zeuge Z seinerseits hat die Sicherheitsinteressen der Klägerin zu 2. gröblichst verletzt, weil er seiner Bewachungspflicht überhaupt nicht nachgekommen ist. Das steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Beweisaufnahme vor dem Landgericht fest. Bei seiner Vernehmung hat der Zeuge ausgesagt, um 21.30 Uhr einen Kontrollgang durchgeführt zu haben. Gegen 23.45 Uhr sei dann von dem Lagermeister der Diebstahl festgestellt worden. Das ist feststehend falsch, weil der Lagermeister erst gegen 4.00 Uhr oder 4.30 Uhr gekommen war und erst dann den Einbruch bemerkte. Es mag zwar sein, dass sich der Zeuge bei seiner Aussage zeitlich nicht mehr richtig erinnerte, was die Beklagte meint und das Landgericht angenommen hat. Der Zeuge hat aber trotz entsprechenden Vorhalts ausdrücklich in Abrede gestellt, um 2.00 Uhr noch einen zweiten Kontrollgang durchgeführt zu haben. Derartiges ist zwar in einer schriftlichen Erklärung vom 8. Mai 2002 im Ermittlungsverfahren behauptet worden. Der Zeuge hat aber auf Vorhalt dieser Erklärung ausgesagt, dass er nicht wisse, wer diesen Text vorformuliert habe. Er ist dabei geblieben, gegen 2.00 Uhr keinen zweiten Kontrollgang durchgeführt zu haben. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass das Lagergelände von dem Zeugen Z nur bei seinem Erscheinen um 21.30 Uhr kontrolliert wurde, in der Folgezeit danach nicht mehr. Dann kam die Situation einem unbewachten Gelände gleich, weil die Bewachung keinen Sinn macht, wenn die Wachleute im Pförtnerhaus sitzen bleiben, ohne dass sie - wie hier - durch eine Alarmanlage oder Videokameraaufzeichnungen auf Einbruchsversuche hingewiesen werden. Denn im Pförtnerhaus sitzend konnte der Zeuge Z von einem Einbruch keine Kenntnis bekommen.

Dieses Verhalten des Zeugen Z ist als leichtfertig zu werten, weil seine Anwesenheit im Pförtnerhaus zur Vermeidung eines Einbruchdiebstahls ersichtlich sinnlos war und weil er sich auch über die ihm erteilte Anweisung, Kontrollgänge im Abstand von zwei Stunden durchzuführen, beharrlich hinweggesetzt hatte.

Das Verhalten des Zeugen erfüllt auch das subjektive Erfordernis des Bewusstseins von der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Anhand seines grob nachlässigen Verhaltens ist diese Schlussfolgerung gerechtfertigt. Denn wer, wie der Zeuge, elementare Sorgfaltsvorkehrungen unterlässt, handelt allgemein in dem Bewusstsein, dass es aufgrund des Mangels dieser Vorkehrungen zu einem Schadenseintritt kommen kann (vgl. hierzu BGH NJW 2004, 2445). Der Zeuge wusste um seine Aufgabe und vor allem auch um das Erfordernis, unbedingt Kontrollgänge durchzuführen, weil nur so Einbruchdiebstähle überhaupt verhindert werden konnten. Wenn er sich darüber hinwegsetzte, war ihm zugleich bewusst, dass keine zuverlässige Sicherungsvorkehrung mehr vorhanden war, die geeignet war, einen Einbruchdiebstahl zu vermeiden. Ihm war bewusst, dass Diebe dann weitgehend ungehindert in das Gebäude eindringen konnten und dass durch Entwendung gelagerten Gutes ein Schaden entstehen würde. Dabei ist für die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts kein bestimmter Prozentsatz erforderlich; ebenso ist unerheblich, dass es bislang nicht zu einem Einbruchdiebstahl gekommen war (vgl. BGH NJW-RR 2005, 265; NJW 2004, 2445).

Mit seiner Annahme einer unbegrenzten Haftung der Beklagten nach § 435 HGB setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, was die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint hat. Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Fallkonstellation, dass Transportgut in einem Lagergebäude zwischengelagert wird, ist soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht. Auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 2. November 2005 (Transportrecht 2005, 468) bezieht sich die Beklagte zu Unrecht. In diesem Fall wurde ein Trailer mit diebstahlsgefährdeter Ware ohne Zugmaschine auf einem umzäunten Gelände abgestellt, das unstreitig nachts beleuchtet wurde und durch nach Betriebsschluss geschlossene Tore gesichert war. Zudem wurde es nachts von einem Bewachungsunternehmen und einem Mitarbeiter der Transportfirma bewacht. Durch die dort organisierte Bewachung unterscheidet sich die Fallgestaltung nämlich erheblich von der hier vorliegenden. Im Übrigen hat das OLG Düsseldorf zu Recht auch darauf abgehoben, dass es erheblicher krimineller Energie bedarf, mit einer eigenen geeigneten Zugmaschine einen Trailer mit Container von einem umzäunten und bewachten Gelände zu entwenden, und zwar an einem Wochenende, an dem LKW-Verkehr wegen des Sonn- und Feiertagsfahrverbotes besonders auffällig ist. Auch insoweit unterscheiden sich die beiden Fallgestaltungen. Dasselbe gilt für die Entscheidung des Oberlandesgericht Karlsruhe vom 12. Mai 2005 (NJW-RR 2005, 1123), in dem ein mit einer Plane abgedeckter Anhänger mit Zigaretten auf einem Gelände verwahrt wurde, das in einem Industriegebiet lag und das durch einen 2 Meter hohen Zaun und eine rundherum angebrachte stille Alarmanlage gesichert war, wobei nach Auslösen des Alarms das Gelände sofort kontrolliert wurde. Auch das geht über die hier durch das Verhalten des Zeugen Z ungeeigneten Sicherheitsvorkehrungen weit hinaus.

Nach allem erweist sich die Berufung der Klägerin zu 1. als begründet, weil die Beklagte unbegrenzt für den eingetretenen Schaden haftet, so dass die Klägerin zu 1. Ersatz der erbrachten Versicherungsleistung in Höhe von unstreitig 18.367,38 Euro verlangen kann. Ebenso begründet ist das Verlangen nach Zahlung von Verzugszinsen (§§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Senat eine Entscheidung im Einzelfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung getroffen hat.

Ende der Entscheidung

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