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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: 16 U 3/05 (1)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 321 I
Zu den Voraussetzungen einer Urteilsergänzung nach § 321 I ZPO.
Gründe:

I.

Die Parteien schlossen am 27.04.2000 einen Vertrag über die Errichtung einer Gemeinschaftspraxis zum 01.07.2000. In diesem Vertrag wurde den Parteien ein freies Kündigungsrecht von zwölf Monaten zum Jahresende eingeräumt. Bis zum 31.12.2010 sollte aber im Falle der Kündigung das Übernahmerecht allein dem Beklagten zustehen. Außerdem hatten die Parteien ein Wettbewerbsverbot in § 17 des Gemeinschaftspraxisvertrages vereinbart.

Nachdem Streitigkeiten zwischen den Parteien entstanden waren, erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 10.02.2003 gegenüber der Klägerin, dass er zur Beendigung der gemeinsamen Tätigkeit auf jeden Fall entschlossen sei und notfalls diese durch Kündigung am Jahresende vollziehen werde, falls eine einvernehmliche Beendigung der Zusammenarbeit nicht zustande kommt. Mit Schreiben vom 12.12.2003 kündigte er den Gesellschaftsvertrag zum 31.12.2004 und erklärte zugleich die Übernahme der Gemeinschaftspraxis.

Die Klägerin hat Klage erhoben zum Landgericht Limburg. Sie hat in erster Instanz beantragt festzustellen, dass § 14 Abs. 3 des Gemeinschaftspraxisvertrages, der das Übernahmerecht des Beklagten bis zum Jahr 2010 regelt, nichtig ist und dass die Kündigung des Beklagten vom 12.12.2003 gegenstandslos ist. Hilfsweise hat sie beantragt, festzustellen, dass § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages, der das Wettbewerbsverbot enthält, nichtig ist.

Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

die Klage abzuweisen und Widerklage erhoben mit dem Antrag festzustellen, dass die Klägerin mit Wirkung zum 31.12.2004 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden ist und die Praxis im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch den Beklagten als Einzelpraxis fortgeführt wird.

Hilfsweise hat der Beklagte beantragt, die Klägerin zu verurteilen, eine Änderung von § 14 Abs. 3 und § 17 des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen, wonach das Übernahmerecht dem Beklagten bis 31.05.2005 zustehen soll und das Wettbewerbsverbot auf zwei Jahre befristet werden soll.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 06.12.2004 festgestellt, dass § 14 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages insoweit nichtig ist, als das dem Beklagten darin zugestandene Übernahmerecht einen Zeitraum von drei Jahren überschreitet und dass die Kündigung des Beklagten vom 12.12.2003 gegenstandslos ist. Im Übrigen hat es Klage und Widerklage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Im Rahmen des Berufungsverfahrens hat er beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern, die Klage abzuweisen und auf die Widerklage festzustellen, dass die Klägerin mit Ablauf des 31.12.2004 aus der Gesellschaft ausgeschieden ist und der Beklagte die Praxis als Einzelpraxis fortführt.

Die Klägerin hat in zweiter Instanz beantragt,

die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das Gesellschaftsverhältnis durch die Kündigungen des Beklagten nicht beendet ist, sondern bis zum 30.06.2005 fortbestanden hat.

Hilfsweise hat sie für den Fall, dass der Senat das Schreiben des Beklagten vom 10.02.2003 als Kündigung ansieht, beantragt, festzustellen, dass § 14 Abs. 3 Satz 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages nichtig ist. Äußerst hilfsweise für den Fall der Abweisung des vorgenannten Hilfsantrages beantragt sie, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 06.12.2004 festzustellen, dass die Wettbewerbsklausel in § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages nichtig ist.

Der Senat hat mit Urteil vom 20.10.2005 der Berufung des Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen. Auf die Widerklage hat er festgestellt, dass die Klägerin mit Wirkung zum 31.12.2004 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden ist, die der Beklagte als Einzelpraxis fortführt. Im Rahmen der Urteilsbegründung ist der Senat auch auf die beiden von der Klägerin gestellten Hilfsanträge eingegangen.

Das Urteil ist der Klägerin am 20.10.2005 zugestellt worden. Mit einem am 03.11.2005 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin beantragt, das Urteil durch nachträgliche Entscheidung über den hilfsweisen Klageantrag zu ergänzen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, aus Seite 5 und 6 des Urteils ergebe sich, dass sie einen weiteren Hilfsantrag gestellt habe, wonach festgestellt werden sollte, dass § 17 des Gemeinschaftspraxisvertrages nichtig sei. Über diesen Antrag sei noch nicht entschieden. Ihre Klageänderung habe sich nur auf die ersten beiden Klageanträge bezogen.

Der Beklagte beantragt,

den Antrag der Klägerin auf Urteilsergänzung abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Senat über sämtliche von der Klägerin gestellten Anträge entschieden habe. Die Klägerin habe den erstinstanzlichen Hilfsantrag gerade nicht mehr gestellt, so dass er auch nicht in das Protokoll aufgenommen worden sei. Eine Protokollberichtigung sei von der Klägerin nicht beantragt worden.

Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

II.

Der Senat konnte gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren entscheiden, nachdem sich beide Parteien hiermit einverstanden erklärt haben.

Der Antrag der Klägerin auf Urteilsergänzung ist gemäß § 321 Abs. 1 ZPO statthaft. Er wurde auch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 321 Abs. 2 ZPO formgerecht gestellt und ist damit zulässig.

In der Sache ist der Antrag aber unbegründet. Eine Urteilsergänzung setzt nach § 321 Abs. 1 ZPO voraus, dass ein nach dem ursprünglich festgestellten oder nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch übergangen ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Senat hat über sämtliche im Tatbestand des Senatsurteils enthaltenen Anträge der Klägerin entschieden.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Senat keinen der weiteren Hilfsanträge der Klägerin übersehen. Der Hinweis der Klägerin auf Seite 5 und 6 des Senatsurteils zeigt, dass die Klägerin in erster Instanz hilfsweise die Feststellung der Nichtigkeit von § 17 Abs. 1 des Gemeinschaftspraxisvertrages beantragt hat. Über diesen Antrag war aber in zweiter Instanz nicht zu entscheiden, auch nicht im Rahmen des Antrags auf Zurückweisung der Berufung.

Zwar muss grundsätzlich das Berufungsgericht, das einen von der ersten Instanz als begründet angesehenen Hauptantrag zurückweist, auch über einen in erster Instanz gestellten Hilfsantrag entscheiden (BGHZ 41, 39, BGH MDR 1999, 1459). Dies gilt aber dann nicht, wenn die antragstellende Partei in der Berufungsinstanz zum Ausdruck bringt, dass über den Hilfsantrag nicht mehr oder unter einer anderen Bedingung als in erster Instanz entschieden werden sollte.

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der von der Klägerin in erster Instanz gestellte Hilfsantrag zu 3. war gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit von § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages. Auch der in der Berufungsinstanz gestellte Klageantrag zu 3. war gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit von § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages. Beide Anträge haben denselben Wortlaut. Allerdings wurde der Antrag in der Berufungsinstanz nur für den Fall der Abweisung des zweiten Klageantrags (Hilfsantrags) gestellt. Dadurch, dass die Beklagte beantragt hat, dass die Nichtigkeit von § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages nur festgestellt werden soll, falls der zweite Klageantrag abgewiesen wird, hat sie klar zum Ausdruck gebracht, dass nicht auch bei Abweisung der in erster Instanz gestellten Klageanträge die Nichtigkeit des § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages festgestellt werden soll. Wollte man dies anders sehen, ergäbe der in zweiter Instanz gestellte hilfsweise Klageantrag zu 3. keinen Sinn.

Über den in der Berufungsinstanz gestellten Klageantrag zu 3. hat der Senat auf Seite 23 seines Urteils vom 20.10.2005 entschieden. Da also über sämtliche in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge der Klägerin entschieden wurde, kommt eine Urteilsergänzung nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Der Senat sah keine Veranlassung, die Revision gegen dieses Urteil zuzulassen, da Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zur Entscheidung anstanden und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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