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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 20.06.2007
Aktenzeichen: 17 U 11/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 320
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

... wird die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Senat nach Beratung der Berufung der Klägerin einstimmig keine Aussicht auf Erfolg beimisst. Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind, ist beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

Auch unter Berücksichtigung des mit der Berufung Vorgebrachten steht der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatz von 339.400,- Euro hinsichtlich des ihr vermeintlich entstandenen materiellen Schadens und ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber 10.000,- Euro nicht zu.

Da das Landgericht Frankfurt am Main im angefochtenen Urteil die streitige Frage einer Passivlegitimation der Beklagten offen gelassen hat und hierauf die Klageabweisung nicht stützte, soll nur zur Abrundung angemerkt werden, dass der bisherige Vortrag der Klägerin nicht ausreicht, um die Passivlegitimation der Beklagten zu begründen. Ein Beweisangebot fehlt zudem. Veranstalterin der Konferenz auf Malta, an der der tödlich verunglückte Ehemann der Klägerin teilnahm, war die A, als deren Teamleader sich der Zeuge Z1 bezeichnet. Auf der Visitenkarte Anlage K 13 (Bl. 312 d. A.) ist der genannte Zeuge als Geschäftsführer für Deutschland, Österreich und die Schweiz bezeichnet, und zwar für eine A GmbH mit Sitz in O1. Die Beklagte hat ihren Sitz in O2. Geschäftsführer ist B. Es sind keine Handelsregisterauszüge vorgelegt, aus denen sich erschließen könnte, inwiefern die lokalen Vertriebsgesellschaften zusammenhängen. Die Passivlegitimation der in Anspruch genommenen Beklagten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, obliegt der Klägerin.

Da die Klage aber bereits aus anderen Gründen unbegründet ist, erübrigen sich entsprechende Hinweise und Auflagen des Senats, die gegebenenfalls deshalb erforderlich werden könnten, weil das Landgericht auf Bedenken hinsichtlich der Passivlegitimation der Beklagten nicht hingewiesen hat.

Die Klägerin kann nicht mit Erfolg rügen, dass das Landgericht im angefochtenen Urteil von einem fehlerhaften Sachverhalt ausgeht. Zum einen liefert der Tatbestand des Urteils Beweis für das mündliche Parteivorbringen, der nur durch das Sitzungsprotokoll entkräftet werden kann (§ 314 ZPO). Einen Tatbestandsberichtigungsantrag gemäß § 320 ZPO hat die Klägerin nicht gestellt. Der Senat ist damit an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden und hat diese bei seiner Beurteilung zugrunde zu legen. Widersprüchlichkeiten enthält der Tatbestand hinsichtlich seiner Feststellungen nicht.

Soweit die Klägerin rügt, es sei pure Erfindung des Gerichts, dass das Boot binnen zwei bis fünf Minuten an den mittels GPS ermittelten Ort des Unglücks zurückkehrte - ihr sei überhaupt unbekannt, ob das Boot mit GPS ausgestattet worden sei - hat das Landgericht den eigenen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 20. November 2006 auf Seite 11 Mitte wiedergegeben (Bl. 284 d. A.). Dort hat die Klägerin selbst dargelegt, nach den Zeugenaussagen im Polizeibericht habe es ca. zwei bis fünf Minuten gedauert, bis das Schiff anhielt, rückwärts zurückfuhr und an den mittels GPS fixierten Punkt ankam, an dem der Ehemann der Klägerin ins Wasser gestürzt ist. Diesen Vortrag hat die Beklagte mit der Berufungserwiderung zudem unstreitig gestellt.

Da die Parteien die versuchte Rettungsaktion aber übereinstimmend so dargestellt haben, muss das zu Grunde gelegt werden, zumal der Senat auch nicht ausschließen kann, dass das Boot auch über Motoren verfügte. Jedenfalls ist übereinstimmend vorgetragen, dass das Boot zur Unfallstelle zurückkehrte, die nach dem Vortrag der Klägerin mit GPS fixiert wurde. Das Landgericht Frankfurt am Main hat im angefochtenen Urteil auch die Zeugenaussagen nicht verwechselt. Zwar ist im Polizeibericht Anlage K 8 (Bl. 542 ff., 544 = Seite 3 des Polizeiberichts) auf Grund der sprachlichen Verknüpfung tatsächlich nicht klar, ob die Zeugin Z2 lediglich berichtet, dass sie die Zeugin Z3 schreien hörte, dass ein Mann ins Meer gefallen war, diese zum Heck rannte und den Verunglückten im Wasser sah oder ob sie den Verunglückten selbst im Wasser sah.

Die Klägerin hat aber die Aussage der Zeuge Z3 in englischer Sprache vorgelegt (Bl. 323 u. 324 d. A.). Aus dem mittleren Absatz der von der Zeugin formulierten Aussage ergibt sich, dass sie nach dem Schrei "man overboard" sich nach rückwärts wandte und in 20 m Entfernung sah, wie die Hände des Verunglückten sich auf und ab im Wasser bewegten, sie versuchte, ihn im Auge zu behalten, aber dann versuchte, Hilfe zu erlangen. Als sie sich dann wieder zurückwandte, habe sie ihn nicht mehr gesehen, ohne sagen zu können, ob er untergegangen war oder das Schiff bereits zu weit weg gewesen ist.

Das Landgericht hat die Zeugenaussage völlig zutreffend ausgewertet.

Die Passivlegitimation der Beklagten einmal unterstellt, kann ihr nicht mit Erfolg die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten vorgeworfen werden. Sie hat für die gesellige Abendveranstaltung kein Boot gechartert, das unzureichende Sicherheitsvorkehrungen im Hinblick auf eine derartige Veranstaltung aufwies.

In erster Instanz hat die Klägerin zunächst geltend gemacht, das Boot habe über kein Rettungsboot verfügt und hat dann später vorgetragen, das Rettungsboot auf dem Oberdeck sei festgezurrt und für die Passagiere nicht zugänglich gewesen. Das kann aber die von der Klägerin behauptete katastrophale Sicherheitslage des Schiffes nicht begründen. Das Rettungsboot ist offenliegend nicht für Passagiere, noch dazu nachts einzusetzen, denn diese verfügen notwendigerweise nicht über die Erfahrung, wie es einzusetzen ist, sondern werden dadurch nur gefährdet. Es kann allein darauf ankommen, ob die Schiffsbesatzung gegebenenfalls das Rettungsboot schnell in Betrieb nehmen kann. Dazu hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Dass keine Rettungsringe vorhanden waren bzw. nur ein einziger Rettungsring aus dekorativen Gründen im Inneren des Schiffs angebracht war, ist durch die von ihr selbst vorgelegte Lichtbildanlage widerlegt. Die von den Teilnehmern gefertigten Fotos Anlage K 4 (Bl. 532 d. A.), K 6 (Bl. 534 d. A.), K 12 und K 13 (Bl. 565 u. 566 d. A.) zeigen Rettungsringe. Wenn diese in der Aufregung von den Teilnehmern der Abendveranstaltung nicht gefunden werden, vermag dies Vorwürfe hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen an Bord des Boots nicht zu begründen.

Dass das Boot erst hätte aufgeblasen werden müssen, ist erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen worden und als neues Angriffsmittel nicht zuzulassen, § 531 Abs. 2 ZPO. Der Vortrag ist auch nicht unstreitig geworden, denn im Gegenteil hat die Beklagte dies bestritten und mit der Berufungserwiderung vorgetragen, es handele sich um ein selbstaufblasendes Boot, das sofort eingesetzt werden könne.

Dass die Reling sicherheitstechnisch zu niedrig sei, ist zwar von der Klägerin behauptet worden, aber nicht hinreichend substantiiert. Die Klägerin hätte zum einen vortragen müssen, wie hoch die Reling tatsächlich war, zum anderen, welche Höhe der Reling nach den sicherheitstechnischen Vorschriften vorgeschrieben ist. Lediglich die Vorlage der Fotos der Teilnehmer ist zur Beurteilung nicht hilfreich, da es jeweils auf den Winkel ankommt, unter dem die Schnappschüsse gefertigt worden sind. Danach erscheint die Reling teilweise taillenhoch und teilweise nur hüfthoch. Eine zuverlässige Beurteilung erlauben die Fotos gerade nicht.

Allein die Behauptung der Abgabe kostenloser alkoholischer Getränke in unbegrenzter Menge - nach Darstellung der Beklagten waren in dem von ihr gezahlten Gesamtpaket, dass das Abendessen, die Tanzveranstaltung und die Bootsfahrt an sich einschloss, nur 4 Getränke frei - vermag den Vorwurf einer Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht zu begründen. Selbst wenn kostenlose alkoholische Getränke in unbegrenzter Menge ausgeschenkt wurden, eine ausgelassene Stimmung bei dieser Abschlussveranstaltung der Konferenz bestand und nahe lag, dass einige der Teilnehmer sich durch die unbegrenzte Ausgabe kostenloser alkoholischer Getränke zu erhöhtem Alkoholkonsum veranlasst sahen, vermag dies keine Garantenstellung der Beklagten allein aus diesem Grund zu begründen.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Teilnehmer für ihren Alkoholkonsum selbst verantwortlich bleiben. Die Teilnehmer sind lediglich vor Gefahren zu schützen, die sie selbst bei Anwendung der von ihnen in der konkreten Situation zu erwartenden Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden können (vgl. OLG Hamm, Versicherungsrecht 03, Seite 605). Die Teilnehmer dieser Abendveranstaltung waren nicht nur erwachsen, sondern es war auch nach ihrem beruflichen Werdegang, dem Zusammentreffen im Kollegenkreis nach einer Pflichtkonferenz nicht zu erwarten, dass sie die Abgabe kostenloser alkoholischer Getränke in unbegrenzter Menge derart ausnutzen, dass sie sich regelrecht betrinken.

Der verunglückte Ehemann der Klägerin wies nun laut Autopsiebericht eine Blutalkoholkonzentration von 2,99 Promille auf, hat also im ganz erheblichen Maße dem Alkohol zugesprochen. An weiterem Alkoholkonsum hätte er aber lediglich dann gehindert werden müssen, wenn der Alkoholmissbrauch aufgefallen wäre. Dabei bleibt festzuhalten, dass zu einer Kontrolle der Teilnehmer und damit einem für den Betroffenen doch recht peinlichen Einschreiten, wenn der Alkoholkonsum über ein bestimmtes Maß hinausgeht, die Veranstalterin der Konferenz und Bootsfahrt gerade nicht verpflichtet war.

Anhaltspunkte für derartige Ausfallerscheinungen, die auf Alkoholmissbrauch zurückgeführt werden können, und die es erfordert hätten, Herrn C vom Deck zu entfernen, gab es aber gerade nicht. Im Gegenteil hat die Zeugin Z3 bekundet, Herr C habe sie wenige Minuten vor dem Unfall gefragt, ob sie friere und sie habe ihm geantwortet, sie gehe jetzt Tanzen, um wieder warm zu werden. In dem Moment, als sie tanzen gehen wollte, habe sie ihn rückwärts fallen sehen. Zu seinem Trinkverhalten wusste sie nichts zu sagen. Weder sie noch irgendein anderer der Zeugen hat irgendwelche Auffälligkeiten oder Ausfallerscheinungen bekundet, die auf übermäßigen Alkoholkonsum hindeuteten. Allein der Schnappschuss Anlage K 18 (Bl. 527 d. A.), aus dem die Klägerin die erhebliche Alkoholisierung ihres Ehemannes folgert, weil es untypisch für ihn sei, sich die Krawatte zu lockern und zu Boden zu blicken, während er fotografiert wird, kann nicht begründen, dass über diese Momentaufnahme hinaus Auffälligkeiten gegeben waren, die die Veranstalterin zu einem Einschreiten hätte veranlassen müssen.

Wie die Klägerin weiter dargelegte, hat ihr Ehemann sich auch die Getränke durchaus nicht alle selbst an der Bar abgeholt, sondern von Kollegen mitbringen lassen. Auch von daher musste nicht auffallen, dass Herr C Alkohol in derartigem Ausmaß zu sich nahm, dass er sich nicht mehr situationsadäquat verhielt und selbst gefährdete und dann stark alkoholisiert an der Reling lehnte oder gar auf ihr saß, als er ins Meer stürzte.

Im übrigen hat die Klägerin selbst durch ihren Vortrag einen möglichen Unfallverlauf dargelegt, der Zweifel an der Kausalität des Alkoholausschanks und/oder der behaupteten Sicherheitsmängel begründet, ohne eine solchen Hergang auszuschließen. Laut dem Polizeibericht befand sich in der Hand des Verunglückten beim Auffinden eine Damenhandtasche mit abgerissenem Schulterriemen.

Die Zeuge Z3 bekundete, dass direkt neben Herrn C jemand tanzte, bevor er ins Meer fiel.

Von daher hielt es sowohl der Polizeibericht wie die Klägerin unter Bezugnahme auf diesen Polizeibericht für möglich, dass der Verunglückte versehentlich gestoßen wurde, sich festzuhalten versuchte und auf diese Weise an die Tasche geriet. Die Eigentümerin der Tasche konnte anhand der in der Tasche befindlichen Codekarte des Hotels identifiziert werden und sollte dazu vernommen werden, wie Herr C in den Besitz ihrer Tasche gelangte - über das Ergebnis einer derartigen Vernehmung bzw. Befragung hat die Klägerin nichts mitgeteilt.

Die Kausalität der von ihr behaupteten Sicherheitsmängel und/oder des Alkoholausschanks, also die von ihr angenommenen Voraussetzungen für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung hat aber die Klägerin darzulegen und zu beweisen.

Da bereits keine Haftung dem Grunde nach besteht, kann dahinstehen, ob sich die Klägerin die Versicherungsleistungen aus der von der Arbeitgeberin ihres Ehemannes abgeschlossen Unfallversicherung und Dienstunfallreiseversicherung in Höhe von 270.742,20 US-Dollar auf ihren Unterhaltsschaden anrechnen lassen muss. Die Versicherungsbedingungen liegen nicht vor. Zu den Vereinbarungen des Arbeitgebers und des Herrn C zum Abschluss der Versicherung ist nichts vorgetragen. Die Beklagte hat allerdings zutreffend aufgezeigt, dass Versicherungen anzurechnen sind, die vom Schädiger oder für ihn abgeschlossen worden sind (vgl. Staudinger/Schiemann, BGB, § 249 Rn. 159 und Münchener Kommentar/Oetker, § 249 Rn. 245). Da entsprechender Vortrag fehlt , wobei die Beklagte die Darlegungspflicht trifft, ist der Senat nicht in die Lage versetzt, dies abschließend zu beurteilen.

Aus Kostengründen wird anheim gegeben, die Berufung binnen zwei Wochen seit Zugang des Beschlusses zurückzunehmen. Hilfsweise wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen gleicher Frist gegeben.

Ende der Entscheidung

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