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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 19.06.2006
Aktenzeichen: 17 U 31/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 829
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage, mit der sie die Beklagte wegen Nichtbeachtung einer von der Klägerin ausgebrachten Pfändung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt und verfolgt ihren Schadensersatzanspruch in Höhe von 70.906,79 € in vollem Umfang weiter.

Die Klägerin hat gegen den A, wohnhaft in ... einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Rosenheim vom 29.05.2001, Geschäfts-Nr. 1B 02958/01 erstritten, und zwar über 99.000,00 DM = 50.670,90 € nebst 8 % Zinsen hieraus seit dem 28.04.2001. Ihr Schuldner war Eigentümer des im Grundbuch von Stadt1 eingetragenen Hausgrundstücks X, den er mit notariellem Kaufvertrag vom 05.09.2003 an seine Mieter, die Eheleute 1 zu einem Kaufpreis von 215.000,00 € veräußerte, 170.000,00 € wurden von der Beklagten finanziert.

Während im Kaufvertrag eine Abtretung der Ansprüche der Erwerber auf Auszahlung von Darlehensvaluten vereinbart wurde - Hintergrund war die Zustimmung des Veräußerers zur Bestellung von Grundschulden zur Sicherung dieser Darlehensansprüche - sah der Darlehensvertrag der Eheleute 1 mit der Beklagten Nr. a über 85.000,00 € unter der Nummer 3 vor, dass Ansprüche aus dem Darlehensvertrag ohne die schriftliche Zustimmung der Beklagten weder abgetreten noch verpfändet werden können (Anlage B 1 = Bl. 102 ff., Bl. 105). Der Darlehensvertrag zur Nr. b sah vor, dass bei Abschluss mehrerer Darlehensverträge im Rahmen der Finanzierung diese als Einheit gelten (Anlage B 2 = Bl. 108 ff., Bl. 109 d.A.).

Im Grundbuch war eine Grundschuld über 350.000,00 DM zugunsten der B-Kasse ... eingetragen.

Unter dem 26.09.2003 übersandte die B-Kasse ... dem Notar eine Löschungsbewilligung, über die er nur verfügen durfte, wenn bis zum 30.10.2003 249.163,40 € an sie gezahlt würden, wobei der Treuhandauftrag zunächst auf 30.11.2003 befristet wurde. Die Treuhandauflage wurde unter dem 14.10.2003 dahin abgeändert, dass über die Löschungsbewilligung nur verfügt werden durfte, wenn der volle Kaufpreis, mindestens jedoch 215.000,00 € an sie überwiesen werden würde (Bl. 45 d. GA).

Der Treuhandauftrag wurde in der Folge bis 15.05.2004 verlängert.

Unter dem 27.11.2003 erwirkte die Klägerin gegen den Schuldner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch den u.a. die Forderung des Schuldners auf Auszahlung des zugesagten aber noch nicht ausgezahlten Darlehens/Kredits an die B-Kasse ... und die Forderung des Schuldners auf Kaufpreisauszahlung aus dem Kaufvertrag vom 05.09.2003 an die Eheleute 1 gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen wurde.

Der Beklagten wurde am 28.04.2004 ein vorläufiges Zahlungsverbot als Drittschuldnerin zugestellt. Unter dem 14.05.2004 erwirkte die Klägerin einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen ihren Schuldner, durch den die angebliche Forderung des Schuldners auf den gemäß Kaufvertrag vom 05.09.2003 abgetretenen Anspruch auf Auszahlung des Darlehens der Eheleute 1 an die Beklagte gepfändet wurde.

Der Beschluss wurde der Beklagten am 21.05.2004 zugestellt (Bl. 40/44 d.A.).

Die Beklagte berief sich in der Folge auf das in den Darlehensverträgen vereinbarte Abtretungsverbot.

Die Klägerin betrieb ferner die Zwangsversteigerung an dem im Grundbuch von Stadt2 eingetragenen Grundstück "Y" des Schuldners.

Anlässlich der Versteigerung stelle sich heraus, dass die B-Kasse ..., für die eine erstrangige Grundschuld eingetragen war, bereits bis auf einen Betrag von 39.879,37 € befriedigt war, und zwar wegen der inzwischen erfolgten Auszahlung des Darlehens gemäß dem Treuhandauftrag.

Ohne diese Auszahlung wäre die B-Kasse ... zu einem wesentlichen Betrag aus dem Zwangsversteigerungserlös befriedigt worden. Für die Klägerin verblieb nichts, weil laut dem Teilungsplan an zweiter Stelle die C-Bank befriedigt wurde. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass bei einer Befriedigung der B-Kasse ... aus dem Versteigerungserlös dann aus dem auszuzahlenden Darlehen ein frei verfügbarer Betrag in Höhe ihrer Ansprüche gegen den Schuldner verblieben wäre.

Wann das Darlehen ausgezahlt wurde, ist nicht vorgetragen. Ausweislich der Kopien des Grundbuchs von Stadt1 Abt. III ist die Grundschuld von 350.000,00 DM zugunsten der B-Kasse ... am 16.06.2004 gelöscht worden (Bl. 31 d.A.).

Im übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils im Hinblick auf den Sach- und Streitstand erster Instanz Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Klägerin habe im Hinblick auf das Abtretungsverbot in den Darlehensverträgen kein Pfändungspfandrecht zugestanden, weil der Pfändungsbeschluss nur dann Wirksamkeit erlange, wenn die Forderung des Schuldners an den Drittschuldner bestehe.

Für das Gericht seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Abtretungsverbot der Beklagten mit den Eheleuten 1 einschränkend auszulegen wäre.

Gegen diese Bewertung wendet sich die Klägerin mit der Berufung und macht wie in erster Instanz geltend, die Beklagte und ihr folgend das Landgericht hätte im angefochtenen Urteil die Wirkung des Pfändungspfandrechtes verkannt. Durch die Beschlagnahme trete Verstrickung ein. Die Beklagte habe durch die Auszahlung gegen ein behördliches Veräußerungsverbot verstoßen. Die Auszahlung sei der Klägerin gegenüber relativ unwirksam. Auf die materielle Wirksamkeit der Pfändung komme es nicht an. Der Drittschuldner könne nicht selbst darüber entscheiden, ob die gepfändete Forderung bestehe oder nicht. Das Pfändungspfandrecht bestehe unabhängig vom Bestand der Forderung. Der Drittschuldner sei auf die Drittwiderspruchsklage/Bereicherungsklage zu verweisen. Der Erfüllungsanspruch bestehe deshalb fort. Die Klägerin beruft sich insoweit auf Zöller, ZPO § 829 Rdz. 19 und BGHZ 86, S. 338 f.

Das Landgericht sei eine Begründung schuldig geblieben, warum das Abtretungsverbot nicht einschränkend auszulegen sei und weshalb sich der im Darlehensvertrag 54101 enthaltene Abtretungsausschluss durch schlichte Verweisung auf den Darlehensvertrag b erstrecke.

Der Abtretungsausschluss sei in mehrfacher Hinsicht unwirksam, zum einen als überraschende Klausel nach § 315 Abs. 1 c BGB.

Die Abtretung sei bei Abschluss des Darlehensvertrages, spätestens aber bei der Grundschuldbestellungsurkunde im Oktober/November 2003 bekannt gewesen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt läge eine zumindest konkludente Genehmigung der antizipierten Abtretung des Darlehensauszahlungsanspruchs vor. In diesem Moment hätten keine schützenswerten Interessen am Abtretungsverbot bestanden.

Die Belange der Darlehensnehmer als Käufer an der Abtretbarkeit überwögen die Interessen der Beklagten. Schriftliche Zustimmung sei nicht erforderlich gewesen.

Zudem habe eine einschränkende Auslegung des Abtretungsabschlusses deshalb zu erfolgen, weil nach dessen Sinn und Zweck der Kaufpreisfluss an den Verkäufer sichergestellt werden solle.

Die Beklagte hafte der Klägerin nach § 823 Abs. 1 BGB neben dem Erfüllungsanspruch wegen der Überweisung im Pfändungsbeschluss vom 25.04.2004.

Die Berufungsklägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13.1.2006, Az.: 2/27 0 472/04, die Beklagte verurteilen, an die Klägerin 70.906,79 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 12.11.2004 zu zahlen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil und meint, da weder eine öffentlich-rechtliche Verstrickung noch ein Pfändungspfandrecht entstanden sei, und zwar mangels zugrundelegender Forderung, habe die Beklagte mit der Auszahlung der Darlehensvaluta nicht gegen ein behördliches Veräußerungsverbot verstoßen. Sie sei durch Auszahlung der Darlehensvaluta an den materiell Berechtigten von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden. Bei den beiden Darlehensverträgen handele es sich um Individualvereinbarungen.

II.

Die zulässige, weil form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu.

Der von der Klägerin begehrte Schadensersatzanspruch ist nicht bereits deshalb gegeben, weil die Beklagte hier ein Pfändungspfandrecht der Klägerin nicht beachtet und gegen ein behördliches Veräußerungsverbot verstoßen hätte.

Zwar trifft es zu, dass die Wirkung der Pfändung auch die staatliche Verstrickung ist (vgl. Stein/Jonas ZPO, 22. Aufl. § 829 Rdnr. 66). Während allerdings bei der Sachpfändung diese Wirkung schlechthin eintritt, weil sie an die reale Besitzergreifung anknüpft, kann bei der Forderungspfändung die Pfändung gegenstandslos und damit unwirksam sein, wenn die bei ihr lediglich vorausgesetzte Annahme, dass die Forderung bestehe und dem Schuldner zustehe, nicht zutrifft (vgl. Stein/Jonas, a.a.O. Rdnr. 67 und BGH WM 2002, S. 279). Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2001 entschieden, dass die Pfändung einer Forderung einen im Zeitpunkt der Pfändung in der Person des Schuldners bestehenden Anspruch gegen den Drittschuldner voraussetzt, wenn das nicht der Fall ist, ist sie schlechthin nichtig. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss geht dann ins Leere (vgl. dazu auch BGH NJW 1987, S. 1703 ff., 1705; Smid, Münch.Komm. ZPO § 829 Rdnr. 4 und Rdnr. 25).

Zwar kann die Unwirksamkeit des Pfändungsbeschlusses vom Schuldner und vom Drittschuldner im Klageweg geltend gemacht werden.

Der Drittschuldner kann aber nicht auf die Erhebung der Drittwiderspruchsklage beschränkt werden, sondern kann das bei Inanspruchnahme im Klageweg auch als Einwendung geltend machen.

Es obliegt ihm also durchaus selbst, zu entscheiden, ob die gepfändete Forderung besteht oder nicht besteht. Das Pfändungspfandrecht entsteht gerade nicht unabhängig vom Bestand der Forderung. Es ist nur das Risiko des Drittschuldners, wenn er sich hinsichtlich des Bestands der Forderung irrt. Dann zahlt er eben noch einmal.

Dementsprechend stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Abtretungsverbots. Das Abtretungsverbot ist wirksam. Das Abtretungsverbot gilt für beide von der Beklagten ausgereichte Darlehen. Es ist zwar ausdrücklich nur zum Darlehenskonto-Nummer a vereinbart. Das Darlehen mit der Nummer b ist aber unter dem gleichen Datum vereinbart worden und enthält nicht nur die Bestimmung, dass mehrere Darlehensverträge im Rahmen einer Finanzierung als Einheit gelten sollen, sondern enthält auch eine konkrete Bezugnahme auf die Vereinbarungen zum Darlehen mit der Nummer a.

Die Formulierungen unter "Sonstiges" auf S. 105 lesen sich zwar wie vorformulierte Bedingungen. Es kann aber dahinstehen, ob es sich um eine Individualabrede handelt oder um Allgemeine Geschäftsbedingungen.

Einen in "Allgemeine Geschäftsbedingungen" des Schuldners enthaltenen Ausschluss der Abtretung von Geldforderungen erachtet die Rechtsprechung nämlich grundsätzlich als wirksam, vgl. Christian Berger, Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen S. 267 und die dort in Fußnote 104 zitierte Literatur, insbesondere BGH Urteil vom 11.03.1997, S. 3434, 3435 = ZIP 97, S. 1072 ff.

Wegen des berechtigten Interesses des Schuldners an einer Vereinfachung der Abwicklung verstößt das formularmäßige Abtretungsverbot weder gegen § 138 BGB noch gegen § 307 BGB (vgl. BGH NJW 1969, S. 415, 88, S. 1210 und BGH NJW 1997, S. 3434, 3435).

Bei der hier gebotenen Interessenanalyse kommt auch eine einschränkende Auslegung des Abtretungsverbots nicht deshalb in Betracht, weil hier nicht etwa wegen Ansprüchen gegen die Käufer in deren Anspruch auf Darlehensauszahlung vollstreckt werden sollte, sondern dass Geld letztendlich dahin fließen sollte, wohin es auch gelangen sollte, nämlich zum Verkäufer, der an sich die Pfändung seines Anspruchs auf Kaufpreiszahlung im Verhältnis zu den Käufern und zur Beklagten als Erfüllung gegen sich gelten lassen müsste.

Hier ist die Abwicklung deshalb erschwert, weil zugunsten der B-Kasse ... eine Grundschuld auf dem veräußerten Grundstück X eingetragen war, die durch die Kaufpreiszahlung abgelöst werden musste, damit dann zugunsten der Beklagten eine erstrangige Grundschuld eingetragen werden konnte. Wenn im Hinblick auf die Pfändung die Beklagte dann darauf achten müsste, dass die B-Kasse ... durch eine auf einem anderen Grundstück des Veräußerers A eingetragenen Grundschuld ebenfalls noch Ansprüche hat und sich dort befriedigen kann, wird die Abwicklung der Eintragung tatsächlich unklar und unübersichtlich und sie setzt sich Schadensersatzansprüchen aus, weil sie als Darlehensgeberin darauf verwiesen wird, darauf zu achten, ob die begünstigte B-Kasse ... im Hinblick auf die Treuhandabrede befriedigt werden soll oder zunächst darauf verwiesen werden soll und muss, sich wegen der Pfändung erst einmal aus anderen Sicherungen zu befriedigen.

Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gläubiger der Kaufpreisforderung, der Schuldner und Veräußerer A, im Hinblick auf seine Sicherung gerade nicht auf die Abtretung angewiesen war, sondern durch die Anweisung an den Notar, die Umschreibung erst dann zu beantragen, wenn er den Kaufpreis erhalten hat, bereits hinreichend geschützt war.

Daneben besteht zweifellos noch ein Bedürfnis, die Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung des Darlehens zu vereinbaren, damit die Käufer und Darlehensnehmer das Geld nicht für andere Zwecke, als den der Befriedigung des Kaufpreisanspruchs einsetzen und der Grundstückskaufvertrag auch von der dinglichen Seite her umgesetzt werden kann. Dies kann aber nicht dazu führen, dass das wirksam vereinbarte Abtretungsverbot im Kreditvertrag ausgehebelt und den Interessen der Gläubiger des Verkäufers der Vorrang vor dem Interesse der Beklagten an einer ungestörten Abwicklung des Kreditvertrags und ihrer Sicherung als Gläubigerin eingeräumt wird.

Die Kosten der Berufung fallen der Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zur Last, weil das Rechtsmittel erfolglos geblieben ist.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO in Verbindung mit § 711 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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