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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.06.2005
Aktenzeichen: 18 U 140/04
Rechtsgebiete: ArbGG, KSchG


Vorschriften:

ArbGG § 5
KSchG § 1
KSchG § 14
Das Kündigungsschutzgesetz (hier § 1 KSchG) ist auf ein Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis nicht anwendbar, weil es sich dabei nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt.
Gründe:

I.

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit dem Kläger vom 07.12.1998 (Bl. 9 - 13 d.A.) durch Schreiben vom 22.10.2001 (Bl. 23 d.A.) zum 30.04.2002 wirksam gekündigt hat.

Der Kläger verlangt Feststellung, dass sein Beschäftigungsverhältnis mit der Beklagten durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass er auf Grund der konkreten Ausgestaltung seines Anstellungsvertrages, insbesondere der darin enthaltenen Weisungsgebundenheit und sonstigen Abhängigkeit, als Arbeitnehmer der Beklagten anzusehen und auch rechtlich so zu behandeln sei. Daher sei auch das Kündigungsschutzgesetz auf sein Anstellungsverhältnis anwendbar. Da die Kündigung keine soziale Rechtfertigung im Sinne des § 1 KSchG gehabt habe, sei sie unwirksam.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der Kläger als Geschäftsführer ihrer Komplementär-GmbH und damit letztlich auch als ihr Geschäftsführer als beklagte GmbH und Co. KG kein Arbeitnehmer gewesen sei, das Kündigungsschutzgesetz deshalb nicht zur Anwendung komme und ihre Kündigung somit keiner sozialen Rechtfertigung bedurft habe.

Der Kläger hat sich zur Begründung seiner Ansicht auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen und zunächst Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhoben.

Durch Beschluss vom 06.11.2002, auf den Bezug genommen wird (Bl. 96 - 99 d.A.), hat das Hessische Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Rechtsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 20.08.2003 zurückgewiesen. Darin vertritt das Bundesarbeitsgericht - unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung - die Ansicht, dass auch die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH im Verhältnis zur KG grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG anzusehen seien. Die Fiktion dieser Vorschrift gelte unabhängig davon, ob das der Organstellung als Geschäftsführer zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Arbeitsverhältnis sei. Auch wenn das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers wegen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis anzusehen sei und deshalb dem materiellen Arbeitsrecht unterliege, seien zur Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dieser Rechtsbeziehung wegen der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG die ordentlichen Gerichte und nicht die Arbeitsgerichte berufen. Der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sei eine arbeitgebergleiche Person, der bei der beklagten GmbH & Co. KG den Arbeitgeber verkörpere und Arbeitgeberfunktionen wahrnehme. Insoweit unterscheide er sich aus der Sicht der Arbeitnehmer der KG nicht vom Geschäftsführer einer GmbH, die ihr Arbeitgeber sei. Ein Rechtsstreit zwischen der KG und dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sei demzufolge in gleicher Weise ein Streit im Arbeitgeberlager wie ein Rechtsstreit zwischen dem Geschäftsführer einer GmbH und dieser Gesellschaft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts verwiesen (Bl. 108 - 112 d.A.).

Durch Urteil vom 07.10.2004 hat das Landgericht die Feststellungsklage abgewiesen. Es hat die eigentliche Streitfrage der Parteien über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes dahingestellt sein lassen und die Wirksamkeit der Kündigung damit begründet, dass der Kläger den ihm von der Beklagten angebotenen Anstellungsvertrag mit ihrer Komplementär-GmbH nicht angenommen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet.

Er beanstandet, dass das Landgericht die allein entscheidungserhebliche Frage der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes nicht entschieden habe und meint, die Begründung des Landgerichts für die Klageabweisung liege neben der Sache. Wegen der Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 09.02.2005 (Bl. 302 - 310 d.A.) und 02.06.2005 (Bl. 331 - 333 d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 22. Oktober 2001 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Ergebnis des angefochtenen Urteils mit den Ausführungen ihres Schriftsatzes vom 16.03.2005, auf den Bezug genommen wird (Bl. 313 - 320 d.A.).

Die Beklagte ist insbesondere weiterhin der Ansicht, dass das Kündigungsschutzgesetz auf den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag des Klägers wegen dessen Arbeitgeberfunktionen grundsätzlich nicht anwendbar sei und verweist auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie auf in der Literatur vertretene Meinungen. Sie meint, dass sich auch aus dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 20.08.2003 zur Rechtswegfrage ergebe, dass der Kläger als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH stets im Arbeitgeberlager gestanden habe und deshalb auch nicht Arbeitnehmer der beklagten KG im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes gewesen sein könne.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Feststellungsklage abgewiesen, weil die Kündigung wirksam war und das Beschäftigungsverhältnis der Parteien zum 30.04.2002 beendet hat.

Die Kündigung war wirksam, weil sie keiner sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG bedurfte. Das Kündigungsschutzgesetz war auf das Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis der Parteien gemäß Vertrag vom 07.12.1998 nicht anwendbar, weil es sich dabei nicht um ein Arbeitsverhältnis handelte.

Zwar vertritt das Bundesarbeitsgericht (BAG) auch in seinem Beschluss vom 20.08.2003 (Bl. 108 - 112 d.A. = ZIP 2003, 1722 ff. = NZA 2003, 1108 ff.) weiterhin die Ansicht, dass solche Geschäftsführer-Anstellungsverträge bei einer starken internen Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnisse anzusehen seien und deshalb dem von den ordentlichen Gerichten anzuwendenden materiellen Arbeitsrecht unterlägen. Dem steht aber die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) entgegen, wonach das der Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers zugrunde liegende Rechtsverhältnis zum Zwecke des Tätigwerdens als Vertretungsorgan auch im Einzelfall bei starker interner Weisungsgebundenheit kein Arbeitsverhältnis sein kann, sondern immer nur ein freies Dienstverhältnis darstellt, bei dessen ordentlicher Kündigung nur eine entsprechende (analoge) Anwendung der für Arbeitsverhältnisse verlängerten Kündigungsfristen des § 622 BGB in Frage kommt (vgl. hierzu BAG, NZA 1999, 987 ff. in Abweichung von BGH, NJW 1978, 1435, 1437 = AP Nr. 1 zu § 38 GmbHG; BGHZ 79, 291).

Der Senat folgt der für ihn überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, da Organmitglieder einer juristischen Person grundsätzlich Arbeitgeberfunktionen und keine Arbeitnehmerfunktionen ausüben (vgl. BGH aaO m.w. Hinweisen). Dies entspricht auch der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht (vgl. Oberrath, MDR 1999, 134, 135, 138; Boemke, ZfA 1998, 209 ff.). Dabei kann es bei der gebotenen Gesamtbetrachtung keinen Unterschied machen, wenn der Geschäftsführer nicht bei der Komplementär-GmbH unmittelbar angestellt ist, sondern bei der KG. Auch diese nur mittelbare Organstellung des Geschäftsführers in Bezug auf die KG genügt, um dem Geschäftsführer der GmbH auch Organfunktion gegenüber der KG zuzuerkennen, die die Annahme eines Arbeitsverhältnisses ausschließt (so schon Hueck, ZfA 1985, 25, 36, 37). Nur diese Sichtweise ist letztlich auch vereinbar mit den einzelnen Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 20.08.2003 (aaO) mit dem dieses ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat, wonach der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH lediglich als Organvertreter der GmbH, nicht aber zugleich als gesetzlicher Vertreter der KG angesehen wurde. Vielmehr geht das Bundesarbeitsgericht jetzt auch davon aus, dass der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG kraft Gesetzes zur Vertretung dieser Personengesamtheit berufen ist. Diese geänderte und zutreffende Sichtweise des Bundesarbeitsgerichts kann aber nicht nur dazu führen, dass der Geschäftsführers allein im Hinblick auf die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht mehr als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes anzusehen ist, sondern muss bei der schon aus Gründen der Rechtssicherheit gebotenen einheitlichen Betrachtungsweise allgemein gelten. Dafür sprechen darüber hinaus auch die weiteren Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in dem zitierten Beschluss, wonach der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch bei der GmbH und Co. KG den Arbeitgeber vertrete und verkörpere, Arbeitgeberfunktionen wahrnehme, eine arbeitgebergleiche Person darstelle und sich insoweit nicht vom Geschäftsführer einer GmbH unterscheide (vgl. BAG aaO).

Eine Anwendung des § 1 KSchG auf das Anstellungsverhältnis des Klägers wäre aber auch beim Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses durch die Spezialvorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG ausgeschlossen.

Danach gelten die allgemeinen Kündigungsvorschriften des 1. Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes nicht in Betrieben einer Personengesamtheit - wie der beklagten KG - für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen. Diese Ausschlussvorschrift müsste auch für den Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH gelten, wenn er in einem als Arbeitsverhältnis zu qualifizierenden Beschäftigungsverhältnis mit der GmbH u. Co. KG stünde, weil der Geschäftsführer als Organvertreter der Komplementär-GmbH zugleich auch als gesetzlicher Vertreter für die KG handelt (vgl. hierzu Löwisch/Spinner, KSchG, 9. Aufl., § 14 KSchG Rz. 7; v. Hoyningen-Huene/ Linck, KSchG, 13. Aufl., § 14 KSchG Rz. 6; Ascheid/Preis/Schmidt/Biehl, 2004, § 14 KSchG Rz. 10), wovon jetzt auch der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG (aaO) ausgeht.

Soweit der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts nach seiner bisherigen Rechtsprechung eine Anwendung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG auf Fälle der vorliegenden Art mit der Begründung abgelehnt hat, unmittelbar werde die GmbH u. Co. KG von der GmbH vertreten, deren Geschäftsführer sei deshalb nicht gesetzlich zur Vertretung der KG berufen und eine mittelbare Vertretung genüge zum Ausschluss des Kündigungsschutzes nicht (vgl. BAG, NJW 1983, 2405 ff.), ist diese Betrachtungsweise zu formal. Sie übersieht bei der gebotenen Gesamtbetrachtung, dass die Trennung von GmbH und KG im Rahmen einer GmbH u. Co. KG nur eine juristische Konstruktion zur Haftungsbegrenzung ist, die nicht rechtfertigt, den unmittelbaren Geschäftsführer einer einfachen GmbH aus dem Kündigungsschutz gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG herauszunehmen, den meist mit keinen anderen Aufgaben und Befugnissen versehenen "mittelbaren" Geschäftsführer der GmbH u. Co. KG aber nicht (vgl. auch Löwisch/Spinner aaO). Darüber hinaus gibt es aber auch keinen vernünftigen Grund dafür, den Begriff des gesetzlichen Vertreters im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KSchG anders auszulegen als dies vom 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluss vom 20.08.2003 zu § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG geschehen ist.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgt aus den §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der in der Zukunft mit Fällen vergleichbaren Art befassten Zivilgerichte durch den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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