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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.08.2008
Aktenzeichen: 19 U 107/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 295
1. Durch rügelose Einlassung in der mündlichen Verhandlung werden Zustellungsmängel der Klageschrift, fehlende Terminsladung und Nichteinhaltung der Einlassungsfrist gem. § 295 ZPO geheilt.

2. Die Bindungswirkung eines formell rechtskräftigen Grundurteils, wonach der Beklagte dem Kläger wegen schuldhafter Verletzung von Beratungspflichten gem. § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz für eine fehlgeschlagene Kapitalanlage schuldet, steht einer Klage auf Feststellung, der Forderung liege eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde, nicht entgegen.

3. Zu den Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlich "ins Blaue hinein" aufgestellten und deshalb unbeachtlichen Behauptung


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt - nach Beendigung des Rechtstreits gegen die Beklagten zu 1. und zu 2. durch Abschluss eines Prozessvergleichs - den Beklagten zu 3) auf Zahlung von Schadensersatz wegen schuldhaft fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage gegen den Beklagten zu 3) durch am 18.05.2006 verkündetes Grundurteil dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt mit der Begründung, dass der Beklagte zu 3) dem Kläger gem. § 280 Abs. 1 BGB Ersatz für den durch die Kapitalanlage entstandenen Schaden schulde. Am 17.01.2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 3) eröffnet. Nach dem Auszug aus der Insolvenztabelle meldete der Kläger eine Forderung von 66.112,99 ? nebst Zinsen und Kosten als Forderung aus Schadensersatz gemäß Grundurteil des Landgerichts Frankfurt/Main vom 18.05.2006 mit dem Zusatz "Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung" an (Bl. 882 d.A.). Nach dem Ergebnis der Prüfungsverhandlungen wurde diese Forderung vom Insolvenzverwalter bestritten; der Beklagte zu 3) als Schuldner widersprach im Termin dem Vorwurf der unerlaubten Handlung. Mit Schriftsatz vom 04.06.2007, bei dem Landgericht eingegangen am 05.06.2007, hat der Kläger den Rechtsstreit aufgenommen mit dem Antrag festzustellen, dass die im Grundurteil vom 18.05.2006 dem Grunde nach titulierte und zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung des Klägers auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Beklagten zu 3) beruht.

Bereits mit Schriftsatz vom 10.10.2006, dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) zugestellt am 18.10.2006 (Bl. 799 d.A.), hatte der Kläger das Betragsverfahren aufgenommen; das Landgericht hatte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 05.07.2007 anberaumt, die Ladung ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) am 04.12.2006 zugestellt worden (Bl. 809 Rückseite, 820 d.A.).

Ausweislich des Aktenvermerks vom 25.06.2007 (Bl. 892 Rückseite) teilte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 3) dem erstinstanzlichen Richter mit, dass der Schriftsatz vom 04.06.2007 ihm nicht zugestellt worden sei und bat um Terminsverlegung. Mit Beschluss vom 26.06.2007 hat der erstinstanzliche Richter den Verhandlungstermin vom 05.07.2007 antragsgemäß verlegt und neuen Termin anberaumt auf den 31.01.2008 (Bl. 893 d.A.). Entsprechend der Anforderung des erstinstanzlichen Richters hat der Kläger die Schriftsätze vom 18.04.2007 und 04.06.2007 in Ablichtung dem Landgericht übermittelt; sie wurden gemäß Verfügung des erstinstanzlichen Richters vom 02.04.2007 (Bl. 896 Rückseite) dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) formlos übersandt.

Am 28.01.2008 wurde der Beklagte zu 3) von Herrn X, einem Mitarbeiter seines Prozessbevollmächtigten, fernmündlich von dem Feststellungsantrag und dem Termin am 31.01.2008 informiert sowie davon, dass die Mandatsübernahme durch Rechtsanwalt RA1 von der Zahlung eines Vorschusses von 800,-- ? abhängig sei. Noch am selben Tage zahlte der Beklagte zu 3) den verlangten Vorschuss ein. Im Verhandlungstermin am 31.01.2008 lies sich Rechtsanwalt RA1 von einem Unterbevollmächtigten vertreten.

Der Kläger hat den Feststellungsantrag damit begründet, dass er den Beklagten zu 3) bei dem Vertragsgespräch ausdrücklich und wiederholt darauf hingewiesen habe, dass er Wert auf eine hohe Sicherheit der potentiellen Anlage lege, weil diese der Zukunftsabsicherung seines behinderten Sohnes dienen solle. Der Beklagte zu 3) habe dem Kläger zur Investition in die A ... AG geraten und auf nochmalige Nachfrage des Klägers versichert, dass dies eine sehr sichere Anlage sei, "da könne nichts passieren". Entgegen den ihm bekannten tatsächlichen Umständen - dem nicht unbeachtlichen Risiko der Anlage bei der A ... AG mit der Gefahr des Totalverlustes - habe der Beklagte zu 3) die Anlage als sicher dargestellt. Der Beklagte zu 3) habe den Kläger folglich über die Sicherheit der Anlage getäuscht. In der irrigen Annahme der Sicherheit der Anlage habe er - der Kläger - die ihm empfohlene Anlageentscheidung getroffen. Der Beklagte zu 3) habe um das Risiko der Anlagestrategie der A ... AG gewusst und dem Kläger bewusst anstelle der gewünschten sicheren Anlage diese riskante Anlage empfohlen, um über das nötige Zwischenziel - die Investition des Klägers bei der A ... AG - von dieser die Abschlussprovision zu erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, habe der Beklagte zu 3) in Kenntnis der Anlagerisiken vorsätzlich bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale und absichtlich hinsichtlich der Bereicherung der A ... AG als notwendiger Zwischenschritt zur Erlangung seiner Provision gehandelt. Danach ergebe sich der Anspruch des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die im Grundurteil vom 18.05.2006 (Landgericht Frankfurt, 2-31 O 386/04) dem Grunde nach titulierte und zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren (Amtsgericht Frankfurt, Aktz. 810 IN 47/07 R-5) angemeldete Forderung des Klägers auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Beklagten zu 3) beruht.

Der Beklagte zu 3) hat beantragt,

die Klage insoweit abzuweisen.

Er hat zur Feststellungsklage nicht Stellung genommen.

Das Landgericht hat durch am 31.01.2008 verkündetes Teilurteil der Feststellungsklage stattgegeben (Bl. 945 - 950 d.A.).

Der Beklagte zu 3) hat gegen das ihm am 07.04.2008 zugestellte Teilurteil vom 31.01.2008 am 06.05.2008 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 09.07.2008 an diesem Tage begründet.

Der Beklagte zu 3) ist der Auffassung, die Feststellungsklage sei innerhalb der nach § 240 ZPO unterbrochenen Leistungsklage unzulässig. Er sei im erstinstanzlichen Rechtszug über den Feststellungsantrag nicht wirksam vertreten worden, da mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen die Prozessvollmacht des bisherigen Prozessbevollmächtigten erloschen sei. Folglich hätte der Schriftsatz des Klägers vom 04.06.2007 ihm persönlich zugestellt werden müssen. Mangels wirksamer Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens und ordnungsgemäßer Zustellung des neuen Antrags an ihn, sei die Feststellungsklage nicht rechtshängig geworden. Auch die Terminsladungen des Gerichts zum 05.07.2007 sowie die Umladung auf den 31.01.2008 und die nachträgliche Zustellung der Schriftsätze vom 18.04.2007 und 04.06.2007 seien mangels wirksamer Aufnahme des Verfahrens nicht wirksam. Es fehle auch das erforderliche Feststellungsinteresse an einer isolierten Feststellungsklage. Da auch der Insolvenzverwalter den Anspruch nach Grund und Höhe bestritten habe, hätte der Kläger das Verfahren auch gegenüber dem Insolvenzverwalter aufnehmen müssen. Ferner widerspreche die vom Landgericht antragsgemäß getroffene Feststellung dem rechtskräftigen Grundurteil vom 18.05.2006, welches eine Haftung des Beklagten zu 3) dem Grunde nach aus § 280 Abs. 1 BGB wegen fahrlässiger Verletzung vertraglicher Pflichten angenommen habe.

Dem Beklagten zu 3) sei ein Betrug bei den Vertragsgesprächen nicht vorzuwerfen. Es fehle schon an einer Täuschungshandlung, weil er umfassend über das Verlustrisiko informiert habe. Seine Angaben hätten lediglich werbenden und anpreisenden Charakter gehabt, so dass es an einer Täuschung über Tatsachen gefehlt habe. Dementsprechend fehle es auch an einem Irrtum des Klägers.

Ferner seien die Aussagen des Beklagten zu 3) nicht ursächlich für den Abschluss des Geschäfts geworden. Das Landgericht habe übersehen, dass es an der für die Annahme des Betruges erforderlichen Stoffgleichheit zwischen dem erstrebten Vermögensvorteil des Beklagten zu 3) und dem Vermögensschaden des Klägers fehle. Denn die vom Beklagten zu 3) erlangten Provisionszahlungen seien nicht der Kapitalanlagegesellschaft entnommen worden. Vielmehr habe der Beklagte zu 3) die Provision von einer Betriebsgesellschaft erhalten. Betrugsvorsatz und Bereicherungsabsicht seien nicht gegeben gewesen. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers sei offenbar ins Blaue hinein erfolgt und gänzlich unsubstantiiert. Der Beklagte zu 3) sei von der Firma A Kredit AG in der Führung von Verkaufsgesprächen geschult worden; er - der Beklagte zu 3) - habe sich an das ihm danach vermittelte Beratungsschema bezüglich der Gesprächsstrategie und der Formulierungen exakt gehalten. Er habe auch nur das gewusst, was im Prospekt gestanden habe. Den Kläger habe er nicht schädigen wollen.

Der neue Vortrag des Beklagten zu 3) sei in der Berufungsinstanz zulässig, weil das Landgericht die fehlende Stoffgleichheit übersehen habe und der Beklagte zu 3) wegen der dargelegten Verfahrensmängel gehindert gewesen sei, zum Betrugsvorwurf Stellung zu nehmen.

Der Beklagte zu 3) beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz.

II.

Der Antrag des Beklagten zu 3) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht begründet. Denn die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Die Feststellungsklage ist zulässig.

Das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten zu 3) am 17.01.2007 gem. § 240 ZPO unterbrochene Verfahren ist wirksam aufgenommen worden; auch ist die Feststellungsklage wirksam erhoben und dadurch rechtshängig geworden.

Allerdings hätte der Schriftsatz des Klägers vom 04.07.2007, mit welchem er das unterbrochene Verfahren gem. § 184 Abs. 1 S. 2 InsO gegen den Beklagten zu 3) durch Erhebung der Feststellungsklage aufnahm, dem Beklagten zu 3) persönlich zugestellt werden müssen, da die Vollmacht des bisherigen Prozessbevollmächtigten als Folge der Insolvenzeröffnung erloschen war (BGH ZIP 1999, 75, 76). Stattdessen verfügte der zuständige Richter, nachdem ausweislich des Aktenvermerks vom 25.06.2007 Rechtsanwalt RA1 mitgeteilt hatte, dass ihm der Schriftsatz vom 04.06.2007 noch nicht zugestellt worden sei und deshalb antragsgemäß der auf den 05.07.2007 anberaumte Verhandlungstermin verlegt worden war, die Übersendung des vom Kläger neu eingereichten Schriftsatzes vom 04.06.2007 an den ehemaligen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt RA1. Der Zustellungsmangel ist jedoch dadurch geheilt worden, dass der Schriftsatz vom 04.06.2007 dem für die Feststellungsklage später mandatierten Rechtsanwalt RA1 danach tatsächlich zuging (§ 189 ZPO).

Zwar wurde Rechtsanwalt RA1 von dem Beklagten zu 3) erst nach Zugang des Schriftsatzes vom 04.06.2007 mandatiert. Im Telefongespräch am 28.01.2008 übermittelte Herr X dem Beklagten zu 3) das Angebot des Rechtsanwalts RA1 für die Vertretung des Beklagten zu 3) gegen die Feststellungsklage für den Fall einer Vorschusszahlung von 800,-- ?; dieses Angebot nahm der Beklagte zu 3) durch Überweisung des verlangten Betrages noch am selben Tage an, sodass der Beklagte zu 3) im Verhandlungstermin am 31.01.2008 jedenfalls wirksam vertreten war. Wenn ein Rechtsanwalt - wie hier - vor seiner Bevollmächtigung in den Besitz eines Schriftstücks gelangt ist, kann die Zustellung als mit der Bevollmächtigung bewirkt angesehen werden, wenn er das Schriftstück noch in Besitz hat (BGH NJW 1989, 1154; Zöller/Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 189 Rdnr. 4). Davon ist hier auszugehen, weil der Beklagte zu 3) am 28.01.2008 fernmündlich von dem Eingang der Feststellungsklage und dem bevorstehenden Verhandlungstermin informiert wurde.

Selbst dann ist das unterbrochene Verfahren wirksam aufgenommen und die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage eingetreten, wenn man den Zustellungsmangel deshalb nicht als nach § 189 ZPO geheilt ansieht, weil der erstinstanzliche Richter lediglich die Übersendung des Schriftsatzes des Klägers vom 04.06.2007 an Rechtsanwalt RA1 verfügte, nicht aber dessen förmliche Zustellung, so dass der Zustellungswille des Richters zweifelhaft erscheinen kann. Denn im Falle unterbliebener Zustellung wäre der Verfahrensmangel dadurch geheilt worden, dass sich der im Verhandlungstermin am 31.01.2008 wirksam durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Beklagte zu 3) rügelos in die Verhandlung einließ (§ 295 ZPO; vgl. BGH NJW 2001, 3713, 3714; ZIP 1999, 75, 76; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 253 Rdnr. 26a m.w.N.).

Auf diese Weise ebenso geheilt wurden die fehlende Terminsladung sowie die Nichteinhaltung der Einlassungsfrist.

Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich daraus, dass die begehrte Feststellung den Widerspruch des Beklagten zu 3) gegen die Behauptung des Klägers, der angemeldeten Forderung liege eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde, beseitigt und damit die Vollstreckung in das Vermögen des Beklagten zu 3) aus der Eintragung der Feststellung in die Tabelle nach Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 201 Abs. 2 InsO) unter Ausschluss der Restschuldbefreiung (§ 302 Nr. 1 InsO) ermöglicht (BGH NZI 2004, 39; OLG Celle, Rechtspfleger 2003, 465; Münchener Komm/Hintzen, InsO, 2. Aufl. § 201 Rdnr. 20b m.w.N.). Dieses Interesse wird durch das gegen den Beklagten zu 3) bereits ergangene Grundurteil nicht berührt.

Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht die Bindungswirkung des formell rechtskräftig gewordenen Grundurteils des Landgerichts Frankfurt/Main gegen den Beklagten zu 3) vom 18.05.2006 entgegen. Die Bindungswirkung eines Grundurteils erstreckt sich im Verfahren über die Anspruchshöhe nicht auf die Urteilselemente, die festgestellten Tatsachen und deren rechtliche Bewertung; vielmehr tritt eine Bindung an Tatbestand und Entscheidungsgründe insoweit ein, als sie den festgestellten Anspruch kennzeichnen, mithin dessen Inhalt bestimmen (BGH NJW 2002, 3478, 3479). Danach steht aufgrund des Grundurteils für das Betragsverfahren bindend fest, dass der Beklagte zu 3) dem Kläger wegen schuldhafter Verletzung von Beratungspflichten gem. § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz für die fehlgeschlagene Kapitalanlage schuldet. Hierzu steht die begehrte Feststellung nicht im Widerspruch. Auch erfasst die Bindungswirkung gem. § 318 ZPO nur die Anspruchsgrundlagen, zu denen das Grundurteil zur Begründung des Klageanspruchs Stellung nimmt (BGH NJW 1996, 2653).

Schließlich ist die gegen den Beklagten zu 3) erhobene Feststellungsklage nicht deshalb unzulässig, weil sie nicht zugleich auch gegen den Insolvenzverwalter erhoben wurde, der nach dem Tabellenauszug die angemeldete Forderung generell - und nicht nur den behaupteten Anspruchsgrund - bestreitet. Denn es liegt kein Fall der notwendigen Streitgenossenschaft vor. Verklagt ein Gläubiger den Schuldner und den Insolvenzverwalter gemeinsam, so sind diese einfache Streitgenossen (BGH ZIP 1980, 23; Münchner Komm/Schumacher, InsO, 2. Aufl., § 184 Rdnr. 4 m.w.N).

Das Landgericht hat der danach zulässigen Feststellungsklage auch in der Sache zu Recht stattgegeben. Der im ersten Rechtszug unbestritten gebliebene Sachvortrag des Klägers ergibt die objektiven Tatbestandsmerkmale eines Betruges. Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 3) fehlt es nicht an dem Erfordernis der Stoffgleichheit zwischen dem Schaden des Klägers in Form des Kapitalverlustes und dem Vorteil der Betreibergesellschaft in Form des vereinnahmten Kapitals.

Entsprechend der Begründung der Feststellungsklage ist das Landgericht ersichtlich und zu Recht von einem sogenannten fremdnützigen Betrug ausgegangen, bei dem der Beklagte der A ... AG das Anlagekapital verschaffen wollte, um so selbst einen Anspruch auf die Provision zu erwerben (vgl. BGH NStZ 2003, 264). Bei einem fremdnützigen Betrug besteht ohne Weiteres Stoffgleichheit zwischen dem Schaden der Anleger in Form des Kapitalverlustes und dem Vorteil der Betreibergesellschaften in Form des vereinnahmten Kapitals (BGH a.a.O).

Auch die subjektiven Merkmale des Betruges hat das Landgericht zu Recht bejaht. Der Sachvortrag des Klägers kann insoweit nicht als unsubstantiiert oder als ins Blaue hinein angesehen werden.

Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Für den Umfang der Darlegungslast ist der Grad der Wahrscheinlichkeit einer Sachverhaltsschilderung ohne Bedeutung. Eine Partei darf auch grundsätzlich Tatsachen behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie nach Lage der Dinge aber für wahrscheinlich hält. Die Grenze, bis zu der dies zulässig ist, ist erst erreicht, wenn das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf begründet, eine Behauptung sei "ins Blaue hinein" aufgestellt, mithin aus der Luft gegriffen, und stelle sich deshalb als Rechtsmissbrauch dar (BGH Beschluss vom 12.06.2008, V ZR 222/07, Juris, Rdnr. 6, 7, 9 m.w.N.). Anerkanntermaßen ist jedoch bei der Annahme von Rechtsmissbrauch in diesem Sinn Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte rechtfertigen können (BGH, Urteil vom 13.12.2002 V ZR 359/01 Rdnr. 9; NJW 1995, 2111, 2112).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann der vom Kläger erhobene Betrugsvorwurf gegen den Beklagten zu 3) nicht als willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam "ins Blaue hinein" aufgestellt angesehen werden. Denn ein tatsächlicher Anhaltspunkt für diesen Vorwurf findet sich in den vom Beklagten zu 3) verwendeten Verkaufsprospekt der A ... AG, der auf Seite 25 unter der Überschrift "Risikobelehrung" einen mit "Totalverlust" überschriebenen Abschnitt enthält. Dort heißt es u.a.: "Im höchst unwahrscheinlichen Fall der Insolvenz der A ... AG besteht grundsätzlich die Gefahr des Totalverlustes des eingesetzten Kapitals. In diesem Fall kann die Anleger eine Wiedereinlagepflicht bis zu der Höhe der getätigten gewinnunabhängigen Entnahmen treffen". Ferner wird unter der weiteren Überschrift "Unternehmensrisiko" darauf hingewiesen, dass das Risiko besteht, dass über einen längeren Zeitraum keine Gewinne erzielt werden, und dass das Auseinandersetzungsguthaben geringer ausfällt als erwartet. Ferner wird unter der weiteren Überschrift "Risiken durch Ausfall von Vertragspartnern" darauf hingewiesen, dass ein Großteil der zu erbringenden Dienstleistungen an externe Vertragspartner vergeben werden, und dass diese Konzeption das Risiko in sich birgt, dass wesentliche Vertragspartner ausfallen oder nicht die erwartete Leistung erbringen, sodass sich hieraus Liquiditätsengpässe für die A ... AG ergeben können. Aus diesen Risikohinweisen ergeben sich hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 3) bei den Vertragsgesprächen mit dem Kläger tatsächlich mit der Möglichkeit eines Totalverlustes rechnete. Da er - unstreitig - die Anlage als sicher darstellte, er den Kläger somit über das Verlustrisiko getäuscht hat, ist dieser Umstand geeignet, die Annahme eines Schädigungsvorsatzes im Sinne eines Gefährdungsvorsatzes zu tragen. Wer einem anderen eine sichere Kapitalanlage vorspiegelt, obwohl er tatsächlich mit der Möglichkeit eines Totalverlustes rechnet, kann eine täuschungsbedingte Gefährdung des eingesetzten Geldes des Getäuschten billigen (BGH NStZ 2003, 264).

Den Risikohinweisen des Verkaufsprospektes als tatsächlicher Anhaltspunkt für den Verdacht des Betrugsvorwurfes gegen den Beklagten zu 3) steht nicht entgegen, dass dieser Prospekt den Anforderungen an die Richtigkeit und Vollständigkeit von Prospekten im Rahmen von Kapitalanlagemodellen nicht genügt. Denn er vermittelt einem Anlageinteressenten nicht ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt, weil er über alle Umstände, die für die Entschließung des Anlegers von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, nicht sachlich richtig und vollständig unterrichtet (vgl. BGH NJW 2004, 2664, 2665 m.w.N.). Der Prospekt legt zwar im Rahmen der Planzahlen und deren Erläuterung (S. 13 ) dar, dass von den freien Mitteln 20 % in Immobilien, 60 % in Unternehmensbeteiligungen und 20 % in Aktien- und Investmentfonds investiert werden sollen. Auch werden im Rahmen der bereits angesprochenen Risikobelehrung für jeden dieser Investitionsbereiche zahlreiche allgemeine und spezifische Risiken aufgezählt. Gleichwohl vermittelt der Prospekt dem durchschnittlichen Anleger kein richtiges Gesamtbild von den Risiken der Anlage. Die angegebenen Renditeziele von mindestens 7 % Bruttomietertrag im Immobilienbereich, ca. 15 % im Bereich der Unternehmensbeteiligungen und ca. 12 % im Bereich der Kapitalmarktanlagen legen eine risikoorientierte Anlagestrategie nahe. Das gilt für den Bereich der Kapitalmarktanlagen insbesondere auch deshalb, weil hier auch in Wertpapiere am neuen Markt investiert werden soll. Im Widerspruch zu der Summe der zahlreichen Risikohinweise (S. 25-27 des Prospektes) und damit irreführend wird für den durchschnittlichen Anleger jedoch der Eindruck einer sicheren Kapitalanlage geschaffen. Schon im Vorwort des Prospektes (dort S. 3) wird das Beteiligungsmodell als zur "Zukunftssicherung" geeignet bezeichnet. Bei der Erläuterung des Grundprinzips der Beteiligung (dort S. 8) wird behauptet, dass der Anleger mit seiner Beteiligung einen entscheidenden Beitrag zu seiner Zukunftssicherung leiste. An zahlreichen Stellen des Prospektes werden im Widerspruch zu späteren Risikohinweisen Bedenken gegen die Annahme möglicher Risiken zerstreut, indem hervorgehoben wird, dass Sicherheit oberste Priorität habe, A ... AG nur ein äußerst geringes Risiko hinzunehmen bereit sei, Anlagemöglichkeiten strengen Sicherheitstests unterzogen würden (S. 6, 7), und dass der Anleger mit seiner Beteiligung die Abhängigkeit vom konjunkturellen Auf und Ab einzelner Branchen vermeide, vielmehr auf kontinuierlichen Vermögenszuwachs setze, ohne auf die Chance laufender Ausschüttungen, die das Einkommen des Anlegers erhöhen, zu verzichten (S. 8). Mit Rücksicht auf das dadurch gezeichnete Bild von den Risiken der Anlage erscheint der Hinweis auf den möglichen Totalverlust "im höchstunwahrscheinlichen Fall der Insolvenz" als Hinweis auf eine ganz fernliegende und nur theoretisch denkbare ungünstige Entwicklung. Die danach für einen durchschnittlichen Anleger irreführenden Angaben des Prospektes zu den Risiken der Anlage sind aber nicht geeignet, den sich aus den Risikohinweisen ergebenden tatsächlichen Anhaltspunkt für den Verdacht des Betrugsvorwurfes gegen den Beklagten zu 3) entfallen zu lassen, weil erwartet werden kann, dass der Beklagte zu 3) - anders als ein durchschnittlicher Anleger - als Anlageberater oder Anlagevermittler zur fachkundigen Bewertung und Beurteilung ggfls. nach Einholung über den Prospekt hinausgehender weiterer Informationen in der Lage war.

Der Annahme eines hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunktes für den Verdacht des Betruges gegen den Beklagten zu 3) steht auch nicht entgegen, dass der Kläger diesen Vorwurf nicht schon mit der Klage, sondern erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten zu 3) erhoben hat. Der Umstand, dass ein Betrugsvorwurf ursprünglich nicht geltend gemacht wurde, ändert nichts daran, dass der genannte tatsächliche Anhaltspunkt für einen entsprechenden Verdacht objektiv vorhanden ist, zumal es dem Kläger zweckmäßig erscheinen durfte, die Klage zunächst nur auf einen vertraglichen Anspruch aus § 280 BGB zu stützen, der gerade hinsichtlich der subjektiven Anspruchsvoraussetzungen wesentlich geringere Anforderungen als ein Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stellt, solange nicht ein besonderes Interesse an der Geltendmachung eines gerade auf vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung gestützten Anspruchs besteht. Danach kann der Sachvortrag des Klägers hinsichtlich des Betrugsvorwurfs gegen den Beklagten zu 3) nicht wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig angesehen werden.

Der Beklagte zu 3) hat den zur Begründung der Feststellungsklage vorgetragenen Sachverhalt im ersten Rechtszug nicht bestritten. Mit Rücksicht darauf, dass das gegen den Beklagten zu 3) ergangene Grundurteil formell rechtskräftig geworden war, der Beklagte zu 3) danach gegenüber dem Kläger wegen fehlerhafter Anlageberatung gemäß § 280 Abs. 1 BGB zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist, der vom Kläger mit der Feststellungsklage neu vorgebrachte Sachvortrag sich auf die subjektiven Voraussetzungen der Haftung wegen Betruges - Vorsatz- und Bereicherungsabsicht - beschränkt, der Beklagte zu 3) aber auf die Feststellungsklage nicht erwidert hat, kann allein aus dem im Verhandlungstermin vor dem Landgericht gestellten Antrag auf Klageabweisung nicht geschlossen werden, dass der Beklagte zu 3) damit auch sinngemäß sein Vorbringen aus dem Verfahrensabschnitt vor dem Erlass des Grundurteils wiederholen wollte.

Demgemäß ist das Vorbringen des Beklagten zu 3) in der Berufungsbegründung, mit dem er dem Betrugsvorwurf entgegentritt, neu; ein nach dem Gesetz vorgesehener Grund für die Zulassung des neuen Sachvortrages im Berufungsrechtszug liegt nicht vor. Insbesondere wurde das neue Vorbringen des Beklagten zu 3) im ersten Rechtszug nicht wegen eines Verfahrensmangels nicht geltend gemacht (§ 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Wie bereits dargelegt wurden die ursprünglich vorhanden gewesenen Verfahrensmängel durch die rügelose Einlassung des Beklagten zu 3) auf die Feststellungsklage gem. § 295 ZPO geheilt. Der neue Sachvortrag des Beklagten wurde auch nicht ohne Nachlässigkeit im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Er war im Verhandlungstermin vor dem Landgericht wirksam anwaltlich vertreten und hatte deshalb die Möglichkeit, die vorliegenden Verfahrensmängel und insbesondere die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör zu rügen. In diesem Falle hätte er sich auf die Feststellungsklage nicht einlassen müssen, sondern eine Frist zur Erwiderung auf die Feststellungsklage und die Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins erwirken können.

Ende der Entscheidung

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