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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.06.2007
Aktenzeichen: 19 U 142/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 765
Zur Wirksamkeit eines Abschreibungsdarlehen- und Bierbezugsvertrages.
Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer am 28.11.1998 von diesem übernommenen selbstschuldnerischen Bürgschaft in Anspruch, die dieser für sämtliche Ansprüche, die der Klägerin gegen die Firma A GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) aus dem mit dieser abgeschlossenen Abschreibungsdarlehens- und Bierbezugsvertrages vom 28.11.1998 zustehen oder einmal erwachsen, übernommen hatte; dabei war die Haftung des Beklagten als Bürgen auf jeweils 1/10 der jeweiligen Gesamtverbindlichkeit der Schuldnerin begrenzt. - Wegen der Einzelheiten des Abschreibungsdarlehens- und Bierbezugsvertrages sowie der Bürgschaft vom 28.11.1998 wird auf die vorliegende Ablichtung (Bl. 16 - 19 d.A.) verwiesen. -

Am 01.07.2002 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 22.10.2002 wurde die Forderung der Klägerin aus dem Abschreibungsdarlehen in Höhe von 255.645,94 € zuzüglich 7.190,04 € Zinsen für die Zeit vom 01.02.2002 bis 30.06.2007 zur Insolvenztabelle festgestellt.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens machte die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter ein Absonderungsrecht hinsichtlich der ihr aufgrund des Sicherungs- und Übereignungsvertrages (Anlage K3 = Bl. 48 - 49 d.A.) sicherungsübereigneten Gegenstände (gemäß Rechnung der Firma B GmbH) geltend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil des Landgerichts verwiesen.

Das Landgericht hat durch sein angegriffenes Urteil vom 08.06.2006 die Klage und die auf Auskunftserteilung gerichtete Widerklage des Beklagten abgewiesen.

Gegen dieses ihr am 19.06.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 05.07.2006 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel am 19.07.2006 begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie macht geltend, das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass der Beklagte eine selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen habe und es demzufolge der Klägerin nicht vorzuwerfen sei, dass sie keine hinreichenden Anstrengungen zur Verwertung der ihr sicherungsübereigneten Gegenstände unternommen habe.

Zu Unrecht habe das Landgericht angenommen, sie habe ausreichend Zeit gehabt, die Verwertung des Sicherungsgutes zu betreiben. Denn erfahrungsgemäß lasse sich der Verkauf gebrauchten Gaststätteninventars nur zu Zerschlagungswerten bewerkstelligen. In Verhandlungen mit der neuen Unternehmerin und Nutzerin des Mobiliars, der Firma Cgesellschaft mbH, habe sie versucht, einen günstigeren Preis zu erzielen; diese Verkaufsverhandlungen seien aber gescheitert, die D habe nämlich die Kaufpreis-Verhandlungen mit denen über eine Reduzierung ihrer Bürgschaftsverpflichtung verquickt. Nach dem von ihr eingeholten Privatgutachten des Sachverständigen E (Anlage K 6 = Blatt 119 f.d.A.) betrage der Zeitwert des Mobiliars gemäß den Rechnungen der Firma B GmbH per 20.04.2006 16.500,00 Euro. Im Hinblick hierauf erteile sie dem Beklagten anteilig eine Gutschrift in Höhe von 1.422,41 €. - Insoweit haben die Parteien im Termin am 25.05.2007 übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Gemäß der Rechnungen K 7 (Blatt 125 d.A.) habe sie für 2.000,00 Euro netto 150 Faltstühle verkauft. Der Erlös werde auf die angefallenen und zur Insolvenztabelle festgestellten Zinsen verrechnet und mindere daher nicht die Bürgschaftshaftung des Beklagten. Gleiches gelte für den Wert des laut Angabe des zuständigen Großhändlers von der Schuldnerin bezogenen Vertragsbiers von 42,31 hl, diese Angabe des Vertragshändlers sei - unstreitig - nach Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren erfolgt, weiteres Vertragsbier habe die Schuldnerin nicht abgenommen.

Nach übereinstimmender teilweiser Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache hinsichtlich eines Teilbetrages von 1.422,41 € beantragt die Klägerin nunmehr

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 08.06.2006 - Aktenzeichen: 2/27 O 34/00 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 24.142,18 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er verteidigt das Urteil des Landgerichts und macht weiter geltend, der in der Bürgschaftsverpflichtung vom 24.11.1998 enthaltene Verzicht auf die Einrede der Vorausklage halte nicht einer Überprüfung nach dem damaligen AGB-Gesetz stand. Die Klageforderung sei nicht fällig. Die Klägerin habe sich nicht hinreichend um die Verwertung des ihr zur Sicherheit übereigneten Inventars bemüht und dieses letztlich verschleudert. Die Betreiberin des ..., die Cgesellschaft mbH, sei zur Zahlung eines höheren Kaufpreises als 16.500,00 € bereit gewesen (Beweis: Zeugnis der Frau F). Der Zeitwert der 690 Faltstühle sei höher als 16.500,00 € gewesen (Beweis: Sachverständigengutachten).

Die Schuldnerin habe in der Zeit von 1998 bis 2000 Bier im Wert von 112.355,06 DM über die im Vertrag vorgesehene Großhändlerin, die Fa. G GmbH, bezogen.

Hilfsweise erkläre er - wie bereits im ersten Rechtszug - gegenüber einer etwa bestehenden Klageforderung die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten durch die Klägerin. Diese hätte ihn bei Abschluss der Bürgschaftsverpflichtung darauf hinweisen müssen, dass die Schuldnerin in 10 Jahren unmöglich 7.000 hl Bier abnehmen könne.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens im Übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben, durch Vernehmung des Zeugen H mit dem aus der Sitzungsniederschrift vom 25.05.2007 (Blatt 186 - 188 d.A.) ersichtlichen Ergebnis

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache zum überwiegenden Teil Erfolg.

Die Klägerin kann - nach teilweiser Übereinstimmung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache in Höhe eines Betrages von 1.422,41 € - von dem Beklagten aufgrund der von diesem übernommenen Bürgschaft vom 24.11.1998 für die Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der Klägerin die Zahlung von 23.988,79 € verlangen.

Der Beklagte hat am 24.11.1998 die Bürgschaft für 1/10 der der Klägerin gegen die Schuldnerin zustehenden und künftigen Verbindlichkeiten aus dem Abschreibungsdarlehens- und Bierbezugsvertrag vom selben Tage (Anlage K 1 = Blatt 16 - 18 d.A.) übernommen. Gegen die Wirksamkeit dieses Vertrages bestehen keine rechtlichen Bedenken. Zwar ist der Beklagte trotz Feststellung der gesamten Darlehensforderung der Klägerin aus dem Abschreibungsdarlehens- und Bierbezugsvertrag vom 24.11.1998 zur Insolvenztabelle und deren Eintragung in die Insolvenztabelle (Anlage K 5 = Blatt 56) nicht gehindert. Einwendungen und Einreden gegen die Hauptschuld - soweit er auf diese in seiner Bürgschaftsverpflichtung nicht wirksam verzichtet hat - gegenüber der Klägerin geltend zu machen. Die Eintragung einer vom Insolvenzverwalter festgestellten Forderung in die Insolvenztabelle wirkt zwar gemäß § 201 Abs. 2 InsO wie ein rechtskräftiges Urteil gegen den Schuldner (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl. § 178 InsO, Rdn. 12). Wenn aber die Rechtskraft eines zwischen Gläubiger und Hauptschuldner gegen letzteren ergangenen Urteils nicht gegen den Bürgen wirkt (BGH NJW 1980 S. 1460, 1461), so muss dies auch bei einer Eintragung einer Forderung in die Insolvenztabelle gelten.

Gegen die Wirksamkeit des Abschreibungsdarlehen- und Bierbezugsvertrages vom 24.11.1998 bestehen nicht etwa deshalb Bedenken, weil die Hauptschuldnerin wegen der dort vorgesehenen 10-jährigen Laufzeit in ihrer wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit übermäßig eingeschränkt wäre und dieser Vertrag daher sittenwidrig wäre (§ 138 BGB). Beim Bierlieferungsvertrag hat sich die Überzeugung herausgebildet, dass die Verpflichtung zur Abnahme einer bestimmten Biersorte auf die Laufzeit eines Darlehens in der Regel nicht zu beanstanden ist, wenn die Bindungsdauer weniger als 20 Jahre beträgt (BGH WM 1984 S. 88 f, 89; Münchener Kommentar / Mayer-Maly, BGB, 4. Aufl. § 138 BGB Rdn. 75); in der Regel ist eine Laufzeit von 15 Jahren nicht zu beanstanden (Münchener Kommentar a.a.O.). Da besondere Umstände, die auf eine Einschränkung der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit der Hauptschuldnerin hindeuten, nicht ersichtlich sind, ist bei der vorliegenden vereinbarten Laufzeit von 10 Jahren eine unzumutbare Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Schuldnerin nicht zu befürchten.

Auf sein Bestreiten der Auszahlung der Darlehensforderung an die Schuldnerin im ersten Rechtszug hat der Beklagte im zweiten Rechtszug nicht zurückgegriffen. Ein solches Bestreiten - sollte es in seiner allgemeinen Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen in der Berufungserwiderungsschrift zu sehen sein - wäre auch erfolglos, da der Beklagte spätestens mit seiner Erklärung im Termin am 25.05.2007, die Hauptsache sei hinsichtlich eines Teilbetrages von 1.422,41 € erledigt, anerkannt hat, dass die Hauptsache grundsätzlich besteht. Die Hauptsache aber ist im vorliegenden Rechtsstreit die Bürgschaftsverpflichtung, die abhängig ist vom Bestehen der Darlehensverpflichtung der Schuldnerin. Dass der Darlehensrestbetrag - mit Ausnahme der vom Beklagten behaupteten Erledigung durch Erfüllung - ein anderes rechtliches Schicksal hätte als der erledigte Teilbetrag, hat der Beklagte selbst nicht dargetan. Damit ist davon auszugehen, das die Klägerin der Schuldnerin aufgrund des Abschreibungsdarlehens- und Bierbezugsvertrages vom 24.11.1998 ein Darlehen in Höhe von 500.000,00 DM = 255.645,91 € gewährt hat. Für den Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin gegenüber der Schuldnerin haftet der Beklagte aufgrund seiner Bürgschaftsverpflichtung vom 24.11.1998 in Höhe von 1/10 der jeweiligen Gesamtverbindlichkeit. Diese hat sich aufgrund der Meldung der im Vertrag vorgesehenen Großhändlerin, der Fa. G GmbH, nach der Feststellung der vollen Darlehensforderung und deren Eintragung in die Insolvenztabelle, hinsichtlich der Abnahme von 42,31 hl Vertragsbier um 1.533,91 € vermindert. Denn gemäß Ziff. 2 des Vertrages vom 24.11.1998 zwischen der Schuldnerin und der Klägerin hat letztere pro abgenommenem Hektoliter Vertragsbier, der ab 01.11.1998 in der Absatzstätte vertragsgerecht bezogen wurde, eine Gutschrift von 71,43 DM pro Hektoliter bis zum Bezug von 7.000 hl zu erteilen. Da die Firma G der Klägerin den Bezug von Vertragsbier gemeldet hat, ist diese laut Vertrag auch verpflichtet, eine entsprechende Gutschrift zu erteilen und darf diesen Betrag nicht anderweitig verrechnen. Für 42 hl Vertragsbier hat die Klägerin eine Gutschrift von 1.533,91 € (42 hl x 71,43 DM = 3.000,00 DM = 1.533,91 €) der Schuldnerin zu erteilen. Weitere Gutschriften sind von ihr nicht vorzunehmen. Insbesondere hat die Klägerin den Kaufpreis für 150 veräußerte Faltstühle nicht auf ihre Darlehensforderung aus dem Vertrag vom 24.11.1998 anzurechnen. Eine Verpflichtung zur Anrechnung des Erlöses aus der Verwertung der ihr zur Sicherheit übereigneten Gegenstände ist im Vertrag vom 24.11.1998, insbesondere in der Ziff. 3, nicht vorgesehen. Mithin kann die Klägerin diesen Erlös auch auf den ihr zustehenden und in die Insolvenztabelle eingetragenen Zinsanspruch verrechnen.

Ohne Erfolg greift der Beklagte die Darstellung der Klägerin an, der auf dem bei ihr geführten Konto der Schuldnerin gebuchte Darlehensbetrag habe sich seit Auszahlung des Darlehens nicht, insbesondere nicht durch Gutschriften für vertragsgemäß bezogene Biere vermindert. Zwar hat der Bundesgerichtshof für den Fall, dass der Bürge sich für eine Verbindlichkeit des Hauptschuldners aus laufender Rechnung verpflichtet hat und ein Saldoanerkenntnis nicht vorliegt, die Beweislast für den Fortbestand der verbürgten Hauptschuld dem Gläubiger auferlegt (BGH LM Nr. 43, Fn 6; Laumen in Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, § 765 BGB, Rdn. 8). Indessen hat der Beklagte den ihm obliegenden Beweis dafür nicht erbracht, dass die Schuldnerin eine auf die Darlehensforderung der Klägerin anzurechnende Leistung - die Abnahme von weiterem Vertragsbier - erbracht hat. Aus der Aussage des Zeugen H und der von diesem dem Gericht überlassenen Unterlagen hat das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Schuldnerin ab 01.11.1998 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Vertrag vom 24.11.1998 vorgesehene Biere - X-Pilsener und Ybier alkoholfrei - bezogen hat, deren Abnahme nach entsprechender Mitteilung der Fa. G an die Klägerin zu einer im Vertrag vorgesehenen Gutschrift zugunsten der Schuldnerin hätte führen müssen. Die vom Zeugen H eingereichten Unterlagen, die der Zeuge sich zuvor bei der Steuerberaterin der Schuldnerin besorgt haben will, lassen einen Aussteller nicht erkennen. Die Klägerin hat im Termin am 25.05.2007 die Richtigkeit des Inhalts dieser Unterlagen bestritten. Aus dem Buchungstext dieser Unterlagen geht auch nicht hervor, welche Art Getränke die Schuldnerin angeblich von der Firma G bezogen haben soll. Nach dem Vertrag vom 24.11.1998 sollten nur über die Fa. G bezogene Biere, und zwar nur X-Pilsener und das alkoholfreie Bier Y, zu einer Verrechnung des Kaufpreises mit der Darlehensschuld führen (Ziff. 2 und 4 des Vertrages). Auch die Aussage des Zeugen H führte insoweit nicht zu einer Klärung. Denn nach Aussage des Zeugen bezog die Schuldnerin von der Klägerin sämtliche Biere und Bierprodukte die die Klägerin anbot, außerdem soll die Schuldnerin in Absprache mit der Klägerin Biere und Bierprodukte anderer Brauereien bezogen haben. Die Abnahme dieser Biere und Bierprodukte soll aber ausnahmslos auch nach Aussage des Zeugen H in die von ihm überreichten Abrechnungen in den Kontoblättern Eingang gefunden haben, ohne dass im Einzelnen aussonderbar wäre, in welchem Umfange und zu welchem Wert zu verrechnende Vertragsbiere von der Schuldnerin bei der Fa. G abgenommen wurden. Der Zeuge will zwar jeweils nach Abschluss der Veranstaltungen, bei denen nach seiner Aussage jeweils zu 90 % Bier getrunken worden sein soll, die jeweiligen Bestellungen des Betriebsleiters der Schuldnerin entgegengenommen haben und die entsprechenden Rechnungen geprüft und an den Steuerberater weitergegeben haben; dies soll zeitweise auch die Prokuristin der Schuldnerin erledigt haben. Über die Mengen abgenommener Biere der Klägerin und deren Wert im Einzelnen aber hat der Zeuge H keine eigenen Angaben gemacht, sondern insoweit lediglich auf die mitgebrachten Unterlagen, die allerdings nicht aussagekräftig sind, verwiesen. Bei der Würdigung der Aussage des Zeugen H war dessen Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits nicht zu übersehen; dies ergab sich insbesondere aus der erkennbaren Betroffenheit des Zeugen, als es um die Frage seiner eigenen Haftung als Mitbürge ging.

Dem Beklagten steht auch nicht etwa ein Zurückbehaltungsrecht an der ausgeurteilten Forderung bis zur Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen der Klägerin zu. Denn gemäß § 810 BGB kann nur derjenige Gestattung der Einsicht in die in fremdem Besitz befindlichen Urkunden über ein zwischen dem Besitzer der Urkunden und einem Dritten bestehendes Rechtsverhältnis verlangen, der ein rechtliches Interesse hieran hat. Ein derartiges Interesse des Beklagten ist indessen nicht ersichtlich, zumal der Klägerin die vom Beklagten geforderte Akteneinsicht in ihre Geschäftsbücher in dieser Allgemeinheit unzumutbar wäre und der Beklagte nicht dargetan hat, in welche geschäftlichen Unterlagen der Klägerin im Einzelnen er Einsicht zu nehmen begehrt. Zwar wird grundsätzlich ein derartiges rechtliches Interesse des Bürgen auf Einsichtnahme in die Handelsbücher des Gläubigers, aus denen sich die Zahlungen des Hauptschuldners ergeben, bejaht (BGH NJW 1988, S. 906 f.; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl. § 810 BGB, Rdn. 7). Indessen ergeben sich aus den Handelsbüchern der Klägerin keine Zahlungen der Schuldnerin, diese hätte vielmehr ihre Bierbestellungen an die Fa. G zu richten und dieser zu bezahlen; diese hatte sodann die Abnahme der im Vertrag vom 24.11.1998 zwischen der Schuldnerin und der Klägerin vorgesehenen Biere an die Klägerin zu melden, alsdann hätte eine Gutschrift zu erfolgen. Lag keine Meldung vor, musste die Klägerin der Schuldnerin auch keine Gutschrift erteilen.

Ohne Erfolg macht der Beklagte auch geltend, die Forderung der Klägerin gegen ihn aus der Bürgschaft sei nach wie vor nicht fällig, weil sie nicht hinreichende Befriedigung aus dem ihr sicherungsübereigneten Mobiliar der Schuldnerin gesucht habe. Insoweit steht den Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Klageforderung nicht zu. Denn er hatte in der Bürgschaftsübernahmeerklärung vom 24.11.1998 wirksam auf die Einrede der Vorausklage verzichtet (§§ 771, 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, dieser Verzicht seit im Lichte des § 307 BGB kein hinreichend klarer Verzicht, der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sei, und an denen er als Verbraucher beteiligt sei (so Münchener Kommentar/Habersack, BGB, 4. Aufl., § 773 BGB, Rdn. 3, Erman/Seiler, BGB, 14. Aufl., § 773 BGB, Rdn. 2; Graf von Westphalen, "Bürgschaft", Rdn. 53), es müsse verlangt werden, dass der Bürge klar und unmissverständlich darauf hingewiesen werde, dass seine Haftung nicht subsidiär sei, die Bezeichnung der Bürgschaft als "selbstschuldnerisch" genüge diesen Anforderungen nicht. Zwar ist anzunehmen, dass die Formulierung der Bürgschaftserklärung von der Klägerin stammt, es sich also um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Indessen hält die Klausel "Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft" der Klauselkontrolle nach dem AGB-Gesetz von 1998 stand. Ein Verzicht in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes in BGHZ 1995, Seite 350 ff., 361 wirksam.

Gegenüber der Klageforderung kann der Beklagte aber auch nicht einwenden, die Klägerin habe das ihr zur Sicherheit übereignete Mobiliar verschleudert. Abgesehen davon, dass der Beklagte insoweit einen etwaigen Schadensersatzanspruch nicht beziffert hat, fehlt es an einer Aufrechnungserklärung mit einem Schadensersatzanspruch. Im Übrigen hat der Beklagte den Feststellungen des Privatsachverständigen E in dessen Gutachten, das Mobiliar sei z.T. schadhaft und weise erhebliche Gebrauchsspuren auf, nicht widersprochen, so dass von einem Neuwert der Faltstühle nach etwa 8-jährigem Gebrauch in einer Einrichtung, in der - so der Zeuge H - vorwiegend Rock-Konzerte stattfanden, nicht auszugehen ist. Soweit der Beklagte unter Zeugenbeweis vorträgt, dass die Betreiberin der Einrichtung für die Faltstühle einen Kaufpreis von mehr als 16.000,-- € geboten habe, war dem Beweisangebot nicht nachzugehen, weil der Beklagte die Höhe des gebotenen Kaufpreises nicht dargetan hat, die Vernehmung der Zeugin somit einer Ausforschung gleichgekommen wäre und auch insoweit ein zur Aufrechnung geeigneter Schadensersatzanspruch nicht vorgetragen ist.

Schließlich ist auch der Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von Aufklärungs- und Hinweispflichten durch die Klägerin bei Übernahme der Bürgschaft durch den Beklagten über die Unmöglichkeit der Abnahme von 7.000 hl Bier in einem Zeitraum von 10 Jahren der Erfolg zu versagen, weil es insoweit an jeder Darlegung der Unrichtigkeit der vereinbarten Vertragsmenge Bieres und zum angeblich eingetretenen Schaden fehlt. Da eine Aufklärung heute nicht mehr sachgerecht erscheint, kommt ein Zurückbehaltungsrecht, das zu einer Zug-um-Zug Verurteilung führen würde, nicht in Betracht.

Die Kosten des Rechtsstreits waren im Verhältnis des beiderseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens zu teilen (§ 92 Abs. 2 ZPO). Dabei war zu berücksichtigen, dass sich die vom Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung, über die eine ihm ungünstige, der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht, streitwerterhöhend auswirkte.

Soweit der Rechtsstreit von den Parteien übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, waren die insoweit entstandenen Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, weil er auch hinsichtlich dieses Betrages im Rechtsstreit unterlegen wäre (§ 91 a ZPO). Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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