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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 18.02.2008
Aktenzeichen: 19 U 252/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280 Abs. 1
Zur Haftung des Betreibers von Glücksspielen gegenüber dem Verkaufsstellenleiter einer Lotto-Annahmestelle aus dem Gesichtspunkt der vertraglichen Schutz- und Fürsorgepflicht.
Gründe:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

I. Der Kläger verlangt von den Beklagten aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes und der ungerechtfertigten Bereicherung die Rückzahlung von Spieleinsätzen für Oddset-Wetten.

Der Kläger war seit 1999 aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit dem Beklagten zu 2), vertreten durch die Beklagte zu 1), Verkaufsstellenleiter einer Lotto-Annahmestelle. Der Geschäftsbesorgungsvertrag wurde am 23.02.2004 - offenbar inhaltsgleich - neu abgeschlossen. Nach Ziffer I des Vertrages vom 23.02.2004 war die Beklagte zu 1) mit der Vertretung der Lotterieverwaltung des Beklagten zu 2) betraut. Gemäß Ziffer VI des Vertrages war der Kläger verpflichtet, ein Bankkonto in Form eines offenen Treuhandkontos zu unterhalten und die Beklagte zu 1) zum Einzug ihrer Forderungen im Abbuchungsverfahren zu ermächtigen. Dieser Verpflichtung entsprechend führte der Kläger bei der ...kasse O1 ein offenes Treuhandkonto, von welchem die Beklagte zu 1) im Rahmen der wöchentlichen Abrechnungen die vom Kläger eingezahlten Spieleinsätze der Kunden unter Verrechnung der dem Kläger zustehenden Provisionen einzog.

Seit Anfang 2004 kam es zu erheblichen Umsatzsteigerungen der Verkaufsstelle des Klägers. Aus diesem Grund nahm ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1) mit dem Kläger Kontakt auf. Auf Befragen erläuterte der Kläger die Umsatzsteigerungen damit, dass er eine Spielgemeinschaft aus Mitgliedern eines Sportvereins für Oddset-Wetten habe gewinnen können, die hohe Einsätze spielten. Am 02.04.2004 kam es zu einer Rücklastschrift wegen Unterdeckung des Treuhandkontos in Höhe von 12.487,93 EUR. Der Kläger begründete diese gegenüber der Beklagten zu 1) schriftlich damit, dass die Spielumsätze aus der Geldtasche, mit der sie zur Bank gebracht werden sollten, gestohlen worden seien. Eine weitere Rücklastschrift vom 06.08.2004 von 25.895,49 EUR begründete der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 10.08.2004 damit, dass seine Tochter in seiner Abwesenheit aufgrund eines Versehens die Gelder auf ein falsches Konto überwiesen habe. Nachdem der Kläger sich am 23.08.2004 bei der Beklagten telefonisch gemeldet und erklärt hatte, dass die Einnahmen aus der 33. und 34. Veranstaltungswoche nicht eingehen würden und daher mit Rücklastschriften zu rechnen sei, und nachdem der Kläger offenbart hatte, dass er selbst einen Großteil der Spielumsätze veranlasst habe, ohne die Einsätze zu bezahlen, sperrte die Beklagte zu 1) an diesem Tag die Verkaufsstelle des Klägers und kündigte den Geschäftsbesorgungsvertrag aus wichtigem Grund mit Schreiben vom 30.08.2004.

Der Kläger hat behauptet, spätestens seit Anfang 2004 habe sich bei ihm eine pathologische Spielsuchterkrankung entwickelt, die dazu geführt habe, dass er nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Handlungen in Bezug auf das Spielen zu steuern. Im Zustand partieller Geschäftsunfähigkeit habe er in der Zeit vom 27.03.2004 bis zum 22.08.2004 insgesamt 251.714,95 EUR aus eigenen Mitteln für Oddset-Wetten eingesetzt. Er hat die Beklagten in Höhe eines Teilbetrages von 6.175,50 EUR in Anspruch genommen wegen näher bezeichneter Spieleinsätze für Oddset-Wetten am 25.07.2004 von 2.420,00 EUR und am 28.07.2004 in Höhe von 3.755,50 EUR. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass die Beklagten ihm zum Schadensersatz verpflichtet seien, weil sie ihre Schutz- und Fürsorgeverpflichtungen aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag verletzt und Maßnahmen unterlassen hätten, den Kläger vor sich selbst zu schützen. Die Beklagten als staatliche Betreiber des Glücksspiels seien sowohl zu Zwecken des Gemeinwohls als auch ihm gegenüber einzelvertraglich zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht und deshalb zu besonderer Fürsorge verpflichtet gewesen. Diese Fürsorgepflicht sei verletzt worden. Die Beklagte zu 1) habe sich nicht mit der Erklärung des Klägers für die Umsatzsteigerungen zufrieden geben dürfen. Bei den gebotenen weiteren Überprüfungen hätte sie feststellen können, dass Spiele am Wochenende durchgeführt und die selben Spielscheine im Minutentakt über Stunden hinweg eingebucht worden seien, so dass der Kläger - nicht zuletzt wegen Verwendung seiner Kundenkarte beim Spielen bei Umsätzen von etwa 35.000,-- EUR in drei Monaten - als Spielteilnehmer hätte identifiziert werden können. Auch seien die abgeschlossenen Spielverträge infolge seiner Geschäftsunfähigkeit nichtig, so dass die Beklagten wegen der erlangten Spieleinsätze ohne Rechtsgrund bereichert seien.

Das Landgericht hat die Klage durch am 26.10.2007 verkündetes Urteil abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, zu deren Begründung er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Vertragliche Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer Schutz- oder Fürsorgepflicht stehen dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) schon deshalb nicht zu, weil diese nicht Vertragspartner des Klägers war. Der Geschäftsbesorgungsvertrag wurde nach seinem klaren Inhalt von der Beklagten zu 1) als Vertreterin des Beklagten zu 2) abgeschlossen. In dieser Eigenschaft wurde die Beklagte zu 1) auch bei der Durchführung des Vertrages tätig.

Auch gegen den Beklagten zu 2) stehen dem Kläger die geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen Verletzung einer Schutz- oder Fürsorgepflicht aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag nicht zu. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob aus dem Gesichtspunkt, dass das staatliche Monopol für Sportwetten zum Schutz des Allgemeinwohles mit dem Ziel des Vorbeugens der Spielsuchtgefährdung begründet wird, eine einzelvertragliche Schutz- und Fürsorgepflicht aus dem hier in Rede stehenden Geschäftsbesorgungsvertrag abgeleitet werden kann mit dem Inhalt, dass der Beklagte zu 2) verpflichtet ist, das Vertragsverhältnis zum Schutz des Klägers vor sich selbst fristlos zu kündigen und damit die mit dem Betreiben einer Lotto-Annahmestelle verbundenen Erleichterungen für die eigene Teilnahme an Glücksspielen entfallen zu lassen. Der Geschäftsbesorgungsvertrag lässt eine derartige Verpflichtung nicht erkennen. Er regelt die ordnungsgemäße Abwicklung der Spielverträge durch die vom Kläger geleitete Verkaufsstelle und dessen Pflichten im Zusammenhang mit der treuhänderischen Verwaltung eingenommener Spieleinsätze. Die Teilnahme des Klägers am Spiel klingt lediglich in Ziffer IV 2 des Vertrages an, wonach der Verkaufsstellenleiter keine Spielgemeinschaften veranstalten oder hierfür als Beauftragter tätig sein darf. Mit dieser Regelung soll ersichtlich zum Schutz der Vermögensinteressen der Beklagten zu 2) einer Interessenkollision auf Seiten des Klägers vorgebeugt werden. Auch die aufgezählten Gründe, bei deren Vorliegen der Beklagte zu 2) zur sofortigen Kündigung des Vertrages berechtigt ist, betreffen ausschließlich Interessen des Beklagten zu 2).

Es kann jedoch offen bleiben, ob der Beklagte zu 2) bei hinreichendem Verdacht auf eine Spielsucht des Verkaufsstellenleiters verpflichtet war, den Vertrag ohne Rücksicht auf eigene Interessen allein zum Schutz des Klägers vor sich selbst fristlos zu kündigen. Denn selbst in diesem Fall haftet der Beklagte zu 2) für den behaupteten Schaden nicht. Der Beklagte zu 2), der sich das Verhalten und den Kenntnisstand der Beklagten zu 1) als seiner Vertreterin zurechnen lassen muss, hat seine - hier zu unterstellende - Schutz- und Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger nicht verletzt. Auf den sprunghaften Anstieg der Umsätze aus dem Spielbetrieb im Frühjahr 2004 hat die Beklagte zu 1) als Vertreterin des Beklagten zu 2) angemessen reagiert, indem sie den Kläger durch einen ihrer Mitarbeiter befragte. Aus der Begründung des Klägers für die hohen Umsätze - nach durchschnittlich 5.000,-- EUR monatlich im Jahre 2003 handelte es sich um rund 11.000,-- EUR im April 2004, 30.000,-- EUR im Mai 2004, 20.000,-- EUR im Juni 2004 und 25.000,-- EUR im Juli 2004 (bis zum 28.07.2004) - musste sich für die Beklagte zu 1) kein konkreter Verdacht auf eine Spielsuchterkrankung gerade des Klägers ergeben, zumal der Kläger bisher die Annahmestelle etwa 5 Jahre lang unbeanstandet betrieben hatte. Nichts anderes ergibt sich auch und in Verbindung mit der Unterdeckung des offenen Treuhandkontos von 12.487,93 EUR am 02.04.2004 nach der vom Kläger hierzu abgegebenen Begründung für dieses Vorkommnis. Da konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht einer Spielsuchterkrankung beim Kläger fehlten, war die Beklagte zu 1) auch nicht verpflichtet, die bei ihr gespeicherten Daten darauf zu überprüfen, ob Spieleinsätze in der Annahmestelle des Klägers über den ganzen Tag verteilt und auch an Sonn- und Feiertagen erfolgten oder im Falle der Benutzung der Kundenkarte dem Kläger persönlich zuzuordnen waren.

Eine Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2) ergibt sich aus den genannten Gründen auch nicht aus einer Sonderverbindung im Sinne der §§ 241, 311 Abs. 2 BGB, die jeweils im Zusammenhang mit den - hier unterstellt - nichtigen Spielverträgen zustande kam und Verhaltens- oder Schutzpflichten begründen kann (BGH ZIP 2005, 1599, 1601).

Schließlich ist die Klage auch nicht aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung begründet.

Wenn die Beklagte zu 1), die erlangte Zahlungen an den Beklagten zu 2) weiterleitete, entsprechend der Regelung gemäß VI 1 des Geschäftsbesorgungsvertrages im Einzugsermächtigungsverfahren vom Kläger eingezahlte Beträge von dem offenen Treuhandkonto abbuchte, hat sie das vom Kläger nach seiner Behauptung zum Spiel eingesetzte Geld nicht durch dessen Leistung, sondern in sonstiger Weise durch die Bank des Klägers erlangt. Für eine Zahlung mittels Abbuchung (Lastschrift) gelten bereicherungsrechtlich die gleichen Grundsätze wie für die Überweisung. Im Falle einer Überweisung (Leistung kraft Anweisung) vollzieht sich der Bereicherungsausgleich zwar grundsätzlich innerhalb des jeweiligen Leistungsverhältnisses, also zum einen zwischen dem Anweisenden (hier dem Kläger) und dem Angewiesenen (hier der Bank des Klägers) und zum anderen zwischen dem Anweisenden (hier dem Kläger) und dem Anweisungsempfänger (hier die Beklagte zu 1)). Das gilt aber dann nicht, wenn eine wirksame Anweisung sowie eine wirksame Zweckbestimmung wegen Geschäftsunfähigkeit des Anweisenden fehlen. In diesen Fällen kommt es nicht zu einer "Leistung" des Anweisenden, da ihm die Zahlung des Angewiesenen nicht zugerechnet werden kann. Wegen des rechtsgeschäftlichen Charakters der Anweisung sowie des zumindest rechtsgeschäftsähnlichen Charakters der Zweckbestimmung ist die Geschäftsfähigkeit des Anweisenden erforderlich. Fehlt diese, so ist die Zahlung des Angewiesenen an den Dritten keine Leistung des Anweisenden. Der Anweisende kann daher durch die Zahlung keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Dritten erwerben (BGHZ 111, 382, 386; BGH NJW 2004, 1315, 1316 m.w.N.). So liegt es hier. Der dem Anweisenden zu vergleichende Kläger war nach seiner Behauptung in dem hier maßgeblichen Zeitraum geschäftsunfähig. Ebenso wie ihm eine Überweisung (Anweisung) an die Beklagte zu 1) nicht hätte zugerechnet werden können, kann ihm auch eine Lastschrift der Beklagten zu 1) nicht zugerechnet werden, zumal die Einzugsermächtigung für die Beklagte zu 1) gemäß VI des Geschäftsbesorgungsvertrages nur zum Einzug ihrer Forderungen erteilt war, im Umfang von Einzahlungen des Klägers, soweit dieser geschäftsunfähig war, jedoch Forderungen aus Spielverträgen nicht begründet worden sein konnten.

Auch wenn die Beklagte zu 1) Zahlungen von dem offenen Treuhandkonto des Klägers nicht - wie gemäß Ziffer VI 1 des Geschäftsbesorgungsvertrages vereinbart - im Einzugsermächtigungsverfahren, sondern mit Rücksicht auf den (wirksamen) Abbuchungsauftrag des Klägers vom 07.05.1999 im Abbuchungsauftragsverfahren erlangt hat (zu der unterschiedlichen rechtlichen Ausgestaltung vgl. BGH NJW 2006, 1965, 1966 m.w.N.), und wenn man für diesen Fall die oben genannten Grundsätze zum Bereicherungsausgleich als nicht anwendbar ansieht, ist ein Bereicherungsanspruch nicht gegeben. Denn die Beklagten sind nicht mehr bereichert (§ 818 Abs. 3 BGB).

Die Beklagte zu 1) hat die vom offenen Treuhandkonto abgebuchten Beträge an den Beklagten zu 2) weiter geleitet. Der Beklagte zu 2) hat die Gewinne aus den Spieleinsätzen entsprechend den Regelungen gemäß §§ 3, 4 des Gesetzes über staatliche Sportwetten zur Förderung kultureller, sozialer und sportlicher Zwecke an gemeinnützige privatrechtliche Vereine und sonstige Einrichtungen ausgezahlt und einen verbleibenden Überschuss in den Landeshaushalt eingestellt und verbraucht.

Danach hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.

Der Kläger erhält Gelegenheit, zu diesen Hinweisen bis zum 12.03.2008 Stellung zu nehmen.

Bemerkungen:

Das Verfahren wurde am 17.3.2008 durch Beschluss beendet (Berufungszurückweisung).

Ende der Entscheidung

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