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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 06.09.2006
Aktenzeichen: 2 Ausl A 42/05
Rechtsgebiete: IRG


Vorschriften:

IRG § 10 Abs. 2
IRG § 24 Abs. 1
Zur Unzulässigkeit der Auslieferungshaft, wenn nicht auszuschließen ist, dass die strafrechtlichen Vorwürfe durch die Verfolgungsbehörden des ersuchenden Staates manipuliert wurden.
Gründe:

Auf Ersuchen der O2 Behörden hat der Senat gegen den Verfolgten mit Beschluss vom 26. Oktober 2005, auf den Bezug genommen wird, die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet. Am 9. Februar 2006 wurde der Verfolgte festgenommen und mit Beschluss des Senats vom 20. Februar 2006 unter anderem gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-- vom weiteren Vollzug der Auslieferungshaft verschont.

Die Auslieferung ist unzulässig.

Einwendungen des Verfolgten gegen die Auslieferung und dazu vorgelegte Unterlagen der O2 Behörden gaben dem Senat Anlass zu der Prüfung, ob der Verfolgte der ihm zur Last gelegten Taten hinreichend verdächtig erscheint (§ 10 Abs. 2 IRG). Diese Prüfung hat ergeben, dass Zweifel an der Täterschaft bestehen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die strafrechtlichen Vorwürfe durch die Verfolgungsbehörden des ersuchenden Staates manipuliert worden sind (vgl. zu dieser Problematik Lagodny/Schomburg/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 4. Aufl. § 10 IRG Rdn. 38 ff. m. Nachw.). Der Verfolgte hat geltend gemacht, die bei ihm anlässlich der Polizeikontrolle am 28. April 2004 aufgefundenen Betäubungsmittel (4 Ecstasy-Tabletten - 1,54 Gramm; 0,23 Gramm Heroin) - dies ist der Tatvorwurf - seien ihm durch die kontrollierenden Polizeibeamten zugesteckt worden. Mit Beschluss vom 30. Juli 2004 stellte der zuständige Staatsanwalt in O1 das Verfahren gegen den Verfolgten ein. In dem - ausführlich begründeten - Einstellungsbeschluss ist ausgeführt, dass nach Ausschöpfung der Beweismöglichkeiten, namentlich der Vernehmung der bei der Festnahme anwesenden Zeugen (Begleiter des Verfolgten sowie Ermittlungsbeamte) und Ansicht des von der Festnahme gefertigten Videobandes die Beweise für eine Bestrafung des Verfolgten nicht ausreichen. Zudem ist in diesem Beschluss dargelegt, es sei bei Ansicht des Videobandes festgestellt worden, dass die Festnahme und Durchsuchung "unter Verletzung taktischer und prozessualer Vorschriften" erfolgt sei. Mit Beschluss vom 3. August 2004 kassierte der übergeordnete Generalstaatsanwalt diese Entscheidung ohne nähere sachliche Begründung. Sein Versuch, einen Haftbefehl gegen den Verfolgten zu erwirken, blieb bei den zuständigen Gerichten in beiden Instanzen zunächst erfolglos, bis am 11. April 2005 - auf neuen Antrag - schließlich das Berufungsgericht in O1 den Haftbefehl erließ, der dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegt. Der Haftbefehl ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt, hinsichtlich dessen die Staatsanwaltschaft in ihrer Einstellungsentscheidung vom 30. Juli 2004 den Tatverdacht verneint hatte.

Angesichts dieser Sachlage und mangels entsprechender Angaben in den jeweiligen, dem Einstellungsbeschluss vom 30. Juli 2004 nachfolgenden Entscheidungen sah der Senat Anlass zur Prüfung der Frage, welche neuen Umstände zu der gegenüber dem einstellenden Beschluss vom 30. Juli 2004 abweichenden Beurteilung des Tatverdachts durch die Staatsanwaltschaft und das Bezirksgericht geführt haben. Dementsprechende Anfragen - zuletzt unter Fristsetzung bis zum 15. August 2006 - (Senatsbeschlüsse vom 23. März 2006 und vom 28. Juni 2006) beantworteten die O2 Behörden nur unzureichend. Sie wiesen zunächst lediglich darauf hin, die Einstellung vom 30. Juli 2004 sei "vorzeitig ohne vollständige Ermittlung aller Umstände" erfolgt, ohne diese mitzuteilen. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft der Republik O2 in ihrem Schreiben vom 14. August 2006 ergänzend ausgeführt hat, nach der Einstellungsentscheidung hätten sich neue Umstände ergeben, welche zur Zeit der Einstellung unbekannt gewesen seien, nennt sie diese ebenfalls nicht und verweist auf Art. 212 der O2 Strafprozessordnung wonach diese Ermittlungsergebnisse vertraulich seien.

Nach alledem sind die Zweifel an der Täterschaft des Verfolgten, wie sie in dem Beschluss vom 30. Juli 2004 zum Ausdruck kommen, nicht ausgeräumt.

Ende der Entscheidung

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