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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 14.12.1999
Aktenzeichen: 2 Ss 351/99
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 329 Abs. 1
StPO § 344 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

2 Ss 351/99 3 Ns-12 Js 8898.5/97 (LG Gießen)

In der Strafsache

gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main -2.Strafsenat- auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen -3. kleine Strafkammer- vom 14. Juni 1999 am 14. Dezember 1999 gem. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Gießen zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Gießen hatte den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht am 14.Juni 1999 mit einem Prozeßurteil gem. § 329 Abs. 1 StPO, da der Angeklagte ordnungsgemäß geladen, aber unentschuldigt nicht zur Berufungshauptverhandlung erschienen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO rügt.

Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist ordnungsgemäß i.S.d. § 344 Abs. 2 S 2 StPO ausgeführt und damit zulässig erhoben. Die Rüge ist auch begründet.

Nach § 329 Abs. 1 StPO hat das Gericht eine Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen, wenn dieser bei Beginn der Berufungshauptverhandlung nicht erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Der Angeklagte war hier zwar bei dem Aufruf der Sache, also zu Beginn der Hauptverhandlung (§ 243 Abs. 1 StPO), nicht anwesend. Nach der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vermag dieser Umstand allein die Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO nicht zu rechtfertigen. Die Fürsorgepflicht im Rahmen eines fairen Verfahrens verlangt vielmehr von dem Berufungsgericht, zunächst wegen der Möglichkeit einer Verspätung eine nach den Umständen angemessene Zeit zu warten und gegebenenfalls sogar außerhalb des Sitzungssaales nach dem Angeklagten zu forschen. Dabei handelt es sich nach übereinstimmender Rechtsprechung um eine Rechtspflicht des Gerichts. Die Wartezeit bemißt sich dabei bei einem am Gerichtsort wohnenden Angeklagten i.d.R. auf zehn bis fünfzehn Minuten. Unter Berücksichtigung dieser Rechtspflicht war vorliegend zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils diese Wartezeit noch nicht abgelaufen. Somit waren die Voraussetzungen für die Verwerfung der Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung nicht gegeben. Ausweislich des Protokolls der Berufungshauptverhandlung begann die Hauptverhandlung um 08.52 Uhr, das Verwerfungsurteil wurde aber bereits um 08.58 Uhr begründet. Genau zu diesem Zeitpunkt wird nämlich das Erscheinen des Angeklagten im Gerichtssaal im Protokoll festgehalten. Ausweislich des Protokolls ist somit das Berufungsgericht der Rechtspflicht, ca. zehn bis fünfzehn Minuten Wartezeit einzuhalten, nicht nachgekommen, da auch für die Frage, ob das Gericht der Wartepflicht nachgekommen ist, auf den Beginn der Hauptverhandlung, also den Aufruf der Sache, abzustellen ist.

Aus dem Protokoll geht auch nicht hervor, daß das Gericht zu der eventuell früher angesetzten Terminsstunde vollständig versammelt war, das Fehlen des Angeklagten konstatierte, eventuell nach dem Angeklagten forschte und dann nach Abwarten der angemessenen Zeit von zehn bis fünfzehn Minuten mit der Verhandlung durch den Aufruf der Sache begann, um sodann die Berufung des Angeklagten gem. § 329 Abs. 1 StPO zu verwerfen. Das Festhalten eines solchen Sachverhalts im Protokoll würde nach Ansicht des erkennenden Senats ausreichen, für das Revisionsgericht verwertbar zu dokumentieren, daß das Gericht seiner Rechtspflicht des angemessenen Zuwartens genüge getan hat.

Ende der Entscheidung

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