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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: 2 Ss 382/04
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 21
StGB § 47
StGB § 49
StPO § 331
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Das Amtsgericht Gießen hatte gegen den Angeklagten durch Urteil vom 26. März 2004 unter Freisprechung im Übrigen wegen Diebstahls in drei Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Heroin) in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. Das Landgericht - 8. Kleine Strafkammer - Gießen hat die hiergegen gerichtete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten durch Urteil vom 15. September 2004 verworfen, wobei das Gericht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgegangen ist.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

Die form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Revision hat - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Das angefochtene Urteil hält auf die Sachrüge hin rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Auf die zunächst von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob das Berufungsgericht zu Recht und im richtigen Umfang von einer Berufungsbeschränkung ausgegangen ist (vgl. dazu Ruß in KK StPO 5. Aufl. Rdnr. 11 zu § 318 m.N.), ergibt sich, dass dies hinsichtlich der dem Angeklagten zur Last gelegten drei Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht der Fall ist. Ein Rechtsmittel kann nicht auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden, wenn Schuldspruch und Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass eine getrennte Überprüfung der Strafzumessung nicht möglich wäre, ohne den nicht mit angefochtenen Schuldspruch zu berühren (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 15) - insbesondere, wenn durch die zur Strafzumessung neu zu treffenden Feststellungen der Schuldspruch betroffen sein könnte -, wenn auf der Grundlage der Feststellungen gegen den Angeklagten überhaupt keine Strafe verhängt werden könnte (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 12) oder wenn die Schuldfeststellungen derart knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie den Unrechtsgehalt der Tat nicht einmal in groben Zügen erkennen lassen und deshalb keine ausreichende Grundlage für die Straffrage sein können (st. Rspr. Vgl. z. B. BGH St 33, 59; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 19.12.2003 - 2 Ss 370/03 -; OLG Hamburg, Beschluss v. 26.07.2000 - 2 Ss 23/00 StV 2000, 608). Letzteres ist bezüglich der drei Taten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gegeben. Das Amtsgericht hat hierzu festgestellt, der Angeklagte habe in der Zeit von Juli 2003 bis zum ...2003 in mindestens drei Fällen an den gesondert verfolgten Z2 mit Gewinn jeweils ein bis zwei Plömbchen Heroin zu 15.- Euro verkauft. Damit wird der Schuldgehalt dieser Taten nur unzureichend umschrieben. Es bleibt nämlich offen, ob das Gericht jeweils nur von einem oder von zwei Plömbchen ausgegangen ist. Bei Anwendung des Zweifelssatzes hätte zwar jeweils der niedrigste festzustellende Schuldgehalt zugrunde gelegt werden müssen. Ob das Gericht dies berücksichtigt hat, lässt sich den Urteilsgründen aber nicht entnehmen.

Im Übrigen bleibt ungeklärt, ob und, wenn ja, in wieweit das Amtsgericht und ihm - durch die Bezugnahme auf diese Ausführungen - folgend das Landgericht die weiterhin getroffenen Feststellungen, dass der Angeklagten bei seiner Festnahme am ....2003 vier Plömbchen Heroin mit einem Gewicht von ca. einem Gramm bei sich geführt hat und weitere 1,6 Gramm Heroin am ...2003 bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten gefunden worden sind, strafrechtlicher Würdigung unterzogen hat.

Der Rechtsfolgenausspruch hält einer rechtlichen Überprüfung gleichfalls nicht stand, weil er unzureichend begründet worden ist. Die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in ihrer Stellungnahme vom 07. Dezember 2004 hierzu ausgeführt:

"Das Berufungsgericht hat sowohl bei den Erwägungen zur Strafhöhe als auch bei denen zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung seine Entscheidung wesentlich auf den Umstand gestützt, dass der Angeklagte bei Tatbegehung unter Bewährung stand. In einem solchen Fall reicht es nicht aus, wenn die Schilderung der Vorstrafen sich auf die Tatsachen beschränkt, die sich dem Auszug aus dem Bundeszentralregister entnehmen lassen. Nach der Rechtsprechung sollen sich die schriftlichen Urteilsgründe zwar grundsätzlich auf das Wesentliche beschränken. Dies bedeutet für die Vorstrafen, dass sie nur in dem Umfang und in denjenigen Einzelheiten mitzuteilen sind, in denen sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind. Daher kann es, wenn nur Zahl, Frequenz, Höhe, Einschlägigkeit und Verbüßung der Vorstrafen beachtlich sind, genügen, die entsprechenden Tatsachen mitzuteilen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 13). Von einer genauen Darlegung der den Vorverurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte kann zum Beispiel dann abgesehen werden, wenn in Fällen geringerer Bedeutung der Sachverhalt schon aus der Angabe der angewendeten Vorschriften hinreichend erkennbar wird (z. B. Fahren ohne Fahrerlaubnis) oder wenn etwa die Auflistung der Vorstrafen nur allgemein der Darlegung auch anderer Fälle der Missachtung strafrechtlicher Normen durch den Angeklagten dient, also ersichtlich in keiner Weise auf Art und Schwere früher begangener Straftaten abgestellt worden ist (OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 02.03.2004 - 1 Ss 29/04 - und vom 24.11.2002 - 1 Ss 44/02 -). Indes kann es geboten sein, auch die früheren Taten und gar die vom damaligen Tatrichter angestellten Strafzumessungserwägungen in komprimierter Form mitzuteilen, wenn dies für die nunmehrige Sanktionsfindung von Bedeutung ist (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 6; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 25 ). Dann reicht es nicht aus, lediglich die Tatzeiten sowie die Art und Höhe der erkannten Rechtsfolgen im einzelnen mitzuteilen. Vielmehr sind auch Ausführungen zu den Sachverhalten, die den Verurteilungen zugrunde lagen, zu machen, da ansonsten das Revisionsgericht nicht nachprüfen kann, ob das Tatgericht die Vorstrafen in ihrer Bedeutung und Schwere für den Strafausspruch richtig gewertet hat ( OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 13.05.2004 - 2 Ss 109/04 - und vom 20.01.2004 - 1 Ss 403/03 -; OLG Frankfurt 1989, 155 m. w. N.; BGHR StGB § 46 Abs. 2 - Vorleben 25; OLG Köln StV 1996, 321; OLG Köln NStZ 2003, 421). Ein solcher Fall war hier gegeben, weil diese Umstände trotz der - ebenfalls unzurreichend begründeten - Milderung der Strafrahmen nach §§ 21, 49 StGB bei den Diebstahlstaten zu kurzfristigen Freiheitsstrafen nach § 47 StGB und bei den Betäubungsmitteldelikten zu Einzelstrafen von immerhin jeweils 6 Monaten und überdies zur Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung der Gesamtstrafe geführt haben. Bei den Strafzumessungserwägungen zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln hat es das Berufungsgericht überdies versäumt, Ausführungen zum Wirkstoffgehalt des jeweiligen Rauschgiftes zu machen. Solche waren hier unerlässlich. Nach herrschender Meinung (z.B. BGH NJW 1992, 380; StV 2000, 213; StV 201, 461; OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.11.2004 - 1 Ss 253/04 -; Urteil vom 27.02.2002 - 1 Ss 49/02 - NStZ - RR 2003, 23) sind die Menge des Rauschgifts und sein Wirkstoffgehalt - neben der Art des Betäubungsmittels und seiner Gefährlichkeit - für den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat im Rahmen der Strafzumessung maßgebend. Deshalb kann auf eine nach den Umständen des Falles mögliche, genaue Feststellung der Wirkstoffmenge für eine sachgerechte, schuldangemessene Festsetzung der Strafen im Betäubungsmittelstrafrecht grundsätzlich nicht verzichtet werden (so z. B. BGH StV a. a. O.; NStZ 1996, 498/499). Soweit konkrete Feststellungen nicht getroffen werden können, muss das Tatgericht unter Berücksichtigung der übrigen festgestellten Umstände und des Grundsatzes "in dubio pro reo" die Wirkstoffkonzentration bestimmen (vgl. Körner BtMG 5. Aufl. Rdnrn. 97 und 108 zu § 129

a). Von genauen Feststellungen darf ausnahmsweise abgesehen werden, wenn ausgeschlossen ist, dass diese das Strafmaß zu Gunsten des Angeklagten beeinflussen können (z. B. BGH NStZ 1990, 395). Das ist z.B. dann der Fall, wenn lediglich die Mindeststrafe verhängt wird (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.03.2004 - 2 Ss 39/04 -). Ein solcher Ausnahmefall war hier nicht gegeben."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Nach Zurückverweisung wird das Berufungsgericht über den Schuldspruch wegen der Taten hinsichtlich des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie über den gesamten Strafausspruch neu zu befinden haben. Dabei werden auch die Einzelstrafen wegen Diebstahls neu zu bilden sein, obwohl das Amtsgericht hierzu keine Entscheidung getroffen hatte. Es hat lediglich ausgeführt, dass kurze Freiheitsstrafen im Sinne des § 47 StGB zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich seien. Das Verschlechterungsverbot des § 331 StPO steht dem nicht entgegen. Bildet das Gericht nämlich lediglich eine Gesamtstrafe, ohne Einzelstrafen festzusetzen, so fehlt es insoweit gänzlich an der Festsetzung einer Rechtsfolge. Es liegt daher gar keine richterliche Entscheidung vor, deren Änderung zum Nachteil des Angeklagten möglich wäre (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.02.1993 - 1 Ss 33/93 -; OLG Frankfurt NJW 1973, 1057; Ruß in KK StPO 5. Aufl. Rdnr. 3 zu § 331; Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. Rdnr. 7 zu § 331).

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