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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.12.2008
Aktenzeichen: 2 U 272/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht Frankfurt a.M. hat auf die am 11.7.2007 eingegangene Klage hin die Beklagten durch Urteil vom 25.10.2007, den Beklagten zu 2) und 3) zugestellt am 29.10.2007, als Gesamtschuldner verurteilt, die Wohnung ..., O1 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Die auf Feststellung des Bestehens eines Mietvertrages zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 2) und 3) gerichtete Widerklage hat es abgewiesen. Die am 9.11.2007 beim Landgericht Frankfurt a.M. eingelegte Berufung der Beklagten zu 2) und 3) hat das Landgericht nach einem entsprechenden am 4.11.2008 telefonisch sowie erneut in der mündlichen Verhandlung vom 7.11.2008 erteilten Hinweis durch Urteil vom 5.12.2008 als unzulässig verworfen, da es funktionell unzuständig sei; dies sei vielmehr nach § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG das Oberlandesgericht Frankfurt a.M., da die Beklagte zu 1) unstreitig seit März 2007 bei ihrer Tante in O2 lebe. Die Beklagte zu 1) hatte die von ihr nach Ablauf der Berufungsfrist beim Landgericht eingelegte Berufung am 5.11.2008 zurückgenommen.

Mit am 17.11.2008 bei dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M. eingegangenen Schriftsatz vom 14.11.2008 haben die Beklagten zu 2) und 3) erneut Berufung eingelegt sowie begründet und zugleich Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Sie sind der Ansicht, das Landgericht sei daran gebunden, daß das Amtsgericht ausweislich des Urteilsrubrums einen Wohnsitz der Beklagten zu 1) im Inland angenommen habe. Aus diesem Grunde habe es auch durch Beschluß vom 12.11.2007 über die von der Beklagten zu 1) gegen den die beantragte Prozeßkostenhilfe verwehrenden Beschluß des Amtsgerichts vom 25.9.2007 eingelegte Beschwerde entschieden. Sie sind weiterhin der Ansicht, das Landgericht sei aufgrund der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gehalten gewesen, die frühzeitig am 9.11.2007 eingegangene Berufungsschrift bis zum Ablauf der Berufungsfrist am 29.11.2007 im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 14.11.2008 (Blatt 190 ff. der Akte) Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung (§ 517 ZPO) ist zulässig (§ 234 Abs. 1, 2, § 236 ZPO). Hierbei wird unterstellt, daß den Beklagten zu 2) und 3) bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten tatsächlich erst aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 4.11.2008 bekannt geworden ist, daß nicht das Landgericht, sondern das Oberlandesgericht das für die Entscheidung zuständige Berufungsgericht ist, so daß die Wiedereinsetzungsfrist gewahrt ist.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Beklagten zu 2) und 3) waren nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO). Denn ihr Prozeßbevollmächtigter, dessen Verschulden den Beklagten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO), hat die Fristversäumung zu vertreten.

Zu den Aufgaben des Prozeßbevollmächtigten gehört es, dafür Sorge zu tragen, daß ein fristgebundener Schriftsatz innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Demzufolge hat der Prozeßbevollmächtigte auch zu prüfen, welches das zuständige Berufungsgericht ist. Zuständig für die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt a.M. vom 25.10.2007 ist das Oberlandesgericht Frankfurt a.M., da die Beklagte zu 1) ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage durch Zustellung an sie am 26.7.2007 außerhalb des Geltungsbereichs des Gerichtsverfassungsgesetzes hatte, nämlich in O2. Zwar ergibt sich dies weder aus dem Rubrum noch aus dem Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils. Es war aber infolge der Mitteilung der Beklagten zu 1) im Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 8.8.2007 (Blatt 39 der Akte) erstinstanzlich zwischen den Parteien unstreitig. Daß sie sich anschließend gemäß dem Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 23.8.2007, den sie zur weiteren Begründung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe eingereicht hatte, doch entschlossen hatte, wieder in Deutschland zu bleiben, ändert nichts daran, daß sie ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit nicht in Deutschland hatte (vgl. auch BGH, NJW 2006, 2782 ff.). Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich in O2 in der Absicht niedergelassen, diesen Ort zum Mittelpunkt ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tätigkeit zu machen (vgl. § 7 Abs. 1 BGB; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 13, Rdnr. 4). Demzufolge ist dieser ausländische Wohnsitz der Beklagten zu 1) nach dem Gebot der Rechtsmittelklarheit auch im Berufungsverfahren zugrundezulegen. Etwas anderes behaupten im übrigen auch die Beklagten zu 2) und 3) nicht.

Daß das Landgericht durch Beschluß vom 12.11.2007 über die von der Beklagten zu 1) gegen den die beantragte Prozeßkostenhilfe verwehrenden Beschluß des Amtsgerichts vom 25.9.2007 eingelegte Beschwerde entschieden hatte, ändert an der funktionellen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für die Berufung gegen das Urteil vom 25.10.2007 nichts.

Das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zu 2) und 3) ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Landgericht Frankfurt a.M. die Berufungsschrift nach ihrem Eingang am 9.11.2007 im ordentlichen Geschäftsgang bis zum Ablauf der Berufungsfrist am 29.11.2007 noch hätte zum Oberlandesgericht weiterleiten können. Hierbei kann dahinstehen, ob wegen der gebotenen fairen Verfahrensgestaltung eine dahingehende Pflicht eines unzuständigen Gerichts besteht (vgl. BVerfG 1995 - 06 - 20, 1 BvR 166/93). Dem Landgericht war aus dem Urteil des Amtsgerichts nicht erkennbar, daß eine der Parteien ihren Wohnsitz zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit nicht im Inland hatte. Dies ergab sich vielmehr wie dargelegt allein aus dem Inhalt der Akte im übrigen. Diese lagen bei Eingang der Berufung nicht vor. Überdies würde eine Pflicht des angerufenen unzuständigen Gerichts, die Akten auf Anhaltspunkte für seine eigene Unzuständigkeit hin zu untersuchen, jedenfalls über seine etwaigen Pflichten zu einer fairen Verfahrensgestaltung hinausgehen.

Ende der Entscheidung

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