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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: 2 UF 175/05
Rechtsgebiete: EGBGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB § 14
EGBGB § 17
ZPO § 114
Zu den Voraussetzungen einer Scheidung nach türkischem Recht.
Gründe:

Die Parteien, die beide türkische Staatsangehörige sind, haben am 24.12.1991 in O1 (Republik Türkei) miteinander die Ehe geschlossen. Aus ihrer Ehe sind die beiden körperbehinderten 9 Jahre alten Söhne X und Y, beide geboren am ..., hervorgegangen, die nach dem Auszug des Antragstellers aus der Ehewohnung im Mai 1999 in der alleinigen Obhut der Mutter verblieben sind. Bereits im Jahr 1999 hatte der Antragsteller die Scheidung der Ehe beantragt (Az. 541 F 2713/99), dann jedoch seinen Antrag, wie er vorträgt, wegen "emotionaler Betroffenheit" der Antragsgegnerin zurückgenommen.

Er hat nunmehr erneut die Scheidung der Ehe, und zwar gestützt auf Art. 166 Abs. 1 des türkischen Zivilgesetzbuches, beantragt.

Die Antragsgegnerin hat die Zurückweisung des Scheidungsantrags beantragt und der Ehescheidung nach Art. 166 Abs. 2 des türkischen Zivilgesetzbuches widersprochen.

Mit Urteil vom 02.03.2005 hat das Amtsgericht Kassel den Scheidungsantrag des Antragstellers unter Anwendung des Art. 166 des türkischen Zivilgesetzbuches zurückgewiesen, weil den Antragsteller das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung treffe und der Widerspruch der Antragsgegnerin nicht rechtsmissbräuchlich sei.

Hiergegen will der Antragsteller Berufung einlegen, für die er fristgerecht Prozesskostenhilfe beantragt.

Der Antragsteller trägt vor, dass seine Ehe mit der Antragsgegnerin "wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten und unterschiedlicher Lebensentwürfe" derart zerrüttet sei, dass eine gemeinsame Lebensführung für beide Eheleute nicht mehr vorstellbar sei. Ihn treffe kein überwiegendes Verschulden an der Zerrüttung, da er die Trennung herbeigeführt habe wegen "häufigen Streites über Alltagsprobleme" und weil "die Antragsgegnerin ihm gegenüber keine Freundlichkeit und schon gar keine Liebesbeziehung mehr" erbracht habe. Er sei daher ausgezogen, um der restlichen Familie die Familienwohnung zu überlassen. Der Widerspruch der Antragsgegnerin sei rechtsmissbräuchlich, da sie zwar an der Ehe festhalte, aber auch gegenüber Dritten erklärt habe, dass sie ein Zusammenleben mit dem Antragsteller ablehne, wofür er Zeugenbeweis anbieten will.

Dem Antragsteller ist die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für eine Berufung gegen das seinen Scheidungsantrag zurückweisende Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 02.03.2005 zu versagen, weil diese Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).

Denn das Familiengericht hat unter Anwendung türkischen Scheidungsrechtes (gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB) den Scheidungsantrag des Antragstellers, der allein auf Art. 166 des türkischen Zivilgesetzbuches gestützt ist, zu Recht nach dieser Vorschrift zurückgewiesen, da die Antragsgegnerin nach Art. 166 Abs. 2 des türkischen Zivilgesetzbuches der Scheidung widersprochen hat und auch weiterhin widerspricht. Bei dieser Sachlage wäre es nämlich Voraussetzung für die vom Antragsteller begehrte Scheidung nach Art. 166 Abs. 1 des türkischen Zivilgesetzbuches, dass der widersprechenden Antragsgegnerin zumindest ein geringes Verschulden an der Zerrüttung der Ehe angelastet werden kann (vgl. OLG Hamm FamRZ 2000, 1577, zu Art. 134 a. F. des türkischen Zivilgesetzbuches, der wortgleich dem jetzigen Art. 166 des türkischen Zivilgesetzbuches entspricht). Der diesbezügliche Vortrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe ihm gegenüber "keine Freundlichkeit" und "keine Liebesbeziehung" gegenüber erbracht, ist zu formelhaft und pauschal und wenig substantiiert, um ein auch nur geringes Verschulden der Antragsgegnerin an der Zerrüttung der Ehe belegen zu können. Letzteres ist jedoch nach der auch von der deutschen Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm a.a.O.) geteilten höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Türkei Voraussetzung für eine Zerrüttungsscheidung nach Art. 166 Abs. 1 des türkischen Zivilgesetzbuches, wenn der andere Ehegatte der Scheidung nach Art. 166 Abs. 2 des türkischen Zivilgesetzbuches widerspricht, da bei einem Widerspruch gegen die Scheidung verschuldensunabhängige Zerrüttungsursachen nicht akzeptiert werden (vgl. Odendahl FamRZ 2000, 442, 443) und daher von einem Alleinverschulden des klagenden Ehegatten auszugehen ist, wenn ein auch nur geringes Verschulden der widersprechenden Antragsgegnerin nicht festzustellen ist (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Selbst wenn man dem nicht folgt, ergibt sich das überwiegende Verschulden des Antragstellers aus der Tatsache, dass er die Trennung herbeigeführt hat, ohne dass er substantiiert vorgetragen hätte, dass die Antragsgegnerin ihm ausreichende Veranlassung für seinen Auszug gegeben hätte.

Bei dieser Sachlage scheitert daher der auf den Zerrüttungstatbestand nach Art. 166 Abs. 1 des türkischen Zivilgesetzbuches gestützte Scheidungsantrag des Antragstellers am Widerspruch der Antragsgegnerin, da diese nach dem Vortrag des Antragstellers auch nicht im Sinne des Art. 166 Abs. 2 S. 2 des türkischen Zivilgesetzbuches als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Von einem Rechtsmissbrauch des Scheidungswiderspruches ist nämlich nur in Ausnahmefällen auszugehen (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 1993, 329, 330; OLG Hamm FamRZ 1995, 934, 935). Gründe für die Annahme eines derartigen Ausnahmefalles, in dem der Antragsgegnerin ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der gescheiterten Ehe nicht zusteht, hat der Antragsteller nicht dargetan. Allein die Zerrüttung der Ehe und die Dauer der jetzt sechsjährigen Trennung lässt diesen Widerspruch der Antragsgegnerin nicht als rechtsmissbräuchlich erscheinen. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Antragsgegnerin nach wie vor bereit wäre, mit dem Antragsteller zusammenzuleben (vgl. OLG Hamm FamRZ 2000, 959). Vielmehr ist es als ausreichend anzusehen, wenn die Antragsgegnerin zur Rechtfertigung ihres Widerspruchs auf die Bedeutung der Ehe für die gemeinsamen körperbehinderten Söhne verweist. Jedenfalls sind Anhaltspunkte dafür, dass dieser Widerspruch nur erfolgt, um den Antragsteller böswillig an dem formalen Eheband festzuhalten, nicht ersichtlich und nicht nachhaltig vom Antragsteller vorgetragen.

Aus diesem Grund ist ihm die nachgesuchte Prozesskostenhilfe für seine in Aussicht genommene Berufung gegen das seinen Scheidungsantrag zurückweisende Urteil des Amtsgerichts Kassel zu versagen.

Ihm bleibt lediglich die Möglichkeit, die Dreijahresfrist nach Art. 66 Abs. 4 des türkischen Zivilgesetzbuches abzuwarten, um dann erneut die Scheidung der Ehe zu beantragen.

Ende der Entscheidung

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