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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 27.02.2003
Aktenzeichen: 2 W 2/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 185
Zu den zumutbaren Anforderungen an den Kläger zur Ermittlung einer zustellungsfähigen Adresse des Beklagten vor Bewilligung der öffentlichen Zustellung der Klageschrift.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

2 W 2/03

Verkündet am 27.02.2003

In dem Rechtsstreit

...

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin vom 19. Dezember 2002 wird der Beschluss des Landgerichts Gießen vom 03. Dezember 2002 aufgehoben.

Gründe:

Die Klägerin beantragte am 04.05.2000 gegen den Beklagten einen Mahnbescheid in Höhe von DM 39.420,88 (Bl. 2 d.A.). Dieser Mahnbescheid wurde dem Beklagten unter seiner damaligen Adresse am 10.05.2000 (Bl. 4 d.A.) zugestellt.

Hiergegen legte er am Folgetag, am 11.05.2000 Widerspruch ein (Bl. 5 d.A.).

Die Klägerin erhob daraufhin mit Schriftsatz vom 14.12.2001 Klage gegen den Beklagten (Bl. 6 d.A.). Mit Zustellungsurkunde vom 09.02.2002 wurde versucht, die Klage an der bisherigen Adresse des Beklagten zuzustellen.

Eine Zustellung war jedoch mit dem Hinweis "Empfänger unbekannt verzogen" (Bl. 43 Rs d.A.) nicht möglich. Daraufhin versuchte die Klägerin mit Zustellungsurkunde vom 23.02.2002 nunmehr an einer neuen Adresse die Zustellung zu bewirken.

Auch hier war die Zustellung nicht möglich, da es hieß, Empfänger sei unbekannt verzogen (Bl. 44 Rs d.A.). Die Klägerin hatte bereits am 27.11.2001 eine Melderegisterauskunft eingeholt (Bl. 49 d.A.), aus der hervorgeht, dass der Beklagte nach unbekannt verzogen sei und dass er von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden sei. Mit Schriftsatz vom 13.06.2002 beantragte sie die öffentliche Zustellung (Bl. 52 d.A.).

Das Landgericht wies mit Schreiben vom 19.06.2002 darauf hin, dass eine öffentliche Zustellung gemäß § 185 Nr. 1 ZPO derzeit nicht möglich sei, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen würden (Bl. 54 d.A.). Mit Schriftsatz vom 27.11.2002 legte die Klägerin unter anderem eine eidesstattliche Versicherung ihrer Mitarbeiterin vor, aus der sich ergab, dass diese beim Einwohnermeldeamt in H. nachgefragt hatte, weshalb der Beklagte als unter Abmeldung nach unbekannt verzogen angegeben worden sei. Sie erklärte, der ehemalige Vermieter des Beklagten habe dies veranlasst. Sie wies ferner darauf hin, dass der Beklagte sich bereits früher in ähnlicher Weise seinen Gläubigern entzogen habe.

Mit Beschluss vom 03.12.2002 lehnte das Landgericht den Antrag auf öffentliche Zustellung ab (Bl. 62 - 63 d.A.).

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin vom 19.12.2002 ist zulässig, sie hat im Ergebnis auch Erfolg.

Es ist zwar allgemein anerkannt, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung durchweg hohen Anforderungen unterliegt (so Stöber bei Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002, Anm. 2 zu § 185; so auch Hartmann bei Baumbach, ZPO, 61. Aufl. 2003, Anm. 5 zu § 185; so auch BGH in VersR 1987, S. 986 ff.). Allerdings dürfen die Anforderungen nicht in unzumutbarer Weise überzogen werden (s. Stöber, a.a.O., Anm. 2 zu § 185; BGH a.a.O., S. 986). Vorliegend hat die Klägerin allen an sie zu stellenden Anforderungen nachzuforschen, wo sich der Aufenthalt des Zustellungsempfängers befindet, genügt. Sie hat nicht nur mehrere vergebliche Zustellungsversuche an unterschiedlichen Stellen veranlasst. Sie hat zudem auch noch beim Einwohnermeldeamt nachgefragt und mitgeteilt bekommen (siehe eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin), dass der Beklagte auf Antrag seines ehemaligen Vermieters abgemeldet worden ist. Er sei nach unbekannt verzogen.

Vorliegend kommt erschwerend hinzu, dass der Beklagte bereits durch den Mahnbescheid, der ihm zugestellt worden war und gegen den er form- und fristgerecht Widerspruch eingelegt hatte, wusste, dass die Klägerin ihn bezüglich einer Forderung in Höhe von DM 39.420,88 in Anspruch nehmen wolle. Er hat somit mit einer Zustellung einer Klage rechnen müssen. In einem solchen Fall geht es jedoch nicht an, dass sich ein Schuldner, der weiß, dass Forderungen gegen ihn gerichtlich geltend gemacht werden, der Zustellung dadurch entzieht, dass er ohne sich abzumelden nach unbekannt verzieht. In einem solchen Fall ist das Interesse des Gläubigers an einer öffentlichen Zustellung höher zu bewerten als der Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 GG. Außerdem steht es dem Beklagten frei, wenn die Voraussetzungen vorliegen, nach erfolgter öffentlicher Zustellung und Kenntnis davon, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen.

Nachdem die Klägerin alles ihr Zumutbare unternommen hat, um den Aufenthalt des Zustellungsempfängers zu ermitteln, ist vorliegend die öffentliche Zustellung zu veranlassen, § 567 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO (s. hierzu auch Kammergericht in MDR 1998, S. 124; s. auch OLG Köln in MDR 2003, S. 230).

Nachdem der Beschluss des Landgerichts aufgehoben worden ist, hat das Landgericht, wie oben dargelegt, nunmehr die öffentliche Zustellung zu veranlassen.

Ende der Entscheidung

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