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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.07.2004
Aktenzeichen: 2 W 44/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 185
ZPO § 203
Zu den Voraussetzungen einer öffentlichen Zustellung, wenn der Zustelladressat versucht, die Zustellung an ihn zu vereiteln.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 W 44/02

Verkündet am 08.07.2004

In dem Rechtsstreit

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ­ 2. Zivilsenat ­ auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 07. August 2002 (Bl. 243 d.A.) gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03. Juni 2002 (Bl. 236 d.A.), Az. 2/19 O 205/00 am 08. Juli 2004 ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert der Beschwer wird auf EUR 33.233,97 (DM 65.000,--) festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsgegner hat mit Klage vom 07. Juli 2000 vom seinerzeitigen Beklagten die Rückzahlung von DM 65.000,-- begehrt. Als Zustelladresse war die ...straße in O1 angegeben worden (s. Bl. 1 d.A.). Ausweislich Bl. 27 d.A. war die Klage durch Postzustellungsurkunde wirksam an der angegebenen Adresse zugestellt worden.

Mit Fax vom 12. September 2000 (Bl. 28 d.A.) teilte der Beklagte dem Landgericht mit persönlichem Schreiben mit, dass er in Deutschland nicht mehr polizeilich gemeldet sei. Außerdem habe er wegen der örtlichen Unzuständigkeit ein spanisches Anwaltsbüro in O2, nämlich die Anwälte A mit seiner Vertretung beauftragt. Das Landgericht hat sodann Termin bestimmt. Die Ladung an den seinerzeitigen Beklagten durch Zustellungsurkunde war nicht an der alten Adresse ...straße in O1 möglich (s. Bl. 43 d.A.). Seine Ehefrau und jetzige Alleinerbin erklärte, ihr Mann sei nach Spanien verzogen. Hiervon hat der Beklagte jedoch Kenntnis erhalten, wie sein Fax vom 27. September 2000 (Bl. 44 d.A.) zeigt. Der Kläger beantragte erneut Zustellung der Ladung zum Termin an der Adresse des Beklagten in der ...straße in O1 (Bl. 45 d.A.). Zuvor hatte der Beklagte mit Fax vom 08.11.2000 (Bl. 52 d.A.) erklärt, dass er weder in Deutschland gemeldet sei noch hier eine Wohnung besitze. Mit weiterem Fax vom 15.11.2000 (Bl. 55 d.A.) rügte er die Zuständigkeit des Gerichtes.

Mit Zustellungsurkunde vom 09. November 2000 wurde der Beklagte an der Adresse in der ...straße zum Termin am 24. November 2000 (Bl. 58 Rs. d.A.) geladen.

Am 24. November 2000 in der mündlichen Verhandlung erschien für den seinerzeitigen Beklagten niemand. Daraufhin erging auf Antrag des Klägers Versäumnisurteil (Bl. 61 d.A.). Die Zustellung des Versäumnisurteils an der Adresse in der ...straße war nicht möglich. Der entsprechende Postbeamte notierte 1. Insolvenzverfahrens eröffnet, 2. Geschäftsräume nicht besetzt (s. Bl. 65 Rs. d.A.). Auch ein erneuter Zustellversuch scheiterte mit der gleichen Begründung (s. Bl. 68 d.A.).

Mit Fax vom 02.03.2001 wandte sich der Beklagte erneut an das Landgericht und erklärte, dass er in Deutschland keine Wohnanschrift habe und bezog sich im Übrigen auf die bereits dem Gericht vorliegenden Faxe.

Eine Einwohnermeldeamtsanfrage (Bl. 94 d.A.) ergab, dass der seinerzeitige Beklagte im Melderegister nicht zu ermitteln sei.

Auf Antrag des Klägers erging sodann am 03.04.2001 durch das Landgericht ein Beschluss, mit dem die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteiles angeordnet wurde. Mit Fax vom 29.05.2001, das nicht unterschrieben war, wandte sich der Beklagte erneut an das Landgericht (Bl. 99 d.A.). Nachdem der Kläger Festsetzung der Kosten gemäß KFB beantragt hatte, wurde vom Landgericht versucht, den Kostenfestsetzungsbeschluss über das Rechtshilfeersuchen der spanischen Justizbehörden an der seinerzeitigen Adresse des Beklagten in Spanien zuzustellen (Bl. 111 ff. d.A.). Als Adresse war angegeben: " ... ". Eine Zustellung an diese Adresse war nicht möglich (s. Hülle hinter Bl. 217 d.A.).

Nachdem der Kläger ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezüglich eines Kontos des seinerzeitigen Beklagten bei der B Bank erwirkt hatte, stellte dessen Anwältin am 18.02.2002 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 24.11.2000 ein (Bl. 129 d.A.). Ferner beantragte sie Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil.

Mit Beschluss vom 25.02.2002 stellte das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 95.000,- vorläufig ein (Bl. 174 d.A.).

Mit Beschluss vom 03. Juni 2002 hat das Landgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen (Bl. 236 d.A.). Gegen den am 24.Juli 2002 mit Empfangsbekenntnis (Bl. 242 d.A.) zugestellten Beschluss hat der seinerzeitige Beklagte durch seine Prozessbevollmächtigte sofortige Beschwerde (Bl. 243 d.A.) mit Fax vom 07. August 2002 eingelegt. Der Beklagte hat unter Berufung auf § 341 Abs. 2 ZPO moniert, dass der Beschluss vom 03.06.2002 aus formalen Gründen aufzuheben sei, da der Einspruch gegen das Versäumnisurteil durch Urteil hätte ergehen müssen. Im Übrigen hat er die Ansicht vertreten, dass die öffentliche Zustellung vorliegend zu Unrecht erfolgt sei, da dem Landgericht mitgeteilt worden sei, dass der Beklagte in Deutschland keinen Wohnsitz habe und außerdem die zustellungsfähige Anschrift in Spanien bekannt gegeben worden sei. Somit sei der Aufenthalt des Beklagten bekannt gewesen. Eine öffentliche Zustellung sei aber nur zulässig, wenn dessen Aufenthalt unbekannt gewesen wäre.

Schließlich hat er die Ansicht vertreten, dass wegen seines Wohnsitzes in Spanien das Landgericht Frankfurt am Main örtlich unzuständig gewesen sei. Mit Beschluss vom 13. November 2002 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde des Beklagten nicht abgeholfen (Bl. 255 d.A.).

Der Senat hat mit Beschluss vom 27. Dezember 2002 gemäß § 246 ZPO wegen des Todes des Beklagten das Verfahren ausgesetzt. Zunächst hat auf Anforderung hin die Beklagtenvertreterin einen gemeinschaftlichen Erbschein hinter dem am 09. November 2002 verstorbenen Beklagten eingereicht. Danach waren seine Ehefrau und seine beiden Kinder ... C und ... C Erben je zu 1/3 geworden (Bl. 269 d.A.).

Nachdem ein jüngeres Testament des Erblassers aufgefunden worden war, in dem die Ehefrau zur Alleinerbin eingesetzt worden war, wurde der Erbschein vom 16. Mai 2003 (Bl. 269 d.A.) eingezogen und die Ehefrau des Beklagten mit Erbschein vom 01. Oktober 2003 (Bl. 287 d.A.) als Alleinerbin ausgewiesen.

Die Erbin hat nach Zustellung und Prüfung eines Ausschlussverzeichnisses am 14.04.2004 die Annahme der Erbschaft angefochten (Bl. 302 d.A.). Hierüber ist bisher noch nicht entschieden worden. Sie hat außerdem mit Schriftsatz vom 25.06.2004 beantragt, ihr die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass des am 09.11.2002 verstorbenen Beklagten gemäß § 780 ZPO vorzubehalten.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Zwar hat das Landgericht in seiner Entscheidung vom 03. Juni 2002 (Bl. 236 d.A.) entgegen der Vorschrift des § 341 Abs. 2 ZPO anstelle durch Urteil gemäß Beschluss erkannt. Doch hat zutreffenderweise die Beklagte hiergegen statt Berufung sofortige Beschwerde eingelegt. Aufgrund des sogenannten Meistbegünstigungsgrundsatzes durfte sie gegen die Entscheidung des Landgerichts mit der sofortigen Beschwerde vorgehen.

Allerdings hat der Senat nunmehr seinerseits durch Urteil darüber zu entscheiden. Das Rechtsmittelgericht ist gehalten in derjenigen Form zu entscheiden, die einer korrekten erstinstanzlichen Verfahrensweise entsprochen hätte, vorliegend also durch Urteil (LAG Köln in MDR 2003, S. 953; so auch BGHZ 21, 142 (147)).

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 03. Juni 2002 hat zutreffend erkannt, dass der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 18. Februar 2002 verfristet erfolgt war. Die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil beträgt gemäß § 339 Abs. 1 ZPO zwei Wochen. Sie ist eine Notfrist und begann vorliegend mit der Zustellung des Versäumnisurteils.

Das Versäumnisurteil gegen das sich der Einspruch richtet, wurde am 14. Mai 2001 im Wege der öffentlichen Zustellung gemäß § 203 ZPO zugestellt. Das Landgericht hatte die Einspruchsfrist mit Beschluss vom 03. April 2001 auf vier Wochen festgesetzt (§ 339 Abs. 2 ZPO). Damit lief die Frist am 12.Juni 2001 ab, wie das Landgericht in seinem Beschluss vom 03. Juni 2002 zutreffend ausgeführt hat.

Unstreitig ist die sofortige Beschwerde jedoch erst am 18.02.2002 und damit verfristet eingelegt worden.

Gleichfalls zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass die öffentliche Zustellung rechtswirksam erfolgt war.

Der Kläger hatte mit Klage vom 07.07.2000 als Zustellungsadresse des seinerzeitigen Beklagten des Erblassers und Ehemannes der jetzigen Beklagten die ...straße in O1 angegeben (Bl. 1 d.A.). An dieser Adresse war die Klage auch wirksam zugestellt worden, wie sich aus der Zustellungsurkunde vom 25. August 2000 (Bl. 27 d.A.) ergibt. Hiervon hat der seinerzeitige Beklagte auch Kenntnis erhalten, wie sein Fax vom 12. September 2000 (Bl. 28 d.A.)zeigt . Entgegen seiner Angaben in dem Fax vom 12. September 2000 hatte der Beklagte jedoch mit Fax vom 03. November 2000 gegenüber der D ...bank als Adresse die ...straße in O1 angegeben (Bl. 50 d.A.). Ferner hat er als Adresse angegeben: ... , E-... O3-O2. Auch an dieser Adresse war jedoch eine Zustellung nicht möglich. Deshalb war die öffentliche Zustellung (§ 203 a.F., § 185 ZPO n.F.) vorliegend zu Recht veranlasst worden. Der Aufenthaltsort des Beklagten war unbekannt und der Versuch einer Zustellung im Ausland war ohne Erfolg geblieben. Der Regelungszweck der öffentlichen Zustellung geht dahin, im Interesse der Rechtssicherheit die Zustellung gegenüber einer Partei, vorliegend dem früheren Beklagten, zu ermöglichen, nachdem dieser sich freiwillig aus seinem bisherigen Lebenskreis entfernt hatte, ohne dass er dafür gesorgt hatte, dass sein neuer Aufenthaltsort bekannt geworden war. Er hatte, wie bereits dargelegt, noch als Zustellungsadresse gegenüber der D ...bank die ...straße als Zustellungsadresse angegeben und gegenüber dem Einwohnermeldeamt seine neue Anschrift nicht mitgeteilt. Hinzu kommt, dass er vorliegend Kenntnis vom Verfahren, vom Aktenzeichen und von der Tatsache, dass ein Versäumnisurteil gegen ihn erlassen worden war, erhalten hatte. Insoweit wird auf die Begründung im angegriffenen Beschluss des Landgerichts vom 03. Juni 2002 (Bl. 236 ff. d.A.) vollinhaltlich Bezug genommen. Wenn aber wie vorliegend der ehemalige Beklagte versucht, Zustellungen gegen sich zu unterlaufen, dann ist gemäß §§ 203 ZPO a.F., 185 ZPO n.F. im Interesse der Rechtssicherheit die öffentliche Zustellung gegen ihn das einzig gebotene Mittel. Andernfalls würde Schuldnern, die sich einer Zustellung zu entziehen versuchen, Tür und Tor geöffnet werden. Da der frühere Beklagte Kenntnis vom Erlass eines Versäumnisurteils hatte, hat er die Einspruchsfrist schuldhaft versäumt (§ 233 ZPO). Dass er diese Kenntnis hatte zeigt der Inhalt seines Faxes vom 02.03.2001 (Bl. 79 d.A.). Hierin nimmt er auf Schreiben des Gerichts vom 18.01.2001 (Bl. 71 d.A.) Bezug. In diesem Schreiben war ausdrücklich erklärt worden, dass das Versäumnisurteil gegen ihn öffentlich zugestellt werden würde. Nachdem der Beklagte diese Kenntnis hatte, ist sein Berufen auf das Fehlen einer formalen Zustellung treuwidrig. Dies muss die nunmehrige Alleinerbin und jetzige Beklagte gegen sich gelten lassen.

Nachdem das Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist, hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 97 ZPO).

Der Beschwerdewert wurde gemäß § 3 ZPO auf das Interesse der Beklagten am vorliegenden Verfahren festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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