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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 03.03.2006
Aktenzeichen: 2 W 64/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116
Zum Interesse der Allgemeinheit und des Begriffs der "Kleingläubiger", deren Betroffenheit zur Bejahung des allgemeinen Interesses führen kann
Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zwar zulässig (§§ 567, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO). In der Sache hat sie indessen keinen Erfolg, da das Landgericht ihm zu Recht mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 116 ZPO die beantragte Prozesskostenhilfe versagt hat.

I.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, findet die Regelung des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO bereits deswegen keine Anwendung, weil die Liquidatoren des Antragstellers keine Parteien kraft Amtes sind (BFH, BFH/NV 95, 332). Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass einer der Liquidatoren nach §§ 48, 29 BGB vom Amtsgericht bestellt worden ist. Durch die Bestellung wird der Liquidator nicht zur Partei kraft Amtes. Denn hierdurch erlangt er lediglich die Stellung des fehlenden Liquidators.

II.

Das Landgericht hat auch zu Recht die Anwendung des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO mit der Begründung verneint, der Antragsteller habe nicht dargelegt, dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwider liefe. Umstände dafür, dass diese Voraussetzung gegeben sei, sind nicht ersichtlich.

Ein solches Interesse liegt im Allgemeinen vor, wenn die Entscheidung einen größeren Kreis der Bevölkerung oder auch des Wirtschaftsleben ansprechen und soziale Wirkungen nach sich ziehen kann, wenn die Existenz der juristischen Person von der Durchführung des Prozesses abhängig ist und von dessen Ausgang das Schicksal einer größeren Anzahl von Angestellten abhängt, wenn die juristische Person ohne Durchführung des Prozesses gehindert ist, Aufgaben zu erfüllen, die der Allgemeinheit dienen, oder wenn eine Vielzahl von Kleingläubigern betroffen ist (vgl. BGH NJW 91, 703; BGH NJW 86, 2098; BFH, BFH/NV 98, 493; BFH, BFH/NV 95, 332; BFH, BFH/NV 95, 333; BFH Rpfl. 93, 290; Musielak/Fischer, 4. Aufl., § 116 ZPO, Rdnr. 17; Zöller/Philippi, 25. Aufl., § 116 ZPO, Rdnr. 14 f.). Keiner dieser oder ihnen vergleichbaren Fälle ist hier indessen gegeben.

Davon, dass die Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder auch des Wirtschaftslebens ansprechen könnte, kann angesichts des Charakters des vorliegenden Streitverhältnisses keine Rede sein. Da der Antragsteller sich in Liquidation befindet, also aufgelöst ist, und nach seinem eigenen Vortrag nicht beabsichtigt, seinen Betrieb wieder aufzunehmen, kann von der Durchführung des Verfahrens weder die Existenz des Antragstellers, noch das Schicksal seiner Angestellten abhängen, weil bereits die Liquidation im Regelfall zum Wegfall der Arbeitsplätze führt (BFH Rpfl. 93, 290). Schon aus diesem Grund kann der Antragsteller auch keine Aufgaben mehr erfüllen, die der Allgemeinheit dienen, wobei im Übrigen ohnehin nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieses Kriterium nach dem von ihm verfolgten Vereinszweck zu bejahen gewesen wäre.

Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass ein allgemeines Interesse an der beabsichtigten Rechtsverfolgung darin zu sehen sei, dass die Realisierung der Forderung zur Befriedigung einer Vielzahl von Kleingläubigern führen würde. Nach der von ihm vorgelegten Forderungsaufstellung handelt es sich um 22 Gläubiger. Bei dieser Anzahl kann noch nicht von einer "Vielzahl" von Gläubigern ausgegangen werden. Der BGH hat in NJW 1991, 703 "auch schon" bei der Größenordnung von 27 Gläubigern eine "Vielzahl" angenommen, woraus sich folgern lässt, dass eine Anzahl von 22 Gläubigern, wie sie sich aus der Liste des Antragstellers ergibt, dieses Kriterium noch nicht erfüllt. Im Übrigen liegt die Zahl der "Kleingläubiger" auch noch darunter:

Soweit bezüglich einer Vielzahl von "Kleingläubigern" das Interesse der Allgemeinheit an der Rechtsverfolgung bejaht wird, beruht dies auf sozialen Erwägungen.

Dem allgemeinen Interesse läuft es grundsätzlich nicht zuwider, wenn einzelne Gläubiger des Antragstellers mit ihren Forderungen ausfallen. Das geschäftliche Risiko trägt grundsätzlich jeder Gläubiger selbst. Dies ist die Kehrseite der Verdienstchancen, die sich der Gläubiger aus dem Geschäft mit dem Antragsteller errechnete. Das Interesse der Allgemeinheit wird aufgrund sozialer Auswirkungen erst dann berührt, wenn eine Vielzahl von Kleingläubigern Gefahr läuft, leer auszugehen (BFH Rpfl. 93, 290). So ist z. B. die Tatsache der Hingabe vergleichsweise geringer Darlehensbeträge regelmäßig der Ausdruck begrenzter wirtschaftlicher Finanzkraft der Darlehensgeber (BFH, a.a.O.). Hieraus folgt, dass für die Qualifikation des Gläubigers als "Kleingläubiger" allein die Höhe seiner Forderung - mag sie auch gering sein - nicht maßgeblich ist. So kann auch ein in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht gesundes Großunternehmen, das eine geringfügige Forderung gegen den Antragsteller besitzt, nicht als "Kleingläubiger" angesehen werden, da es des sozialen Schutzes unter dem Gesichtspunkt des Interesses der Allgemeinheit im Sinne von § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht bedarf. Ähnliches gilt für finanzstarke Anstalten des öffentlichen Rechts oder vergleichbarer Institutionen.

Daraus ergibt sich, dass von den in der von dem Antragsteller vorgelegten Liste angeführten Gläubigern jedenfalls die A, die B, die C, das ...., die Gemeinde O1, die D und die E unter den maßgeblichen sozialen Gesichtspunkten nicht als "Kleingläubiger" angesehen werden können.

Damit schrumpft die Zahl der Kleingläubiger zumindest auf 15 zusammen, so dass von deren Vielzahl erst Recht nicht die Rede sein kann.

Schließlich lässt sich ein Interesse der Allgemeinheit an der Rechtsverfolgung auch nicht damit begründen, dass der Anspruch auf einen vom Antragsgegner möglicherweise erfüllten Straftatbestand (Diebstahl/Unterschlagung) gestützt wird. Denn ein allgemeines öffentliches Interesse daran, einen nach Angaben des Antragstellers potentiellen Straftäter heranzuziehen, kann im Klageverfahren des Antragstellers nicht verfolgt werden (BFH Rpfl. 93, 290).

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 22 Abs. 1 GKG i. V. m. KV 1811). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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