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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: 2 W 72/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 535
Zur Wirksamkeit eines Mietvertrags trotz fehlender Vereinbarung über die Miethöhe
Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zwar zulässig (§§ 567 Abs. 1, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO). In der Sache hat sie indessen keinen Erfolg, da das Landgericht dem Antragsteller die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussicht seine Rechtsverfolgung versagt hat (§ 114 ZPO).

Der Antragsteller begründet seinen Regressanspruch gegen den Antragsgegner damit, dass dieser es unterlassen habe, gegen das im Vorprozess 2 O 446/99 LG Gießen gegen ihn ergangene Versäumnisurteil fristgerecht Einspruch einzulegen, und er bei Fortsetzung jenes Verfahrens obsiegt hätte, da die dort vom Konkursverwalter als damaligem Kläger gegen ihn erhobene Klage auf Nutzungsentschädigung für das ihm von der Gemeinschuldnerin überlassene Grundstück abgewiesen worden wäre, weil Unentgeltlichkeit der Grundstücksüberlassung vereinbart worden sei.

Für die Frage, ob der Mandant den Vorprozess bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung gewonnen hätte, ist maßgeblich, wie jener Prozess nach Auffassung des Gerichts, das mit dem Regressanspruch befasst ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen (BGH NJW 2000, 1572, 1573). Insoweit gelten die Beweislastregeln des Vorverfahrens grundsätzlich auch für den Regressprozess (BGH, a.a.O.; BGHZ 133, 110, 111). Daraus folgt, dass der Antragsteller die Unentgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung darzulegen und zu beweisen gehabt hätte, wobei davon auszugehen ist, dass ihm bei Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens die Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten, auf die er sich im Prozesskostenhilfe-Verfahren beruft (Parteivernehmung, Zeugen Z1 und Z2) und deren er sich auch dann, wenn sie ihm seinerzeit noch nicht zur Verfügung standen, im Regressprozess bedienen kann (BGH NJW 96, 2501).

In rechtlicher Hinsicht ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass - entgegen der Auffassung des Konkursverwalters im Vorprozess - kein Bereicherungs-, sondern ein mietvertraglicher Anspruch in Rede steht (§ 535 BGB). Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ergibt sich aus dem Schreiben des Zeugen Z1 vom 24.12.1997 (Anlage K 3), dass er mit dem Antragsteller letztlich vereinbart hatte, die Immobilie an ihn zu vermieten (Unterstreichung nicht im Original). Dass aus diesem Schreiben nicht hervorgeht, zu welchem Mietzins dies geschehen sollte, steht der Wirksamkeit des Abschlusses eines Mietvertrags - etwa wegen Fehlens eines "essentialium negotii" - nicht entgegen. Selbst ohne jegliche Vereinbarung über den Mietzins kann ein Mietvertrag zustande kommen, sofern die Parteien sich bindend über eine entgeltliche Überlassung des Gebrauchs der Mietsache einigen. In diesem Fall gilt eine angemessene oder ortsübliche Miete als vereinbart, sei es im Wege ergänzender Vertragsauslegung, sei es entsprechend §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB (BGH NJW 97, 2671, 2672; NJW-RR 92, 517), wovon auch im Regressprozess auszugehen ist (BGH NJW 2001, 146).

Da der Kläger im Vorprozess behauptet hat, die Parteien hätten sich auf eine entgeltliche Nutzungsüberlassung der Immobilie, also auf deren Anmietung, geeinigt, oblag seinerzeit und obliegt im Regressprozess dem Antragsteller und damaligen Beklagten der Beweis dafür, dass die Unentgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung vereinbart worden ist (vgl. BGH NJW 87, 2742 zu den hier nach den vorstehenden Ausführungen entsprechend anzuwendenden §§ 611 Abs. 2 und 632 Abs. 2 BGB). Auf die Frage des Wegfalls der Bereicherung, die bei dem Antragsteller trotz Erzielung von Einnahmen aus der (Weiter-) Vermietung des Objekts an Drittunternehmen möglicherweise eingetreten ist und die sich nur bei einem Anspruch aus § 812 BGB stellt (§§ 818 Abs. 4, 819 BGB), kommt es in diesem Fall nicht an, da als Rechtsgrundlage für den im Vorprozess erhobenen Anspruch auch ein Mietvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und dem jetzigen Antragsteller nahe lag.

Soweit der Kläger im Vorprozess seinen Zahlungsanspruch gegen den Antragsteller nur auf einen Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB und nicht auch auf Miete gestützt hat, ist dies unerheblich. Die Rechtsanwendung steht grundsätzlich nicht zur Disposition der Parteien. Das Gericht ist daher an die rechtliche Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen nicht gebunden. Eine Bindung besteht nur an die Anträge der Parteien (§ 308 ZPO), nicht jedoch an die vom Kläger genannten Anspruchsgrundlagen (BAG DB 91, 549 unter B II 2 b; Musielak, 4. Aufl., § 308 ZPO, Rdnr. 15; Zöller/Greger, 25. Aufl., § 253 ZPO, Rdnr. 12).

Die vom Antragsteller nunmehr angetretenen Beweise dafür, dass ihm die Immobilie unentgeltlich zur Nutzung überlassen worden ist, rechtfertigen es nicht, die Erfolgsaussicht seiner beabsichtigten Rechtsverfolgung zu bejahen.

Bezüglich des Zeugen Z1 ergibt sich dies aus einer zulässigen vorweggenommenen Beweiswürdigung. Eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfe-Verfahren ist erlaubt, wenn die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zu Gunsten des Hilfsbedürftigen als ausgeschlossen erscheinen lässt (OLG Köln OLGR 95, 133; Zöller/Philippi, § 114 ZPO, Rdnr. 26; vgl. auch BGH NJW 88, 266, 267). Diese Voraussetzungen liegen hier bezüglich des Zeugen Z1 vor. Denn es erscheint angesichts seines bereits zitierten Schreibens vom 24.12.1997 als ausgeschlossen, dass er bei seiner Vernehmung von seiner dortigen Äußerung, er habe das streitgegenständliche Objekt an den Antragsteller vermietet, abrückt. Der Beweisantritt Z2 für die behauptete unentgeltliche Überlassung der Immobilie ist, wie das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss zutreffend ausgeführt hat, unerheblich, weil keine konkreten Beweistatsachen benannt sind. Insoweit handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Eine Vernehmung des Antragstellers als Partei nach § 447 ZPO kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner ihr widerspricht. Für eine Vernehmung des Antragstellers nach § 448 ZPO besteht mangels Vorliegens jeglichen Anfangsbeweises kein Grund.

Auch der Höhe nach begegnete der im Vorprozess geltend gemachte Anspruch keinen Bedenken. Der Kläger jenes Verfahrens hatte ihn, ausgehend von einem Bereicherungsanspruch gegen den seinerzeitigen Beklagten und jetzigen Antragsteller, nach der ortsübliche Miete berechnet, die der Antragsteller für ein solches Objekt hätte zahlen müssen, wenn ein Mietvertrag zwischen ihm und der Gemeinschuldnerin nicht zustande gekommen wäre. Hiergegen hat der Antragsteller auch in dem den Regressprozess betreffenden Prozesskostenhilfe-Verfahren keine substantiierten Einwendungen erhoben. Diese Beträge sind daher unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen von ihm auch als ortsüblicher Mietzins geschuldet, wenn, wofür nach der derzeitigen Beweislage alles spricht, zwischen den Parteien ein Mietverhältnis ohne Einigung auf einen bestimmten Mietzins zustande gekommen ist.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 22 Abs. 1 GKG i. V. m KV 1811). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

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