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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: 2 WF 73/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1361
ZPO § 114
Zur Anrechnung fiktiver Erträgnisse im Rahmen der Berechnung des Einkommens im Prozesskostenhilfeverfahren.
Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht der Klägerin für ihre Klage auf Trennungsunterhalt insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt, als ein monatlicher Unterhalt in Höhe von 267 Euro geltend gemacht wird. Wegen ihrer weitergehenden Klage, gerichtet auf insgesamt monatlich 837 Euro hat es den Antrag zurückgewiesen. Im Umfang der Bewilligung ist der Klägerin ihre Prozessbevollmächtigte beigeordnet worden, jedoch nur zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines am Sitz des Prozessgerichts zugelassenen Rechtsanwalts.

Gegen beides, nämlich die Beschränkung der bewilligten Prozesskostenhilfe auf einen Teil der Klageforderung und die kostenrechtliche Beschränkung richtet sich die Beschwerde, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 13.02.2006 mit weiterer Begründung nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Hinsichtlich der gebührenrechtlichen Beschränkung der Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten kann dies zweifelhaft sein, da die Partei gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 selbst nicht auf etwaige nicht erstattungsfähige Reisekosten in Anspruch genommen werden kann und demgemäss nicht unmittelbar beschwert ist. Indes kommt in Betracht, dass bei einer späteren Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Ratenzahlungsanordnung erfolgen kann mit der weiteren Folge, dass sie dann auch auf die weitergehenden Wahlanwaltskosten in Anspruch genommen werden könnte (§ 50 RVG). Dies kann jedoch auf sich beruhen, da in jedem Fall die Prozessbevollmächtigte selbst gegen die Beschränkung ihrer Beiordnung beschwerdebefugt wäre und ihre Beschwerde damit insoweit als im eigenen Namen eingelegt zu verstehen wäre.

In der Sache hat die Beschwerde in beiden Punkten keinen Erfolg.

Die Klägerin beanstandet, dass ihr das Amtsgericht ein fiktives Einkommen von 400 Euro monatlich zugerechnet hat und trägt dazu vor, dass ihr dies trotz der von ihr entfalteten Bemühungen in gebotenem Umfang nicht gelungen wäre. In diesem Punkt hat möglicherweise das Amtsgericht die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit der Klägerin als getrennt lebende Ehefrau überspannt. Gemäß § 1361 Abs. 2 BGB kann nach der dort anzustellenden Billigkeitsprüfung in der Regel dem getrennt lebenden Ehegatten, der bis zur Trennung in der Ehe nicht erwerbstätig war, nicht unmittelbar nach der Trennung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit angesonnen werden. Üblicherweise wird dies dahin konkretisiert, dass für den nicht erwerbstätigen unterhaltsberechtigten Ehegatten eine Schutzfrist zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zugebilligt wird, die im Regelfall auf ein Jahr bemessen wird und je nach den besonderen Umständen des Falles kürzer oder länger sein kann.

In Betracht kommt allerdings, dass der Klägerin anstelle der fiktiven Erträgnisse aus einer tatsächlich nicht ausgeübten Erwerbstätigkeit jedenfalls für die Zeit, in der sie in dem Haushalt ihrer Mutter Unterkunft gefunden hat, also bis Dezember 2005, ein fiktives Einkommen für ersparte Unterkunftskosten angerechnet wird. Zwar ist in der Regel die kostenlose Wohnungsgewährung eines nahen Angehörigen nicht als Einkommen zu bewerten, da es sich in diesen Fällen regelmäßig um eine unentgeltliche Zuwendung Dritter handelt, die nach ihrer maßgebenden Leistungsbestimmung nur dem Empfänger, nicht dem Unterhaltsgegner zukommen soll. Eine andere Beurteilung ist jedoch angezeigt, wenn es sich der Sache nach nicht um eine unentgeltliche Zuwendung, sondern um eine Vergütung für erbrachte Leistungen, insbesondere Haushaltsführung oder - wie möglicherweise hier - Pflegeleistungen handelt. Nach dem Vortrag der Klägerin hat ihre Mutter ihr für die kostenlose Unterkunft Dienstleistungen abgefordert, die sie auch erbracht hat. Danach wäre die Wohnungsgewährung nicht als Zuwendung, sondern als Entgelt zu bewerten. Dieser wäre nach den Unterhaltsgrundsätzen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit dem - bei den hier gegebenen engen Verhältnissen - Wohnkostenanteil im kleinen Selbstbehalt zu bemessen, und zwar hier in Höhe von 380 Euro monatlich (Warmmiete), da vermutlich die Klägerin in dieser Zeit auch keine Nebenkosten zu zahlen hatte.

Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Beurteilung, denn auch unter der zu ihren Gunsten getroffenen Annahme, dass sie in dem Beurteilungszeitraum keinerlei Eigeneinkünfte hatte, steht ihr voraussichtlich ein höherer Unterhalt, als im Prozesskostenhilfebeschluss zu ihren Gunsten angenommen, nicht zu.

Das Amtsgericht hat das bereinigte Nettoeinkommen des Beklagten mit 1.800 Euro monatlich angenommen. Dies ist mit Ausnahme des darin enthaltenen Betreuungsbonus für die Betreuung der drei sechzehn, dreizehn und zwölf Jahre alten Kinder in Höhe von 200 Euro (zusammen) unstreitig. Diesen Betreuungsbonus in Höhe des Höchstbetrages hält der Senat mit dem Amtsgericht für angemessen, da es sich (neben der wohl nicht mehr betreuungsbedürftigen älteren Tochter) um zwei Kinder im betreuungsbedürftigen Alter handelt, der Beklagte vollschichtig erwerbstätig ist und daneben keine konkreten Betreuungskosten geltend macht. Im Übrigen ergäbe sich auch bei einem Ansatz von nur 100 Euro Betreuungspauschale, wie von der Klägerin zugestanden, keine höhere Leistungsfähigkeit, wie noch auszuführen ist.

Der Wohnwert des vom Beklagten mit den Kindern bewohnten Hauses, in dem sich die bisherige Ehewohnung befand, ist vom Amtsgericht regelgerecht nur mit dem subjektiven Wohnwert (ersparte Miete für eine dem Einkommen entsprechende angemessene Wohnung) bewertet worden. Der höhere objektive Wohnwert des in der Wohnung zurückgelassenen Beklagten ist unter dem Gesichtspunkt der aufgedrängten Bereicherung nicht berücksichtigungsfähig. Der Beklagte kann von diesem damit verbundenen höheren Komfort die übrigen Lebensbedürfnisse nicht befriedigen. Dass, wie die Klägerin einwendet, auf Dauer das als Familienheim gedachte große Haus nach Trennung und Scheidung nicht gehalten werden kann, mag zutreffen und bedarf an dieser Stelle keiner Beurteilung. Jedenfalls für eine Übergangszeit nach der Trennung ist der Beklagte berechtigt, die frühere Ehewohnung beizubehalten und hat nicht die Obliegenheit zu einer anderweitigen Verwertung durch Veräußerung oder Vermietung. Diese Übergangsfrist ist, nachdem noch nicht einmal das Trennungsjahr abgelaufen ist, auch nicht beendet und wird auch in absehbarer noch nicht abgelaufen sein.

Zutreffend hat das Amtsgericht auch berücksichtigt, dass neben dem mit dem Kaltmietanteil im kleinen Selbstbehalt bewerteten Wohnwert für den Beklagten selbst (fiktive Miete für einen Einpersonenhaushalt) auch der Wohnbedarf für die drei Kinder gedeckt ist. Rechnet man diesen Wohnbedarf mit 20 % des Tabellenunterhalts an, ist der vom Amtsgericht angesetzte Wert von weiteren 190 Euro, insgesamt 480 Euro Wohnwert, angemessen.

Dem stehen die unstreitigen Belastungen in Höhe von rund 1.000 Euro netto monatlich gegenüber, so dass sich ein (abzugsfähiger) Fehlbedarf von 520 Euro ergibt. Die Möglichkeit, dass ein Teil dieses Defizits durch die Eigenheimzulage aufgefangen wird, ist im Beschwerdeverfahren ausgeräumt worden; ab 2006 gibt es diese Eigenheimzulage ohnehin nicht mehr. Damit verbleibt dem Beklagten als bereinigtes Nettoeinkommen ein Betrag von (1.800 - 520 =) 1.280 Euro und damit lediglich 390 Euro über dem ihm notwendigerweise verbleibenden Selbstbehalt von 890 Euro. Dieser Betrag ist entsprechend der vom Amtsgericht zutreffend vorgenommenen Mangelbedarfsberechnung anteilig auf den Bedarf der Klägerin und der drei Kinder zu verteilen. Selbst wenn man dabei zu ihren Gunsten, wie ausgeführt, nicht nur den um 400 Eigeneinkommen verminderten Bedarf, sondern den vollen Bedarf von 890 Euro in die Berechnung einstellt, verbleibt nicht mehr als der vom Amtsgericht für erfolgversprechend angenommene Betrag von 267 Euro. Hieran ändert sich auch nichts, wenn man, wie vorstehend vorbehalten, den Betreuungsbonus für die Betreuung der drei Kinder nur mit 100 Euro bemessen wollte, woraus sich dann ein um 100 Euro höherer Verfügungsbetrag ergäbe: 490 : (393 + 393 + 393 + 890 =) 2.069 = 23,68 Prozent. Dieser Vom-Hundert-Satz ihres Bedarfs von 890 Euro ergäbe 211 Euro und damit noch weniger als vom Amtsgericht für erfolgversprechend erachtet.

Auch die Beschränkung der Beiordnung auf den Betrag eines am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts erweist sich im Ergebnis als beanstandungsfrei. Nach § 121 Abs. 3 ZPO darf der Partei ein nicht beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch keine Mehrkosten entstehen. Inwieweit diese Regelung durch die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung über die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten eines am Wohnsitz der Partei, aber nicht am Sitz des Prozessgerichts residierenden Rechtsanwalts eingeschränkt werden müsste (BGH FamRZ 2003, 441), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Klägerin war zu Beginn des Verfahrens und ist jetzt wieder in dem Bezirk des Amtsgerichts Biedenkopf wohnhaft. Es bestand für sie also kein kostenrechtlich schützenswerter Grund, eine auswärtige Rechtsanwältin zu beauftragen. Zwar braucht es ein beigeordneter Rechtsanwalt nicht hinzunehmen, dass die ihm gesetzlich zustehenden Gebühren im Rahmen der Beiordnung eingeschränkt oder vermindert werden. Wenn die Prozessbevollmächtigte der Klägerin demnach nicht bereit ist, das Mandat zu den eingeschränkten Bedingungen anzunehmen, steht es ihr frei, ihre Entpflichtung zu beantragen, bevor sie gebührenpflichtige Tätigkeiten zu Lasten der Staatskasse auslöst. Insoweit stellt sich die im ihrem vermuteten Einverständnis erfolgte Beiordnung zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts als weniger beschwerend gegenüber der sonst gebotenen Ablehnung ihrer Beiordnung dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

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