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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 2 Ws 117/05
Rechtsgebiete: JVEG


Vorschriften:

JVEG § 11
Einem Angeklagten, der die Gerichtssprache nicht versteht und der sich in ihr nicht ausdrücken kann, dürfen hierdurch keine Nachteile im Vergleich zu einem sprachkundigen Angeklagten entstehen, so dass anerkannt ist, dass er in jedem Verfahrensstadium einen Dolmetscher hinzuziehen darf (BVerfG NStZ 2004, 161). Allerdings kann dies nicht zur Erstattung von Dolmetscher- und Übersetzungskosten in jeder Höhe führen, sondern hat sich danach zu richten, welche Kosten notwendig waren, um die prozessualen Rechte des Angeklagten wahrzunehmen.
Gründe:

Der Beschwerdeführer wurde dem - nicht auf freiem Fuß befindlichen - Angeklagten am 19.07.2004 zum Pflichtverteidiger bestellt. Dieser zog zu Gesprächen mit dem der deutschen Sprache nicht kundigen Angeklagten jeweils eine Dolmetscherin für die ... Sprache hinzu und machte die hierdurch entstandenen Kosten gegenüber der Staatskasse geltend. Solche Gespräche fanden u.a. am 14.10.2004, 10.12.2004, 11.01.2005, 17.02.2005, 21.04.2005 und 25.05.2005 statt. Ferner ließ der Pflichtverteidiger ein Schreiben des Angeklagten vom 03.02.2005 an ihn übersetzen. Sämtliche Kosten hierfür wurden aus der Staatskasse ersetzt.

Der Angeklagte verfasste ferner unter dem 24.02.2005 ein 17-seitiges Schreiben an den Pflichtverteidiger, der dieses mit Auftrag vom 26.02.2005 übersetzen ließ. Die diesbezügliche Rechnung der Übersetzerin vom 01.März 2005 über 501,92 € reichte er wiederum zur Erstattung ein. Mit Beschluss vom 13.04.2005 wies die Rechtspflegerin des Landgerichts Darmstadt diesen Erstattungsantrag mit der Begründung zurück, der Pflichtverteidiger habe sich den Brief des Angeklagten bei seinem nächsten Besuch übersetzen lassen können, er sei im Übrigen verpflichtet, sich selbst Aufzeichnungen zu machen. Die hiergegen eingelegte "Beschwerde" wies das Landgericht Darmstadt - in der Besetzung mit drei Richtern - mit Beschluss vom 18. Juli 2005 zurück. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 28.07.2005.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Beschwerde ist zulässig. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18.07.2005 über die Erinnerung gegen die Entscheidung vom 13.04.2005 entschieden. Hiergegen ist die Beschwerde zulässig (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG). Der - mangels Zulassung des Rechtsmittels durch das Landgericht - erforderliche Beschwerdewert von mehr als 200,-- € ist erreicht, da eine Erstattung in Höhe von 501,92 € Verweigert wurde.

Über das Rechtsmittel war in Senatsbesetzung zu entscheiden, da die angefochtene Entscheidung nicht von einem Einzelrichter erlassen wurde ( § 33 Abs. 8 S. 1 Halbsatz 2 RVG).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Einem Angeklagten, der die Gerichtssprache nicht versteht und der sich in ihr nicht ausdrücken kann, dürfen hierdurch keine Nachteile im Vergleich zu einem sprachkundigen Angeklagten entstehen, so dass anerkannt ist, dass er in jedem Verfahrensstadium einen Dolmetscher hinzuziehen darf (BVerfG NStZ 2004, 161). Allerdings kann dies nicht zur Erstattung von Dolmetscher- und Übersetzungskosten in jeder Höhe führen, sondern hat sich danach zu richten, welche Kosten notwendig waren, um die prozessualen Rechte des Angeklagten wahrzunehmen. Dabei hat sich die Frage, welche Kosten noch notwendig waren, an den Umständen des Einzelfalles zu orientieren, wobei dem Pflichtverteidiger auch ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen ist, damit er nicht Gefahr läuft, mit Dolmetscherkosten belastet zu werden. Grundsätzlich ist die Auffassung des Landgerichts, dass der Verteidiger sich die wesentlichen Fakten zum Lebenslauf und zum Tatgeschehen notieren muss und nicht ohne weiteres den Mandanten darauf verweisen kann, alles im einzelnen niederzuschreiben, wodurch dann hohe Übersetzungskosten entstehen, nicht zu beanstanden; ggf. muss der Verteidiger das betreffende Schreiben zur nächsten Besprechung mit dem Mandanten mitbringen und dort übersetzen lassen. Vorliegend war indes zu berücksichtigen, dass dem Angeklagten, der im Bundesgebiet keinen Wohnsitz und keine Bindungen hat, ein Totschlag zur Last gelegt, und dass er sich seit dem Tattag in Untersuchungshaft befand. Angesichts der Schwere des Tatvorwurfes ist daher die Entscheidung des Pflichtverteidigers, den Angeklagten seinen bisherigen Werdegang und seine Einlassung zur Sache in allen Punkten schriftlich verfassen und dieses Schriftstück sodann übersetzen zu lassen, ausnahmsweise nicht zu beanstanden, zumal nach dem Vorbringen des Pflichtverteidigers die Absicht bestand, diese Darstellung zu gegebener Zeit in der Hauptverhandlung vorzulegen. Hätte der Pflichtverteidiger das Schreiben nicht übersetzen oder gar nicht verfassen lassen, hätten die dort von dem Angeklagten niedergelegten Einzelheiten im Rahmen des nächsten Gesprächs und in der Hauptverhandlung erst im einzelnen erörtert und übersetzt werden müssen, was angesichts der Länge der Ausführungen in beiden Fällen zu deutlich erhöhtem Zeitaufwand und damit zu erheblich höheren Dolmetscherkosten geführt hätte. Die Kosten für die Übersetzung des Schreibens vom 24.02.2005 waren dem Pflichtverteidiger daher vorliegend ausnahmsweise zu erstatten.

Die Rechnung der Übersetzerin selbst ist nicht zu beanstanden, dies gilt für den Zeilensatz von 1,25 € (§ 11 Abs. 1 S. 1 JVEG) und für die dort aufgeführten Portokosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Ende der Entscheidung

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