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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.01.2006
Aktenzeichen: 20 VA 6/05
Rechtsgebiete: BGB, EGGVG, HinterlO


Vorschriften:

BGB § 232
BGB § 233
EGGVG § 23
HinterlO § 3
HinterlO § 6
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen für eine Bank, die eine Bürgschaft übernommen hat, ein Hinterlegungsgrund im Sinne der §§ 232, 233 BGB vorliegen kann.
Gründe:

Die Antragstellerin hat mit Antrag vom 23.11.2004 als Vertreterin des Herrn ... A und der Frau ... A, geborene ..., beantragt, 170,62 EUR beim Amtsgericht Gießen - Hinterlegungsstelle - zu hinterlegen. Als Hinterlegungsgrund hat die Antragstellerin angegeben: "Hinterlegung gemäß §§ 232, 233 BGB zum Zwecke der Sicherheitsleistung im Namen und für Rechnung der Hauptschuldner Herrn ... A (....) und Frau ... A (...) für Ansprüche gemäß § 4 des Mietvertrages für Wohnräume vom 18.12.2002 bezüglich der Mietsache (...). Sicherheit durch diese Hinterlegung wird Frau B (...) als Gläubiger der (angeblichen) Hauptschuld und für diese Hauptschuld geleistet". Als Empfangsberechtigte hat die Antragstellerin Frau B als Gläubigerin angegeben. Auf die Einzelheiten dieses Antrages (Bl. 1 der Beiakten Amtsgericht Gießen 22 HL 56/2004) wird Bezug genommen. Die Antragstellerin hatte dem Antrag eine Abschrift der Bürgschaft vom 03.01.2003 (Bl. 2 der Beiakten Amtsgericht Gießen 22 HL 56/04) und des von Herrn ... A und Frau ... A unterzeichneten Bürgschaftsauftrages vom 27.01.2003 nebst dazugehörigen Bedingungen für das Avalgeschäft (Bl. 3 ff der Beiakten Amtsgericht Gießen 22 HL 56/04) beigefügt. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird ebenfalls verwiesen.

Mit Verfügungen vom 09.12.2004, 04.02.2005 und 15.03.2005 (Bl. 6, 10 ff, 16 ff der Beiakten Amtsgericht Gießen 22 HL 56/04) hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht - Hinterlegungsstelle - die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass dem Antrag der Antragstellerin im Namen der Hauptschuldner, der Eheleute ... und ... A, nicht stattgegeben werden könne. Die Antragstellerin hat hierzu jeweils Stellung bezogen (vgl. die Schreiben vom 03.01.2005, 15.02.2005, 24.03.2005 und 29.03.2005, Bl. 7 ff, 12 ff, 18, 19 ff der Beiakten Amtsgericht Gießen 22 HL 56/04) und eine rechtsmittelfähige Entscheidung begehrt. Durch Beschluss vom 25.04.2005 (Bl. 23 ff Beiakten Amtsgericht Gießen 22 HL 56/04) hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht - Hinterlegungsstelle - den durch die Antragstellerin am 23.11.2004 gestellten Antrag auf Annahme einer Geldhinterlegung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der vorgelegten Bürgschaftsurkunde die Antragstellerin als Bürgin verpflichtet sei, den streitigen Betrag zum Zwecke der Sicherheitsleistung zu hinterlegen. Eine rechtliche Grundlage, wonach die Antragstellerin als Vertreterin der Hauptschuldner auftreten könne, sei nicht ersichtlich. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses vom 25.04.2005 (Bl. 23 ff Beiakten Amtsgericht Gießen 22 HL 56/04) Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 02.05.2005 (Bl. 26 ff der Beiakten Amtsgericht Gießen 22 HL 56/04) Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Diese Dienstaufsichtsbeschwerde ist durch Bescheid des Präsidenten des Amtsgerichts Gießen vom 11.07.2005 (Bl. 34 der Beiakten Amtsgericht Gießen 22 HL 56/04), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, zurückgewiesen worden.

Mit am 05.08.2005 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz vom 01.08.2005 (Bl. 1 ff d. A.) hat die Antragstellerin Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, auf dessen Begründung Bezug genommen wird. Sie hat diese Begründung mit weiterem Schriftsatz vom 01.09.2005 (Bl. 12 ff d. A.) ergänzt.

Der Antragsgegner ist dem Antrag ausweislich seiner Verfügung vom 22.08.2005 (Bl. 6 ff d. A.) entgegengetreten und beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß den §§ 3 Abs. 2 Hinterlegungsordnung, 23 ff EGGVG zulässig, denn die Antragstellerin bringt vor, die Beschwerdeentscheidung des Präsidenten des Amtsgericht sei rechtsfehlerhaft ergangen; sie sei auf Grund eigener vertraglicher Vereinbarungen zur Hinterlegung im Namen der Hauptschuldner, der Eheleute A, berechtigt.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist aber nicht begründet.

Zu Recht hat die Hinterlegungsstelle die Annahme der Hinterlegung verweigert. Damit ist auch der - die dagegen gerichtete Beschwerde zurückweisende - Bescheid des Präsidenten des Amtsgerichts Gießen vom 11.07.2005 nicht zu beanstanden.

Nach § 6 Satz 2 Nr. 1 Hinterlegungsordnung ergeht die Annahmeverfügung der Hinterlegungsstelle auf Antrag des Hinterlegers, wenn er die Tatsachen angibt, welche die Hinterlegung rechtfertigen. Vor Erlass der Annahmeanordnung hat die Hinterlegungsstelle zu prüfen, ob der Annahmeantrag die erforderlichen Angaben enthält, ob gegebenenfalls erforderliche Nachweise beigefügt sind und ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Hinterlegung vorliegen. Was letzteren Gesichtspunkt anbelangt, hat die Hinterlegungsstelle nicht den Sachverhalt zu erforschen und zu prüfen, ob nach Sachlage die Hinterlegung wirklich gerechtfertigt ist. Auszugehen ist vielmehr in der Regel von den Angaben des Hinterlegers und zu prüfen ist lediglich, ob diesen Angaben zufolge ein Hinterlegungsgrund besteht (vgl. Bülow/Schmidt, Hinterlegungsordnung, 4. Aufl., § 6 Rz. 22, vgl. auch § 6 Rz. 11). Eine Hinterlegung ist nämlich nicht beliebig zulässig. Die Hinterlegungsstelle darf nur dann eine Annahmeanordnung erlassen, wenn die Hinterlegung gerechtfertigt ist, wenn dem Hinterleger etwa eine gesetzliche Vorschrift zur Seite steht, die ihn zur Hinterlegung berechtigt oder verpflichtet (vgl. Bülow/Schmidt, a.a.O., § 6 Rz. 9).

Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Frage, wann hinterlegt werden kann, regelt ausschließlich das materielle Hinterlegungsrecht (Bülow/Schmidt, a.a.O., § 6 Rz. 1; Vorbemerkung zu § 1 Rz. 4). Ein derartiger Hinterlegungsgrund ergibt sich vorliegend nicht aus den von der Antragstellerin in Bezug genommenen §§ 232, 233 BGB. Zwar ist es zutreffend, dass diese nicht nur Anwendung finden, soweit ein Schuldner nach gesetzlichen Vorschriften verpflichtet oder befugt ist, Sicherheit zu leisten, sondern auch dann, wenn ein Gläubiger als Sicherungsnehmer und sein Schuldner oder ein Dritter als Sicherungsgeber durch Rechtsgeschäfte die Pflicht oder auch das Recht zur Sicherheitsleistung begründen (BGH NJW 1986, 1038; vgl. auch Schröter WuB I K 3. Bürgschaft 4.85; Löwe EwiR 1985, 257; Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 11. Aufl., Vor § 232 Rz. 1; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Überblick vor § 232 Rz. 1; Münchener Kommentar/Grothe, BGB, 4. Aufl., § 232 Rz. 1; Staudinger/Repgen, BGB, Stand Oktober 2003, Vorbem zu §§ 232 Rz. 4; Soergel/Fahse, BGB, 13. Aufl., Vor § 232 Rz. 1; Bülow/Schmidt, a.a.O., Vorbemerkung zu § 1 Rz. 9). Dies hat das Amtsgericht auch nicht verkannt, sondern seinen Entscheidungen zugrunde gelegt. Bei Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung wäre die Antragstellerin als Sparkasse nach der oben zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.02.1985 berechtigt, sich von ihrer Bürgschaft dadurch zu befreien, dass sie Sicherheit nicht wie üblich als Schuldnerin für ihre Bürgschaftsschuld, sondern als Dritte für die Hauptverbindlichkeit leistet. Sie muss dann die Bürgschaftsgläubigerin als Empfangsberechtigte angeben und die Hauptschuldner als Schuldner, für die die Sicherheit geleistet wird (vgl. Ziffer 2. b), 2. c) der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.02.1985 in NJW 1986, 1038).

So liegt der Fall hier aber nicht. Die Antragstellerin möchte vorliegend nicht als Dritte für eine Hauptverbindlichkeit aus dem Mietvertrag hinterlegen, sondern im Namen der Hauptschuldner, also der Mieter. Für diese Vorgehensweise bedürfte es jedenfalls der Zustimmung aller Beteiligten, also der Antragstellerin, der Hauptschuldner (= der Mieter) und der Bürgschaftsgläubigerin (= der Vermieterin), da sie im Ergebnis dazu führt, dass in das (Miet-)Vertragsverhältnis zwischen Hauptschuldner und Bürgschaftsgläubigerin eingegriffen wird. Anstelle der Bürgschaft tritt dann nämlich eine Sicherheit durch Hinterlegung. Von letzterem geht die Antragstellerin selbst ausweislich der Ausführungen in ihrem Schriftsatz vom 02.05.2005, Seite 3, aus. Der Antragstellerin fehlt hier aber bereits die Vollmacht, in der beabsichtigten Weise im Namen der Hauptschuldner vorzugehen, wie das Amtsgericht zu Recht festgestellt hat. Eine derartige Bevollmächtigung durch die Hauptschuldner kann den von der Antragstellerin vorgelegten Vereinbarungen zwischen den Beteiligten nicht entnommen werden.

Eine Bevollmächtigung ergibt sich zunächst nicht aus dem von den Hauptschuldnern unterzeichneten Bürgschaftsauftrag vom 27.01.2003. Aus Ziffer 5 der darin (vgl. Ziffer 7 des Bürgschaftsauftrags vom 27.01.2003) in Bezug genommenen Bedingungen für das Avalgeschäft ergibt sich, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, lediglich, dass die Antragstellerin als Kreditinstitut (auch) berechtigt ist, den zugesagten Betrag zu hinterlegen. Daraus alleine lässt sich eine Bevollmächtigung der Antragstellerin, eine Hinterlegung auch im Namen der Auftraggeber, also der Hauptschuldner, vorzunehmen, noch nicht entnehmen. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf die Bezugnahme auf die Bürgschaftsurkunde vom 03.01.2003 verweist, ändert dies nichts. Zwar ist es zutreffend, dass in Ziffer 5 der Bedingungen für das Avalgeschäft niedergelegt ist, dass die Antragstellerin als Kreditinstitut "im gleichen Maße, wie dies gegenüber dem Begünstigten in der Haftungszusage vereinbart ist" berechtigt sei, den zugesagten Betrag zu hinterlegen. Aus dieser bloßen Bezugnahme auf den Inhalt einer an einen anderen Vertragspartner (= die Bürgschaftsgläubigerin) gerichteten Willenserklärung der Antragstellerin lässt sich eine Bevollmächtigung durch die Hauptschuldner, in ihrem Namen tätig werden zu dürfen, nicht entnehmen. Zu Recht hat der Antragsgegner in der Verfügung vom 22.08.2005 darauf hingewiesen, dass es sich bei der in der Bürgschaftsurkunde enthaltenen Willenserklärung um ein solche der Antragstellerin gerichtet an die Bürgschaftsgläubigerin handelt. Aus der bloßen Bezugnahme ("im gleichen Maße") auf eine an einen anderen Vertragspartner gerichteten (eigenen) Erklärung der Antragstellerin in den Bedingungen für das Avalgeschäft kann noch nicht auf die Abgabe einer nun wiederum an die Antragstellerin gerichteten eigenen Willenserklärung der Hauptschuldner mit dem Inhalt geschlossen werden, in der geschehenen Weise in ihrem Namen tätig werden zu dürfen. Eine hinreichend konkrete Willenserklärung im Sinne des § 167 Abs. 1 BGB kann darin nicht gesehen werden.

Auch aus Ziffer 8 Abs. 4 der Bedingungen für das Avalgeschäft ergibt sich nichts anderweitiges. Daraus wird lediglich deutlich, dass die Vertragsbeteiligten des Bürgschaftsauftrages eine Regelung für den Fall getroffen haben, dass die Antragstellerin einen Betrag im Namen des Auftraggebers (= der Hauptschuldner) hinterlegt. Dass die Antragstellerin ohne weiteres zu einer derartigen Hinterlegung im Namen der Hauptschuldner berechtigt bzw. bevollmächtigt wäre, ergibt sich aber ansonsten aus dem Vertragswerk - dem Bürgschaftsauftrag - nicht mit hinreichender Sicherheit. So spricht Ziffer 7 Abs. 1 der Bedingungen für das Avalgeschäft, wonach die Auftraggeber (= die Hauptschuldner) der Antragstellerin alle Aufwendungen zu ersetzen haben, die im Zusammenhang mit der Ausführung des Auftrages entstehen, sogar eher dafür, dass die Vertragsbeteiligten auch eine eigene Hinterlegung der Antragstellerin ins Auge gefasst haben. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies nämlich auch, wenn das Kreditinstitut von einem Hinterlegungsrecht Gebrauch macht. Diese Vorschrift scheint dafür zu sprechen, dass die Vertragsbeteiligten eigene Aufwendungen der Antragstellerin im Zusammenhang mit einer (eigenen) Hinterlegung für möglich gehalten haben.

Dass sich aus den Unterschriften der Hauptschuldner auf der Bürgschaftsurkunden vom 03.01.2003 keine rechtsverbindliche Erklärung der Hauptschuldner ergibt, hat der Antragsgegner in seiner Verfügung vom 22.08.2005 zutreffend dargelegt. Über die bloße Quittierung des Erhalts der Originalbürgschaft geht diese Erklärung nicht hinaus. Auch der Weiterleitung der Bürgschaftsurkunde durch die Hauptschuldner an die Bürgschaftsgläubigerin kommt keine derartige rechtsgeschäftliche Bedeutung zu.

Da nach alledem aufgrund der vorgetragenen Tatsachen von einer Bevollmächtigung der Antragstellerin durch die Hauptschuldner für die Hinterlegung nicht ausgegangen werden kann, ist der Antrag mithin zurückzuweisen. Die Frage, ob durch Allgemeine Geschäftsbedingungen die selbstschuldnerische Bürgschaft im Sinne der Auffassung der Antragstellerin überhaupt in zulässiger Weise hätte gestaltet werden können (vgl. dazu etwa Schröter WuB I K 3. Bürgschaft 4.85 unter 3 b) unter Bezugnahme auf die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; Hopt/Blesch, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts-, Bank- und Transportrecht, 2. Aufl., VI.L.22.6), kann damit offen bleiben.

Die Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht fallen der Antragstellerin zur Last, § 30 Abs. 1 Satz 1 EGGVG, 130 Abs. 1 KostO.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 3 EGGVG, 30 Abs. 1 KostO.

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