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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.01.2003
Aktenzeichen: 20 W 10/03
Rechtsgebiete: FEVG


Vorschriften:

FEVG § 5
FEVG § 7
1) Der betroffene Ausländer ist auch im Beschwerdeverfahren mündlich anzuhören.

2) Die Ausländerbehörde muss das Abschiebungshaftverfahren mit der gebotenen Beschleunigung betreiben.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 10/03

In dem Freiheitsentziehungsverfahren

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Darmstadt - 26. Zivilkammer - vom 2. Januar 2003 am 30. Januar 2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, der sich seit dem 26. November 2002 in Sicherungshaft befindet, ist zulässig und hat in der Sache in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die landgerichtliche Entscheidung kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht den Betroffenen nicht mündlich angehört hat (zur Bedeutung der persönlichen mündlichen Anhörung im Abschiebungshaftverfahren vgl. BVerfG NVwZ-Beil.1996, 49 = AuAS 1996, 85 = InfAuslR 1996, 198 = ZAR 1996, 141).

Das Landgericht darf grundsätzlich nicht von der mündlichen Anhörung des betroffenen Ausländers absehen. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der §§ 5 und 7 FEVG (vgl. OLG Brandenburg NVwZ-Beil. 2000, 22). In der obergerichtlichen Rechtsprechung besteht deshalb heute Übereinstimmung dahin, dass die mündliche Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz nur ausnahmsweise unterbleiben darf, etwa, wenn mit Sicherheit auszuschließen ist, dass die erneute Anhörung neue Erkenntnisse bringt; die Nichtanhörung ist durch das Landgericht näher zu begründen (vgl. zur mündlichen Anhörung in der Beschwerdeinstanz BayObLG NVwZ 1992, 814; NVwZ 1993, 103; NVwZ-Beil. 1995, 39; OLG Dresden = InfAuslR 1995, 162; OLG Celle OLG Celle InfAuslR 2001, 346; Nds.Rpfl. 1995, 214 und in der Sache 17 W 15/01 dokumentiert bei Juris; OLG Düsseldorf NVwZ-Beil. 1996, 31 = InfAuslR 1996, 146; FGPrax 1998, 200; OLG Hamm FGPrax 1997, 77 = NVwZ-Beil. 1997, 39 LS; Kammergericht FGPrax 1998, 242; Senat 20 W 203/91 = OLGZ 1992, 171 = NVwZ 1992, 302 = InfAuslR 1992, 13; 20 W 538/95 = NVwZ-Beil. 1996, 40).

Ein Ausnahmefall, der es rechtfertigen könnte, von der nochmaligen persönlichen mündlichen richterlichen Anhörung abzusehen, liegt hier nicht vor. Nach Auffassung des Senats muss einem Betroffenen, der erst im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertreten ist, stets Gelegenheit gegeben werden, sich in Anwesenheit seines Anwalts zur Sache zu äußern (vgl. z.B. 20 W 66/02).

Im Übrigen durfte sich das Landgericht nicht ohne weiteres auf die Feststellung beschränken, dem Betroffenen sei es nicht gelungen, im Sinne des § 57 Abs. 2 Satz 3 AuslG glaubhaft zu machen, dass er sich nicht der Abschiebung entziehen werde. Das Landgericht hätte dem Betroffenen Gelegenheit zur Glaubhaftmachung geben müssen.

Schließlich kann der Senat den Akten nicht entnehmen, dass der Betroffene vor der landgerichtlichen Entscheidung über die Stellungnahme des Antragstellers vom 23. Dezember 2002 (Bl. 21 d.A.) unterrichtet wurde.

Bei seiner neuen Entscheidung wird das Landgericht auch dem Vortrag des Betroffenen im weiteren Beschwerdeverfahren nachzugehen haben, er sei verheiratet. Die Anhörung der Ehefrau durch das Gericht ist, sofern die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, zwingend vorgeschrieben (§§ 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG, 5 Abs. 3 Satz 2 FEVG) und kann nur unterbleiben, wenn die Anhörung nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist (§ 5 Abs. 3 Satz 3 FEVG). Die Anhörung hat mündlich zu erfolgen und ist ein wesentlicher Bestandteil der amtswegigen Sachaufklärung (vgl. dazu OLG Düsseldorf InfAuslR 1995, 208; Senat zuletzt in der Sache 20 W 56/02)

Das Landgericht wird auch zu prüfen haben, ob der Antragsteller das Abschiebungshaftverfahren mit der gebotenen Beschleunigung betreibt. Daran bestehen erhebliche Zweifel. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Ausländerbehörde einen Ausländer, den sie abschieben will, unverzüglich - bei Sprachproblemen mit einem Dolmetscher - in der wie hier nahegelegenen Justizvollzugsanstalt aufsuchen muss, um gemeinsam mit dem Ausländer die Passantragsformulare auszufüllen (vgl. z.B. 20 W 279/95 = FGPrax 1995, 208 = NVwZ-Beil. 1996, 7). Die Übung, die Justizvollzugsanstalt zu ersuchen, für die Ausfüllung der Formulare Sorge zutragen, reicht regelmäßig nicht aus, um dem Beschleunigungsgebot Rechnung zu tragen.

Einer vorherigen Anhörung des Antragstellers durch den Senat bedurfte es in Anbetracht der Eilbedürftigkeit der Sache, aber insbesondere auch deshalb nicht, weil eine vorherige Anhörung zu keiner anderen Entscheidung geführt hätte und der Antragsteller im weiteren Verfahren Gelegenheit zur Äußerung haben wird.

Ende der Entscheidung

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