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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.04.2002
Aktenzeichen: 20 W 134/2002
Rechtsgebiete: KostO, FGG, ZPO


Vorschriften:

KostO § 156 I 2
KostO § 156 VI
FGG § 12
FGG § 27 I 2
ZPO § 547 4
Die Anhörung aller Beteiligter nach § 156 Abs. 1 Satz 2 KostO ist eine Mussvorschrift. Im Fall der völligen Nichtbeteiligung der Kostenschuldner am landgerichtlichen Anweisungsbeschwerdeverfahren liegt ein absoluter Beschwerdegrund vor im Sinn von § 547 Nr. 5 ZPO n.F., der auf weitere Beschwerde zur Aufhebung und Zurückverweisung führt. Der absolute Beschwerdegrund ist von Amts wegen auch auf die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten zu berücksichtigen, dessen rechtliches Gehör nicht verletzt wurde.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Beschluss

20 W 134/2002

Verkündet am 22.04.2002

In der Notarkostensache

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde des Kostengläubigers gegen den Beschluss der 04. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 28.02.2002 am 22.04.2002 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Überprüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Diesem wird auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde übertragen.

Gründe:

Der Beteiligte zu 3) hat in seiner UR.-Nr. 3../2001, an der der Kostenschuldner zu 1) als Erwerber eines Wohnungseigentums beteiligt war, eine 5/10 Treuhandgebühr gemäß §§ 32, 141, 147 KostO aus einem Wert von 11.700,00 DM in Höhe von 45,00 DM berechnet (Bl. 13). In seiner UR.-Nr. 4../2001, an der die Kostenschuldner zu 2) als Grundstückskäufer beteiligt waren, hat der Beteiligte zu 3) ebenfalls eine entsprechende Treuhandgebühr aus einem Wert von 151.500,00 DM in Höhe von 175,00 DM berechnet (Bl. 28). Diese Rechnungspositionen wurden von der Dienstaufsichtsbehörde des Notars beanstandet, da nach der herrschenden Rechtsprechung, wie sie auch das Landgerichts Wiesbaden und der Senat vertreten, die Einholung von Löschungsunterlagen ohne Entwurfserstellung lediglich die auch bei Vornahme mehrerer Vollzugsgeschäfte in jeder Angelegenheit nur ein Mal entstehende Vollzugsgebühr nach § 146 Abs. 1 KostO auslöse. Neben der beanstandeten Gebühr hatte der Notar aber jeweils bereits Vollzugsgebühren nach § 146 Abs. 1 und Betreuungsgebühren nach § 147 Abs. 2 KostO berechnet. Der Notar half der Beanstandung nicht ab und beantragte gemäß § 156 Abs.5 KostO gerichtliche Entscheidung im Hinblick auf die von der herrschenden Meinung abweichende Literatur. In seiner Stellungnahme zu dem Prüfbericht der Dienstaufsichtsbehörde hatte der Notar geltend gemacht, die streitgegenständlichen Gebühren seien aufgrund seiner Beauftragung in den jeweiligen Kaufverträgen mit der Einholung der Löschungsbewilligungen bzw. im Fall der UR.-Nr. 4../2001 zusätzlich des Treuhandauftrags der N. Sparkasse entstanden. Nach Einholung der Stellungnahme der Dienstaufsicht vom 15.01.2002, für deren Inhalt auf Blatt 42,43 d. A. Bezug genommen wird, hat die Kammer die Kostenberechnungen hinsichtlich der jeweiligen streitgegenständlichen Treuhandgebühr aufgehoben, da es sich faktisch nicht um einen selbständigen Treuhandauftrag, sondern um eine bestimmte Form der Zug-um-Zug-Abwicklung des dinglich gesicherten Darlehensvertrags gehandelt habe, da die Weisung der Gläubigerin nicht über das hinaus gegangen sei , wozu der Antragsteller bei der Kaufvertragsabwicklung ohnehin gehalten gewesen sei. Gegen diesen ihm am 07.03. 2002 zugestellten Beschluss richtet sich die am 10.03.2002 bei Gericht eingegangene weitere Beschwerde des Notars, mit der er die Verletzung des § 147 Abs. 2 KostO rügt. Er trägt vor, die streitgegenständliche Gebühr nach § 147 Abs.2 KostO solle bei der jetzt üblichen Direktzahlung des Kaufpreises die im Auftrag der Gläubiger ausgeführte Treuhandaufgabe, nämlich darauf zu achten, dass die Eigentumsumschreibung erst nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises erfolgt, abgelten, wie dies früher bei Abwicklung über Notaranderkonto durch die Hebegebühr erfolgt sei. Diese Treuhandaufgabe sei rechtlich und tatsächlich von der Einholung der Löschungsbewilligungen und der Feststellung der Zahlungsreife zu sondern, da es sich um verschiedene Arbeitsgänge mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Risiken handele. Als Veranlasser hafteten die Vertragsbeteiligten, meist die Verkäufer, unmittelbar für die Treuhandgebühr.

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) ist gem. § 156 Abs. 2 Satz 2 KostO kraft Zulassung in dem Beschluss des Landgerichts statthaft und auch form-und fristgerecht eingelegt. Die erforderliche eigene Beschwer des Notars ist gegeben, da das Landgericht seine Kostenberechnung entsprechend der Beanstandung der Dienstaufsicht herabgesetzt hat. Einer Anweisung der Dienstaufsicht zur Einlegung der weiteren Beschwerde bedarf es dazu nicht (Senat, Beschluss vom 22.10.2001- 20 W 387/2001; Korintenberg/Lappe/Bengel/ Reimann: KostO. 14.Aufl., § 156, Rdnr. 76; Egon Schneider: Die Notarkosten-Beschwerde, § 29, Seite 118).

Die weitere Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, da die angefochtene Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist und vermutet werden muss, dass sie auf diesen Verfahrensfehlern beruht ( §§ 156 Abs.2 Satz 3, Abs. 4 Satz 4 KostO, 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 547 Nr. 4 ZPO n. F. i.V.m. § 26 Nr. 10 EGZPO).

Nach § 156 Abs. 1 Satz 2 KostO, der kraft der Verweisung in §156 Abs. 6 Satz 1 KostO n.F. = Abs.5 Satz 1 a.F. auch für die Anweisungsbeschwerde gilt, soll das Landgericht vor der Entscheidung die Beteiligten hören, wobei es sich, wie allgemein anerkannt, um eine Mussvorschrift handelt. Zu den Beteiligten gehören außer dem Notar und dem beschwerdeführenden Kostenschuldner auch alle sonstigen Kostenschuldner nach §§ 2 und 3 KostO oder den Vorschriften bürgerlichen Rechts (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: KostO, 14. Aufl., § 156, Rdnr. 51 und § 14 Rdnr. 101; Rohs/Wedewer: KostO, § 156 Rdnr. 36). Dabei spielt es wegen der Rechtskraftwirkung (vgl. Bengel aaO., § 156 Rdnr. 95, 96) keine Rolle, ob das Landgericht die Anweisungsbeschwerde für begründet erachtet oder nicht (OLG Oldenburg JurBüro 1997, 376). Vorliegend hat das Landgericht keinen der in Betracht kommenden Kostenschuldner am Verfahren beteiligt, nur dem Notar rechtliches Gehör zu der dienstlichen Stellungnahme der Dienstaufsicht vom 15.01. 2001 gewährt und auch nur ihm und der Dienstaufsichtsbehörde seine Entscheidung bekannt gemacht.

Die verfahrensfehlerhafte Verletzung rechtlichen Gehörs muss hier zur Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens führen, da bei völliger Versagung des rechtlichen Gehörs in der Form, dass ein (hier als Kostenschuldner) materiell Beteiligter überhaupt keine Kenntnis vom Verfahren erlangt hat, ausnahmsweise unwiderlegbar vermutet wird, dass die Entscheidung auf diesem Verfahrensverstoß beruht, weil der absolute Beschwerdegrund der mangelnden Vertretung entsprechend § 547 Nr. 4 ZPO n.F. (= § 551 Nr. 5 ZPO a.F.) anzunehmen ist (Keidel/Kunze/Winkler: FGG,14. Aufl., § 12 Rdnr. 152 und § 27, Rdnr. 40; Jansen: FGG, 2. Aufl., § 27, Rdnr. 29). Verfahrensmängel wie die Verletzung rechtlichen Gehörs sind vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu überprüfen (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., 27, Rdnr. 27), so dass es keiner entsprechenden Rüge durch den Beteiligten zu 3) bedurfte, dessen Rechte auch nicht betroffen sind. Für den hier vorliegenden Fall, dass Beteiligte überhaupt nicht zu dem Verfahren hinzugezogen worden und ihnen auch die Entscheidung nicht bekannt gemacht worden ist, kann es für die Berücksichtigung des Verfahrensfehlers auch nicht darauf ankommen, dass nicht die Kostenschuldner die weitere Beschwerde eingelegt haben. Das Argument, der Anspruch auf rechtliches Gehör sei dadurch verbraucht, dass auf die Geltendmachung durch Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet werde (so OLG Hamm Rpfleger 1973, 329; OLG Celle NJW 1965, 921), kann bei fehlender Kenntnis von der Entscheidung nicht greifen.

Nach der in den Kommentierungen von Bengel (aaO., § 156, Rdnr. 54) und Rohs/Wedewer (aaO., § 156, Rdnr. 37 und Fußnote 142) ist die Aufhebung und Zurückverweisung schon wegen der Rechtskraftwirkung der im Notarkostenbeschwerdeverfahren zu Grund und Höhe der Kosten ergehenden Entscheidungen gegenüber den nicht angehörten Beteiligten zwingend.

Die demnach gebotene Zurückverweisung gibt dem Landgericht Gelegenheit, noch weitere Verfahrensfehler zu heilen. So war es verfahrensfehlerhaft, in ein und demselben Beschluss über zwei Verfahren nach § 156 KostO zu entscheiden, nur weil die Gemeinsamkeit darin besteht, dass dieselbe gebührenrechtliche Problematik von der Dienstaufsicht beanstandet wurde. Mehrere Verfahren nach § 156 KostO, die voneinander unabhängige Beurkundungsvorgänge betreffen, an denen gänzlich unterschiedliche Kostenschuldner beteiligt sind, sind aus Gründen der Amtverschwiegenheit von Notar und Gericht getrennt zu führen und zu entscheiden (OLG Hamm JurBüro 1965, Sp. 997, 998; OLG Zweibrücken NJW-RR 2001, 31; Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., vor §§ 3-5, Rdnr. 8; Rohs/Wedewer: KostO, § 156 Rdnr. 49). Das Landgericht hat weiter übersehen, dass Grundlage jedes Verfahrens nach § 156 KostO nur eine den Anforderungen des § 154 KostO genügende Kostenberechnung sein kann, aus der sich insbesondere der in Anspruch genommene Kostenschuldner ergeben muss, einschließlich einer ausdrücklichen Zahlungsaufforderung (Bengel, aaO., § 154 Rdnr. 9, 10). Bisher befinden sich bei den Gerichtsakten nur die Kopien der Urkunden mit der Aufstellung gemäß § 154 Abs. 3 Satz 2 KostO, aus denen aber nicht zu ersehen ist, wer tatsächlich vom Notar für die einzelnen Gebühren als Kostenschuldner in Anspruch genommen wird. Die Kammer hat nach dem Akteninhalt auch nicht die betreffenden Handakten des Notars beigezogen, um den Sachverhalt diesbezüglich und zu den vorgetragenen Treuhandaufträgen des Notars aufzuklären. Schließlich fehlt bei dem vorgelegten Schriftwechsel des Notars mit der Dienstaufsichtsbehörde die eigentliche Anweisung zur Herbeiführung der gerichtlichen Entscheidung. Derartig grundlegende tatsächliche Ermittlungen und verfahrensrechtliche Maßnahmen können nicht erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgenommen werden.

Ende der Entscheidung

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