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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 20 W 139/05
Rechtsgebiete: FEVG


Vorschriften:

FEVG § 10
1. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens nach § 10 Abs. 1 und 2 FEVG ist nicht die Frage der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Haftanordnung. Deshalb kommt eine Zurückweisung des Haftantrags nicht in Betracht.

2. Gegenstand des Aufhebungsverfahrens ist die Prüfung, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung und Fortsetzung der bisher vollzogenen Haft weiterhin bestehen.

3. Die Aufhebung kann sowohl auf eine unveränderte Sachlage als auch auf neue Tatsachen gestützt werden.


Gründe:

Durch Beschluss vom 25. Januar 2005 ordnete das Amtsgericht gegen den Betroffenen für die Dauer bis 25. April 2005 Abschiebungshaft an. Es ging davon aus, dass die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 5 AufenthG vorliegen.

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 24. Februar 2005 beantragte der Betroffene, die Haftanordnung aufzuheben. Zur Begründung wies er darauf hin, dass ein Haftgrund nicht vorliege. Er habe sich vorschriftsmäßig an seiner Adresse ... aufgehalten und nicht von Amts wegen abgemeldet werden dürfen.

Durch Beschluss vom 14. März 2005 wies das Amtsgericht den Antrag des Betroffenen vom 24. Februar 2005 mit der Begründung zurück, es sei zu einer Änderung der Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 FGG, 3 Satz 2 FEVG nicht befugt.

Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt:

"Das Amtsgericht hat den Antrag des Betroffenen auf Aufhebung des Abschiebungshaftbeschlusses im Ergebnis zu Rechts zurückgewiesen. Zwar hat sich das Amtsgericht nicht zur Aufhebung berechtigt geglaubt, obwohl ihm eine Aufhebung nach § 10 FEVG grundsätzlich möglich ist. Nach § 10 Abs. 1 FEVG ist eine Entscheidung, durch die eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, vor Ablauf der nach § 9 Abs. 1 FEVG festgesetzten Frist von Amts wegen aufzuheben, wenn der Grund für die Freiheitsentziehung weggefallen ist. Solche Gründe können sein das Entfallen der Möglichkeit der Durchführung der Abschiebung, wenn sich die Abschiebung nunmehr als undurchführbar erweist oder ein beachtlicher Asylantrag gestellt wird. Die Regelung bedeutet eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 18 Abs. 2 FGG, der dem Gericht sonst die Befugnis zur Änderung seiner Verfügung abspricht, soweit sie der sofortigen Beschwerde unterliegen.

Ein solcher Aufhebungsgrund liegt jedoch nicht vor und wurde von dem Betroffenen auch nicht vorgetragen. Vielmehr beruft sich der Betroffene darauf, dass von Anfang an ein Haftgrund nicht vorgelegen habe. Dieser Gesichtspunkt kann im Aufhebungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Denn das Amtsgericht hat den Haftgrund geprüft und bejaht. Über die Begründetheit des Haftantrages hätte im weiteren Verfahren allein entschieden werden können, wenn der Betroffene von dem Rechtsmittel gegen die Haftanordnung Gebrauch gemacht hätte, was jedoch nicht geschehen ist. Gegenstand der Entscheidung nach § 10 Abs. 1 FEVG ist allein die Frage, ob die ursprüngliche Entscheidung, über deren Rechtsmäßigkeit nicht gestritten wird, für die Zukunft aufrechterhalten bleiben kann oder wegen einer Veränderung der maßgeblichen Verhältnisse aufzuheben ist (KG Berlin, OLGZ 1977, 161 ff.). Damit bleibt es bei dem Grundsatz, dass eine Abänderung einer Entscheidung, die der sofortigen Beschwerde unterliegt, nach § 18 Abs. 1, 2 FGG ausgeschlossen ist, auch nach dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 18 Rz. 13 m.w.N.)."

Die mit Schriftsatz vom 29. März 2005 gegen die landgerichtliche Entscheidung eingelegte, am selben Tag beim Landgericht eingegangene sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig und hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Zutreffend ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Haftanordnung nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 10 Abs. 1 und 2 FEVG ist und dass deshalb in diesem Verfahren eine Zurückweisung des Haftantrags nicht in Frage kommt. Insoweit beruft sich das Landgericht zu Recht auf den Beschluss des Kammergerichts vom 10. Dezember 1976 in der Sache 1 W XX B 3920/76 (= OLGZ 1977, 161 ff.).

Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob die Anordnung der Freiheitsentziehung für die Zukunft weiter aufrechtzuerhalten ist; denn Gegenstand des Aufhebungsverfahrens ist die Prüfung, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung und Fortsetzung der bisher vollzogenen Sicherungshaft weiterhin bestehen (vgl. dazu den Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 3. August 2004 in der Sache 4Z BR 32/04 - dokumentiert bei Melchior). Weil Entscheidungen in Freiheitsentziehungssachen zwar der formellen, nicht aber der materiellen Rechtskraft fähig sind, bedeutet dies zugleich, dass die Aufhebung sowohl auf eine unveränderte Sachlage als auch auf neue Tatsachen gestützt werden kann (vgl. dazu BayOblG a.a.O.; OLG Celle Beschluss vom 19. Mai 2003 in der Sache 17 W 40/03 - dokumentiert bei Melchior; Beschluss des OLG Stuttgart vom 27. November 1995 in der Sache 8 W 614/95 = FGPrax 1996, 40; Keidel/Zimmermann FGG 15. Aufl. § 31 Rn. 22).

Da die Vorinstanzen eine Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Freiheitsentziehung weiterhin vorliegen nicht vorgenommen haben, ist die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Einer vorherigen Anhörung des Antragstellers durch den Senat bedurfte es in Anbetracht der Eilbedürftigkeit der Sache, aber insbesondere auch deshalb nicht, weil eine vorherige Anhörung zu keiner anderen Entscheidung geführt hätte und der Antragsteller im weiteren Verfahren Gelegenheit zur Äußerung haben wird.

Ende der Entscheidung

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