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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 20.10.2005
Aktenzeichen: 20 W 151/05
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 104
BGB § 925
GBO § 19
GBO § 20
Das Grundbuchamt hat bei Eintragung einer Eigentumsumschreibung die Geschäftsfähigkeit des Veräußerers im Beurkundungszeitpunkt selbständig zu überprüfen. Dabei ist von dem Grundsatz der Geschäftsfähigkeit auszugehen. Ergeben sich daran auf Tatsachen gegründete Zweifel, z. B. auf Grund eines Betreuungsgutachtens, können diese durch ein ärztliches Gutachten ausgeräumt werden, wobei der volle Nachweis der Geschäftsfähigkeit nicht geführt werden muss. Ein Zweitgutachten, das auf unzureichender Tatsachenfeststellung beruht und die juristischen Kriterien des § 104 Nr. 2 BGB nicht eindeutig beantwortet, reicht nicht aus zur Zweifelsausräumung.
Gründe:

Mit notarieller Urkunde der Verfahrensbevollmächtigten vom ...11.2003 (Fol. 9/2 ff. d. A.) hat die 1917 geborene Antragstellerin zu 1) das mit einem Wohnhaus bebaute, betroffene Grundstück auf die Antragstellerin zu 2), die Lebensgefährtin ihres Sohnes, übertragen und sich den lebenslangen Nießbrauch vorbehalten. Feststellungen nach § 11 Abs. 1 Satz 2 BeurkG enthält die Urkunde nicht. Wegen einer mit Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 02.07.1999 für die Antragstellerin zu 1) angeordneten Betreuung hat das Grundbuchamt durch Zwischenverfügung vom 04.12.2003 die Eigentumsumschreibung von der Genehmigung des Betreuers abhängig gemacht. Die Antragstellerinnen haben darauf verwiesen, dass die Betreuung ohne Genehmigungsvorbehalt eingerichtet worden sei und eine ärztliche Bescheinigung des Hausarztes Dr. A vom 01.12.2003 vorgelegt, wonach die Antragstellerin zu 1) körperlich und geistig in der Lage sei, ihre Rechtsgeschäfte auszuführen (Fol. 9/14 d. A.). Nachdem das Grundbuchamt an seinen Bedenken gegen die Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) festgehalten hat, ist die Zwischenverfügung mit der Beschwerde angegriffen worden, der ein Schreiben des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 08.01.2004 beigefügt war, in dem von einer Vorstellung der Antragstellerin zu 1) wegen Scheitelbeinkopfschmerzen die Rede ist und ein cervikocephales Syndrom ohne Hinweis auf eine zentrale Mitverursachung diagnostiziert wurde (Fol. 9/27 d. A.). Nach Beiziehung der Betreuungsakten hat das Landgericht mit Beschluss vom 23.04.2004 -Az. 3 T 194/04- die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die sich aus den im Betreuungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten und den von der Antragstellerin zu 1) verfassten Schriftstücken ergebenden Zweifel an deren Geschäftsfähigkeit seien nicht ausgeräumt.

Auf Anregung des Sohnes der Antragstellerin zu 1), gestützt durch ein Attest der praktischen Ärzte Dres. C und D vom 02.02.1999 mit der Diagnose vaskulärer Demenz, wurde mit Beschluss des AG Hofgeismar am 02.07.1999 -Az. 4 XVII 35/99- für die Antragstellerin zu 1) ein Betreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis die Vermögenssorge, die Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, die Sorge für die Gesundheit einschließlich der Aufenthaltsbestimmung für stationäre Aufenthalte umfasste. Dem lag ein Gutachten des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin E vom 25.05.1999 zu Grunde. Nach einem Hausbesuch bei der Antragstellerin zu 1) am 03.05.1999 diagnostizierte der Sachverständige eine organische Psychose mit einem systematisierten Wahn bei hirnorganischen Abbauprozessen. Die Antragstellerin zu 1) sei nicht mehr in der Lage, ihre Angelegenheiten ausreichend zu überblicken, noch nach Einsichten zu handeln, viele ihrer Handlungen seien wahnmotiviert und entbehrten jeder realistischen Grundlage. Nach einem Schreiben des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F vom 09.09.1999, bei dem sich die Antragstellerin zu 1) im Februar und September 1999 vorgestellt hatte, zeigte sich bei ihr eine chronifizierte paranoide Psychose, wahrscheinlich im Rahmen eines dementiven Krankheitsprozesses. Eine Unterbringung in der geschlossenen Abteilung der Klinik O1 vom 07.05.-14.06.2001 blieb nach einem Bericht vom 24.07.2001, in dem von einer organischen Genese der paranoiden Symptomatik ausgegangen wird, ohne Erfolg. Eine weitere Unterbringung erfolgte im Dezember 2002 bis Ende Januar 2003 auch zur Sicherstellung der von der Antragstellerin zu 1), die bereits in der Jugend das linke Auge verloren hatte, verweigerten Nachbehandlung nach einer Staroperation des rechten Auges. Nach einem Bericht vom 23.01.2003 der Klinik O1 stellte sich unter dem Einfluss neuroleptischer Medikation eine leichte Besserung der chronifizierten Wahnsymptomatik ein. Die Antragstellerin zu 1) sei umgänglicher geworden, ihr Denken und ihre Handlungsplanung seien aber weiter von wahnhaften Vorstellungen geprägt. Mit Beschluss vom 11.06.2004 wurde die Betreuung aufgehoben, da nach dem Umzug der Beteiligten zu 1) zu ihrem Sohn kein Bedürfnis mehr bestehe.

Am 08.07.2004 hat die Verfahrensbevollmächtigte die Schenkung des Hausgrundstücks mit Nießbrauchsbestellung erneut protokolliert und am 29.07.2004 gemäß § 15 GBO die Eigentumsumschreibung auf die Antragstellerin zu 2) beantragt. Dem Antrag sind ärztliche Atteste des praktischen Arztes Dr. D vom 13.05.2004 beigefügt, wonach die Antragstellerin zu 1) zeitlich, situativ und neurologisch geordnet wirke und nicht mehr auf eine ständige Betreuung angewiesen sei, ferner eine ärztliche Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. A, wonach die Antragstellerin zu 1) körperlich und geistig in der Lage sei, ihre Rechtsgeschäfte auszuführen. Im Mini-Mentel-Test, einem anerkannten Verfahren zur Beurteilung von Orientierung und Bewusstsein, habe die Antragstellerin zu 1) von 30 Punkten 29 erreicht und sei somit voll geschäftsfähig.

Mit Beschluss vom 30.07.2004 (Fol. 10/11 d. A.) hat das Grundbuchamt den Antrag auf Eigentumsumschreibung zurückgewiesen, da die Gründe der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 23.04.2004 noch immer vorlägen, insbesondere, da die Aufhebung der Betreuung nicht wegen einer Verbesserung des Gesundheitszustandes und einer dadurch wiedererlangten Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin, sondern mangels eines Betreuungsbedürfnisses erfolgt sei.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragstellerinnen Beschwerde eingelegt, der der Grundbuchrechtspfleger nicht abgeholfen hat. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 08.09.2004 (Fol. 10/20 d. A.) der Antragstellerin zu 1) aufgegeben, ein aussagekräftiges Zeugnis eines Arztes für Psychiatrie bzw. eines gleichermaßen fachkundigen Arztes vorzulegen, das sich unter Angabe und Erklärung der angewandten Untersuchungsmethoden zur Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) äußere. Daraufhin ist das Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. ... B vom 01.11.2004 vorgelegt worden, für dessen Inhalt auf Fol. 10/26 ff. d. A. Bezug genommen wird. Darin wird u. a. ausgeführt, bei der paranoiden Verfolgungssystematik, wie sie insbesondere im Gutachten E beschrieben werde, handele es sich nicht um ein endogenes Leiden im Sinn einer Paranoia oder um den Ausdruck eines fortgeschrittenen Hirnabbaus, sondern um eine abnorme Reaktion auf mehrere situative Belastungen wie die nach dem Tod des Ehemannes eingetretene Vereinsamung und Überforderung, verbunden noch mit den Funktionseinbußen gleich zweier Sinnesorgane wie Sehen und Hören. Trotz gewisser kognitiver Einschränkung sei sich die Antragstellerin zu 1) über den Schenkungsvorgang und ihr Nießbrauchsrecht völlig im Klaren. Ihre geistige Leistungsfähigkeit sei altersentsprechend, so dass gegen die Genehmigung des Grundstücksschenkungsvertrages psychiatrischerseits keine Bedenken bestünden. Das Landgericht hat mit Schreiben vom 25.11.2004 eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zu dessen Kenntnisstand sowie zur Frage der freien Willensbildung bei der Antragstellerin zu 1) verlangt (Fol. 10/36 d. A.). Unter dem 04.01.2005 hat Dr. B ein ergänzende Stellungnahme abgegeben und die Überzeugung vertreten, die Willenbildung der Antragstellerin zu 1) sei in Bezug auf die Schenkung nicht überwiegend oder gar vollständig fremd gesteuert worden, wenn auch hinreichend sicher davon ausgegangen werden könne, dass die Entscheidung nicht von der Antragstellerin zu 1) einsam getroffen worden sei, sondern das Ergebnis eingehender Erörterungen in der Familie gewesen sei.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 22.02.2005 (Fol. 10/46 ff. d. A) die Beschwerde zurückgewiesen und ausgeführt, die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Gutachten seien nicht geeignet, auf Grund des Inhalts der Betreuungsakte bestehende Zweifel derart auszuräumen, dass der Grundsatz der Geschäftsfähigkeit wieder gelte.

Mit der weiteren Beschwerde gegen den die Erstbeschwerde zurückweisenden Beschluss des Landgerichts machen die Antragstellerinnen geltend, die Kammer habe zu hohe Anforderungen an das Zerstreuen der Zweifel an der Geschäftsfähigkeit gestellt und übersehen, dass die Zweifel an der Geschäftsfähigkeit nicht schlechthin ausgeräumt und auch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zurückgedrängt werden müssten. In dem angefochtenen Beschluss werde der volle Nachweis der Geschäftsfähigkeit verlangt, während nach der Rechtsprechung des BayObLG genüge, dass bestehende Zweifel insoweit ausgeräumt werden, dass wieder von dem Grundsatz der Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann. Entgegen der vom BayObLG entschiedenen Sachlage liege kein Gutachten vor, das die Geschäftsunfähigkeit der Antragstellerin zu 1) positiv feststelle, vielmehr sei Gegenstand der Untersuchungen im Betreuungsverfahren nur die Betreuungsbedürftigkeit gewesen. Den im Beschwerdeverfahren vorgelegten ärztlichen Befunden komme mindestens das gleiche Gewicht zu wie den schon länger zurückliegenden Feststellungen im Betreuungsverfahren.

Die Antragstellerinnen haben mit der weiteren Beschwerde eine ergänzende Stellungnahme des Allgemeinmediziners Dr. A vom 28.05.2004 vorgelegt, in der erläutert wird, der Mini-Mentel-Test sei am 18.05.2004 durchgeführt worden. Außerdem ist ein Attest des Facharztes für Nervenheilkunde G vom 11.04.2005 vorgelegt worden, wonach die Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) am 06.04.2005 insbesondere bezogen auf testamentarische Zusammenhänge nicht relevant eingeschränkt sei.

Die weitere Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 78, 80 Abs. 1 Satz 1 GBO, aber nicht begründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 78 GBO, 546 ZPO). Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Zurückweisung des Eintragungsantrags der Antragstellerinnen berechtigt war, weil die Bedenken gegen die Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) nicht soweit ausgeräumt worden sind, dass wieder von dem Grundsatz der vorliegenden Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann.

Das Grundbuchamt hat bei Beantragung einer Eigentumsumschreibung in Durchbrechung des formellem Konsensprinzips nach § 20 GBO das Vorliegen einer Einigungserklärung zu überprüfen (Demharter: GBO, 25. Aufl., § 20, Rdnr. 1; Bauer/von Oefele: GBO, § 20 Rdnr. 1). Eintragungsvoraussetzung ist zwar nicht, dass die vollständige materiell-rechtliche Wirksamkeit der Einigung vom Grundbuchamt überprüft und festgestellt wird, denn eine solche Feststellung könnte in dem durch die Beweismittelbeschränkung geprägten Eintragungsantragsverfahren vom Grundbuchamt nicht getroffen werden. Vielmehr genügt es, dass dem Grundbuchamt die Einigung in der grundbuchmäßigen Form des § 29 GBO so nachgewiesen ist, wie sie sachlich-rechtlich zur Herbeiführung der Rechtsänderung notwendig ist. Trifft dies zu, darf es die Eintragung nur ablehnen, wenn feststehende Tatsachen eindeutig die Unwirksamkeit der Auflassung ergeben (Demharter, aaO., § 20 Rdnr. 38).

In diesem Rahmen hat das Grundbuchamt grundsätzlich auch die Geschäftsfähigkeit des Erklärenden im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung (§ 130 Abs. 2 BGB) selbständig zu überprüfen und zwar ohne an die aus der Tatsache der erfolgten Beurkundung hervorgehenden Überzeugung des Urkundsnotars von deren Vorliegen gebunden zu sein (BayObLG Rpfleger 1974, 396). Dabei kann von dem Erfahrungssatz ausgegangen werden, dass die Geschäftsfähigkeit die Regel und die Geschäftsunfähigkeit die Ausnahme ist. Ein besonderer Nachweis der Geschäftsfähigkeit kann daher nur verlangt werden, wenn auf Tatsachen gegründete Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Veräußerers bestehen, die sich auch aus Umständen außerhalb der vorgelegten Eintragungsunterlagen ergeben können. Zur Behebung dieser Zweifel ist den Beteiligten durch eine Zwischenverfügung dahingehend, dass die beantragte Eintragung von dem Nachweis der Geschäftsfähigkeit durch ein ärztliches Gutachten abhängig gemacht wird, Gelegenheit zu geben. Dabei braucht der volle Nachweis der Geschäftsfähigkeit nicht geführt zu werden, vielmehr ist ausreichend, dass wieder vom Grundsatz der Geschäftsfähigkeit ausgegangen werden kann (BayObLG in BayObLGZ 1989, 111, 112 und NJW-RR 1990, 721; Knothe in Bauer/von Oefele, aaO., § 29 Rdnr. 40).

Diese Grundlagen der rechtlichen Beurteilung hat auch das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung herangezogen.

Die angegriffene tatrichterliche Beurteilung, die auf Grund der im Betreuungsverfahren erfolgten Begutachtung begründeten Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) seien durch das in Erfüllung der Zwischenverfügung vorgelegte Gutachten vom 01.11.2004 mit Ergänzung vom 04.01.2005 nicht in einem Umfang ausgeräumt, dass wieder von dem Grundsatz der Geschäftsfähigkeit auszugehen sei, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Dass die Kammer den Begriff der Geschäftsunfähigkeit, also das Vorliegen eines nicht nur vorübergehenden Zustands krankhafter Störung der Geistestätigkeit mit der Folge des Ausschlusses der freien Willensbestimmung, verkannt hätte, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht. Als Bestandteil der tatrichterlichen Beweiswürdigung unterliegt die Würdigung der Gutachten des Dr. B nur der eingeschränkten Überprüfung, nämlich dahin, ob sie auf grundsätzlich fehlerhaften Erwägungen beruht, ob Rechtsvorschriften, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Tatumstände außer Acht gelassen wurden (Keidel/Kuntze/Winkler: FGG, 15. Aufl., § 27, Rdnr. 42; Budde in Bauer/v. Oefele, aaO., § 78, Rdnr. 23). Insoweit sind der Kammer aber keine Rechtsfehler unterlaufen, insbesondere hat sie nicht die Beweisanforderungen überspannt und den vollen Nachweis der Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) im Beurkundungszeitraum verlangt, wie in der Begründung der weiteren Beschwerde vorgetragen wird. Vielmehr ergibt sich aus Blatt 3 des angefochtene Beschlusses, letzter Absatz und Blatt 4 oben, dass die maßgeblichen Kriterien verwendet worden sind.

Aber auch die Schlussfolgerung der Kammer, es blieben immer noch Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) und diese seien nicht ausgeräumt, ist aus Rechtgründen nicht zu beanstanden.

Entgegen der mit der weiteren Beschwerde vertretenen Auffassung sind die im Grundbuchverfahren von den Antragstellerinnen vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen nicht mindestens gleichwertig gegenüber den im Betreuungsverfahren eingeholten Gutachten. Auch wenn diese nicht die Klärung der Geschäftsfähigkeit, sondern der Voraussetzungen der Einrichtung einer Betreuung nach § 1896 BGB zum Ziel hatten, gibt es inhaltliche Überschneidungen. So enthält das für die Anordnung der Betreuung maßgebliche psychiatrische Gutachten E vom 25.05.1999 in der Zusammenfassung der Sache nach auch die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit im Sinn von § 104 Nr. 2 BGB. Die Diagnose einer organischen Psychose mit einem systematisierten Wahn bei hirnorganischen Abbauprozessen belegt die nicht nur vorübergehende krankhafte Störung der Geistestätigkeit. Der Ausschluss der freien Willensbestimmung, der zu bejahen ist, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen, ergibt sich nach dem Gutachten E bereits daraus, dass die Antragstellerin zu 1) nicht in der Lage ist, nach Einsichten zu handeln, weil viele ihrer Handlungen wahnmotiviert sind und jeder realistischen Grundlage entbehren. Das Ergebnis dieses Gutachtens aus 1999 ist nach dem Inhalt der Betreuungsakten über Jahre mehrfach bestätigt worden. So stellt der Neurologe und Psychiater Dr. F im Oktober 2000 fest, die chronifizierte paranoide organische Halluzinose sei deutlich stärker geworden. Die Klinik O1 führt in ihrem Bericht vom 24.07.2001 nach der Unterbringung der Antragstellerin vom 07.05.-14.06.2001 die aufgetretene paranoid-halluzinatorische Psychose mit Beziehungs- und Verfolgungsideen bei bestehendem Wahnsystem wegen des Auftretens erst im Senium und dem auffälligen CCT auf eine organische Genese zurück. Nach dem Bericht der Klinik O1 vom 23.01.2003 verblieb es auch nach neuroleptischer Medikation während der zweiten Unterbringung Dezember 2002/Januar 2003 dabei, dass das Denken und die Handlungsplanung der Antragstellerin zu 1) von wahnhaften Vorstellungen geprägt waren. Nach einem Gutachten des medizinischen Dienstes vom 24.10.2001 erfolgte bereits in 1999 die Zubilligung der Pflegestufe I wegen seniler Demenz vom Alzheimer Typ und in 2000 wegen schizophrener Psychose.

Mit Ausnahme des Sachverständigengutachtens E werden alle diese Befunde in dem Gutachten des Dr. B nicht berücksichtigt, ebenso wenig der sonstige Inhalt der Betreuungsakten, die zahlreiche Schriftstücke auch der Antragstellerin zu 1) enthalten, aus denen sich ihr ausgeprägtes Wahnsystem mit jahrelangen Verdächtigungen und Aggressionen gegen ihre gesamte Umwelt und nicht zuletzt die Antragstellerin zu 2) ergeben. Zu Recht ist die Kammer deshalb von einer schon unzureichenden Feststellung der Tatsachengrundlagen durch den Gutachter Dr. B ausgegangen. Unter Berücksichtigung der durch computertomografische Untersuchungen gestützten Diagnosen, die von einer organischen Ursache der Psychose der Antragstellerin zu 1) ausgehen, wäre die Einordnung als lediglich abnorme psychische Reaktion auf mehrere situative Belastungen durch den Gutachter Dr. B nicht nachvollziehbar.

Zutreffend ist ebenfalls die Kritik der Kammer, dass sich sowohl aus dem Gutachten vom 01.11.2004 als auch aus der ergänzenden Stellungnahme nicht eindeutig entnehmen lässt, dass der Gutachter die nach § 104 Nr. 2 BGB maßgeblichen Kriterien für seine Beurteilung zu Grunde gelegt hat. So wird nicht klar beantwortet, ob bzw. in welchem Umfang eine nicht nur vorübergehende krankhafte Störung der Geistestätigkeit bei der Antragstellerin zu 1) im Beurkundungszeitpunkt vorlag. Insoweit enthält das Gutachten vom 01.11.2004 lediglich die Feststellung, dass kein Hinweis für aktuelle Wahnwahrnehmungen oder -erlebnisse bestünden, bei gewissen kognitiven Einschränkungen, und die geistige Leistungsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) als altersentsprechend anzusehen sei, ohne dass ersichtlich wird, wie der Gutachter zu diesen Feststellungen gelangt ist. Trotz dem entsprechenden Hinweis der Kammer ist der Gutachter auch in seiner ergänzenden Stellungnahme der maßgeblichen Frage des Ausschlusses der freien Willensbildung auf Grund der krankhaften Störung der Geistestätigkeit ausgewichen.

Was die hausärztlichen Atteste betrifft, können sie schon wegen der geringeren Fachkompetenz die im Betreuungsverfahren durch Fachärzte und Fachkliniken wiederholt und auf Grund längerer Beobachtungszeit getroffenen Feststellungen weder für sich, noch in der Zusammenschau entkräften.

Bei dem im Verfahren der weiteren Beschwerde zu den Akten gereichten Vermerk des Rechtsanwalts und Notars N1 handelt es sich um neuen, im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlichen Sachvortrag, der auch unter Berücksichtigung der beruflichen Erfahrungen lediglich die Einschätzung eines medizinischen Laien wiedergibt. Als neuer Sachvortrag grundsätzlich unbeachtlich ist auch der im Verfahren der weitern Beschwerde vorgelegte Bericht des Facharztes G vom 11.04.2005. Darüber hinaus leidet dieser Befund auch an der unvollständigen Tatsachenfeststellung, da nur die für die Geschäftsfähigkeit der Antragstellerin zu 1) sprechenden Unterlagen vorgelegt worden sind und eine körperliche Untersuchung unterblieben ist. Auch hier zeigt sich das dem Senat aus seiner Befassung mit Betreuungssachen bekannte Phänomen, dass es insbesondere gebildeten Geschäftsunfähigen nicht selten gelingt, bei kürzeren Kontakten eine Fassade aufrecht zu erhalten, die selbst Ärzte über ihren wahren Zustand täuschen kann.

Die Gerichtskostenentscheidung folgt aus § 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO.

Über die Erstattung außergerichtlicher Kosten war gemäß § 13 a Abs.1 Satz 1 FGG nicht zu entscheiden, da die Antragstellerinnen das gleiche Verfahrensziel verfolgt haben.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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