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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.05.2003
Aktenzeichen: 20 W 179/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2247
BGB § 2258
Unterzeichnet der Erblasser sein anderweitig widerrufenes, eigenhändiges Testament unter Angabe des Datums und des Ortes erneut, so kann dies eine wirksame letztwillige Verfügung sein.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 179/02

Entscheidung vom 15. Mai 2003

In der Nachlasssache

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 16. April 2002

am 15.05.2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch darüber zu entscheiden haben wird, wer die außergerichtlichen Kosten zu tragen hat.

Gründe:

Der Beteiligte zu 1) wurde von dem Erblasser im Jahr 1999 als Volljähriger adoptiert. Der Beteiligte zu 2) ist der Bruder des Erblassers. Der am 20.06.2001 verstorbene Erblasser hat mehrfach letztwillig verfügt. Beide Beteiligten begehren die Erteilung eines Erbscheins aufgrund testamentarischer Erbfolge, durch den sie jeweils als Alleinerbe des Erblassers ausgewiesen werden.

Der Beteiligte zu 2) meint, aufgrund des handschriftlichen Testaments des Erblassers vom 30.11.1994 (Bl. 3 d. A.) Alleinerbe geworden zu sein. In diesem Testament hat der Erblasser unter Widerruf früherer letztwilliger Verfügungen den Beteiligten zu 2) als Erben eingesetzt hat. Der Beteiligte zu 1) stützt seinen Antrag auf eine Urkunde (Bl. 7 d.A.) folgenden Inhalts: "Mein Testament.

Hiermit bestimme ich, , geboren am , den Herrn , wohnhaft in , geboren am...., zu meinem alleinigen Erben von meinem gesamten Vermögen.

Hiermit enterbe ich alle meine Verwandten: 1) meinen Bruder, .... meine Schwester " sowie alle meine übrigen Verwandten.

Hiermit versichere ich weiterhin, dass mein augenblicklicher, geistiger Zustand hervorragend ist.

Nidderau I, den 21. November 1993 Nidderau 11. April 1994 Nidderau I, den 18.6.01"

Der Beteiligte zu 2) behauptet, die dritte Unterschrift, unter der das Datum 18.6.01 angegeben ist, sei gefälscht. Der Erblasser sei an diesem Tag gesundheitlich gar nicht mehr in der Lage gewesen, diese Unterschrift zu leisten. Er sei auch nicht mehr testierfähig gewesen. Der Beteiligte zu 2) ist der Ansicht, dass allein durch die Unterschrift unter dem bereits 1993 verfassten Text kein formgültiges Testament und damit auch kein formgültiger Widerruf des Testaments vom 30.11.1994 zustande gekommen sei. Vorsorglich hat der Beteiligte zu 2) das Testament, sofern es wirksam zustande gekommen sein sollte, angefochten mit der Begründung, der Erblasser habe den Beteiligten zu 1) nicht zu seinem Erben berufen wollen.

Zu der Frage, ob der Erblasser am 18. Juni 2001 seine Unterschrift unter den 1993 verfassten Text geleistet hat, hat das Amtsgericht den Zeugen D. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 24.01.2002 Bezug genommen (Bl. 130 ff d.A.).

Mit Beschluss vom 28.02.2001 hat das Amtsgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2) vom 04.10.2002 zurückgewiesen. Außerdem hat es angekündigt, antragsgemäß einen Erbschein zugunsten des Beteiligten zu 1) erlassen zu wollen.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert. Es hat den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2) für begründet erklärt.

Die wiederum dagegen gerichtete weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig (§§ 27, 29 I, IV, 20, 21 FGG). Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Die Ausführungen des Landgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten Stand (§§ 27 FGG, 546 ZPO). Der Sachverhalt muss noch weiter aufgeklärt werden, wozu der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht berufen ist. Im einzelnen gilt Folgendes:

Vom Ansatz her zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass ein Testament durch die Errichtung eines neueren Testaments insoweit widerrufen wird, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht (§ 2258 BGB). Deswegen kann sich die Erbfolge hier nicht nach dem am 21.11.1993 und am 01.04.1994 unterzeichneten Testament richten, denn diese letztwilligen Verfügungen sind mit dem vom Erblasser errichteten Testament, in dem der Beteiligte zu 2) zum "unbeschränkten Alleinerben" eingesetzt wurde, unvereinbar.

Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht aber bei seiner Feststellung, dass das mit Datum 18.6.01 versehene Schriftstück deshalb kein wirksames Testament darstellen könne, weil der Erblasser am 18.06.2001 - unterstellt er habe es an diesem Tag erneut unterzeichnet - keine weitere Erklärung niedergelegt habe, die Rückschlüsse auf seinen Widerrufswillen zulasse. Im vorliegenden Fall hat der Erblasser -seine erneute Unterschrift unterstellt- eine Verfügung getroffen, die sachlich einer früheren Verfügung widerspricht (§ 2258 BGB). Hierbei ist ein ausdrücklich geäußerter Aufhebungswille des Erblassers nicht erforderlich (MünchKomm-Burkart (1997), § 2258 BGB Rn 5). Es genügt die sachliche Unvereinbarkeit mit der früheren Verfügung.

Ein Widerruf durch Testament setzt weiter voraus, dass die Form des § 2247 BGB gewahrt ist. Ein formgültiges Testament liegt vor, wenn der Erblasser die Verfügungen eigenhändig geschrieben und diese mit seiner Unterschrift versehen hat. Testamentstext und Unterschrift müssen dabei nicht gleichzeitig geschrieben worden sein (MünchKomm-Burkart (1997), § 2247 BGB Rn 18). Der Erblasser kann daher zunächst den Testamentstext schreiben und später erst seine Unterschrift leisten. Für die Formgültigkeit kommt es deshalb nur darauf an, dass im Zeitpunkt des Todes eine eigenhändige Erklärung des Erblassers vorliegt, die durch seine Unterschrift gedeckt ist. Deshalb genügt auch bei einem privatschriftlichen Testament, bei dem lediglich die Unterschrift durchgestrichen wurde, die bloße Neuunterzeichnung (MünchKomm-Burkart (1997), § 2257 BGB Rn 3), ohne dass ein erneuter weiterer handschriftlicher Vermerk dahingehend, das Testament solle doch wieder gültig sein, des Erblassers erforderlich ist. Eine solche Neuunterzeichnung wahrt die Identitäts-funktion der Unterschrift als auch deren Abschlussfunktion, denn die Feststellung der Urheberschaft des Erblassers ist möglich mit der dann auch klargestellt ist, dass es sich um eine abgeschlossene Erklärung des Erblassers handelt. Das Gesetz fordert in diesem Fall keine weiteren Zusätze. Nichts anderes kann gelten, wenn der Erblasser seine Unterschrift unter dem Testament zwar nicht durchgestrichen, sondern das Testament durch ein anderes Testament widerrufen hat. Zwar hat das BayObIG entschieden, dass im Falle eines Widerrufs eines Testaments durch Rücknahme aus der besonderen öffentlichen Verwahrung dieser Widerruf nicht seinerseits mit der Wirkung des § 2257 BGB widerrufen werden kann und der Erblasser, wenn er das erste Testament wieder herstellen will, es neu errichten muss (BayObIG, BayOLGZ 19973, 35 ff; NJW- RR 1990, 1481). Hintergrund dieser Entscheidungen war aber, dass es sich bei dem in amtliche Verwahrung gegebenen Testament nicht um ein eigenhändiges Testament gehandelt hat, so dass durch eine Bezugnahme die Formvorschriften des § 2247 BGB nicht erfüllt werden konnten. Etwas anderes gilt hier. Die letztwilligen Verfügungen, einschließlich der Erklärung über die Enterbung der anderen Verwandten sind eigenhändig geschrieben. Ein Erfordernis der Einheit der Errichtungshandlung besteht nicht (BayObLG, FamRZ 1992, 1353 ff; BayObLG, FamrZ 1984, 1268; MünchKomm-Burkart (1997), § 2247 BGB Rn 18). Wenn der Erblasser bei der Unterzeichnung am 18.06.2001 auch einen den früher eigenhändig niedergeschrieben Erklärungen entsprechenden Willen hatte und deshalb seine frühere eigenhändige Erklärung erneut unterzeichnete und mit dem neuen Datum versah, dann sind alle Elemente eines formwirksamen eigenhändigen Testaments in der Urkunde vereinigt (vgl. MünchKomm-Burkart (1997), § 2247 BGB Rn 20). Allerdings wird hier wegen der hohen Fälschungsanfälligkeit in diesem Fall sorgfältig zu prüfen sein, ob der Erblasser sich mit seiner Unterschrift auf das frühere Testament beziehen wollte.

Dies und die Frage, ob der Erblasser das Testament am 18.06.2001 erneut eigenhändig unterschrieben hat, wird das Landgericht zu prüfen haben. Weiterhin wird es festzustellen haben, ob der Erblasser wusste, welchen Text er mit seiner Unterschrift versah und ob der Erblasser bei Unterzeichnung des Testamentstextes noch testierfähig war oder nicht. Hierzu müssen die Einzelumstände näher aufgeklärt werden. Gegebenenfalls wird auch ein graphologisches Sachverständigengutachten einzuholen sein. Dem Landgericht wird es auch überlassen, die richtige Namensführung des Beteiligten zu 1) festzustellen.

Ende der Entscheidung

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