Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 20 W 181/06
Rechtsgebiete: GG, HSOG


Vorschriften:

GG Art. 13 I
HSOG § 4
HSOG § 38
HSOG § 39
HSOG § 47 V
Im Abschiebungsverfahren ist die Anordnung zur Durchsuchung der Wohnung zum Zwecke der Auffindung von Ausweispapieren nur dann zulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer solche Dokumente tatsächlich besitzt.
Gründe:

I.

Nachdem der Asylantrag des Betroffenen rechtskräftig abgelehnt worden und die gegen ihn ergangene Abschiebungsandrohung seit 6. Dezember 2005 vollziehbar war, forderte der Antragsteller den Betroffenen mit Verfügung vom 27. Januar 2006 unter Hinweis auf seine Mitwirkungspflicht zur Passbeschaffung bis zum 8. Februar 2006 zur Klärung seiner ausländerrechtlichen Situation zur Vorsprache bei der Ausländerbehörde und Vorlage von Passbildern, eines Flugtickets zur beabsichtigten Ausreise sowie eines Passes oder Nachweises über dessen Beantragung auf. Der Bevollmächtigte des Betroffenen beantragte daraufhin unter dem 1. Februar 2006 die Erteilung einer Duldung, da eine Abschiebung derzeit wegen Passlosigkeit unmöglich sei.

Auf Antrag des Antragstellers ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 2. Februar 2006 die Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen zum Zwecke seiner Ergreifung und Auffinden seiner Ausweispapiere an und führte zur Begründung aus, es sei zu befürchten, dass der Betroffene Deutschland nicht freiwillig verlassen, sich seiner beabsichtigten Abschiebung nicht stellen und den Beamten den Zutritt zu seiner Wohnung verweigern werde, so dass die angeordnete Maßnahme zur Sicherung der Vollziehung der Abschiebung als geeignetes Mittel erforderlich sei.

Die Durchsuchung wurde am 14. Februar 2006 vollzogen. Dabei wurde ein Pass des nicht angetroffenen Betroffenen, der sich nach Angaben seines Bruders überwiegend bei seiner Freundin in O1 aufhalten soll, nicht aufgefunden.

Der Betroffene legte am 15. Februar 2006 gegen den Durchsuchungsbeschluss vom 2. Februar 2006 Beschwerde ein, der die Amtsrichterin mit der Begründung, es stehe nicht fest, dass der Betroffene nicht über einen Pass verfüge, nicht abhalf.

Das Landgericht wies die Beschwerde mit Beschluss vom 27. April 2006 zurück und führte zur Begründung im wesentlichen aus, da der Betroffene der mit Verfügung vom 27. Januar 2006 angeordneten Vorlage von Pass oder Reisedokumenten bzw. eines Nachweises über deren Beantragung nicht nachgekommen sei, sei die Wohnungsdurchsuchung zur Überprüfung der Angabe des Betroffenen, nicht über einen Pass oder entsprechende Ersatzpapiere zu verfügen, zulässig gewesen.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der weiteren Beschwerde, mit der er insbesondere geltend macht, es hätten keinerlei Verdachtsmomente dafür vorgelegen, dass er entgegen seinen bisherigen wiederholten Angaben im Besitze eines Passes gewesen sei.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach §§ 19, 20, 27 FGG i. V. m. §§ 38 HSOG statthaft. Insbesondere erweist sich das Rechtsmittel auch nach der Vollziehung der Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen noch als zulässig. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass im Hinblick auf die Schwere des mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG der Betroffene nicht nur im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, sondern auch bei nach Polizei- und Ordnungsrecht angeordneten Durchsuchungen nach deren Vollstreckung ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse hat, das sich nunmehr auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der gerichtlich angeordneten Maßnahme richtet (vgl. BVerfG Beschluss vom 19. Juni 1997, StV 1997, 505).

Das zulässige Rechtsmittel führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Nach §§ 47 Abs. 5, 39 Abs. 1, 38 Abs. 1 HSOG darf das Amtsgericht die Durchsuchung einer Wohnung anordnen, soweit es der Zweck der zwangsweisen Durchsetzung eines ordnungsbehördlichen oder polizeilichen Verwaltungsaktes erfordert. Dabei soll der auf Art. 13 Abs. 2 GG beruhende Richtervorbehalt eine vorbeugende Kontrolle der Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffes gewährleisten (BVerfG NJW 2002, 1333). Dies erfordert eine eigenverantwortliche Prüfung durch den Amtsrichter, ob die im Antrag behaupteten Voraussetzungen erfüllt sind und unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechtes und des in § 4 HSOG konkretisierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Durchsuchungsanordnung rechtfertigen. Des weiteren bedarf es auch im Falle einer auf Polizei- und Ordnungsrecht beruhenden Durchsuchungsanordnung einer hinreichend konkreten Begründung, die geeignet ist, eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht zu ermöglichen (vgl. BVerfG NJW 2002, 1941 und zuletzt Beschluss vom 3. Juli 2006 - 2 BvR 2030/04- dok. bei Juris jeweils zur strafrechtlichen Durchsuchung). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer bereits vollzogenen Durchsuchungsanordnung kann es dabei nur auf den Sachverhalt ankommen, der für den Amtsrichter zum Zeitpunkt seiner Entscheidung - gegebenenfalls nach Durchführung der möglichen und nach § 12 FGG erforderlichen Ermittlungen - erkennbar war ( vgl. BVerfG NJW 2003, 1513; OLG Hamm Beschluss vom 27. Mai 2004 - 15 W 307/03- dok. bei Juris).

Danach erweist sich die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung im Beschluss vom 2. Februar 2006 als rechtsfehlerhaft. Soweit das Landgericht auf die zwangsweise Durchsetzung der mit Verfügung vom 27. Januar 2006 angeordneten Vorlage des Passes oder Nachweises über deren Beantragung verwiesen hat, wird bereits verkannt, dass dem Betroffenen in dieser Verfügung eine Frist bis zum 8. Februar 2006 gesetzt worden war, so dass es zum Zeitpunkt der Durchsuchungsanordnung bereits aus diesem Grund offensichtlich an einer Vollziehbarkeit fehlte.

Soweit die Vorinstanzen zur Rechtfertigung der Durchsuchung auf die Durchsetzung der Verpflichtung zur Ausreise im Wege der Abschiebung abgestellt haben, steht dem entgegen, dass keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Betroffene im Besitz eines für seine Abschiebung benötigten iranischen Passes ist und sich dieser in der Wohnung befand.

Zwar ist in einer Mitteilung der Ausländerbehörde an den Sicherheits- und Ordnungsdienst - AG Ausländer- (Bl. 136) vermerkt, der Pass des Betroffenen müsse sich in dessen Besitz befinden, dies solle überprüft und gegebenenfalls der Pass sichergestellt werden. Diese Annahme der Ausländerbehörde findet jedoch in der vorgelegten Akte keine Stütze. Vielmehr hat der Betroffene stets behauptet, keinen Reisepass zu besitzen und mit einem gefälschten türkischen Reisepass, den ihm der Schlepper anschließend abgenommen habe, in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. Bezüglich der in der Akte befindlichen Passkopie hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei ausweislich des Inhaltes und des Passbildes gerade nicht um einen Ausweis des Betroffenen, sondern um den iranischen Nationalpass des Onkels des Betroffenen handelt, der als Kopie zur Akte genommen wurde, als dieser bei der Ausländerbehörde des Landkreises ... im Rahmen einer psychiatrischen Untersuchung des Betroffenen entsprechend seiner zuvor bekundeten Bereitschaft als Dolmetscher fungierte.

Soweit das Amtsgericht in seinem Beschluss ausgeführt hat, mehrere Versuche zur Festnahme des unter der angegebenen Adresse wohnhaften und amtlich gemeldeten Betroffenen seien gescheitert, lässt sich dies aus der vorgelegten Akte nicht entnehmen.

Auch die in der Nichtabhilfeentscheidung der Amtsrichterin angegebene Begründung, es stehe keinesfalls fest, dass der Betroffene nicht über einen Pass verfügte, reicht zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffes der Wohnungsdurchsuchung nicht aus. Vielmehr hätte in der Durchsuchungsanordnung dargelegt werden müssen, worauf sich die Annahme stützt, es bestehe der begründete Verdacht, dass der Betroffene entgegen seinen Angaben noch im Besitz von Ausweispapieren sei.

Ob und welche weiteren Angaben zur Erlangung des Durchsuchungsbeschlusses beim Amtsgericht seitens der Antragstellerin gemacht wurden, kann nicht festgestellt werden, da sich ein solcher Antrag nicht in der Akte befindet.

Des Weiteren lässt sich die Anordnung der Wohnungsdurchsuchung auch nicht allein mit der Erwägung des Landgerichts rechtfertigen, nachdem der Betroffene der Ausreisepflicht nicht freiwillig nachgekommen sei, bestehe für die Ausländerbehörde ein Anlass, dessen Angabe, nicht über einen Pass zu verfügen, im Wege einer Wohnungsdurchsuchung zu überprüfen.

Ende der Entscheidung

Zurück