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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.09.2006
Aktenzeichen: 20 W 209/06
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB, KostO


Vorschriften:

BGB § 195
BGB § 199
BGB § 204
EGBGB Art. 229
KostO § 8
1. Zu Ansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft aus beschlossenen Einzelabrechnungen gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern verjähren in drei Jahren

2. § 167 ZPO ist im Wohnungseigentumsverfahren entsprechend anwendbar


Gründe:

Die Antragsgegner sind die Eigentümer der Wohnung Nr. ... in der sich aus dem Rubrum ergebenden Liegenschaft.

Mit ihrem an das Amtsgericht gerichteten Antrag verfolgt die Antragstellerin die Zahlung des Abrechnungssaldos aus der Jahresabrechnung 1996 in Höhe von 940,40 EUR nebst Zinsen. Der - nicht unterzeichnete - Zahlungsantrag ist am 31.12.2004 beim Amtsgericht eingegangen. Mit Verfügung vom 18.01.2005 (Bl. 4 d. A.) ist der Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 30,-- EUR angefordert worden. Die Zahlung dieses Vorschusses ist am 18.02.2005 erfolgt. Am 03.03.2005 ist den Antragsgegnern die Antragsschrift zugestellt worden.

Die Antragstellerin hat beantragt,

den Antragsgegnern aufzugeben, an die Antragstellerin 940,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 03.03.2005 zu zahlen.

Die Antragsgegner haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie haben die Ansicht vertreten, die Forderung sei verjährt, zumindest aber verwirkt.

Durch Beschluss vom 13.12.2005 (Bl. 65 ff. d. A.) hat das Amtsgericht dem Antrag stattgegeben. Hiergegen haben die Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Sie haben ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und die Ansicht vertreten, die Zustellung der Antragsschrift sei nicht "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt, so dass die Forderung verjährt sei.

Die Antragsgegner haben beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts vom 13.12.2005 abzuändern und den Zahlungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin hat unter Berufung auf ihr Vorbringen in erster Instanz beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 115 ff. d. A.), auf den verwiesen wird, hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und den Zahlungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Zahlungsanspruch der Antragstellerin verjährt sei. Die Verjährung sei nicht durch den Eingang der Antragsschrift bei Gericht am 31.12.2004 gehemmt worden. Dies hätte nämlich vorausgesetzt, dass die Zustellung des Antrags an die Antragsgegner "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt wäre. Davon könne vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden. Die Antragstellerin hätte nämlich die Verzögerung der Zustellung dadurch verursacht, dass sie den Gerichtskostenvorschuss nach Anforderung durch das Gericht nicht unverzüglich eingezahlt hätte.

Gegen diesen am 12.05.2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit am 15.05.2006 eingegangenem Schriftsatz (Bl. 127 ff. d. A.), auf den verwiesen wird, sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, der Anspruch sei nicht verjährt, da die Zustellung der Antragsschrift "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt sei.

Die Antragsgegner treten der sofortigen weiteren Beschwerde entgegen. Hinsichtlich ihres Vorbringens im Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 21.06.2006 (Bl. 132 ff. d. A.) verwiesen.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, auf die hin er durch den Senat als Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu überprüfen ist, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht die Verjährung der geltend gemachten Forderung angenommen. Zutreffend ist das Landgericht dabei davon ausgegangen, dass vorliegend gemäß den §§ 195, 199 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB die dreijährige Verjährungsfrist einschlägig ist, so dass die Verjährungsfrist am 01.01.2002 zu laufen begann und Verjährung mit Ablauf des 31.12.2004 eintrat (vgl. dazu auch Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 28 Rz. 139 ff; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 16 Rz. 101; § 28 Rz. 156). Diese rechtlichen Erwägungen werden von der weiteren Beschwerde im Grundsatz auch nicht angegriffen.

Die Verjährung ist hier auch nicht durch Eingang der Antragsschrift am 31.12.2004 bei Gericht gehemmt worden, vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dabei wirkt - wie das Landgericht zutreffend festgehalten hat - die Zustellung auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung zurück, soweit sie "demnächst" erfolgt, § 167 ZPO. Diese Vorschrift ist in Wohnungseigentumsverfahren entsprechend anwendbar (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 167 Rz. 3 m. w. N.; vgl. auch BGH NJW 1998, 3648). Die Zustellung am 03.03.2005 ist vorliegend nicht mehr als "demnächst" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen.

Ob eine Zustellung noch "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist, darf nicht allein mittels rein zeitlicher Betrachtung beurteilt werden. Die Vorschrift will die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen der von Amts wegen zu bewirkenden Zustellung schützen, die innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs liegen und von den Parteien nicht beeinflusst werden können. Daher gibt es keine absolute zeitliche Grenze, nach deren Überschreitung eine Zustellung nicht mehr als "demnächst" anzusehen wäre; dies gilt auch im Hinblick auf mehrmonatige Verzögerungen. Es sind aber andererseits einer Partei solche Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Verfahrensbevollmächtigter bei sachgerechter Verfahrensführung hätten vermeiden können (vgl. BGH MDR 2003, 568 m. w. N.). Es werden also Verzögerungen, die durch das Gericht zu verantworten sind, nicht mitgerechnet, sondern es ist alleine darauf abzustellen, ob die Verzögerung der Zustellung durch den Zustellungsbetreiber verursacht worden ist. Die antragstellende Partei ist verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern alles Erforderliche zu tun, damit der Antrag innerhalb einer kurzen Zeitspanne nach Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt werden kann.

Das Vorgehen des Amtsgerichts nach § 8 Abs. 2 KostO, der bei wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren zur Anwendung kommt, weil diese einen Antrag voraussetzen, ist jedenfalls im vorliegenden Beitreibungsverfahren nicht zu beanstanden (vgl. auch Niedenführ/Schulze, a.a.O., Vor §§ 43 ff Rz. 128; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 48 Rz. 75). Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, sind die oben dargelegten Anforderungen an die antragstellende Partei regelmäßig nur dann erfüllt, wenn der Gerichtskostenvorschuss innerhalb von 14 Tagen nach Eingang der Anforderung des Gerichts eingezahlt wird. Eine Partei, die zulässigerweise am letzten Tag vor Ablauf der Verjährungsfrist eine Klage bzw. einen Antrag einreicht, muss wissen, dass sie sich unverzüglich um die Zustellung des Antrags bemühen muss. Nur solche Verzögerungen, die, wie ausgeführt, außerhalb ihres Machtbereichs liegen, können ihr dabei nicht zur Last gelegt werden (vgl. etwa Kammergericht KGRep 2000, 233; KGRep 2001, 67; KGRep 2003, 311; OLG Hamm VersR 2004, 362; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 167 Rz. 24; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 167 Rz. 15; Musielak/Wolst, ZPO, 4. Aufl., § 167 Rz. 10; Münchener Kommentar/Wenzel, ZP0, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 167 Rz. 9, jeweils m. w. N.). Auch der Bundesgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung diese Rechtsauffassung (vgl. NJW 2004, 3775; FamRZ 2004, 21; zuletzt Beschluss vom 24.05.2005, Az. IX ZR 135/04, zitiert nach Juris). Auch nach dieser Rechtsprechung sind also im Regelfall nur von der Partei bzw. ihrem Verfahrensbevollmächtigten verursachte Zustellungsverzögerungen von bis zu 14 Tagen als geringfügig anzusehen. Dem schließt sich der Senat nun an.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, die von der weiteren Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen werden, liegt hier zwischen der Anforderung des Gerichtskostenvorschusses durch das Gericht - beim Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 21.01.2005 eingegangen - und dem Eingang der Zahlung bei Gericht - 18.02.2005 - ein Zeitraum von ca. vier Wochen. Selbst wenn man mit der weiteren Beschwerde auf den Zeitpunkt der Einzahlung, den 16.02.2005, abstellen wollte, würde sich nichts Entscheidendes ändern. Dieser Zeitraum - auf den es hier alleine ankommt - überschreitet die Zeitspanne, die nach den obigen Ausführungen noch als hinreichend erachtet werden kann, jedenfalls bei Weitem.

Dass vorliegend auch keine vom Regelfall abweichende Fallgestaltung gegeben ist, hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt; dies läge auch bereits wegen der geringfügigen Höhe des Gerichtskostenvorschusses nicht nahe.

Soweit die weitere Beschwerde demgegenüber auf § 691 Abs. 2 ZPO verweist, vermag dies nicht durchzugreifen. Nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 24.05.2005 soll diese Vorschrift lediglich sicherstellen, dass den Parteien durch die Wahl des Mahnverfahrens statt des Klageverfahrens kein verjährungs- oder fristrechtlicher Nachteil entsteht. Für Fälle schuldhafter Verzögerung der Zustellung außerhalb des Mahnverfahrens ist dies jedoch ohne Belang. Hier hat es bei dem Grundsatz zu bleiben, dass der Partei diejenigen Verzögerungen zugerechnet werden, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätten vermeiden können. Wann der Gerichtskostenvorschuss eingezahlt wurde, liegt allein in der Verantwortung der Antragstellerin (so im Ergebnis auch OLG Hamm VersR 2004, 362).

Soweit die weitere Beschwerde die Beiziehung weiterer Akten des Amtsgerichts beantragt, brauchte der Senat als Rechtsbeschwerdegericht dem nicht nachzukommen. In Rechtsbeschwerdeverfahren ist neues Sachvorbringen ohnehin unzulässig (vgl. auch Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 45 Rz. 40; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 45 Rz. 85); auch weitere tatsächliche Ermittlungen sind dem Senat nicht möglich. Die Antragstellerin hat aber auch gar nicht konkret vorgetragen, was sich Entscheidungserhebliches aus diesen Verfahrensakten ergeben soll.

Der Senat hat die Beteiligtenbezeichnung der Antragstellerin im Rubrum klarstellend berichtigt. Das Landgericht hat im Rubrum als Verfahrensbeteiligte die verbliebenen Wohnungseigentümer (also mit Ausnahme der Antragsgegner) aufgeführt. Der Bundesgerichtshof ist in seinem Beschluss vom 02.06.2005 (NJW 2005, 2061) zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer rechtsfähig ist, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt. Der Senat hat sich dem angeschlossen (Beschluss vom 30.03.2006, Az.: 20 W 189/05). Die Konsequenz dieser Teilrechtsfähigkeit ist die Partei- und Beteiligungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst hinsichtlich der das Verwaltungsvermögen betreffenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Zu diesen aber gehören auch Wohngeldforderungen, da die Wohnungseigentümer hier im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnehmen. Diese Teilhabe ist nämlich, wie der Bundesgerichtshof ausführt, nicht auf das Außenverhältnis beschränkt, sondern betrifft auch z. B. die Verfolgung von Beitragsansprüchen gegen einzelne Wohnungseigentümer. Da hier Gegenstand des Verfahrens unzweifelhaft eine nach dieser Rechtsprechung der Eigentümergemeinschaft als Verband sui generis zustehende Forderung ist, ist die Beteiligtenbezeichnung auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch klarzustellen, ohne dass hierdurch die Identität der Beteiligten infrage gestellt würde (vgl. Senat, Beschluss vom 30.03.2006, Az.: 20 W 189/05; OLG München FGPrax 2005, 206; OLG Köln OLGR 2006, 137; vgl. weiter OLG Düsseldorf NZM 2006, 182; AG Neukölln ZMR 2005, 744; Wenzel ZWE 2006, 2, 10; ZNotP 2006, 82, 87; Riecke/Rechenberg MDR 2006, 310, 311).

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragstellerin die Gerichtskosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen hat, § 47 Satz 1 WEG.

Der Senat hat allerdings keine Veranlassung gesehen, die Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten anzuordnen, § 47 Satz 2 WEG, was hier bereits wegen der unterschiedlichen Entscheidungen der Vorinstanzen nicht angebracht erscheint.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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