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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.06.2003
Aktenzeichen: 20 W 254/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 V
WEG § 22 I
Die Beseitigung einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Teichanlage kann eine bauliche Veränderung im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG darstellen, die grundsätzlich nur einstimmig beschlossen werden kann. Sie kann dann als ordnungsgemäße Instandsetzung mit Mehrheit beschlossen werden, wenn aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht die Beseitigung erforderlich wäre und mildere Maßnahmen wie die Absicherung durch eingebrachte Gitter nicht ausreichen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM BESCHLUSS

20 W 254/01

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 25.04.2001

am 30.06.2003 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegner tragen die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 1780,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten sind Wohnungseigentümer der betroffenen Liegenschaft und streiten um die Gültigkeit eines Mehrheitsbeschlusses, durch den der Ausbau -im Sinn von Beseitigung- einer auf dem Grundstück befindlichen Teichanlage beschlossen wurde.

Diese Teichanlage bestand seit der Bildung der Wohnungseigentumsanlage in 1992, also auch beim Erwerb der Antragsteller in 1998. Sie befindet sich hinter dem mehrgeschossigen Wohnhaus in einem größeren, in Gemeinschaftseigentum stehenden Garten, der durch einen 1,70 m hohen Zaun abgegrenzt ist von einem Nachbargrundstück, das zu einem Kindergarten gehört. Nach einer mit der weiteren Beschwerde vorgelegten Skizze (Bl. 176 d. A.), deren Richtigkeit die Antragsteller nicht entgegengetreten sind, besteht die Anlage aus einem unregelmäßig runden Teil mit einem maximalen Durchmesser von 2,50 m, der am Rand 0,30-0,40 m und in der Mitte 0,60- 0,70 m tief ist. Darin mündet ein künstlicher Bachlauf von 7,5 m Länge, der überall 0,80 bis 1,00 m breit und 0,20-0,30 m tief ist. Die Gewässer sind mit Seerosen und anderen Wassergewächsen bepflanzt.

Der Verwalter übersandte mit der Einladung zur Eigentümerversammlung vom 07.09.1999 u. a. ein Angebot der Fa. M. vom 10.08.1999, das unter Pos.3 die Abdeckung der Teichanlage mit Resopal für ca. 3.683,00 DM bzw. mit Holzbrettern für ca. 3.161,00 DM enthielt und unter Pos. 4 den Ausbau des Beckens und die Einebnung mit Anlage von Rasen oder Pflanzbeet für knapp 2000,00 DM (Bl. 128-133 d. A.). In der Eigentümerversammlung vom 07.09.1999 beschloss die Gemeinschaft unter TOP 9.4 den Ausbau der Teichanlage gemäß dem Angebot der Fa. M. vom 10.08.1999 über ca. 1.925,60 DM. Dagegen stimmten allein die Antragsteller mit 74,91/1000 Anteilen. Unter TOP 9.5 wurden einstimmig beschlossen, dass u. a. die Kosten dieser Maßnahme aus der Instandhaltungsrücklage (IHR) bezahlt werden sollten (Bl. 11 d. A.).

Mit am 07.10.1999 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz haben die Antragsteller die Ungültigerklärung des Beschlusses vom 07.09.1999 über den Ausbau der Teichanlage beantragt. Sie haben geltend gemacht, es handele sich bei dem vollständigen Rückbau der Teichanlage um eine bauliche Veränderung, die nur einstimmig habe beschlossen werden können. Ihre Zustimmung sei auch nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich, da durch die Beseitigung der Anlage als wertvollem Biotop der Charakter des Gartens negativ verändert werde und die Antragsteller deshalb über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden. Der Rückbau der Teichanlage sei auch nicht zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten geboten. Die Gemeinschaft habe diese Verpflichtung gegenüber von außen auf das Grundstück gelangende Kinder durch die Umzäunung bzw. das Hoftor zur Straße hin erfüllt. Gegenüber Kleinkindern der Wohnungseigentümer selbst gehe die Aufsichtspflicht der Sorgeberechtigen bzw. eines Beauftragten vor. Jedenfalls sei die völlige Beseitigung der Teichanlage nicht erforderlich, sondern es genügten alternative Maßnahmen wie die Einzäunung des Teiches oder die Einbringung eines Gitters oder Netzes.

Dem sind die Beteiligten zu 1) entgegengetreten und haben vorgetragen, der Mehrheitsbeschluss sei wirksam, da es nicht um eine bauliche Veränderung, sondern eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Instandhaltung gehe, da das Wasser in der Anlage brackig geworden und zunehmend veralgt sei. Außerdem genüge die Einfriedung des Grundstücks nicht zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht. Abgesehen davon, dass Kinder aus dem benachbarten Kindergarten und von der Straße durch das nicht selten offenstehende Hoftor auf das Grundstück der Gemeinschaft gelangen könnten, seien die in der Liegenschaft selbst lebenden Kinder von Eigentümern und Mietern gefährdet. In diesem Zusammenhang haben die Antragsgegner behauptet, die 1999 dreijährige Tochter der Miteigentümer K., denen ein Sondernutzungsrecht an einer Terrasse zustehe, sei bereits einmal in den Teich bzw. Bachlauf gefallen. Schließlich entspreche es ordnungsgemäßer Verwaltung, dass die Gemeinschaft von mehreren Alternativen zur Beseitigung der Gefährdungslage die absolut sicherste und auch kostengünstigste gewählt habe.

Das Amtsgericht ist der Auffassung der Antragsgegner gefolgt und hat den Antrag des Antragsteller zurückgewiesen. Das Landgericht hat den angefochtenen Beschluss abgeändert und den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 07.09.1999 zu TOP 9.4 über den Ausbau der Teichanlage für ungültig erklärt. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Antragsgegner, mit der sie geltend machen, da alle Varianten zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht dieselbe Rechtsqualität hätten, sei die Eigentümergemeinschaft berechtigt, mit dem Ausbau der Teichanlage die gleichzeitig sicherste und kostengünstigste Variante zu beschließen. Die Antragsteller verteidigen den angefochtenen landgerichtlichen Beschluss unter Vertiefung ihres bisherigen Vertrags.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO), worauf er allein zu überprüfen war.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den angefochtenen Eigentümerbeschluss mangels Einstimmigkeit für ungültig erklärt hat.

Der Ausbau (im Sinn von Beseitigung) einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Teichanlage kann eine bauliche Veränderung im Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG darstellen (Bärmann/Pick/Merle: WEG, 8. Aufl., § 22 Rdnr. 54; Staudinger/Bub: WEG, 12. Aufl., §22 Rdnr. 144). Eine solche liegt nämlich in der Regel vor, wenn in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums eingegriffen und eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung realer Teile des gemeinschaftlichen Eigentums vorgenommen wird (Senat, Beschlüsse vom 06.02.2003-20 W 295/01- und vom 02.04.2003-20 W 68/01-). Bei der Beseitigung einer vorhandenen Teichanlage geht es nicht um die übliche Gartenpflege, also um Maßnahmen, die der Pflege, Erhaltung oder Bewahrung des gegenwärtigen Zustandes oder seiner erstmaligen Herstellung dienen. Bei Algenbildung und "Umkippen" des Wassers hätten Reinigung und Wasseraustausch als Pflegemaßnahmen ausgereicht. Trotzdem kann auch eine das gemeinschaftliche Eigentum umgestaltenden Maßnahme dann mit Stimmenmehrheit beschlossen werden, wenn sie zur Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten erforderlich ist, denn dann gehört sie zur ordnungsgemäßen Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums und geht nicht im Sinn von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG darüber hinaus (Palandt /Bassenge: WEG, 62. Aufl., § 22 Rdnr. 5, 8; Staudinger/Bub, aaO., § 22 Rdnr. 38). Die Wohnungseigentümer trifft eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht für das Grundstück, das Gebäude sowie gemeinschaftliche Einrichtungen und Anlagen (BGH NJW 1985, 484 und NJW-RR 1989, 394; Staudinger/Bub, aaO., § 21, Rdnr. 182; Merle, aaO., § 21 Rdnr. 108) und zwar sowohl gegenüber einzelnen Wohnungseigentümern als auch gegenüber Dritten. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, wie effektiv die Abschirmung der Teichanlage gegenüber Dritten wie z. B. den das Nachbargrundstück benutzenden Kindergartenkindern gestaltet ist. Jedenfalls sind bisher keinerlei Maßnahmen ersichtlich, die den Zugang der (Klein)-kinder einzelner Miteigentümer der Anlage erschweren würde. Diesen steht aber grundsätzlich das Nutzungsrecht an dem gesamten in Gemeinschaftseigentum Garten zu und sie müssen sich auch bei Bestehen eines Sondernutzungsrechts an einer ebenerdigen Terrasse nicht auf deren Einzäunung verweisen lassen. Abgesehen davon, dass in dem amtsgerichtlichen Beschluss festgestellt ist, dass die Tochter der Miteigentümer K. bereits einmal in den Teich gefallen sei, leben inzwischen noch weiter Kleinkinder in der Anlage. Für diese, aber auch für ältere Kinder wegen der Gefahr des Einbrechens bei zugefrorenem Teich im Winter, stellt eine Teichanlage wie die hier Streitgegenstand liehe grundsätzlich eine Gefahrenquelle dar. Gleichzeitig bildet sie wegen der vielfältigen Spielmöglichkeiten einen Anziehungspunkt, dem auch die Aufsichtspflichtigen nicht ständig und umfassend entgegenwirken können. Wenn ein Kind an der Teichanlage verunglücken würde, könnte die für eine Haftung wegen Verletzung von Verkehrssi-cherungspflichten erforderliche Voraussehbarkeit für die Wohnungseigentümer und den Verwalter durchaus gegeben sein.

Wie die von dem Verwalter während des Beschwerdeverfahrens eingeholten Angebote (Bl 134-140 d.A.) zeigen, stehen den Beteiligten zur Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht durch Absicherung der Teichanlage technisch verschiedene Alternativen zur Verfügung. Da sich dabei auch das Angebot der Fa. A. vom 09.01.2001 über die Absicherung der Teichanlage durch den Einbau eines Metallgitters befindet, ist davon auszugehen, dass der ursprüngliche -streitige- Vortrag der Antragsgegner, eine derartige Absicherung sei durch Anbringung eines Gitters oder einer Baustahlmatte technisch nicht möglich (Schriftsatz vom 31.07.2000, Bl. 110 d. A.), nicht aufrechterhalten wird, sondern nur noch geltend gemacht wird, diese Alternative sei nicht sicher genug. Eine absolute Sicherheit, wie sie nur die völlige Beseitigung der Teichanlage bieten kann, ist aber zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht nicht zu verlangen. Es sind nur die Vorkehrungen zu treffen, die im Rahmen des Zumutbaren nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs zur Abwehr von Gefahren erforderlich und geeignet sind, die bei bestimmungsgemäßer oder nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (Staudinger/Bub, aaO. Rdnr. 182). Es ist daher aus rechtlichen Gründen nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht davon ausgegangen ist, dass eine Beseitigung der Teichanlage zur Verkehrssicherung nicht erforderlich war, sondern Sicherungsmaßnahmen unter Aufrechterhaltung der Teichfunktion ausreichen.

Soweit die Antragsgegner sich in der weiteren Beschwerde auf ein Auswahlermessen berufen, gilt dieses uneingeschränkt nur für einen einstimmigen Beschluss. Soweit eine bauliche Veränderung mehrheitlich beschlossen werden soll, ist dieses Ermessen eingeschränkt auf zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten notwendige Maßnahmen, denn durch die Beeinträchtigung der baulichen Substanz des Gemeinschaftseigentums wird in die Eigentumsrechte der Antragsteller eingegriffen.

Dies wäre durch Mehrheitsbeschluss eindeutig nicht zulässig, wenn die Beseitigung mit den normalen Erhaltungskosten begründet würde. Aber auch die Verkehrssicherungspflicht kann zur Rechtfertigung nur insoweit herangezogen werden, als sie derartige Eingriffe in die Bausubstanz erfordert. Die Kostenunterschiede sind unter Berücksichtigung der Verteuerung der beschlossenen Arbeiten auf 3.480,00 DM (Bl. 136 d. A.) gegenüber der Einbringung eines Gitters mit 6.920,56 DM (Bl. 134 d. A.) unter Beibehaltung der Teichfunktion bei der offensichtlich solventen Gemeinschaft nicht so gravierend, dass etwa unter wirtschaftlichen Gesichtpunkten überhaupt nur die beschlossene Beseitigung in Betracht gekommen wäre. Auf die laufenden Unterhaltungskosten von ca. 180,00 DM monatlich kann nicht abgestellt werden, da diese auch ohne Absicherung schon bisher angefallen sind.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsgegner die gerichtlichen Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels tragen. Dagegen sah der Senat keine Veranlassung für eine ausnahmsweise Anordnung der Kostenerstattung der außergerichtlichen Kosten nach § 47 Satz 2 WEG, die über die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels hinausgehende Umstände voraussetzen. Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG, wobei der Senat die inzwischen erhöhten Kosten für die beschlossene Maßnahme berücksichtigt hat, nachdem die anbietende Firma M. nicht mehr zur Verfügung steht und jetzt das Angebot der Fa. H. für die Teichverfüllung zu 3.480,00 DM maßgeblich ist.

Ende der Entscheidung

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