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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 27.09.2004
Aktenzeichen: 20 W 275/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23
WEG § 24
Zur Nichtigkeit eines Eigentümerbeschlusses.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 275/02

Entscheidung vom 27.09.2004

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage ...straße ..., O1,

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 18.06.2002 am 27.09.2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Kassel vom 14.03.2002 festgestellt wird, dass die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom ...10.2001 nichtig sind.

Die Antragsgegner haben die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten werden im Verfahren der weiteren Beschwerde nicht erstattet.

Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 2.600,-- EUR.

Gründe:

Die seit langem zerstrittenen Beteiligten sind die Eigentümer der sich aus dem Rubrum ergebenden Wohnungseigentumsanlage.

Die Antragsgegner luden den Antragsteller mit undatiertem Schreiben, welches dem Antragsteller spätestens am 02.10.2001 zuging, zu einer Eigentümerversammlung am ...10.2001 ein. Der Antragsteller reagierte auf die Einladung mit Schreiben vom 02.10.2001, in dem er diese zurückwies, da sie nicht den rechtlichen Bestimmungen entspreche. Er führte im Einzelnen aus, dass eine Notwendigkeit zur Durchführung einer Wohnungseigentümerversammlung nicht bestehe. Die Antragsgegner führten die Eigentümerversammlung gleichwohl am ...10.2001 in Abwesenheit des Antragstellers durch und fassten eine Vielzahl von Beschlüssen. Wegen des Inhalts dieser Beschlüsse wird auf die Niederschrift der Eigentümerversammlung in der Anlage zur Antragsschrift Bezug genommen. Die vorgenannte Niederschrift ließen die Antragsgegner dem Antragsteller am 12.11.2001 zukommen.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2001, beim Amtsgericht eingegangen am 22.11.2001, hat der Antragsteller beantragt, sämtliche Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom ...10.2001 für ungültig zu erklären. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Antragsgegner seien zur Einberufung der Eigentümerversammlung am ...10.2001 nicht befugt gewesen. Dies müsse im vorliegenden Fall nicht nur zur Anfechtbarkeit, sondern zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führen, da sich die Antragsgegner in beharrlicher Weise über die Einberufungsregelungen hinwegsetzten und mit der Versammlung einen schikanösen Zweck verfolgt hätten. Nachdem die Antragsgegner unter Hinweis auf die Versäumung der Anfechtungsfrist beantragt hatten, den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen, hat der Antragsteller hilfsweise beantragt, festzustellen, dass die am ...10.2001 gefassten Beschlüsse nichtig seien.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 14.03.2002, auf den ebenfalls Bezug genommen wird, unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom ...10.2001 für ungültig erklärt. Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers hat es den Antragsgegnern auferlegt.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Mit dem Rechtsmittel haben sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Auferlegung der Kosten auf den Antragsteller verfolgt. Sie haben ausgeführt, der Antragsteller habe die Antragsfrist beim Amtsgericht schuldhaft versäumt. Nach § 7 der Teilungserklärung seien die Wohnungseigentümer überdies berechtigt zu einer Eigentümerversammlung einzuladen. Im Übrigen sei der Antragsteller zu einer von ihnen für den 14.09.2001 einberufenen Eigentümerversammlung mit seinem Verfahrensbevollmächtigten erschienen und habe hiermit ihre Einberufungskompetenz anerkannt.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den gleichfalls verwiesen wird, hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts hinsichtlich der getroffenen Kostenentscheidung abgeändert und angeordnet, dass die Antragsgegner die Gerichtskosten der ersten Instanz zu tragen haben und eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz nicht stattfinde. Im Übrigen hat es die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegner sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Durch Beschluss vom 23.10.2002 hat der Senat den Antragsgegnern Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde bewilligt.

Der Antragsteller ist der sofortigen weiteren Beschwerde entgegen getreten.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft und auch - nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch den Senat - ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Beschluss des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 Satz 1 FGG, 546 ZPO. Nur insoweit hat eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zu erfolgen.

Im Ergebnis zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom ...10.2001 als nichtig anzusehen sind.

Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst auf die Ausführungen des Landgerichts insoweit Bezug genommen werden, als das Landgericht im Einzelnen einen Einberufungsmangel festgestellt hat. Ergänzend kann insofern auf den Senatsbeschluss vom heutigen Tage im Verfahren 20 W 513/01 verwiesen werden, der in einem Verfahren zwischen den gleichen Beteiligten ergangen ist und sich auf eine Versammlung bezieht, die an dem gleichen Mangel litt. Die Rechtsausführungen der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Es ist weiter aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht für den vorliegenden Fall ausnahmsweise von einer Nichtigkeit der Wohnungseigentümerbeschlüsse ausgegangen ist. Die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts, dass dies bei Einberufungsmängeln allerdings grundsätzlich nicht der Fall ist, sondern Einberufungsmängel in der Regel nur zur Anfechtbarkeit, nicht jedoch zur Nichtigkeit führen, sind nicht rechtsfehlerhaft und entsprechen überdies der Rechtsprechung des Senats. Dies ergibt sich schon daraus, dass die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes grundsätzlich abdingbar sind, so dass ein Verstoß gegen unverzichtbare Rechtsvorschriften nicht vorliegt. Nichtigkeit eines Wohnungseigentümerbeschlusses kann dagegen nur ausnahmsweise angenommen werden, wenn er etwa gegen ein zwingendes gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt oder das Gesetz verletzt (vgl. etwa Niedenführ/Schulze, WEG, 9. Aufl., § 23 Rz. 11; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 23 Rz. 123 ff; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 23 WEG Rz. 22 ff; Staudinger/Bub, BGB, Stand Juni 1997, § 23 WEG Rz. 223 ff) bzw. aufgrund eines Verstoßes gegen formelle oder materielle Vorschriften ein Vertrauen auf den Wohnungseigentümerbeschluss nicht schützenswert erscheint (vgl. Erman/Grziwotz, BGB, 11. Aufl., § 23 WEG Rz. 6). Dies wird zwar noch nicht bei einer rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung formaler Gestaltungsmöglichkeiten angenommen (vgl. Staudinger/Bub, a.a.O., § 23 WEG Rz. 250; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 23 Rz. 126), wohl aber dann, wenn einzelne Wohnungseigentümer durch Nichteinladung bewusst von der Versammlung ausgeschlossen werden sollen; dann sind Eigentümerbeschlüsse nichtig und entfalten keine Rechtswirkungen (vgl. Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 23 Rz. 172; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 24 WEG Rz. 5; OLG Celle ZWE 2002, 132; ZWE 2002, 276; OLG Zweibrücken FGPrax 2003, 60).

Das Landgericht hat im Einzelnen ausgeführt, dass vorliegend eine diesem letzten Fall vergleichbare Sachlage vorliegt. Die Antragsgegner haben den Antragsteller hier zwar zur Wohnungseigentümerversammlung geladen, aber nach den Feststellungen des Landgerichts (vgl. Seite 8 des angefochtenen Beschlusses) durch die besonderen Umstände ihrer Einladung dennoch bewusst darauf hingewirkt, dass er an der Eigentümerversammlung nicht teilnimmt. Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts, dass die Antragsgegner dies in Kenntnis dessen getan haben, dass der Antragsteller der jeweiligen Einladung keine Folge leisten und an der entsprechenden Eigentümerversammlung nicht teilnehmen werde, vermag der Senat aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Senat ist grundsätzlich als Rechtsbeschwerdegericht an die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts gebunden und darf sie lediglich eingeschränkt, nämlich auf Rechtsfehler hin überprüfen (vgl. im Einzelnen Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 45 Rz. 87). Solche sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere konnte das Landgericht dabei darauf abstellen, dass den Antragsgegnern aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts vom 14.08.2001 im Verfahren 803 II 41/2000 WEG im Einzelnen bekannt war, dass ihre Vorgehensweise rechtsfehlerhaft war. Auch der Antragsteller konnte hiervon ausgehen. Er ist auch hiervon ausgegangen, wie sein Schreiben vom 02.10.2001 zeigt. Die weitere Beschwerde räumt immerhin selber ein (Seite 3 des Schriftsatzes vom 28.03.2003), dass die Antragsgegner bis zur Entscheidung des Landgerichts in jenem (Beschwerde-) Verfahren vom 06.11.2001 nicht "von etwas anderem auszugehen hatten, als der bloßen Anfechtbarkeit von Beschlüssen, die in einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Eigentümerversammlung getroffen wurden". Dennoch haben sie - wie das Landgericht festgestellt hat - im Jahr 2001 weitere fünf Eigentümerversammlungen in jener Weise einberufen, in der jeweils eine Vielzahl von Beschlüssen gefasst wurden. Ob dies auch nach dem 06.11.2001 noch der Fall war, kann dabei dahinstehen. Um einen Fall einer rechtsmissbräuchlichen Ausnutzung formaler Gestaltungsmöglichkeiten geht es hier gerade nicht. Neben der beschriebenen Vielzahl von Eigentümerversammlungen hat das Landgericht dabei weiter zu Recht den Umstand berücksichtigt, dass es sich hier um eine kleine und überaus zerstrittene Wohnungseigentümergemeinschaft mit nur zwei gleich großen Miteigentumsanteilen handelt. Die vom Landgericht als schikanös und gegen Treu und Glauben verstoßend bezeichnete Vorgehensweise der Antragsgegner musste zwingend dazu führen, dass alle Beschlüsse in der Vielzahl von Eigentümerversammlungen jeweils nur ihren eigenen Interessen entsprachen, da sie die einzigen in den Versammlungen verbliebenen Wohnungseigentümer waren. Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Landgerichts, dass unter diesen ganz besonderen Umständen des vorliegenden Falles, wie sie das Landgericht aufgeführt hat, von einer Nichtigkeit der Wohnungseigentümerbeschlüsse ausgegangen werden muss. Aufgrund der beschriebenen Vorgehensweise der Antragsgegner unter bewusstem Verstoß gegen Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes und der weiteren Besonderheiten erscheint ein Vertrauen der Wohnungseigentümer (= hier lediglich der Antragsgegner) auf die Wohnungseigentümerbeschlüsse keinesfalls schützenswert.

Ob sich die Nichtigkeit einzelner der Wohnungseigentümerbeschlüsse vom ...10.2001 noch aus anderen Erwägungen heraus ergäbe, kann damit offen bleiben.

Dem Senat erscheint es sachgerecht, die Nichtigkeit im Entscheidungssatz zur Klarstellung auszusprechen, da ein nichtiger Beschluss einer Ungültigerklärung - wie vom Amtsgericht ausgesprochen - grundsätzlich nicht bedarf (vgl. BayObLG ZWE 2001, 590; BayObLGZ 1986, 444; Palandt/Bassenge, a.a.O., § 23 WEG Rz. 25).

Es kann damit dahinstehen, ob dem Antragsteller im Hinblick auf seinen Anfechtungsantrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Anfechtungsfrist zu bewilligen gewesen wäre, wie es das Amtsgericht im Beschluss vom 14.03.2002 immerhin angeordnet hatte.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsgegner die Gerichtskosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen haben, § 47 Satz 1 WEG.

Gründe, ausnahmsweise die Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten anzuordnen, hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht auch für das Verfahren der weiteren Beschwerde nicht gesehen, § 47 Satz 2 WEG.

Den Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde hat der Senat an der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung durch die Vorinstanzen orientiert, § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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