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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.09.2007
Aktenzeichen: 20 W 276/07
Rechtsgebiete: VBVG


Vorschriften:

VBVG § 2
VBVG § 9
Zur Bestimmung der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 2 VBVG ist eine taggenaue Berechnung bezogen auf das Eingangsdatum des Vergütungsantrages beim Vormundschaftsgericht unter Berücksichtigung des Zeitraumes von 15 Monaten vorzunehmen; ein Fristbeginn erst mit Ablauf des jeweiligen Vergütungsquartals ist abzulehnen.
Gründe:

I.

Für den mittellosen Betroffenen, der seit langem in einem Heim lebt, besteht seit 18. Juli 1994 eine Betreuung. Die hiesige Antragstellerin ist seit Mai 1999 zur Betreuerin bestellt und führt die Betreuung berufsmäßig.

Mit am 02. April 2007 beim Vormundschaftsgericht eingegangenen Antrag begehrte die Betreuerin die Festsetzung einer Vergütung für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis 31. Mai 2006 in Höhe von 968,-- EUR.

Das Amtsgericht setzte mit Beschluss vom 16. April 2007 für die Tätigkeit in der Zeit vom 19. Oktober 2005 bis 18. April 2006 unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 44,-- EUR eine aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung von 528,-- EUR fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, unter Berücksichtigung des Beginns der Betreuung am 18. Juli 2004 sowie des Eingangs des Festsetzungsantrages am 02. April 2007 sei bei der Anwendung der Erlöschensfrist nicht "spitz" auf das für den 02. Januar 2006 ermittelte Erlöschensdatum abzustellen, sondern auf das Vergütungsquartal. Demzufolge sei der Vergütungsanspruch für Tätigkeiten bis zum Ablauf des am 18. Oktober 2005 endenden Vergütungsquartals erloschen.

Auf die hiergegen von der Bezirksrevisorin eingelegte sofortige weitere Beschwerde änderte das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung mit Beschluss vom 20. Juni 2007 dahingehend ab, dass der Betreuerin für die Tätigkeit in der Zeit vom 02. Januar 2006 bis 18. April 2006 eine aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung in Höhe von 309,42 EUR festgesetzt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, nach § 2 VBVG seien alle vor dem 02. Januar 2006 entstandenen Vergütungsansprüche erloschen. Der vom Rechtspfleger sowie in der Literatur vertretenen Auffassung, aus der Regelung des § 9 VBVG sowie der Pauschalierung der Stundensätze sei abzuleiten, dass der Vergütungsanspruch erst nach Ablauf von drei Monaten entstehe, sei nicht zu folgen. Vielmehr entstehe der Vergütungsanspruch mit der Ausübung der vergütungspflichtigen Tätigkeit.

Gegen diesen ihr am 02. Juli 2007 zugestellten Beschluss des Landgerichts wendet sich die Betreuerin mit der am 16. Juli 2007 bei Gericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde. Sie macht insbesondere geltend, die Akte sei seit Sommer 2002 zunächst nicht mehr dem Rechtspfleger oder Richter vorgelegt worden, so dass Berichte und Rechnungslegungen für die Zeit vom 01. Juni 2002 bis 31. Mai 2006 offen geblieben seien. Da das Gericht abweichende Zeiträume für die Rechnungslegung anordnen oder eine Betreuervergütung von Amts wegen festsetzen könne, sei zweifelhaft, ob der Vergütungsanspruch erlösche, wenn das Gericht nicht hieran erinnere, da in der Nichterinnerung auch eine Stundung bezüglich der Ausschlussfrist gesehen werden könne. Der Vergütungsanspruch erlösche zwar nach § 2 VBVG, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung geltend gemacht werde; dies stehe jedoch in einem gewissen Widerspruch zu § 9 VBVG, wonach die Betreuervergütung erst nach Ablauf von jeweils drei Monaten geltend gemacht werden könne. Dies spreche ebenso wie die Pauschalierung der Stundensätze dafür, den Vergütungsanspruch des Betreuers erst mit Ablauf von jeweils drei Monaten nach Ablauf des Rechnungsjahres entstehen zu lassen.

Die Bezirksrevisorin verteidigt den angefochtenen Beschluss und führt aus, es bestehe keine Verpflichtung des Gerichts, den Berufsbetreuer vor dem gesetzlich vorgesehenen Verlust seines Anspruches durch eine Aufforderung zur rechtzeitigen Geltendmachung zu bewahren.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, da sie insbesondere form- und fristgerecht erhoben wurde.

In der Sache führt das Rechtsmittel, mit dem die Betreuerin weiterhin die Festsetzung einer Vergütung für ihre Tätigkeit - wie zuvor vom Amtsgericht bewilligt - auch für die Zeit vom 19. Oktober 2005 bis 01. Januar 2006 in Höhe von weiteren 218,58 EUR aus der Staatskasse erstrebt, jedoch - mit Ausnahme der Korrektur eines geringfügigen Rechenfehlers - nicht zum Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht für diesen Zeitraum die Bewilligung einer Vergütung abgelehnt, weil die Betreuerin ihren Vergütungsanspruch erst mit am 02. April 2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz geltend gemacht hat und damit nach § 2 VBVG der Anspruch auf Vergütung für Tätigkeiten, die vor dem 02. Januar 2006 entstanden sind, erloschen ist.

Nach § 2 VBVG erlischt der Vergütungsanspruch eines Betreuers, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Vormundschaftsgericht geltend gemacht wird. Mit dieser Bestimmung hat der Gesetzgeber wörtlich die bisherige Regelung des § 1836 Abs. 2 S. 4 1. HS BGB a.F. in das nunmehr weitergehend pauschalierte Vergütungssystem des mit dem 2. BtÄndG zum 1. Juli 2005 in Kraft getretenen Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern - VBVG - übernommen, mit welcher auf eine zeitnahe Geltendmachung der Vergütungsansprüche der Berufsbetreuer zur Verhinderung des Auflaufens hoher Abrechnungsbeträge hingewirkt werden sollte. Es handelt sich somit weiterhin um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist und bei Versäumung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässt.

Für den Beginn der Ausschlussfrist wird auf die Entstehung des Vergütungsanspruches abgestellt. Nach altem Recht war dies jeweils der Zeitpunkt der Ausführung der im einzelnen abzurechnende Tätigkeit (einhellige Auffassung vgl. Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 BGB Rn. 41; OLG Saarbrücken 2000, 559, OLG Frankfurt FGPrax 2001, 243). Allerdings sieht das neue Vergütungssystem in § 5 VBVG an Stelle der bisherigen Einzelabrechnung nun eine pauschalierte Vergütung mit nach der Dauer der Betreuung gestaffelten Stundenansätzen vor. Des weiteren kann nach § 9 VBVG die Vergütung erst nach Ablauf von jeweils drei Monaten für diesen Zeitraum geltend gemacht werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Vergütungsanspruch erst nach Ablauf dieser Dreimonatsfrist zur Entstehung gelangt ( so aber Jurgeleit/Maier, Betreuungsrecht § 9 VBVG Rn. 1 und 7). Vielmehr soll durch diese Vorschrift lediglich zur Vereinfachung der Tätigkeit des Vormundschaftsgerichts eine Geltendmachung der Vergütungsansprüche der Berufsbetreuer in kürzeren Abrechnungsperioden, die unzweckmäßig wäre, verhindert werden.

Von dieser durch die Regelung des § 9 VBVG hinausgeschobenen Möglichkeit zur Geltendmachung im Rahmen des Festsetzungsverfahrens ist jedoch die Entstehung des Vergütungsanspruches zu unterscheiden. Zwar wird für Berufsbetreuer nach der Pauschalierung der Stundensätze und der Stundenansätze für die Berechnung der Vergütung jetzt nicht mehr auf die einzelne Verrichtung, sondern u. a. auf den Zeitpunkt und die Zeitdauer der Bestellung zum Berufsbetreuer abgestellt, um einfaches, streitvermeidendes und auskömmliches Abrechnungssystem zu schaffen (vgl. hierzu OLG Frankfurt BtPrax 2007, 667). Diese Pauschalierung hat jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entstehung des Anspruchs auf Vergütung, für die im neuen VBVG ausdrücklich keine von der bisherigen Gesetzeslage abweichende Regelung geschaffen wurde. Somit verbleibt es dabei, dass der Anspruch auf Vergütung ab dem Zeitpunkt der Bestellung des Berufsbetreuers mit der Entfaltung der Tätigkeiten zur Entstehung gelangt, auch wenn diese nunmehr pauschal vergütet werden. Deshalb vermag der Senat sich der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung, die Ausschlussfrist des § 2 VBVG beginne jeweils erst mit Ablauf des konkreten Abrechnungsquartals zu laufen ( vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., Anhang zu § 1836 § 2 VBVG Rn. 2; HK-BUR Bauer/Deinert § 2 VBVG Rn. 15; Jurgeleit/Maier, a.a.O.) nicht anzuschließen. Hiergegen spricht bereits, dass das VBVG nicht durchgängig nur auf Monatsfristen abstellt, sondern etwa in § 5 Abs. 4 S. 2 VBVG die Berücksichtigung der Veränderung vergütungsrelevanter Umstände zeitanteilig bezogen auf einzelne Tage vorgesehen ist.

Deshalb ist bei der Anwendung des § 2 VBVG zur Bestimmung der gesetzlichen Ausschlussfrist ebenso wie bei der gleich lautenden früheren Regelung des § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F. eine taggenaue Berechnung bezogen auf das Eingangsdatum des Vergütungsantrages beim Vormundschaftsgericht unter Berücksichtigung des Zeitraumes von 15 Monaten vorzunehmen (vgl. ebenso Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 2 VBVG Rn. 1; Jürgens/Kröger/ Marschner/Winterstein, Betreuungsrecht Kompakt, Rn 273c; Bieg/Jaschinski in jurisPK - BGB, 3. Aufl., § 2 VBVG Rn. 5). Da hier der Vergütungsantrag der Betreuerin am 2. April 2007 bei Gericht einging, sind damit alle Vergütungsansprüche für die Tätigkeit in der Zeit vor dem 1. Januar 2006 nach § 2 VBVG erloschen.

Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Betreuerin zuvor vom Vormundschaftsgericht nicht zur Einreichung eines entsprechenden Antrages aufgefordert worden war. Denn wie bereits nach bisherigem Recht besteht auch nach dem VBVG keine gesetzliche Verpflichtung des Vormundschaftsgerichts, den Betreuer vor einem Erlöschen seines Anspruches zu bewahren (vgl. OLG Schleswig FGPrax 2006, 119; KG FGPrax 2005, 264; BayObLG FamRZ 2004, 1137; OLG Dresden MDR 2004, 814). Eine solche Verpflichtung kann insbesondere nicht aus der in § 2 S. 2 VBVG i.V.m. § 1835 Abs. 1 a BGB weiterhin als Ausnahme eingeräumten Möglichkeit zur ausdrücklichen Verlängerung oder Verkürzung der Frist durch das Vormundschaftsgericht abgeleitet werden. Vielmehr darf und muss von einem Berufsbetreuer erwartet werden, dass er in der Lage ist, selbst für die rechtzeitige Geltendmachung seiner Vergütungsansprüche Sorge zu tragen.

Die sofortige weitere Beschwerde der Betreuerin war deshalb im wesentlichen zurückzuweisen.

Eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts war lediglich insoweit angezeigt, als der der Kammer unterlaufende geringfügige Rechenfehler bei der Berechnung der Vergütung für den Zeitraum vom 2. bis 18. Januar 2006 (2 Stunden x 44 EUR x 16/31 = 48,26 und nicht 45,42 EUR) zu korrigieren war.

Eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten war nach § 13a Abs. 1 S. 2 FGG nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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