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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.11.2004
Aktenzeichen: 20 W 279/04
Rechtsgebiete: BGB, GBO


Vorschriften:

BGB § 107
BGB § 566
BGB § 593 b
BGB § 1629 II 1
BGB § 1795 I 1
GBO § 20
Die schenkweise Übertragung eines Grundstücks ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn das Grundstück verpachtet ist. Dies gilt auch dann, wenn der Schenker Verpächter ist und sich zugleich mit der Übertragungsverpflichtung einen Nießbrauch vorbehält (Vorlage an den BGH wegen Abweichung von OLG Celle, Beschl. v. 16.02.2001 - 4 W 324/00, MDR 2001, 931).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Beschluss

20 W 279/04

In der Grundbuchsache

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 5) gegen den Beschluss der 07. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 11.05.2004

am 11.11.2004 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird dem Bundesgerichtshof gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 GBO zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1) schloss am 22.12.2003 zu UR-NR. .../2003 des Verfahrensbevollmächtigten mit den Beteiligten zu 2) bis 4), seinen Enkelkindern, einen Überlassungsvertrag u. a. hinsichtlich des betroffenen, verpachteten Grundbesitzes (Bl. 59- 69 d. A.). Er behielt sich an dem den Enkelkindern zu je 1/3 übertragenen Grundbesitz den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch vor, mit dessen Beendigung Nutzen, Lasten und Gefahr auf die Erwerber übergehen sollen. Sämtliche mit dem Grundbesitz zusammenhängenden Lasten und Aufwendungen übernahm der Nießbraucher. Außer diesem Nießbrauchsrecht bestellten die Beteiligten zu 2) bis 4) zu Gunsten ihrer Mutter, der Beteiligten zu 5), ein weiteres Nießbrauchsrecht an dem übergebenen Grundbesitz, bei dem ebenfalls der Nießbraucher sämtliche mit dem Grundbesitz zusammenhängenden Lasten und Aufwendungen übernahm. Die Urkundsbeteiligten erklärten die Auflassung und bewilligten und beantragten die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch sowie die Eintragung des jeweiligen Nießbrauchsrechts zu Gunsten des Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 5). Mit Zwischenverfügung vom 04.02.2004 (Bl. 71 d. A.) hat das Grundbuchamt u. a. darauf verwiesen, dass der minderjährige Beteiligte zu 4) nicht das Nießbrauchsrecht für die Beteiligte zu 5) bestellen könne. Der Antrag auf Belastung des Anteils des Beteiligten zu 4) mit dem Nießbrauchsrecht zu Gunsten der Beteiligten zu 5) ist darauf hin zurückgenommen worden. Mit einer weiteren Zwischenverfügung vom 11.03.2004 (Bl. 75 d. A.) hat das Grundbuchamt die Bestellung eines Ergänzungspflegers verlangt, da sich der Beteiligte zu 4) bei der Annahme der Grundstücksschenkung nicht selbst vertreten könne. Die Schenkung verpachteter Grundstücke sei nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, so dass die Eltern insoweit ebenfalls von der Vertretung ausgeschlossen seien. Der dagegen eingelegten Beschwerde hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 11.05.2004 zurückgewiesen (Bl. 91-94 d. A.). Gegen diesen Beschluss richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II

Der Senat möchte die gemäß §§ 78, 80 Abs.1 Satz 1 und 3 GBO zulässige weitere Beschwerde als unbegründet zurückweisen, denn der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 78 GBO, 546 ZPO). Er hält in Übereinstimmung mit dem Bayerischen Obersten Landesgericht (Beschl. v. 27.05.2003 -2 Z BR 104/03- Rpfleger 2003, 579 ) den zum Vollzug vorgelegten Überlassungsvertrag für nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinn von § 107 BGB.

Er sieht sich jedoch an einer Entscheidung in der Sache gehindert, weil er in der Frage des rechtlichen Vorteils bei der Schenkung eines mit einem Nießbrauch belasteten, verpachteten Grundstücks von der Entscheidung des OLG Celle vom 16.02.2001 (4 W 324/00=OLGR Celle 2001, 159= MDR 2001, 931) abweichen will.

Das Landgericht hat zur Genehmigungsbedürftigkeit des vorgelegten Vertrages ausgeführt: Auf Grund der Möglichkeit einer persönlichen Haftung des Beteiligten zu 4) aus dem Pachtvertrag im Fall des Erlöschens sowohl des zu Gunsten des Beteiligten zu 1) als auch der Beteiligten zu 5) bestellten Nießbrauchs sei der Erwerb der verpachteten Grundstücke für den minderjährigen Beteiligten zu 4) nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, so dass seine Mutter gemäß §§ 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB von der Vertretung ausgeschlossen und die Genehmigung durch einen für den Beteiligten zu 4) zu bestellenden Ergänzungspfleger gemäß § 1909 BGB zum Vollzug der Eigentumsumschreibung erforderlich sei.

Der Senat teilt den Standpunkt des Landgerichts. Nach § 20 GBO ist dem Grundbuchamt vor der Eintragung einer Eigentumsänderung die Einigung nach § 925 BGB in der grundbuchmäßigen Form so nachzuweisen, wie sie sachlichrechtlich zur Herbeiführung der Rechtsänderung notwendig ist. Damit umfasst die Prüfung durch das Grundbuchamt auch die Wirksamkeit der Vertretung eines minderjährigen Auflassungsempfängers. Minderjährige Beteiligte wie hier der beschränkt geschäftsfähige Beteiligte zu 4) bedürfen zu einer Willenserklärung, durch die sie nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen, der Einwilligung ihrer Eltern als gesetzlichen Vertretern ( §§ 107 BGB, 1629 Abs. 1 BGB). Eltern können grundsätzlich nicht als gesetzliche Vertreter ihres Kindes bei einem Rechtsgeschäft mit einem Verwandten in gerader Linie handeln, es sei denn, das Rechtsgeschäft besteht ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit (§§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Bringt das Rechtsgeschäft lediglich einen rechtlichen Vorteil, gilt das Vertretungsverbot nicht. Für das minderjährige Kind muss in diesem Fall kein Pfleger handeln und der Beteiligte zu 4) bedarf dann auch nicht für die Annahme der Auflassung der Mitwirkung seiner Eltern als gesetzlichen Vertretern.

Das Geschäft ist als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft zu beurteilen. Ein rechtlicher Vorteil ist zu bejahen, wenn der Minderjährige aus seinem Vermögen, das er bei Abschluss des Vertrages besitzt, nichts aufgeben und auch keine neuen Belastungen auf sich nehmen muss, damit der Vertrag zu Stande kommt (BayObLGZ 1979, 49, 53). Umgekehrt ist ein rechtlicher Nachteil zunächst immer dann gegeben, wenn den Minderjährigen als Folge seiner Willenserklärung irgendeine Verpflichtung trifft. Unerheblich ist es hierbei, ob dieser unmittelbar aus dem Rechtsgeschäft folgende Nachteil auf Grund Parteiwillens oder kraft Gesetzes eintritt (Bamberger/Roth: BGB, 2003, § 107 Rdnr. 3; Larenz/Wolf: BGB, AT, 9. Aufl., 2004, § 25, Rdnr. 19). Ob ein Vertrag rechtlich vorteilhaft ist, kann nicht isoliert für einzelne Teile des Rechtsgeschäfts, insbesondere nicht für den schuldrechtlichen und den dinglichen Teil beantwortet werden, sondern ist aus einer Gesamtbetrachtung des Vertrages heraus zu beurteilen (BGHZ 78, 28, 34=NJW 1981, 109; OLG ZMR 2004, 189, 190). Vorliegend ist der Erwerb der Grundstücke zwar nicht schon deshalb rechtlich nachteilig, weil sie in gleicher Urkunde mit einem Eigentümernießbrauch des Übergebers belastet werden. Vielmehr ist das Geschenk gleichsam um den Belastungsgegenstand nur gemindert, zumal die mit dem Nießbrauch verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen des Eigentümers aus § 1041 Satz 2 BGB und aus § 1047 BGB abbedungen worden sind. Aber ein rechtlicher Nachteil ist darin zu sehen, dass der minderjährige Erwerber nach §§ 566, 593 b BGB in den Pachtvertrag eintritt und damit eine persönliche Verpflichtung für ihn begründet wird (OLG Oldenburg NJW-RR 1988, 839; Palandt/Heinrichs: BGB, 63. Aufl., § 107 Rdnr. 4; Bamberger/Roth, aaO., Rdnr. 8; Larenz/Wolf, aaO., Rdnr. 26, jeweils für vermieteten Grundbesitz). Daran vermag auch der Nießbrauch des Übergebers nichts zu ändern, da der neue Eigentümer jedenfalls für eine logische Sekunde Vermieter wird, weil das Gesetz keinen unmittelbaren Übergang des Mietverhältnisses von einem Eigentümer auf den Nießbrauchsberechtigten im Verhältnis zu einem anderen Eigentümer vorsieht (BayObLG Rpfleger 2003, 579). Darüber hinaus tritt der Erwerber jedenfalls bei Beendigung des Nießbrauchs gemäß § 1056 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung des § 566 BGB in den Mietvertrag ein. Dabei kann die Wahrscheinlichkeit der Beendigung des Nießbrauchs bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Erwerbers entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde nicht maßgebliches Kriterium sein für die Beurteilung des rechtlichen Nachteils, sondern allenfalls für die Genehmigung durch den Ergänzungspfleger.

Entgegen der vom OLG Celle vertretenen Auffassung ist der Eintritt in die Pachtverträge auch nicht nur eine sekundäre Haftungsfolge, für die im Prinzip das gleiche gelten müsse wie für öffentliche Lasten des Grundstücks. Diese schließen den lediglich rechtlichen Vorteil des Grundstückserwerbs nicht aus, weil sie nur mittelbare Nachteile darstellen, die allein an die Eigentümerstellung anknüpfen. Im Gegensatz zu den mit dem Grundstückserwerb verbundenen öffentlichen Lasten wie Steuern, Abgaben und Gebühren handelt es sich bei dem Eintritt in die Pachtverträge aber nicht um Verpflichtungen, die von vornherein mit dem Erwerbsgegenstand unabhängig von einer Willenserklärung des Minderjährigen verknüpft sind. Aus dem Eintritt in die Pachtverträge können sich darüber hinaus auf Grund von Schadensersatzverpflichtungen z. B. nach §§ 586 Abs. 2, 536 a BGB , auch soweit sie noch von dem bisherigen Verpächter herrühren, Belastungen ergeben, die aus dem übergebenen Grundbesitz nicht erbracht werden können und das sonstige Vermögen des Minderjährigen gefährden. Auch insoweit besteht ein Unterschied zu den öffentlichen Lasten, die im Regelfall aus dem erworbenen Grundstück gedeckt werden können.

Ende der Entscheidung

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