Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.12.2005
Aktenzeichen: 20 W 304/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10
WEG § 15
WEG § 23
1. Vor der Vereinigung eines von den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft erworbenen Grundstücks mit dem Grundbesitz, an dem Wohnungseigentümergemeinschaft besteht, und der entsprechenden Änderung der Teilungserklärung fehlt der Wohnungseigentümerversammlung die Regelungskompetenz für Gegenstände, die die Nutzung des Erwerbsgrundstücks betreffen.

2. Dies gilt auch dann, wenn es um die Umsetzung eines Beschlusses geht, der zwar mangels Regelungsbefugnis gleichfalls nichtig ist, die Nichtigkeit aber infolge Zurückweisung des Anfechtungsantrags nicht geltend gemacht.


Gründe:

Die Beteiligten zu 1) bis 7) sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ... in ... . Im Jahr 1996 hatten die Wohnungseigentümer ein angrenzendes Grundstück zu einem Kaufpreis von 159.750,00 DM erworben, auf dem sich zwei Schuppen befinden. Im Vorfeld des Erwerbs war auf mehreren Eigentümerversammlungen die Nutzung einer Teilfläche zum Bau von Garagen diskutiert worden. In einer Anlage zu TOP 4 der Wohnungseigentümerversammlung vom 04.11.1993 (Bl. 119-121 d. A.) war u. a. vorgesehen, dass der Erwerb entsprechend den bestehenden Miteigentumsanteilen statt findet und mit dem bestehenden Eigentum zu diesen Anteilen vereinigt werden soll. Weiter heißt es, die Eigentümergemeinschaft sei bereit, einen Teil der Erwerbsfläche zur Bebauung mit Pkw-Garagen an einzelne Eigentümer zu verpachten. Hierzu werde nach Klärung der baurechtlichen Möglichkeiten gesondert beschlossen.

Zu TOP 3 der Eigentümerversammlung vom 23.03.1994 war allstimmig der Erwerb beschlossen worden sowie mehrheitlich, eine Teilfläche "..." -soweit möglich- interessierten Miteigentümern zur Nutzung von noch zu errichtenden Pkw-Garagen nach einem noch zu beschließenden Nutzungs- und Kostenmodus zu überlassen. In der Eigentümerversammlung vom 07.12.1994 war der Beschluss zum Grundstückserwerb bestätigt worden. Zu dem Erwerbsgrundstück gehörte eine weitere an der Einfahrt von der ... Straße gelegene Teilfläche, die die Gemeinschaft in der Vergangenheit von der Stadt O1 als Eigentümerin pachtete und als zusätzliche Parkfläche neben den überdachten Stellplätzen nutzte, die in der Teilungserklärung als Gemeinschaftseigentum enthalten sind.

In der Eigentümerversammlung vom 22.05.2000 beschloss die Gemeinschaft u. a. unter TOP 11 mehrheitlich die Zuordnung der Parkplätze gemäß § 15 WEG und bewilligten die Ausschilderung (Bl. 40 d. A.). Die Anfechtung dieses Beschlusses durch den Antragsteller war erfolglos (Az. 302 II 64/00 AG Darmstadt).

Unter TOP 4 der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.03.2004 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich die Markierung der Stellplätze im Hof durch Hausnummern und eine weiße Bodenmarkierung (Bl. 6, 7 d. A.).

Der Antragsteller hat diesen Beschluss mit am 08.04.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten angefochten und erstinstanzlich vorgetragen, der Beschluss sei wegen Verstoßes gegen die Hessische Garagenverordnung nichtig, außerdem liege die nach § 54 HBO erforderliche Genehmigung nicht vor. Durch den Beschluss vom 11.03.2004 sei ein erneuter Verstoß über die Beschlussfassung vom 22.05.2000 hinaus erfolgt, die auch die selbständige Anfechtung begründe.

Die Antragsgegner sind dem Antrag entgegengetreten mit dem Vorbringen, es handele sich bei dem jetzt angefochtenen Beschluss nur um die Ausführung des bestandskräftigen Beschlusses vom 22.05.2000 zu TOP 11, in dem die Lage und Zuteilung der Innenhofparkplätze bereits beschlossen worden sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 06.07.2004 (Bl. 44-49 d. A) den Antrag, den Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.03.2004 zu TOP 4 für ungültig zu erklären, zurückgewiesen.

In der Entscheidung ist u. a. ausgeführt worden, der angefochtene Beschluss gehe nicht über die verbindliche Festlegung der Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch einzelne Wohnungseigentümer in dem bestandskräftigen Beschluss vom 22.05.2000 zu TOP 11 hinaus. Wenn die Fläche für die vorgesehene Anzahl von Stellplätzen nicht ausreichend sei, so habe dies bei der Anfechtung des Beschlusses aus 2000 vorgebracht werden müssen. Bei der jetzigen Anfechtung könne nicht nachgeprüft werden, ob es wegen ihrer Ausmaße überhaupt sinnvoll gewesen sei, die Fläche zum Abstellen von Kfz den Wohnungseigentümern zur Verfügung zu stellen. Ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften liege nicht vor, da keine Stellplätze im Sinn der HBO bzw. der GaragenVO geschaffen worden seien, da es sich nicht um die Stellplätze handele, die zwingend bei Errichtung baulicher Anlagen nachgewiesen werden müssten.

Mit der Beschwerde hat der Antragsteller seinen Antrag auf Ungültigerklärung im Erstbeschwerdeverfahren weiterverfolgt und neben der Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags die Auffassung vertreten, der angefochtene Beschluss hätte einstimmig gefasst werden müssen, da es sich bei der beschlossenen Markierung wie bei der Anbringung von Sperreinrichtungen um eine bauliche Maßnahme handele. Auch greife hier die HBO ein samt ihrer Bußgeldvorschriften. Unter Berücksichtigung, dass für den Antragsteller als Behinderten die Stellplatzbreite 3,50 m betragen müsse, könnten nur 5 Stellplätze ausgewiesen werden, so dass die getroffene Gebrauchsregelung nicht allen Eigentümern diene.

Die Antragsgegner sind der Beschwerde entgegengetreten und haben den angefochtenen Beschluss verteidigt. Es handele sich dabei nur um die Konkretisierung des Grundsatzbeschlusses vom 22.05.2000, die nach § 15 Abs. 2 WEG habe mehrheitlich getroffen werden können. Eine Errichtung von Stellplätzen sei nicht erfolgt, vielmehr habe sich die Hoffläche von Anbeginn in dem heutigen, zum Abstellen von Kfz geeigneten Zustand befunden.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18.05.2005 (Bl. 89-95 d. A.) die Erstbeschwerde zurückgewiesen, da der Beschluss nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche. Da der Beschluss keinen rechtlichen Inhalt habe, nachdem die Widmung der Fläche schon durch die Beschlussfassung in 2000 erfolgt sei, sondern lediglich eine tatsächliche Handlung betreffe, liege kein Verstoß gegen öffentliches Recht vor. Es sei schon zweifelhaft, ob in der farblichen Markierung eine bauliche Veränderung zu sehen sei, jedenfalls werde der Antragsteller durch diese nicht beeinträchtigt.

Gegen den ihnen am 02.06.2005 zugestellten Beschluss des Landgerichts haben die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit am 13.06.2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit der die Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts begehrt wird und der Antrag auf Ungültigerklärung des zu TOP 4 der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.03. 2004 gefassten Beschlusses weiterverfolgt wird.

Der Antragsteller trägt vor, der Beschluss vom 22.05.2000 sei nichtig, da er nicht umsetzbar sei, tatsächlich seien die Parkplätze nicht gemäß der Beschlussfassung errichtet worden, was auch nicht möglich sei, da bei 6 nebeneinander geparkten Fahrzeugen der Ein- und Ausstieg kaum möglich sei. Eine Veränderung der Fläche erfolge erst auf Grund des jetzt angefochtenen Beschlusses, der infolge der optischen Beeinträchtigung eine bauliche Veränderung darstelle, die nicht mehrheitlich habe beschlossen werden können.

Die Beschlussfassung entspreche auch nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da die Interessen des Antragstellers nicht berücksichtigt seien und gegen öffentliches Recht verstoßen werde.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Ungültigerklärung des Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.03.2004 zu TOP 4. Die angefochtene Entscheidung leidet an einem Rechtsfehler, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO, da das Landgericht nicht berücksichtigt hat, dass der Wohnungseigentümerversammlung die Regelungsbefugnis zur der beschlossenen Markierungsmaßnahme fehlt.

Wie sich aus § 1 Abs. 4 WEG ergibt, kann Wohnungseigentum bzw. Teileigentum nur an einem Grundstück im Rechtssinn gebildet werden. Ebenso wie vor der Begründung von Wohnungseigentum bzw. Teileigentum mehrere Grundstücke gemäß §§ 890 BGB, 5 GBO zu einem Grundstück vereinigt werden müssen oder eine Bestandteilszuschreibung nach §§ 890 BGB, 6 GBO erfolgen muss, kann auch eine weitere Grundstücksfläche, die von den Wohnungseigentümern/Teileigentümern gemeinschaftlich erworben werden soll, nur durch Vereinigung oder Zuschreibung in das gemeinschaftliche Miteigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft überführt werden. Sowohl die Vereinigung als auch die Bestandteilszuschreibung setzen jedoch voraus, dass die hinzuerworbene Fläche in Wohnungseigentum aufgeteilt und der für das Wohnungseigentumsgrundstück geltenden Gemeinschaftsordnung unterstellt wird, wobei allerdings umstritten ist, in welcher Form dies erfolgen muss (OLG Oldenburg Rpfleger 1977, 22; Senat Rpfleger 1993, 396; OLG Zweibrücken DNotZ 1991, 605 mit Anmerkung von Herrmann; Staudinger/Rapp: BGB, 12. Aufl., § 1 WEG Anm. 40; Schöner/Stöber: Grundbuchrecht, 13. Aufl., Rdnr. 2810 und 2981). Solange das erworbene Grundstück nicht mit dem ursprünglich von der Teilungserklärung betroffenen Grundbesitz vereinigt und die Teilungserklärung entsprechend geändert worden ist, gehört es einer anderen Bruchteils- oder Miteigentümergemeinschaft als derjenigen Wohnungseigentümergemeinschaft, die den angefochtenen Beschluss gefasst hat. Auch dann, wenn diese personenidentisch mit den hier Beteiligten sein sollte, können diese nicht als Wohnungseigentümer Beschlüsse nach § 23 WEG über Angelegenheiten der anderen Bruchteils- oder Miteigentümergemeinschaft fassen, weil sie damit ihre Regelungsbefugnis überschreiten. Die Regelungsbefugnis der Wohnungseigentümerversammlung umfasst nur das Sondereigentum und das Gemeinschaftseigentum, das den hier Beteiligten zu 1) bis 7) als Wohnungseigentümern gemeinschaftlich gehört (AG Frankfurt am Main Wohnungseigentum 2000, 103; Weitnauer: WEG, 9. Aufl., § 23, Rdnr. 25).

Dass die Vereinigung des Erwerbsgrundstücks mit dem von der Teilungserklärung aus 1978 betroffenen Grundbesitz und eine entsprechende Änderung der Teilungserklärung erfolgt wäre, haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. Der Antragsteller hat jedenfalls noch die unveränderte Teilungserklärung aus 1978 vorgelegt und unwidersprochen vorgetragen, eine Änderung der Teilungserklärung unter Zuordnung der 1996 erworbenen Grundstücksfläche sei nicht erfolgt. Deshalb fehlte der Wohnungseigentümerversammlung die Befugnis, die Nutzung dieses Grundstücks verbindlich zu regeln, auch wenn eine Gebrauchsregelung gemäß § 15 WEG grundsätzlich mehrheitlich beschlossen werden kann.

Ob der angefochtene Beschluss gegen öffentliches Recht verstößt, was nur bei drittschützenden Normen von Bedeutung ist, kann deshalb ebenso dahingestellt bleiben wie die Frage, ob dem angefochtenen Beschluss der Wohnungseigentümer nicht die erforderliche Klarheit und Bestimmtheit fehlt, nachdem sich aus dem Protokoll der Versammlung vom 11.03.2004 nicht einmal ergibt, wie viele Parkplätze ausgewiesen werden sollen.

Die Regelungsbefugnis der Wohnungseigentümerversammlung ergibt sich auch nicht daraus, dass der hier verfahrensgegenständliche Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.03.2004 nur die Umsetzung des Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung vom 22.05.2000 zu TOP 11 darstellt. Die Nichtigkeit dieses Beschlusses kann nach rechtskräftiger Abweisung des Anfechtungsantrages zwar nicht mehr geltend gemacht werden (Palandt/Bassenge: WEG, 64. Aufl., § 23, Rdnr. 20; Weitnauer: WEG, 9. Aufl., § 23, Rdnr. 319). Dies berechtigt die Wohnungseigentümer aber nicht trotz fehlender Regelungsbefugnis über die Umsetzung dieses Beschlusses zu befinden, da diese jedenfalls die optische Veränderung des betroffenen Mit-, bzw. Bruchteilseigentums betrifft.

Die Gerichtskosten haben die Antragsgegner als unterlegene Beteiligte nach § 47 Satz 1 WEG, § 91 ZPO (analog) zu tragen.

Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen, § 47 Satz 2 WEG, da das bloße Unterliegen der Antragsgegner hierfür nicht ausreicht.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts des Verfahrens der weiteren Beschwerde erfolgte entsprechend der nicht beanstandeten Festsetzung der Vorinstanzen (§ 48 Abs. 3 WEG).

Ende der Entscheidung

Zurück