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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.06.2005
Aktenzeichen: 20 W 305/02
Rechtsgebiete: BGB, GBO, KostO


Vorschriften:

BGB § 2197
BGB § 2211
GBO § 52
KostO § 30 I
KostO § 49 I
KostO § 156
1. Der für einen verstorbenen Notar bestellte Aktenverwahrer ist als Beteiligter eines Verfahrens nach § 156 KostO jedenfalls zur Einlegung einer weiteren Beschwerde gegen eine Entscheidung des Landgerichts befugt, durch die die Kostenrechnung des Notars ermäßigt wurde.

2. Bei der Geschäftswertberechnung des Notars nach § 30 Abs. 1 KostO steht dem Notar Ermessen zu, dass vom Beschwerdegericht nur auf seine Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann.

3. Für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung mit dem Ziel der Löschung eines Testamentsvollstreckervermerks ist ein Geschäftswert von 10 % des betroffenen Grundbesitzes angemessen, wenn wahrscheinlich die Frist für die Dauervollstreckung verstrichen und das Amt des Testamentsvollstreckers erloschen ist.


Gründe:

Der Kostenschuldner war nach seinem unwidersprochenen Vortrag zu 1/21 an einer Erbengemeinschaft beteiligt, zu der Grundbesitz in O1 gehörte.

Mit dem Ziel, die Löschung eines an diesem Grundbesitz eingetragenen Testamentsvollstreckervermerks zu erreichen, gab der Kostenschuldner am ...2001 zu UR-Nr. .../2001 der amtlich bestellten Vertreterin des Kostengläubigers eine eidesstattliche Versicherung ab, für deren Inhalt auf Bl. 8-12 der Handakten des Kostengläubigers Bezug genommen wird. Danach seien der Umfang der Testamentvollstreckung sowie die als Testamentsvollstrecker benannten Personen durch öffentliche Urkunden nicht mehr nachweisbar. Das Testament des Erblassers, dessen 11 Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen waren, sei in den Kriegswirren des 2. Weltkriegs verloren gegangen, ebenso seien die Nachlass- und die Grundakten vernichtet worden. Die aus einem Grundbuchantrag bekannten als einzige bestellten Testamentsvollstrecker seien 1945 bzw. 1951 verstorben, ihre Aufgaben seien Mai 1945 beendet gewesen.

In der zu dieser Protokollierung erstellten (berichtigten )Kostenrechnung vom 27.07.2001 (Bl. 8, 9 d. A.) hat die amtlich bestellte Vertreterin des Kostengläubigers die 10/10 Gebühr gemäß § 49 Abs. 1 KostO aus einem Geschäftswert von 1.353.660,00 DM berechnet. Dabei wurden 30 % des von dem Gutachterausschuss der Stadt O1 für unbebaute Grundstücke damals maßgeblichen Bodenrichtwertes von 350 DM/qm berücksichtigt.

Der Kostenschuldner hat seine Notarkostenbeschwerde darauf gestützt, dass 4.804 qm der Gesamtfläche von 12.892 qm als Erholungsfläche mit einem Wert von 40,00 DM/qm einzustufen seien. Wegen Nutzungsrechten Dritter an den Baulichkeiten könnten nach § 6 SachenRBerG diese Ankaufsrechte geltend machen, weshalb die Gebäude auf den Grundstücken nicht der Erbengemeinschaft zu zurechnen seien.

Überhaupt würden die Eigentümer nach der Wiedervereinigung nur mit einem Drittel des Grundstückswertes entschädigt.

Der Kostengläubiger ist der Beschwerde entgegengetreten mit dem Vortrag, durch den Ansatz des Bodenrichtwertes für unbebaute Grundstücke seien größere Wertdifferenzen zwischen den einzelnen Grundstücken ausgeglichen worden. Für einen differenzierten Wertansatz müsste eine Sachverhaltsaufklärung erfolgen. Auch der Ansatz von 30 % des Beziehungswertes bei einem Rahmen von 10-50 % des Grundstückswerts als Beziehungswert sei angemessen, da keine Verfügung ohne Löschung des Testamentsvollstreckervermerks möglich sei und die eidesstattliche Versicherung vorsorglich auch für das Erbscheinsverfahren abgegeben worden sei. Im Rahmen des Freibeweises könne dem Grundbuchamt auch die eidesstattliche Versicherung des Kostenschuldners ausreichen für eine Löschung des Testamentsvollstreckervermerks.

Das Landgericht hat in seinem Beschluss vom 24.06.2002 (Bl. 57-59 d. A.) die beanstandete Kostenrechnung auf 37,07 € ermäßigt und die weitere Beschwerde zugelassen. Zur Begründung wird ausgeführt, maßgeblich für die Bestimmung des Geschäftswertes nach § 30 Abs. 1 KostO sei das Ausmaß der Einwirkung der eidesstattlichen Versicherung auf das Wirtschaftsgut. Diese sei hier außerordentlich gering, da der Testamentsvollstreckervermerk nur noch in formeller Hinsicht bestanden habe, deshalb sei eine Orientierung des Geschäftwertes am Grundstückswert nicht angemessen, vielmehr sei mangels eines sachgerechten Anhaltspunkte der Gegenstandswert auf 5.000,00 DM festzusetzen.

Gegen diese Entscheidung hat der für den Kostengläubiger bestellte Aktenverwahrer weitere Beschwerde eingelegt und die Auffassung vertreten, der von der Kammer angesetzte Geschäftswert sei ermessensfehlerhaft, da er der Bedeutung des betroffenen Wirtschaftsgutes nicht gerecht werde und den Grundsätzen der Kostenordnung widerspreche. Auch bestehe kein Anlass zur Abweichung von 30 % des Beziehungswertes als Mittelwert, wie er sich aus dem Ansatz von 10-50 % des Bezugsgegenstandes bei Verfügungsbeschränkungen wie dem Testamentsvollstreckervermerk ergebe.

Der Kostenschuldner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 156 Abs. 2 KostO). Die erforderliche Zulassung durch das Landgericht liegt vor.

Die weitere Beschwerde konnte wirksam auch durch den (damaligen) Aktenverwahrer eingelegt werden. Der die Akten eines verstorbenen Notars verwahrende Notar nimmt an dessen Stelle, wie auch das verwahrende Amtsgericht und der Notariatsverwalter, die Stellung eines Verfahrensbeteiligten in den Verfahren nach §§ 156, 157 KostO ein, wenn auch der bisherige Notar oder seine Erben materiellrechtliche Inhaber der Kostenforderung bleiben, die in dessen Amtszeit entstanden sind (Vetter in Schippel: BNotO, 7. Aufl., § 51, Rdnr. 64; Eylmann/Vaasen: BNotO, 2. Aufl., § 51, Rdnr. 35; Arndt/Lerch/Sandkühler: BNotO, 4. Aufl., § 51, Rdnr. 13). Als Verfahrensbeteiligter ist der aktenverwahrende Notar auch befugt, weitere Beschwerde einzulegen. Ob eine Beschwerdeeinlegung im Rahmen einer Anweisungsbeschwerde bzw. zu Ungunsten des verstorbenen Notars bzw. seiner Rechtsnachfolgerin zulässig wäre (verneinend OLG Stuttgart DNotZ 1971, 117,118) kann hier dahingestellt bleiben, da diese Fallgestaltung hier nicht vorliegt, sondern mit der weiteren Beschwerde eine Erhöhung der vom Landgericht ermäßigten Kostenrechnung angestrebt wird.

Die weitere Beschwerde hat auch im Umfang des Tenors in der Sache Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung, da sie nicht berücksichtigt hat, dass der Notar den Geschäftswert gemäß § 30 Abs. 1 KostO nach freiem Ermessen bestimmt und das Erstbeschwerdegericht sein Ermessen nicht an die Stelle der dem Notar eingeräumten Schätzungsbefugnis setzen darf. Vielmehr durfte die Kammer das vom Notar ausgeübte Ermessen nur auf seine Gesetzesmäßigkeit überprüfen, also dahin, ob die vom Notar angewandten rechtlichen Maßstäbe und Kriterien zutreffend und ob die angestellten Erwägungen ermessensfehlerfrei sind (OLG Düsseldorf FG-Prax 1995, 247; Rohs/Wedewer: KostO, Stand April 2003, § 30, Rdnr. 3 a). Darüber hinaus lässt die Begründung der Kammer nicht erkennen, dass und auf welcher tatsächlichen Grundlage von ihr Ermessen ausgeübt wurde, da die Entscheidung keinen Sachverhalt enthält und trotz der Zitierung von § 30 Abs. 1 KostO in Wahrheit der Regelwert nach § 30 Abs. 2 KostO a. F. zu Grunde gelegt worden ist.

Wenn wie vorliegend kein bestimmter oder bestimmbarer Wert oder ein nach objektiven Merkmalen schätzbarer Wert den Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung bildet, ist der Geschäftswert für die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung nach § 49 Abs. 1 KostO gemäß § 30 Abs. 1, nur notfalls gemäß § 30 Abs. 2 KostO zu bestimmen (Rohs/Wedewer, aaO., Stand April 2000, § 49, Rdnr. 7; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: KostO, 16. Aufl., § 49, Rdnr. 6). Tatsächlicher Anhaltspunkt für die Ermessensbildung sind der Wert des durch das Geschäft betroffenen Wirtschaftsguts und das Ausmaß, in welchem dieses durch das Geschäft betroffen wird. Das durch die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung betroffene Wirtschaftsgut ist der Grundbesitz in O1, an dem der Testamentsvollstreckervermerk eingetragen ist. Bei dessen Bewertung gelten auch für den Notar die Grundsätze des § 19 KostO, insbesondere § 19 Abs. 2 Satz 1 KostO. Zu Recht hat der Kostengläubiger die Auskunft des Grundbuchamtes über den Bodenrichtwert laut Gutachterausschuss als amtlich bekannte Tatsache seiner Wertermittlung zu Grunde gelegt. Der Einwand des Kostenschuldners, der Gebäudewert sei nicht zu berücksichtigen, geht ins Leere, da nur der Bodenwert angesetzt worden ist. Soweit der Kostenschuldner geltend gemacht hat, bei 4.804 qm handele es sich um Erholungsflächen, für die die Stadt O1 nur 40,00 DM/qm zu zahlen bereit sei, durfte der Kostengläubiger trotzdem an dem für sämtliche Grundstücke in dem fraglichen Bereich festgelegten Bodenrichtwert festhalten, denn es gehört zum Wesen des Richtwertes, dass es sich um einen Durchschnittswert handelt, der Schwankungen im Einzelfall sowohl nach oben als auch nach unten einbezieht. Solange der Kostenschuldner seine Angaben nicht durch von der Richtwertkarte des Sachverständigenausschusses abweichende amtliche Auskünfte bzw. ein Sachverständigengutachten o. ä. belegt hatte, musste ihnen der Kostengläubiger nicht folgen.

Zwar ist die Kammer zu Recht davon ausgegangen, dass der eingetragene Testamentsvollstreckervermerk bei der vorliegenden Fallgestaltung nur noch von geringer tatsächlicher Bedeutung sein konnte, weil wahrscheinlich im Fall der Dauertestamentsvollstreckung die dreißigjährige Frist nach dem Erbfall gemäß § 2210 BGB verstrichen bzw. das Amt der letzten bekannten Testamentsvollstrecker durch deren Tod gemäß § 2225 BGB erloschen ist. Dies rechtfertigte es aber nicht, im Rahmen der Bewertung nach § 30 Abs. 1 KostO den Wert des betroffenen Grundbesitzes völlig außer Acht zu lassen. Mit der weiteren Beschwerde wird zutreffend beanstandet, dass auch bei einer nur "formal" bestehenden Verfügungsbeschränkung in die Bewertung noch einzufließen hat, wie wertvoll das Wirtschaftsgut ist, dass davon betroffen ist. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise hat die hier beurkundete eidesstattliche Versicherung einen Wert, der in Relation steht zu dem Wert des Grundeigentums, dessen Verkehrsfähigkeit durch die eidesstattliche Versicherung als Mittel zur Löschung des Testamentsvollstreckervermerks erreicht werden soll.

Nach dem System der Kostenordnung bestimmt sich der Geschäftswert einer Löschungsgebühr nach dem Wert der gelöschten Eintragung, und zwar nicht nach dem gegenwärtigen Wert des gelöschten Rechts, sondern dem Wert, den die Eintragung hätte, wenn sie in dem Zeitpunkt erfolgt wäre, in dem sie nunmehr gelöscht wird. So ist z. B. bei Grundpfandrechten für die Löschung der Nennbetrag maßgeblich, auch wenn sie nicht mehr valutiert sind (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO., § 68, Rdnr. 4 und 5; Rohs/Wedewer: KostO, Stand Dezember 2004, § 68, Rdnr. 6, 6 b). Auch bei der Löschung und Aufgabe wiederkehrender Rechte nach § 24 KostO gilt dieser Grundsatz, ohne dass es darauf ankäme, ob das Recht in diesem Zeitpunkt noch einen wirtschaftlichen Wert hat oder gegenstandslos geworden ist (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: KostO, 16. Aufl., § 24, Rdnr 80). Aus § 70 Abs.1 Satz 2 KostO, wonach auch bei der Löschung gegenstandsloser Recht das Grundbuchamt einem Beteiligten eine Löschungsgebühr auferlegen kann, die nicht auf die Mindestgebühr beschränkt ist, ergibt sich, dass der Gesetzgeber selbst gegenstandslosen Rechten einen Wert beimisst. Nach der Rechtsprechung ist für die Löschung einer Auflassungsvormerkung als Geschäftswert regelmäßig der volle Wert des Grundstücks im Zeitpunkt der Löschung anzusetzen (BayObLG Rpfleger 1986, 31). Den Wert der Löschung eines faktisch gegenstandslosen Vorkaufsrechts hat das OLG Zweibrücken (Beschl. v. 13.07.1990 -3 W 67/90- KostRspr Nr. 17 zu § 68 KostO) noch mit 20 % des Grundstückswertes angesetzt. Auch die Löschung des Testamentsvollstreckervermerks fällt unter § 68 KostO, ihr Wert richtet sich also nach dem Wert der Eintragung im Zeitpunkt der Löschung, was bedeutet, dass jedenfalls ein Bruchteil des Wertes des betroffenen Grundbesitzes maßgeblich ist. Für die Löschung des Testamentsvollstreckervermerks wären 10-50 % des Grundstückswertes als Beziehungswert anzusetzen (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO., § 30, Rdnr. 8 und 91 und § 65, Rdnr. 8 und 4).

Diese Grundsätze lassen sich nach Ansicht des Senats auch auf die Bewertung der eidesstattlichen Versicherung des Kostenschuldners übertragen, die die Löschung des Testamentsvollstreckervermerks zum Ziel hatte. Danach ist für den Geschäftswert jedenfalls von einem Bruchteil des betroffenen Grundstückswertes auszugehen. Diesen setzt der Senat jedoch nur auf 10 % als der untersten Grenze des Wertrahmens an, um der geringen Bedeutung Rechnung zu tragen, die dem Testamentsvollstreckervermerk und mittelbar also auch der eidesstattlichen Versicherung des Kostenschuldners für die Verkehrsfähigkeit des Grundbesitzes noch zukam. Der Ansatz des Mittelwertes von 30 % entsprechend der beanstandeten Kostenrechnung war bei der bereits dargelegten hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Testamentsvollstreckung längst beendet war, nicht angemessen. Insofern hat der Kostengläubiger die besonderen Umstände wie die rechtlichen Folgen des langen Zeitablaufs seit Eintragung des Testamentsvollstreckervermerks nicht bei seiner Ermessensausübung berücksichtigt, indem er allein auf Grund der Wirkung als Verfügungsbeschränkung schematisch den Mittelwert von 10% bis 50 % angesetzt hat. Andererseits steht die Tatsache, dass der Kostenschuldner jedenfalls der eidesstattlichen Versicherung bedurfte, um eine Löschung im Grundbuch zu erreichen und nicht vorgetragen hat, dass es zu einer Löschung wegen Gegenstandslosigkeit nach § 84 GBO gekommen ist, einer weiteren Reduzierung entgegen.

Ausgehend von einem Geschäftswert von 451.220,00 DM (= 10 % des Grundstückswertes aus 12.892 qm x 350,00 DM) betrug die volle Gebühr des § 49 Abs.1 KostO in 2001 800,00 DM. Unter Berücksichtigung der unbeanstandeten Auslagen von 12,50 DM und der 16 % Umsatzsteuer war die Kostenrechnung vom 27.07.2001 auf 942,50 DM =481,89 € zu ermäßigen.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf § 156 Abs. 4 Satz 3 KostO a. F.

Eine (teilweise) Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht anzuordnen, weil solche auf Seiten des Kostenschuldners nicht entstanden sind.

Die Festsetzung des Geschäftswertes des Verfahrens der weiteren Beschwerde beruht auf §§ 156 Abs. 5 Satz 2, 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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