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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 20 W 314/05
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 14
WEG § 22
WEG § 43
Das Entfernen von im Sondereigentum stehenden Pflanztrögen durch einen Wohnungseigentümer kann unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen Gebrauchs von Sondereigentum nach § 14 Nr. 1 WEG unzulässig sein.
Gründe:

Die Antragsteller sind Eigentümer der Wohnung Nr. ... der sich aus dem Rubrum ergebenden Liegenschaft. Die Wohnung befindet sich neben einer weiteren Wohnung im ersten Obergeschoss. Beide Wohnungen verfügen auf derselben Hausseite über einen Balkon, auf dem am Boden jeweils zwei Pflanztröge angebracht sind. Die Pflanztröge befinden sich hierbei jeweils am Geländer der Frontseite des Balkons. Sie sind von außen sichtbar. Die Mieter der Antragsteller hatten die Pflanztröge vom Balkon entfernt.

Die Antragsteller wenden sich gegen einen unter Tagesordnungspunkt 3 gefassten Beschluss der Eigentümerversammlung vom 21.07.2004. Hiernach lehnten die Eigentümer den Antrag der Antragsteller auf Genehmigung der Nutzung des Balkons ohne Pflanztröge ab. Wegen der Einzelheiten der Eigentümerversammlung wird auf das Versammlungsprotokoll (Bl. 11 ff d. A.) verwiesen.

Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, die Wohnungseigentümergemeinschaft sei nicht befugt, über das Aufstellen und Entfernen von Pflanztrögen auf Balkonen zu beschließen. Der Balkon gehöre zum Sondereigentum der Antragsteller. Außerdem haben sie vorgetragen, die Gebrauchsmöglichkeit des Balkons sei wegen der Pflanzkübel eingeschränkt.

Sie haben vor dem Amtsgericht beantragt,

1. den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3 der Eigentümerversammlung vom 21.07.2004 für ungültig zu erklären,

2. die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 18.11.2004 zu Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 für ungültig zu erklären.

Die Antragsgegner haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie haben vorgetragen, die Entfernung der Pflanztröge verändere das optische Erscheinungsbild der Eigentumsanlage wesentlich, so dass die Pflanztröge nicht entfernt werden dürften.

Durch Beschluss vom 21.01.2005 (Bl. 106 ff d. A.), auf den verwiesen wird, hat das Amtsgericht den Antrag zu 1) zurückgewiesen mit der Begründung, die Entfernung der Pflanztröge stelle eine wesentliche Veränderung des optischen Gesamteindrucks des Gebäudes dar. Hinsichtlich der weiteren Beschlüsse hat es klarstellend festgestellt, dass diese keine Gültigkeit entfalten.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, soweit der Antrag zu 1) zurückgewiesen worden ist. Sie haben sich auf ihr erstinstanzliches Vorbringen berufen. Sie haben die Ansicht vertreten, den Pflanzkübeln komme keine architektonische Wirkung zu. Ihr Entfernen wirke sich nicht auf das Gesamtbild des Hauses aus. Darüber hinaus fehle der Gemeinschaft die Regelungskompetenz, da hier das Sondereigentum betroffen sei.

Die Antragsteller haben beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts vom 21.01.2005 abzuändern und den Beschluss zu Tagesordnungspunkt 3 der Eigentümerversammlung vom 21.07.2004 für ungültig zu erklären.

Die Antragsgegner haben unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 159 ff d. A.), auf den ebenfalls verwiesen wird, hat das Landgericht die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Begehren der Antragsteller ein Rechtsschutzbedürfnis fehle, soweit sie den Beschluss über die Zurückweisung ihres Antrags auf Genehmigung der Entfernung der Pflanztröge angriffen. Soweit sich die Antragsteller gegen den Beschluss über die Aufforderung zur erneuten Anbringung der Pflanztröge stellen würden, sei die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Die Beseitigung der Pflanzkübel stelle eine bauliche Veränderung dar, die die Antragsteller nicht ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer hätten vornehmen dürfen.

Gegen diesen am 16.06.2005 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller mit am 28.06.2005 eingegangenem Schriftsatz (Bl. 167 ff d. A.) sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie vertreten die Auffassung, dass die Vorinstanzen nicht ausreichend gewürdigt hätten, dass sich die Pflanztröge nicht im Bereich des Gemeinschaftseigentums, sondern auf dem Balkon der Antragsteller befänden, der zu deren Sondereigentum gehöre. Die Gemeinschaft sei mithin über ihre Regelungskompetenz hinaus gegangen. Die Pflanztröge könnten auch nicht als architektonisches Gestaltungsmerkmal der Wohnanlage aufgefasst werden.

Sie beantragen,

den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 21.01.2005, Aktenzeichen 657 UR II 611/04 WEG, sowie den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 06.06.2005, Aktenzeichen 2/09 T 89/05, abzuändern und den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 21.07.2004 zu Tagesordnungspunkt 3 für ungültig zu erklären.

Die Antragsgegner treten der sofortigen weiteren Beschwerde entgegen. Auf den Schriftsatz vom 12.07.2005 (Bl. 179 d. A.) wird insoweit Bezug genommen.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthafte sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, auf die sie hin durch den Senat als Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu überprüfen ist, §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Der von den Antragstellern angefochtene Wohnungseigentümerbeschluss leidet weder an formell-rechtlichen noch an materiell-rechtlichen Mängeln. Der Anfechtungsantrag ist mithin mit den Vorinstanzen zurückzuweisen, wobei letztendlich offen bleiben kann, ob den Antragstellern im Hinblick auf den ersten Teil des Beschlusses überhaupt ein Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung zusteht, was das Landgericht verneint hat.

Unerheblich ist zunächst die Einwendung der weiteren Beschwerde, bei dem Balkon der Antragsteller handele es sich um Sondereigentum. Abgesehen davon, dass sich dieser Umstand, der von den Antragsgegnern in Abrede gestellt wird, jedenfalls aus der in Kopie vorgelegten Teilungserklärung nicht ohne weiteres ergibt (vgl. deren §§ 1 Ziffer 4, 2 der notariellen Urkunde vom 29.09.1987), hat bereits das Amtsgericht in diesem Zusammenhang zu Recht auf § 14 Nr. 1 WEG hingewiesen. Nach dieser Vorschrift ist jeder Wohnungseigentümer unter anderem verpflichtet, von den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen - ebenso wie von dem gemeinschaftlichen Eigentum - nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Ein Nachteil in diesem Sinne ist also von den Wohnungseigentümern nicht hinzunehmen, wenn er eine nicht ganz unerhebliche, konkrete und objektive Beeinträchtigung darstellt (vgl. BGH NJW 2004, 937; NJW 2001, 1212; NJW 1992, 978; Senat, Beschluss vom 04.10.2004, 20 W 320/04). Hierfür kann auch eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage genügen (vgl. BGH NJW 2004, 937; BayObLG WuM 2002, 443; Senat, Beschluss vom 04.10.2004, 20 W 320/04; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 14 Rz. 33; Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 14 Rz. 4; Staudinger/Kreuzer, BGB, Stand Juli 2005, § 14 WEG Rz. 9). Es kann also offen bleiben, ob die Umgestaltung von Gegenständen des Sondereigentums grundsätzlich eine bauliche Veränderung darstellt, wenn sie das gemeinschaftliche Eigentum verändert oder auch bloß Auswirkungen auf das Gemeinschaftseigentum hat (vgl. dazu im Einzelnen: Staudinger/Bub, a.a.O., § 22 WEG Rz. 36). Jedenfalls wäre dies unter dem Gesichtspunkt des unzulässigen Gebrauchs des Sondereigentums zu prüfen; diese Prüfung muss dem identischen Maßstab, nämlich § 14 Nr. 1 WEG standhalten (Staudinger/Bub, a.a.O., § 22 WEG Rz. 36 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs). Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein auf Durchführung einer baulichen Maßnahme gerichteter Mehrheitsbeschluss dann nichtig ist, wenn er in den Kernbereich eines Sondereigentumsrechts eingreift (vgl. etwa OLG Köln NZM 2001, 541; Staudinger/Bub, a.a.O., § 22 WEG Rz. 44), liegt hier jedenfalls der Sachverhalt anders. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor; vielmehr geht es hier um die Erfüllung der Pflichten aus § 14 Nr. 1 WEG. Insofern besteht also entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller auch grundsätzlich eine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung, § 15 Abs. 2 WEG (vgl. hierzu Staudinger/Kreuzer, a.a.O., § 15 WEG Rz. 48; Palandt/Bassenge, BGB, 65. Aufl., § 15 WEG Rz. 5; Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 15 Rz. 5 ff).

Frei von Verfahrensfehlern und damit nach den §§ 43 Abs. 1 WEG, 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 559 Abs. 2 ZPO bindend für das Rechtsbeschwerdegericht haben die Vorinstanzen festgestellt, dass die Beseitigung der Pflanzkübel zu einer Beeinträchtigung der Rechte der anderen Wohnungseigentümer geführt hat. Wie ausgeführt kann ein derartiger Nachteil in der nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Anlage gesehen werden. Ob die Veränderung des optischen Gesamteindrucks nachteilig ist, ist eine Würdigung, die weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegt (ständige Rechtsprechung des Senats, Beschlüsse vom 04.10.2004 und 08.07.2004, 20 W 320/04 und 20 W 417/02; Niedenführ/Schulze, a.a.O., § 22 Rz. 19; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 14 Rz. 33, je m. w. N.).

Bereits das Amtsgericht hat gestützt auf die sich in der Akte befindlichen vielfältigen Lichtbilder festgestellt, dass die Entfernung der Pflanzkübel vom Balkon der Antragsteller den optischen Gesamteindruck der Wohnanlage nicht unerheblich beeinträchtigt und hierbei insbesondere auch auf den Balkon der Nachbarwohnung im ersten Obergeschoss abgestellt. Es hat diese Feststellungen im Einzelnen nachvollziehbar begründet. Es ist deshalb aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht dem angeschlossen hat. Auch das Landgericht hat auf den einheitlichen Eindruck des ersten Obergeschosses abgestellt, der durch die Pflanzkübel vermittelt wird. Insofern unterscheiden sie sich entgegen der Auffassung der weiteren Beschwerde in ihrer Wirkung durchaus von individuell aufgestellten Gartenmöbeln oder sonstigen Blumengefäßen. Das Landgericht hat weiter zu Recht ausgeführt, dass es nicht darauf ankomme, aus welcher Perspektive die besagte Hausfront betrachtet werde. Tatsächlich ist lediglich entscheidend, dass die nachteilige Veränderung von außen sichtbar ist, d. h. von der Straße, vom Hof oder Garten oder auch von der Wohnung eines anderen Eigentümers aus (vgl. Senat, Beschluss vom 08.07.2004, 20 W 417/02 m. w. N.). Aus den vorgelegten Lichtbildern ergibt sich jedenfalls, wie die Tatsacheninstanzen rechtsfehlerfrei festgestellt haben, dass die Veränderungen von außen hinreichend deutlich sichtbar sind.

Damit haben Amts- und Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und die getroffenen Feststellungen in sich widerspruchsfrei und nicht unter Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze gewürdigt. Konkrete Rechtsfehler sind jedenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere waren die Vorinstanzen berechtigt, von den sich bei den Akten befindlichen zahlreichen Lichtbildern auszugehen. Eine Augenscheinseinnahme ist dann nicht erforderlich, wenn Fotografien das Erscheinungsbild der Wohnanlage hinreichend klar vermitteln (vgl. Senat, Beschluss vom 04.10.2004, 20 W 320/04 m. w. N.). Davon ist vorliegend auszugehen. Die in der Akte befindlichen Lichtbilder zeigen die Balkone aus verschiedenen Blickrichtungen und Entfernungen, so dass daraus auch der Gesamteindruck des Hauses hinreichend deutlich wird.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsteller die Kosten ihres ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen haben, § 47 Satz 1 WEG.

Gründe, ausnahmsweise die Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten anzuordnen, § 47 Satz 2 WEG, hat der Senat nicht gesehen.

Die Wertfestsetzung beruht auf der unbeanstandet gebliebenen Festsetzung durch das Landgericht, § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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