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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.03.2004
Aktenzeichen: 20 W 343/03
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 1004
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 45 I
Das Interesse eines Wohnungseigentümers daran, dass ein anderer Wohnungseigentümer es unterlässt, vor seinem Küchenfenster rückwärts zur Hauswand einzuparken, übersteigt den Beschwerdewert von 750,00 €. Dabei sind neben den (anteiligen) Kosten für den (teilweisen) Neuanstrich der Hauswand im Fall der Verschmutzung durch die Autoabgase die Nutzungseinschränkung zu berücksichtigen, die darin liegt, dass das Küchenfenster häufiger geschlossen gehalten werden muss, um das Eindringen von Abgasen zu verhindern.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Beschluss

20 W 343/03

Entscheidung vom 29.03.2004

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 07.08.2003 am 29.03.2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung auch über die Kosten der weiteren Beschwerde an das Landgericht Darmstadt zurückverwiesen.

Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde: 1.500.00 €.

Gründe:

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ... Straße ... in O1. Der Antragsteller hat die Antragsgegner auf Unterlassung des Einparkens rückwärts zur Hauswand in Anspruch genommen, da dadurch die Hauswand verschmutzt und er und seine Familie durch die Abgase des Fahrzeugs der Antragsgegnerin in der Nutzung seiner im Erdgeschoss gelegenen Wohnung sowie des Kellers beeinträchtigt werde. Dem ist die Antragsgegnerin mit dem Vortrag entgegengetreten, sie müsse rückwärts zur Hauswand einparken, da sie nur so die Fahrertür ihres Kfz ganz öffnen könne, was auf Grund eines Hüftleidens beim Aussteigen erforderlich sei. Das Amtsgericht hat den Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 02.06.2003 (Bl. 37, 38 d. A.) zurückgewiesen, da weder eine Gebrauchsregelung die begehrte Parkweise vorschreibe, noch ein Verstoß gegen § 15 Abs. 3 WEG vorliege.

Das Landgericht hat die dagegen eingelegte Erstbeschwerde mit Beschluss vom 07.08.2003 (Bl. 99-101 d. A.) als unzulässig verworfen, da das Interesse des Antragstellers daran, dass die Antragsgegnerin es zukünftig unterlässt, mit ihrem Fahrzeug rückwärts zur Hauswand einzuparken, allenfalls mit 500,00 € statt der erforderlichen 750,00 € zu bewerten sei.

Gegen den am 27.08.2003 zugestellten Beschluss des Landgerichts hat die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit am 09.09.2003 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt, mit der die Aufhebung und Verpflichtung zur Unterlassung, wie erstinstanzlich beantragt, begehrt wird. Der Antragsteller verweist zur Bewertung seiner Beschwer auf die Gesundheitsbeeinträchtigung durch die Abgasemissionen des rückwärts einparkenden Fahrzeugs sowie die damit verbundene Verschmutzung der geweißten Hauswand. Die Antragsgegner sind diesem Vortrag entgegengetreten.

Die sofortige weitere Beschwerde ist ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthaft, nachdem das Landgericht die Erstbeschwerde wegen Nichterreichung der erforderlichen Beschwer von 750,00 € als unzulässig verworfen hat. Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden und hat zunächst Erfolg, weil das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Beschwer des Antragstellers 750,00 € nicht übersteigt. Maßgebend für die Beschwer des Antragstellers ist sein individuelles vermögenswertes Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung. Sie ist zu unterscheiden von dem Geschäftswert des Verfahrens, das sich gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG grundsätzlich nach dem Interesse aller Beteiligten an der Entscheidung bemisst (BGH NJW 1992, 3305; BayObLG WuM 1991, 226; dass. WuM 1999, 130; Palandt/Bassenge: BGB, 63. Aufl., § 45 WEG, Rdnr. 3; Bärmann/Pick/Merle: WEG, 9. Aufl., § 48, Rdnr. 15; Niedenführ/Schulze: WEG, 6. Aufl., § 45 Rdnr. 10). Dieses Interesse des Antragstellers, das darauf gerichtet ist, die Antragsgegnerin zu einer Unterlassung ihrer Art der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums zu verpflichten, weil diese nicht den § 14 Nr. 1 bzw. 2 WEG entspricht, hat die Kammer jedoch zu gering bewertet. Es entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, in Zweifelsfällen, zu denen auch solche gehören, in denen die Bestimmung des Geschäftswertes oder der Beschwer mangels konkreter Anhaltspunkte weitgehend Ermessenssache ist, von der Zulässigkeit des Rechtsmittels auszugehen und in der Sache zu entscheiden (BayObLG WuM 1994, 565, 566; Senat Beschlüsse vom 18.02.2002 -20 W 271/01- und vom 10.07.2003 -20 W 466/2002-). Dabei ist für die Bewertung der Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung allein auf den Vortrag des Antragstellers abzustellen, auch wenn die Antragsgegner dem entgegengetreten sind. Schon das Interesse des Antragstellers daran, dass die Hauswand nicht durch die Auspuffabgase verschmutzt wird, und das sich an dem finanziellen Aufwand für einen (teilweisen) Neuanstrich der Hauswand wegen dieser Verschmutzung messen lässt, übersteigt die 500,00 €, von denen das Landgericht ausgegangen ist, auch wenn man von einer anteiligen Kostentragung in der offenbar nur wenige Mitglieder umfassenden Gemeinschaft ausgeht. Unter Berücksichtigung des weiteren Interesses des Antragstellers, im Gebrauch seines Sondereigentums nicht dadurch gestört zu werden, dass er das Küchenfenster häufiger geschlossen halten muss, um das Eindringen von Autoabgasen zu verhindern, wird jedenfalls die erforderliche Beschwer von 750,00 € insgesamt überschritten. Dies führt zur Aufhebung und Zurückverweisung entsprechend dem Tenor, da der Sachverhalt nicht genügend geklärt ist, so dass der Senat abschließend entscheiden könnte. So ist noch ungeklärt, ob und welche rechtlichen Regelungen der Parkplatznutzung zu Grunde liegen, da bisher weder die Teilungserklärung, noch die Grundakten beigezogen wurden. Um Sondereigentum der Antragsgegner, wie in dem amtsgerichtlichen Beschluss ausgeführt wird, kann es sich jedenfalls nicht handeln, da nach § 5 Abs. 1 WEG nur Räume und bestimmte Gebäudebestandteile sondereigentumsfähig sind. Darüber hinaus sind entgegen § 43 Abs. 4 Nr. 1 i. V. m. § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG nicht alle Wohnungseigentümer beteiligt worden. Offensichtlich gibt es auch nach dem Vortrag der Antragsgegner mindestens einen weiteren Wohnungseigentümer, der den dritten Parkplatz benutzt. Für eine vergleichsweise Regelung, die in jeder Verfahrenslage zu versuchen ist, insbesondere eine anzustrebende generelle Benutzungsregelung, müssen alle Wohnungseigentümer beteiligt werden.

Die der Festsetzung des Geschäftswertes des Verfahrens der weiteren Beschwerde (§ 48 Abs. 3 Satz 1 WEG ) erfolgte in Anlehnung an die nicht beanstandete Festsetzung des Amtsgerichts in seinem Beschluss vom 17.07.2003 (Bl. 43 d. A.). Dabei wurde davon ausgegangen, dass sich der Geschäftswert eines Verfahrens, dass die Nutzung gemeinschaftlichen Eigentums zum Gegenstand hat, nach § 30 Abs. 2 KostO bemisst (Senat, Beschlüsse vom 16.09.2002 -20 W 146/2002- und vom 10.07.2003 -20 W 466/2002-).

Ende der Entscheidung

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