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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.10.2001
Aktenzeichen: 20 W 362/01
Rechtsgebiete: BGB, FGG, KostO


Vorschriften:

BGB § 1906
BGB § 1906 Abs. 1
FGG § 19
FGG § 20
FGG § 70 d
FGG § 70 i Abs. 1
FGG § 13 a Abs. 2
FGG § 16 Abs. 1
FGG § 27 Abs. 1
FGG § 70 m Abs. 2
FGG § 70 d Abs. 1 Ziffer 6
FGG § 69 g Abs. 1 Satz 1
KostO § 128 b
Gegen die Aufhebung einer Unterbringungsmaßnahme nach § 1906 Abs. 1 BGB steht der Betreuungsbehörde eine Beschwerdeberechtigung nicht zu.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 362/01

Verkündet am 05.10.2001

In dem Unterbringungsverfahren ... an dem hier weiter beteiligt ist: ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Betreuungsbehörde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 24. August 2001 am 05. Oktober 2001 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

Der als Widerspruch bezeichnete Rechtsbehelf der Betreuungsbehörde richtet sich gegen die Entscheidung des Landgerichts vom 24. August 2001. Hierbei handelt es sich um die Aufhebung einer Unterbringungsmaßnahme gemäß § 70 i Abs. 1 FGG. Sie wird gemäß § 16 Abs. 1 FGG mit der Bekanntgabe an die Betreuerin und die Betroffene wirksam und ist mit einfacher Beschwerde nach § 19 FGG, im weiteren Rechtszug somit mit der unbefristeten weiteren Beschwerde nach § 27 Abs. 1 FGG anfechtbar (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 70 i Rn. 6; Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 70 m FGG Rn. 3).

Für die Einlegung der weiteren Beschwerde fehlt es der Betreuungsbehörde im vorliegenden Falle jedoch an der Beschwerdeberechtigung.

Eine Beschwerdeberechtigung kann hier nicht aus § 70 m Abs. 2 FGG abgeleitet werden. Nach dieser Vorschrift steht die Beschwerde gegen Unterbringungsmaßnahmen, vorläufige Unterbringungsmaßnahmen oder die Ablehnung der Aufhebung solcher Maßnahmen unbeschadet des § 20 FGG den in § 70 d bezeichneten Personen oder Stellen zu. Die Betreuungsbehörde gehört zwar zu den in § 70 d FGG bezeichneten Stellen. Denn die Betreuungsbehörde ist bei einer Unterbringungsmaßnahme nach § 1906 BGB, wie sie hier ursprünglich vorlag, die gemäß § 70 d Abs. 1 Ziffer 6 FGG zuständige Behörde, der das Gericht vor einer Unterbringungsmaßnahme Gelegenheit zur Äußerung zu geben hat. Gleichwohl findet § 70 m Abs. 2 FGG hier keine Anwendung, da es sich nicht um eine Entscheidung im Sinne dieser Vorschrift handelt. Denn die Erweiterung der Beschwerdeberechtigung unabhängig vom Vorliegen einer Beschwerdeberechtigung nach § 20 FGG ist dort ausdrücklich nur vorgesehen gegen Unterbringungsmaßnahmen, vorläufige Unterbringungsmaßnahmen oder die Ablehnung der Aufhebung solcher Maßnahmen. Hierzu rechnet aber die nur mit der einfachen Beschwerde anfechtbare Aufhebung einer Unterbringungsmaßnahme, wie sie das Landgericht hier getroffen hat, gerade nicht (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.0., § 70 m Rn. 15; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 70 m FGG Rn. 6).

Eine Beschwerdeberechtigung kann die Betreuungsbehörde des weiteren nicht aus § 69 g Abs. 1 Satz 1 FGG ableiten, da es sich bei der Entscheidung des Landgerichts nicht um eine der dort im einzelnen aufgeführten Maßnahmen handelt.

Damit richtet sich die Beschwerdeberechtigung der Betreuungsbehörde allein nach der allgemeinen Vorschrift des § 20 Abs. 1 FGG. Danach steht die Beschwerde demjenigen zu, dessen Recht durch die Verfügung beeinträchtigt ist. Recht in diesem Sinne ist jedes durch Gesetz verliehene oder durch die Rechtsordnung anerkannte, von der Staatsgewalt geschützte private oder öffentliche subjektive Recht (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.0., § 20 Rn. 7; Bassenge/Herbst, FGG/RPflG, 7. Aufl., § 20 FGG Rn. 5; BayObLG BtPrax 98, 149/150), wo hingegen nicht schon ein rechtliches oder berechtigtes , ideelles, moralisches oder sonstiges Interesse ausreicht. Von der Beeinträchtigung eines subjektiven Rechtes kann nur dann ausgegangen werden, wenn die angefochtene Verfügung unmittelbar nachteilig in die Rechtsstellung des Rechtsinhabers eingreift, was eine Aufhebung, Beschränkung oder Minderung des Rechtes erfordert, die Ausübung des Rechtes stört oder erschwert oder eine Verbesserung der Rechtsstellung vorenthält (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.0., § 20 Rn. 12 m. w. N.).

Die Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts der Betreuungsbehörde kommt im Zusammenhang mit Unterbringungsmaßnahmen nicht in Betracht. Darüber hinaus ist bei der Aufhebung einer Unterbringungsmaßnahme, die nach § 1906 Abs. 1 BGB ergangen ist, auch eine Verletzung des Verfahrensgrundrechtes des Art. 103 Abs. 1 GG auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob die in § 70 d Abs. 1 Ziffer 6 FGG vor einer Unterbringungsmaßnahme vorgesehene Anhörung der Betreuungsbehörde überhaupt eine eigene Rechtsstellung im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG vermitteln kann, da sie nach ihrem Gesetzeszweck nicht der Gewährung rechtlichen Gehörs für die Behörde, sondern der Sachaufklärung im Interesse des Betroffenen dient (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.0., § 70 d Rn. 1; Zimmermann FamRZ 1990, 1308/1311). Denn jedenfalls handelt es sich bei der hier angefochtenen Entscheidung des Landgerichts gerade nicht um eine Unterbringungsmaßnahme im Sinne des § 70 Abs. 1 Ziffer 1 bis 3 FGG, sondern gerade um die Aufhebung einer solchen Maßnahme. Hierfür wurde in § 70 i Abs. 1 FGG eine eigene Vorschrift geschaffen. Dabei hat der Gesetzgeber ­ abgesehen von den Sonderregelungen des § 70 i Abs. 1 Satz 2 und 3 FGG - bewusst darauf verzichtet, zwingende Regelungen für das Verfahren zur Aufhebung einer Unterbringungsmaßnahme zu schaffen, um unnötige Verfahrensverzögerungen, die zu einer Verlängerung des Aufenthaltes in der geschlossenen Unterbringung könnten, im Interesse des in seinem Freiheitsrecht erheblich eingeschränkten Betroffenen zu vermeiden (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 186). Über die Notwendigkeit von Anhörungen, die Einholung von Sachverständigengutachten oder die Beteiligung weiterer Personen und Stellen ist deshalb nach der allgemeinen Vorschrift des § 12 FGG zu entscheiden (vgl. Jürgens/Mertens, a.a.0., § 70 i FGG Rn. 3; Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.0., § 70 i Rn. 3). Danach ist eine zwingende Anhörung oder Beteiligung der vor der Unterbringungsmaßnahme gemäß § 70 d Abs. 1 angehörten Personen und Stellen im Verfahren zur Aufhebung dieser Maßnahme gesetzlich im Interesse der beschleunigten Durchführbarkeit eines derartigen Verfahrens nicht vorgeschrieben, allerdings werden diese in der Regel von der Aufhebung der Unterbringung zu benachrichtigen sein.

Dies wird auch bestätigt durch die Vorschrift des § 70 i Abs. 1 Satz 2 und 3 FGG, wonach eine Anhörung der zuständigen Behörde ­ es sei denn sie würde zu einer nicht nur geringen Verzögerung des Verfahrens führen ­ nur für die Aufhebung einer Unterbringung nach den landesrechtlichen freiheitsentziehenden Gesetzen, in Hessen also dem HFEG, vorgeschrieben ist, nicht aber für die im vorliegenden Fall gegebene Aufhebung der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 BGB.

Letztlich kann die Betreuungsbehörde ein Beschwerderecht auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass sie ursprünglich zum Behördenbetreuer der Betroffenen bestellt worden war und die ursprüngliche Unterbringungsgenehmigung erwirkte, denn diese Betreuerbestellung war bereits mit Beschluss vom 13. August 2001 unter gleichzeitiger Bestellung der jetzigen Betreuerin vor der Entscheidung über die Aufhebung der Unterbringung aufgehoben worden.

Damit war die weitere Beschwerde der Betreuungsbehörde als unzulässig zu verwerfen.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 128 b Kost0 gerichtsgebührenfrei.

Für eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten gemäß § 13 a Abs. 2 FGG bestand kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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