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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.07.2001
Aktenzeichen: 20 W 4/96
Rechtsgebiete: AktG, KostO, BRAGO


Vorschriften:

AktG § 304
AktG § 305
AktG § 305 Abs. 3 Satz 3
AktG § 302
AktG § 297
AktG § 304 Abs. 1 Satz 2
AktG § 305 Abs. 3 Satz 2
AktG § 306 Abs. 7 Satz 7
KostO § 30 Abs. 1
BRAGO § 118
Zum angemessenen Ausgleich für außenstehende Aktionäre bei einem isolierten Beherrschungsvertrag nach § 304 AktG und zur angemessenen Barabfindung nach § 305 AktG.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Beschluß

20 W 4/96

In dem Verfahren zur Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs und einer angemessenen Abfindung für außenstehende Aktionäre nach den §§ 304 ff AktG, an dem beteiligt sind:

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 01. bis 05. sowie 10. und 11. gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main - 3. Kammer für Handelssachen - vom 19. Dezember 1995 nach mündlicher Verhandlung vom 17. August 2000 am 30. Juli 2001 beschlossen:

Tenor:

1.Die sofortigen Beschwerden werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass

a) der vertraglich geschuldete Ausgleich auf jährlich 17,58 DM zuzüglich einer Körperschaftssteuergutschrift von 9,89 DM je Aktie im Nennwert von 50,- DM festgesetzt wird,

b) die vom Landgericht festgesetzte Abfindung nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG zu verzinsen ist,

c) der Geschäftswert auf 10.000.000,- DM,

d) der Gegenstandswert für die Antragsteller auf je 1.428 000,- DM und

e) die Vergütung der Vertreter der außenstehenden Aktionäre auf je 150.000,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer festgesetzt wird.

2. Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Vergütung der Vertreter der außenstehenden Aktionäre haben die Antragsgegnerinnen zu tragen.

3. Außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

4. Der Beschwerdewert beträgt 10.000.000,- DM.

5. Der Gegenstandswert für die Antragsteller im Beschwerdeverfahren wird auf je 1.428.000,- DM festgesetzt.

6. Die Vergütung der Vertreter der außenstehenden Aktionäre für das Beschwerdeverfahren wird auf je 150.000,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer festgesetzt.

Gründe:

I.

Am 23./28 Dezember 1987 schlossen die Antragsgegnerinnen folgenden Vertrag:

"Zwischen der N. SA, Ch./V., Sch. - im folgenden N. genannt ­ und der N. D. AG, F./M., D. - im folgenden AG genannt ­ wird folgender UNTERNEHMENSVERTRAG geschlossen:

§ 1

AG unterstellt die Leitung ihrer Gesellschaft N..

§ 2

N. ist berechtigt, dem Vorstand der AG hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen.

Der Vorstand der AG ist verpflichtet, die Weisungen von N. zu befolgen.

§ 3

N. ist berechtigt, jederzeit die Bücher und Schriften der AG einzusehen und Auskünfte über die geschäftlichen Angelegenheiten der AG von deren Vorstand zu verlangen.

§ 4

N. kann die Rechte gemäß § 1 ­ 3 unter Wahrung der Verantwortlichkeit ihrer gesetzlichen Vertreter auch durch andere ihr verbundene Gesellschaften ausüben lassen. N. wird AG jeweils unverzüglich davon schriftlich unterrichten.

§ 5

N. hat jeden während der Dauer dieses Vertrages entstehenden Jahresfehlbetrag gemäß § 302 Aktiengesetz auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.

§ 6

Gemäß § 304 AktG und auf der Grundlage des bei Vertragsabschluss bestehenden Systems der Besteuerung von Kapitalgesellschaften und deren Gesellschaftern garantiert N. den außenstehenden Aktionären der AG für die Dauer des Vertrages eine Dividende in Höhe von DM 11,00 je Aktie im Nominalwert von DM 50,00. Bei einer zukünftigen Änderung des Systems der Besteuerung hat eine entsprechende Anpassung der garantierten Dividende zu erfolgen.

Diese Garantie erstreckt sich nicht auf Aktien, die im Zuge einer künftigen Kapitalerhöhung gegen Einlagen ausgegeben werden.

Im Fall einer Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln vermindert sich die garantierte Dividende je Aktie im Verhältnis altes zu neuem Grundkapital.

§ 7

Gemäß § 305 AktG ist N. verpflichtet, Aktien eines außenstehenden Aktionärs auf sein Verlangen zu einem Preis von DM 250,00 je Aktie von DM 50,00 zuzüglich 6% Zinsen ab 1. Januar des Jahres, in dem das Bestehen des Beherrschungsvertrages im Handelsregister eingetragen worden ist, zu erwerben. Hat der außenstehende Aktionär eine Dividende für das vorhergehende Geschäftsjahr noch nicht vereinnahmt, so erfolgt die Verzinsung bereits ab 1. Januar des vorhergehenden Geschäftsjahres.

Die vorstehende Verpflichtung ist auf zwei Monate befristet. Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem die Eintragung des Bestehens des Vertrages im Handelsregister nach § 10 des Handelsgesetzbuchs als bekannt gemacht gilt.

§ 8

Zur Wirksamkeit dieses Vertrages ist die Zustimmung der Hauptversammlung von AG erforderlich. Der Vertrag wird wirksam, wenn sein Bestehen in das Handelsregister des Sitzes der AG eingetragen worden ist. Die in § 6 enthaltene Dividendengarantie gilt bereits für die für das Geschäftsjahr 1987 auszuschüttende Dividende.

§ 9

Dieser Vertrag kann von jedem Vertragspartner zum Ende eines jeden Geschäftsjahres der AG, frühestens jedoch zum 31. Dezember 1990, schriftlich mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden.

Die Vorschrift des § 297 Aktiengesetz bleibt unberührt.

§ 10

Auf diesen Unternehmensvertrag finden, soweit gesetzlich zulässig, die für deutsche Unternehmensverträge geltenden Bestimmungen des deutschen Aktiengesetzes Anwendung.

Sollte eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein, so soll dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht betroffen werden. In diesem Fall ist der Vertrag sinngemäß durchzuführen. Die unwirksamen Bestimmungen sind durch Ergänzung und Berichtigung so zu gestalten, wie die Vertragsschließenden sie bei Kenntnis der Unwirksamkeit und der wirtschaftlichen Auswirkungen zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes vereinbart haben würden."

Nach Zustimmung der Hauptversammlung der N. Deutschland AG vom 21. Juli 1988 wurde am 26. Januar 1989 in das Handelsregister HRB 28163 der Beteiligten zu 10. beim Amtsgericht F. a. M. unter der lfd. Nr. 13 in Spalte 6 folgender Vermerk eingetragen:

"Zwischen der Gesellschaft und der N. S.A. in Ch./V., S. besteht ein Beherrschungsvertrag."

Die Beteiligten zu 01. bis 07. halten den Ausgleich und die Abfindung, wie sie im Unternehmensvertrag festgelegt sind, für nicht angemessen und verlangen höhere Leistungen.

Der Kurs der Aktien der Beteiligten zu 10. lag in den Monaten Mai bis Juli 1988 bei durchschnittlich etwa 300,- DM je Aktie im Nennwert von je 50,- DM, bei einem Tiefstwert von 285,- DM (an vier Tagen) und einem Höchstwert von 330,- DM (an einem Tag).

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 23. September 1992 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die Höhe des angemessenen Ausgleichs und der angemessenen Abfindung angeordnet und den Wirtschaftsprüfer G. S. von der A. A. & Co. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mit der Erstellung beauftragt.

Auf der Grundlage des am 7. Oktober 1993 erstellten Gutachtens hat das Landgericht durch Beschluss vom 19. Dezember 1995 den Ausgleich auf jährlich 17,58 DM je Aktie im Nennwert von 50,00 DM und die Abfindung auf 352,13 DM je Aktie im Nennwert von 50,00 DM festgesetzt und die vertraglichen Regelungen über die Verzinsung bestätigt. Des weiteren hat das Landgericht die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens und die Vergütung der Vertreter der außenstehenden Aktionäre den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldner auferlegt sowie den Geschäftswert insgesamt auf 22.182.227,- DM, den Geschäftswert für die Antragsteller auf 102,13 DM je innegehaltener Aktie und die Vergütung der Vertreter der außenstehenden Aktionäre auf je 240.942,25 DM einschließlich Mehrwertsteuer festgesetzt.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wenden sich die Antragstellerinnen und Antragsteller zu 01. bis 05. sowie die Antragsgegnerinnen mit den von ihnen eingelegten sofortigen Beschwerden.

In der vom Senat durchgeführten mündlichen Verhandlung am 17. August 2000 wurde das Gutachten mit dem Sachverständigen S. eingehend erörtert. Der Sachverständige sah keinen Anlass zu einer Korrektur seines Gutachtens.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die sofortigen Beschwerden sind zulässig, haben aber nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

II.

1. Der angemessene Ausgleich

Bei einem isolierten Beherrschungsvertrag ist den außenstehenden Aktionären nach § 304 Abs. 1 Satz 2 AktG als angemessener Ausgleich ein bestimmter jährlicher Gewinnanteil nach der für die Ausgleichszahlung (§ 304 Abs. 1 Satz 1 AktG) bestimmten Höhe zu garantieren. Die außenstehenden Aktionäre müssen wie beim Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages gestellt werden (vgl. Hüffer AktG 4. Aufl. § 304 Rn. 6; Münch- Komm-AktG/Bilda § 304 Rn. 42). Der Ausgleich dient dazu, den außenstehenden Aktionären eine Kompensation dafür zu bieten, dass ihr Dividendenanspruch künftig seiner Höhe nach nicht mehr allein durch die im eigenen Unternehmen getroffenen Entscheidungen bestimmt wird, sondern von den Dispositionen des herrschenden Unternehmens abhängt (vgl. BGHZ 119, 1,10).

Das Gesetz sieht eine zukunftsorientierte Betrachtung vor. Als fester Ausgleich ist den außenstehenden Aktionären daher mindestens die jährliche Zahlung des Betrages zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten unter Berücksichtigung angemessener Abschreibungen und Wertberichtigungen, jedoch ohne Bildung anderer Gewinnrücklagen voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte (§ 304 Abs. 2 Satz 1 AktG).

Hinsichtlich der bisherigen Ertragslage des beherrschten Unternehmens ist der Zeitraum der vergangenen 3 bis 5 Jahren heranzuziehen (Hüffer aaO § 304 Rn. 9; Münch- Komm-AktG/Bilda § 304 Rn. 75 jeweils m.w.N.). Die künftige Ertragsentwicklung erfordert eine fiktive Betrachtung. Es ist eine Ertragsprognose zu erstellen, für die als Bewertungsstichtag - wie bei der angemessenen Barabfindung nach § 305 Abs. 3 Satz 2 AktG - der Tag der Beschlussfassung der Hauptversammlung (hier der 21. Juli 1988) maßgeblich ist (Hüffer aaO § 304 Rn. 10; Münch-Komm-AktG/Bilda § 304 Rn. 88 jeweils m.w.N.).

Mit diesen rechtlichen Vorgaben steht die Entscheidung des Landgerichts, das sich weitgehend auf das Sachverständigengutachten des Wirtschaftsprüfers S. stützt, in Einklang.

Die Ertragslage der Beteiligten zu 10. vor dem Bewertungsstichtag konnte das Landgericht nicht über einen längeren Zeitraum berücksichtigen, weil die Gesellschaft erst 1987 entstanden ist. Dementsprechend stützen sich die Feststellungen auf die Entwicklung in den eineinhalb Jahren vor dem Bewertungsstichtag.

Auch die auf der Grundlage der durchgeführten Ertragswertermittlung erstellte Ertragsprognose entspricht den rechtlichen Anforderungen an eine Unternehmensbewertung im Spruchstellenverfahren. Die von dem Sachverständigen angewandte Phasenmethode ist eine in der Betriebswirtschaftslehre anerkannte und vielfach angewandte Methode (vgl. dazu Münch-Komm-AktG/Bilda § 304 Rn. 81 ff), die zu sachgerechten Ergebnissen führt.

Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass die auch nach Auffassung des Landgerichts den außenstehenden Aktionären zustehende Körperschaftssteuergutschrift in Höhe von 9,89 DM je Aktie im Nennwert von 50,- DM in die Beschlussformel aufzunehmen ist.

2. Die angemessene Barabfindung

Die vom Gesetz vorgeschriebene angemessene Barabfindung muss die Verhältnisse der beherrschten Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Beherrschungsvertrag berücksichtigen (vgl. § 305 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 2 AktG). Sie ist nur dann angemessen, wenn dem außenstehenden Aktionär eine volle Entschädigung gewährt wird. Dabei stellt der Verkehrswert der Aktie, das ist regelmäßig ihr Kurswert, die untere Grenze der wirtschaftlich vollen Entschädigung dar. Liegt jedoch der auf Grund anerkannter betriebswirtschaftlicher Methode ermittelte Schätzwert des Unternehmens über dem Börsenwert, so steht dem Aktionär der höhere Betrag des quotal auf die Aktie bezogenen Schätzwerts zu (vgl. dazu die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 1999 in der Sache 1 BvR 1613/94 = BVerfGE100, 289 = NJW 1999, 3769 = WM 1999, 1666 = ZIP 1999, 1436 = DB 1999, 1693 = BB 1999, 1778 = JZ 1999, 942 = NZG 1999, 931 = AG 1999, 566 = EuGRZ 1999, 481 = DNotZ 1999, 831; und vom 8. September 1999 in der Sache 1 BvR 301/89 = ZIP 1999, 1804 sowie die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. März 2001 in der Sache II ZB 15/00 = NJW 2001, 2080 = ZIP 2001, 734 = WM 2001, 856 = DB 2001, 969 = BB 2001, 1053 = NZG 2001, 603 = DStR 2001, 754).

Auch diesen Vorgaben wird die landgerichtliche Entscheidung gerecht, auch wenn nach der im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung und der Entscheidung des Landgerichts vorherrschenden Rechtsmeinung der Kurswert der Aktie noch nicht als Abfindungsuntergrenze anerkannt war (vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Luttermann ZIP 2001, 869, 870); denn die Entscheidung des Landgerichts über die Höhe der angemessenen Barabfindung orientiert sich nicht an dem Kurswert der Aktien der Beteiligten zu 10. in den Monaten Mai, Juni und Juli 1988, sondern an dem den Börsenwert des Unternehmens übersteigenden Schätzwert des Unternehmens.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts findet § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG hier Anwendung, auch wenn diese Vorschrift im Zeitpunkt der Eintragung des Unternehmensvertrages in das Handelsregister noch nicht galt. Der Senat folgt insoweit dem Oberlandesgericht Düsseldorf (NZG 2000, 693 = AG 2000, 323). Maßgeblich ist nach Auffassung des Senats, ob das Spruchstellenverfahren - wie hier - noch nach Inkrafttreten der Neufassung des § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG anhängig war (so auch Münch-Komm- AktG/Bilda § 305 Rn. 93, der in Rn. 94 zu Recht auf die hier nicht zu entscheidende Kumulationsproblematik hinweist.).

3. Einwendungen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren:

a) Plandaten

Soweit die Antragsgegnerinnen kritisieren, dass der Sachverständige Plandaten für die Phase I (vom Sachverständigen als Mittelfristplanung und von den Antragsgegnerinnen als Langfristplanung bezeichnet) nicht nach unten korrigiert hat und sie sich dabei auf das im Auftrag der Beteiligten zu 10. von Professor Dr. B. erstellte Gutachten (Bl. 735 ff d.A.) stützen, vermag ihnen der Senat nicht zu folgen. Die von diesem Gutachten angenommenen Fehler in der Langfristplanung des Sachverständigen hat der Senat nicht feststellen können. Dem Senat ist auch eine unter Berufung auf eine Entscheidung des Landgerichts Dortmund (AG 1994, 86) beschriebene "allgemeine Erfahrungstatsache, dass Planungsrechnungen von Vorständen eher optimistisch gefärbt sind, da sie zum Teil auch als Zielmarken und als Ansporn für weitere Anstrengungen der Unternehmensmitarbeiter gedacht sind", nicht nur nicht bekannt; eine solche allgemeine Erfahrungstatsache gibt es auch nicht. Eine auf eine große Zahl von Einzelfällen gegründete besondere Erfahrung ist nicht belegt.

b) Geschäftsbereiche

Die von einzelnen Antragstellerinnen und Antragstellern erhobenen Einwendungen gegen den Wertansatz Null für den Geschäftsbereich "H." sind nach Meinung des Senats unbegründet. Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Sachverständige die Problematik der Bewertung ertragsschwacher Unternehmen bzw. Unternehmensteile hinreichend berücksichtigt hat. Wenn er aus den von ihm ermittelten möglichen Schwankungsbreiten beim Ertragswert zwischen minus 13 Millionen DM und plus 10 Millionen DM und beim Liquidationswert von minus 36 Millionen DM und plus 34 Millionen DM, zu einem Geschäftsbereichswert von Null gelangt, so kann dem nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Beteiligung Herta zum 31. Dezember 1987 noch mit einem Bilanzwert von 73,6 Millionen DM angesetzt war. Diesen Umstand hat der Sachverständige im übrigen ausdrücklich berücksichtigt.

Soweit die Antragsgegnerinnen die Bewertung des Geschäftsbereichs H. mit Null als zu hoch ansehen, und auch insoweit kritisieren, dass der Sachverständige das ihm von der Beteiligten zu 10. zur Verfügung gestellte Zahlenmaterial unzutreffend interpretiert habe, vermag ihnen der Senat nicht zu folgen.

Die von einzelnen Antragstellerinnen und Antragstellern gegen die Bewertung des Geschäftsbereichs D. erhobenen Einwendungen, teilt der Senat nicht. Der Sachverständige hat den Umstand, dass die Beteiligte zu 10. an D. nur zu 50 % beteiligt ist, zutreffend auch bei der Phase II ("Ewige Rente") berücksichtigt.

c) Kapitalisierungszinsfuß

Die von einzelnen Beteiligten erhobenen Einwendungen gegen den Ansatz eines Kapitalisierungszinssatzes von 8,8 % für die Phase I (1988 bis 1991) und eines Kapitalisierungszinssatzes von 7,3 % für die Phase II (1992 und Folgejahre) greifen nach Auffassung des Senats nicht durch.

Der Sachverständige ist für die Phase I von einem Basiszinssatz von 7,8 % sowie einem Zuschlag für das allgemeine Unternehmerrisiko von 1 % ausgegangen. Für die Phase II hat er den Risikozuschlag mit 1,5 % und einen Inflationsabschlag von 2 % berücksichtigt. Diese Berechnung ist weder von der Methode noch vom Ergebnis her zu beanstanden und entspricht den allgemeinen Grundsätzen der Unternehmensbewertung im Spruchstellenverfahren. Der Umstand, dass der Kapitalisierungszinssatz der Phase II niedriger ist als derjenige der Phase I, lässt Schlussfolgerungen auf ein unzutreffendes Ergebnis nicht zu.

Der Senat hält es auch für sachgerecht, dass der Sachverständige für die Phase I keinen Inflationsabschlag angesetzt hat, sondern davon ausgegangen ist, dass in der Kurzfristplanung (von 1 Jahr) und der Mittelfristplanung (von insgesamt 3 Jahren) mit inflationierten Kosten und Erträgen gerechnet wurde.

d) Nicht betriebsnotwendiges Vermögen

Der Senat hat keinen Anhaltspunkt dafür finden können, dass der Sachverständige bei der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen oder zum Verkauf bestimmten Vermögens sachwidrig vorgegangen ist. Die Einwendungen der Antragstellerinnen und Antragsteller sind insoweit auch zu unbestimmt.

e) Körperschaftssteuergesetz

Mit dem Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass die Änderung des Körperschaftssteuergesetzes durch das Steuerreformgesetz vom 25.Juli 1988 (BGBl. I, 1093) unberücksichtigt bleiben muss.

f) weitere Einwendungen

Soweit einzelne Beteiligte Einwendungen z.B. zu den Konzernverrechnungspreisen, den Lizenzaufwendungen, den Verbundeffekten und dem Immobilienvermögen erheben, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass sie eine Änderung der landgerichtlichen Festsetzungen hinsichtlich des angemessenen Ausgleichs und der angemessenen Barabfindung in nennenswertem Unfang begründen könnten.

Soweit im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Börsenkurs als Abfindungsuntergrenze die Frage der Bewertung börsennotierter Tochtergesellschaften aufgeworfen worden ist, kann dies hier offen bleiben, weil nach dem Sachverständigengutachten nicht ersichtlich ist, dass zu den verbundenen Unternehmen der N. D. AG im Beurteilungszeitraum börsennotierte Unternehmen gehörten.

4. Nebenentscheidungen

a) Das landgerichtliche Verfahren

Zu Recht hat das Landgericht die gerichtlichen und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens sowie die an die Vertreter der außenstehenden Aktionäre zu zahlende Vergütung den Antragsgegnerinnen auferlegt (§§ 306 Abs. 7 Satz 7 AktG, 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG).

Der Geschäftswert des Spruchstellenverfahrens ist von Amts wegen nach § 30 Abs. 1 KostO zu bestimmen (§ 306 Abs. 7 Satz 5 und 6 AktG). Die gerichtliche Praxis übt das ihr vom Gesetz eingeräumte freie Ermessen dahin aus, dass sie auf die Differenz zwischen der vertraglich angebotenen und der gerichtlich festgesetzten angemessenen Leistung je Aktie, vervielfacht mit der Gesamtzahl der Aktien der außenstehenden Aktionäre, abstellt (vgl. dazu BayObLG DB 2001, 191 = FGPrax 2001, 84; OLG Stuttgart NGZ 2001, 174 und AG 2001, 314)

Damit stimmt auch die landgerichtliche Festsetzung überein. Das Landgericht hat die Zahl der die Zahl der Aktien der außenstehenden Aktionäre (217.196) mit dem Differenzbetrag (102,13 DM) vervielfacht.

Der Senat schließt sich der beschriebenen Praxis an. Bei börsennotierten Aktien ist nach Auffassung des Senats jedoch die Differenz zwischen dem am Kurswert orientierten Verkehrswert und der gerichtlich festgesetzten angemessenen Leistung zugrunde zu legen, weil eine Festsetzung unter dem Kurswert grundsätzlich und auch hier nicht (mehr) in Frage kommt. In Anbetracht dessen ist der Geschäftswert herabzusetzen. Der Senat hält den Betrag von 10.000.000,-- DM für angemessen.

Soweit das Landgericht den Gegenstandswert für die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der antragstellenden Aktionäre auf 102,13 DM je innegehaltener Aktie festgesetzt hat, entspricht dies zwar der gerichtlichen Praxis, wenn die Zahl der von jedem antragstellenden Aktionär gehaltenen Aktien feststeht. Ist dies wie hier nicht der Fall und auch nicht ersichtlich, dass ein antragstellender Aktionär im Verhältnis zu den anderen antragstellenden Aktionären einen erheblich größeren Teil der Aktien besitzt, wird der Gegenstandswert in der Weise errechnet, dass der für die Bemessung der Gerichtsgebühren festgesetzte Geschäftswert auf die antragstellenden Aktionäre nach Kopfteilen aufgeteilt wird (vgl. dazu BayObLG DB 2001, 191 = FGPrax 2001, 84 und EWiR 2001, 421 Anm. Bork; BGH NJW-RR 1999, 1191). Danach ergibt sich hier ein Gegenstandswert von 1.428.000,-- DM je Antragsteller.

Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung als Vergütung der Vertreter der außenstehenden Aktonäre drei volle Gebühren nach § 118 BRAGO unter Zugrundelegung des Geschäftswerts angenommen. Demgegenüber hält der Senat eine starre Anbindung an den Geschäftswert nicht für zwingend. Er geht mit dem Bayerischen Obersten Landesgericht (DB 2001, 191 = FGPrax 2001, 84) davon aus, dass die Gebühren nach § 118 BRAGO lediglich ein Anhalt für die angemessene Vergütung sein können und dass vielmehr der Umfang der Verantwortung, die geleistete Arbeit und deren Schwierigkeit, die Dauer des Verfahrens und die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen maßgeblich sind.

Der Senat schätzt die Gesamtleistung der Vertreter der außenstehenden und ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Vertretenen hoch ein und hält eine Vergütung von je 150.000,- DM zuzüglich Mehrwertsteuer für angemessen.

b) Das Beschwerdeverfahren

Die Entscheidung des Senats hinsichtlich der Gerichtskosten beruht auf den §§ 306 Abs. 7 Satz 7 AktG.

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten kommt hier nicht in Betracht, weil die Beschwerden im wesentlichen erfolglos waren (§ 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG) und eine unterschiedliche Bewertung der Beschwer der Antragstellerinnen und Antragsteller einerseits und der Antragsgegnerinnen andererseits nicht sachgerecht erscheint.

Der Senat hält es für angemessen, auch für das Beschwerdeverfahren einen Geschäftswert in Höhe von 10.000.000,- DM zu bestimmen und den Gegenstandswert für die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen und Antragsteller auf je 1.428.000,- DM festzusetzen . Er hat dabei nicht übersehen, dass mit den Beschwerden der Antragstellerinnen und Antragsteller eine Erhöhung des angemessenen Ausgleichs und der angemessenen Abfindung erstrebt wurde.

Der Senat hält es nicht für gerechtfertigt, die Vergütung der Vertreter der außenstehenden Aktionäre im Beschwerdeverfahren anders zu bewerten als im landgerichtlichen Verfahren.

Ende der Entscheidung

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