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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.01.2007
Aktenzeichen: 20 W 429/06
Rechtsgebiete: VBGB


Vorschriften:

VBGB § 5 Abs. 1
VBGV § 5 Abs. 2
Für die Bemessung des pauschalierten Stundenansatzes kommt es nach einem vollzogenen Betreuerwechsel auf den Zeitpunkt der erstmaligen Einrichtung der Betreuung an. Dies gilt auch dann, wenn zunächst ein ehrenamtlicher Betreuer bestellt war, der wegen mangelnder Eignung entlassen wurde.
Gründe:

I.

Für die Betroffene wurde zunächst mit Beschluss vom 28. August 2003 ein Neffe ihres Ehemannes zum ehrenamtlichen Betreuer bestellt. Nachdem die bis zu diesem Zeitpunkt mittellose Betroffene von ihrem im Juli 2004 verstorbenen Ehemann ein aus verschiedenen Immobilien und Konten bestehendes Vermögen in einer Größenordnung von ca. 2 Mio EUR geerbt hatte und der ehrenamtliche Betreuer Rückstände bei den Heimkosten auflaufen ließ und trotz Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht Rechnung legte, entließ das Amtsgericht nach Anhörung und Zustimmung der Betroffenen mit Beschluss vom 29. April 2005 den ehrenamtlichen Betreuer und bestellte die jetzige Betreuerin, welche als Rechtsanwältin die Betreuung berufsmäßig führt.

Für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 04. Mai 2005 bis 30. Juni 2005 bewilligte das Amtsgericht der Betreuerin auf der Grundlage eines Stundensatzes von 31,-- EUR zuzüglich Mehrwertsteuer sowie 43,75 Stunden nachgewiesener Tätigkeit eine aus dem Vermögen der Betroffenen zu zahlende Vergütung von 1.573,25 EUR.

Für die Zeit vom 01. Juli 2005 bis 03. August 2006 beantragte die Betreuerin die Festsetzung einer Vergütung von insgesamt 3.036,00 EUR. Hierbei legte sie für die Zeit vom 01. Juli bis 03. August 2005 den Stundensatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 VBVG (Betreuung in den ersten drei Monaten, vermögende Betroffene, Aufenthalt im Heim), für die Zeit vom 04. August bis 03. November 2005 den Stundensatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 VBVG (Betreuung im vierten bis sechsten Monat, vermögende Betroffene, Aufenthalt im Heim), für die Zeit vom 04. November 2005 bis 03. Mai 2006 den Stundenansatz des § 5 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 VBVG (Betreuung im siebten bis zwölften Monat, vermögende Betroffene, Aufenthalt außerhalb eines Heims) und für die Zeit vom 04. Mai bis 03. August 2006 den Stundensatz des § 5 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 4 VBVG (Betreuung länger als zwölf Monate, vermögende Betroffene, Aufenthalt außerhalb eines Heims) zugrunde.

Das Amtsgericht setzte mit Beschluss vom 05. September 2006 eine Vergütung in Höhe von 2.134,-- EUR zugrunde, wobei bereits für die Zeit ab 01. Juli 2005 von einer länger als zwölf Monate andauernden Betreuung ausgegangen und zunächst der Stundensatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 4 VBVG und für die Zeit ab dem 31. Oktober 2005 wegen des zwischenzeitlich erfolgten Umzuges der Betroffenen aus dem Heim zurück in ihr Haus der Stundensatz des § 5 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 4 BVG in Ansatz gebracht wurde.

Hiergegen wandte sich die Betreuerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie insbesondere geltend machte, beim Stundenansatz sei hinsichtlich der Dauer der Betreuung nicht auf die erstmalige Bestellung des ehrenamtlichen Betreuers, sondern vielmehr auf den erstmaligen Zeitpunkt ihrer Bestellung zur Berufsbetreuerin am 29. April 2005 abzustellen, da der ehrenamtliche Betreuer wegen mangelnder Eignung entlassen worden sei.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Betroffenen wies das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. Oktober 2006 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, das Amtsgericht habe zutreffend die Stundenansätze des § 5 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 4 und Satz 2 Ziffer 4 VBVG zugrunde gelegt, da es hierbei maßgeblich nicht auf die erstmalige Bestellung eines Berufsbetreuers, sondern die erste Bestellung eines Betreuers überhaupt ankomme, wobei es sich auch um einen ehrenamtlichen Betreuer handeln könne.

Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde erweist sich kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß §§ 69 e Abs. 1 Satz 1, 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG als statthaft und auch im Übrigen als zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache führt das Rechtsmittel jedoch nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Für die Bemessung der sich seit dem Inkrafttreten des 2. BtÄndG zum 01. Juli 2005 nach den Vorschriften des VBVG richtenden pauschalen Vergütung des Berufsbetreuers kommt es auch im Falle eines vollzogenen Betreuerwechsels auf den Zeitpunkt der erstmaligen Einrichtung der Betreuung an.

Nach § 5 VBVG ist der dem Berufsbetreuer zu vergütende Zeitaufwand nach pauschalierten Stundenansätzen zu bemessen, die in zeitlicher Hinsicht in vier Stufen einen kontinuierlich abnehmenden Zeitaufwand für die ersten drei Monate der Betreuung, den Zeitraum vom 1. bis 6. Monat, vom 7. bis 12. Monat und die danach folgende Zeit differenzieren. In sachlicher Hinsicht werden innerhalb dieses Zeitrasters unterschiedliche Stundenansätze danach vorgegeben, ob der Betreute vermögend oder mittellos ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in oder außerhalb eines Heimes hat.

Der Senat schließt sich der in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwischenzeitlich einhellig vertretenen Auffassung an, wonach für die Einordnung in die jeweiligen Zeitraster des § 5 VBVG auf die erstmalige Begründung des Betreuungsverhältnisses abzustellen ist und dies auch dann gilt, wenn zunächst ein ehrenamtlicher Betreuer bestellt war und sodann ein Wechsel zu einem Berufsbetreuer erfolgte (so OLG München BtPrax 2006, 73; OLG Schleswig FGPrax 2006, 120; OLG Hamm FGPrax 2006, 209; OLG Karlsruhe OLG Report 2006, 667; OLG Köln OLG-Report 2006, 792 und FamRZ 2006, 1876).

Zwar wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, im Falle der Entlassung eines zunächst tätigen ehrenamtlichen Betreuers wegen mangelnder Eignung nach § 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB sei für den nachfolgend bestellten Berufsbetreuer der Stundenansatz mit der jeweils erhöhten Eingangsstufe des vierstufigen Zeitrasters beginnend zugrunde zu legen. Dies soll sich insbesondere aus der Erwägung ergeben, dass das VBVG insgesamt nur die Vergütung des Berufsbetreuers regelt, da der ehrenamtliche Betreuer keine Vergütung erhält (vgl. Deinert BtPrax spezial 2005, S. 13/15 und JurBüro 2005, S. 285/286; Deinert/Lütgens, Die Vergütung des Betreuers, 4. Aufl., Rn. 1432 ff; Bestelmeyer, Rpfleger 2005, S. 583/590).

Einer derartigen Auslegung stehen jedoch der Gesetzeswortlaut sowie der Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung entgegen. Schon der Wortlaut des § 5 Abs. 1 und 2 VBVG stellt für die Abgrenzung der zeitlich gestaffelten Vergütungsstufen ausdrücklich auf die Dauer der Betreuung und nicht auf die Dauer der Tätigkeit des die Vergütung konkret beanspruchenden einzelnen Betreuers ab.

Dies wird auch durch den Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung bestätigt. Ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber mit der Neuregelung der Vergütung eine konsequente Pauschalierung des Zeitaufwandes für die Betreuung schaffen und ein "einfaches, streitvermeidendes und an der Realität orientiertes, für die Betreuer auskömmliches Abrechnungssystem" einführen, welches gerade keine Ausnahmen durch eine Einzelfallbetrachtung mehr zulassen und auf der durch eine empirische Untersuchung bestätigten Erkenntnis beruhen soll, dass im Regelfall der Betreuungsaufwand nach Spitzenwerten während der ersten drei Monate kontinuierlich bis zum Ablauf des ersten Jahres der Betreuung abnimmt (vgl. BT-Drucks. 15/4874 S. 73 und 15/2494 S. 31 ff). Dabei hat der Gesetzgeber den mit einem Betreuerwechsel in aller Regel einher gehenden Mehraufwand gesehen, aber die Schaffung einer Ausnahme hierfür ausgeschlossen, weil dieser Zeitaufwand bereits in die Kalkulation der Pauschalsätze einbezogen worden sei. Dies soll nach der Gesetzesbegründung ausdrücklich auch für den Fall der Ersetzung eines ehrenamtlichen Betreuers durch einen Berufsbetreuer gelten (vgl. Bt-Drucks. 15/2494 S. 34).

Damit kommt nach dem Gesetzeswortlaut und der Konzeption der gesetzlichen Neuregelung mit den starren Pauschalen eine Ausnahme auch nicht für den Fall in Betracht, dass der Wechsel zu einem Berufsbetreuer erfolgt, weil der zuvor tätige ehrenamtliche Betreuer wegen einer Überforderung oder sonstigen Ungeeignetheit entlassen werden musste, obwohl auch hiermit für den nachfolgenden Berufsbetreuer vielfach zunächst einen höheren Zeitaufwand verbunden ist. Denn auch für diesen in der Praxis des Öfteren vorkommenden Fall des Betreuerwechsels hat der Gesetzgeber an dem Grundsatz festgehalten, dass die Pauschalen des § 5 Abs. 1 und 2 VBVG von Beginn des Betreuungsverfahrens an feststehen und vom tatsächlichen Aufwand im konkreten Fall unabhängig sein sollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung schließt sich der Senat ausdrücklich den Ausführungen der bereits eingangs zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte München, Schleswig, Hamm und Köln an.

Zwar hat das Oberlandesgericht Zweibrücken (FGPrax 2006, 167) die Anwendung des erhöhten Zeitansatzes nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 VBVG für einen Berufsbetreuer herangezogen, dessen Wirkungskreis wegen Pflichtwidrigkeiten des zuvor entlassenen früheren Betreuers ausdrücklich auf den Wirkungskreis der Geltendmachung von Regressansprüchen gegenüber diesem früheren Betreuer, die mit der ganz erheblichen Größenordnung von 140.000,-- EUR im Raum standen, erstreckt worden war. Der Senat lässt dahinstehen, ob derartige außergewöhnliche Umstände die Durchbrechung des der Regelung des § 5 VBVG innewohnenden Grundsatzes der Staffelung der Zeitstufen nach dem erstmaligen Beginn der Betreuung rechtfertigen können und ob hierzu überhaupt ein Bedürfnis besteht im Hinblick auf die dem anwaltlichen Berufsbetreuer weiterhin eröffnete Möglichkeit eines Aufwendungsersatzes für solche Tätigkeiten nach § 1835 Abs. 3 BGB und für einen sonstigen Betreuer durch Beauftragung eines Rechtsanwaltes (vgl. hierzu OLG München, a.a.O.). Denn jedenfalls weist der vorliegende Sachverhalt derartige atypische Besonderheiten nicht auf. Vielmehr erfolgte die Entlassung des zunächst aus dem Familienkreis ehrenamtlich bestellten Betreuers, weil dieser trotz engagierter Bemühungen um das persönliche Wohl der Betroffenen sich bei der Begleichung der Heimkosten und der Rechnungslegung gegenüber dem Gericht als nachlässig erwiesen hatte und die Anforderungen an die Qualifikation des Betreuers sich durch den Anfall einer beträchtlichen Erbschaft mit Auslandsbezug wesentlich verändert hatten.

Im Übrigen war die Betreuerin im vorliegenden Falle für die besonders zeitintensiven Tätigkeiten in den ersten Monaten unmittelbar nach Übernahme der Betreuung ohnehin noch nach altem Recht und somit unter Berücksichtigung des tatsächlich entfalteten und nachgewiesenen Zeitaufwandes zu vergüten.

Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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